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MAGAZIN Suggestionen 2020

Das Magazin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V. in der Ausgabe 2020.

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8 Hypnotherapie bei Depressionen<br />

Hypnotherapie bei Depressionen 9<br />

Hynotherapie bei<br />

Depressionen<br />

D<br />

ie Depression ist die häufigste psychische<br />

Störung in der allgemeinmedizinischen<br />

Praxis und betrifft ca. 10%<br />

der Patienten. Als Ursache wird ein multifaktorielles<br />

Geschehen angenommen,<br />

das biologische, psychische und soziale<br />

Faktoren beinhaltet. Frauen sind deutlich<br />

häufiger betroffen, wobei man unterschiedliche<br />

Gründe dafür diskutiert. Zum<br />

einen werden hormonelle Faktoren verantwortlich<br />

gemacht, genauso aber auch<br />

die zunehmende Dreifachbelastung durch<br />

Beruf, Haushalt und Familie. Ca. 3-4% der<br />

depressiven Patienten versterben durch<br />

Suizid, Männer häufiger als Frauen, obwohl<br />

Frauen mehr Suizidversuche unternehmen.<br />

Viele Patienten berichten über Schlafstörungen,<br />

gedrückte Stimmung, Antriebslosigkeit,<br />

vermindertes Selbstvertrauen. Die Diagnose<br />

wird entsprechend der Klassifikation des<br />

ICD-10 gestellt, wobei die Symptomatik zur<br />

Diagnosestellung mindestens zwei Wochen<br />

vorliegen muss. Die S3 Leit-/Nationalen Versorgungsleitlinie<br />

unterteilt die Depressionen<br />

in eine leichte, mittelgradige oder schwere<br />

Form (Tab. 1). Leitliniengerecht kann die<br />

Psychotherapie bei jedem Schweregrad eingesetzt<br />

werden, bei mittelschweren und<br />

schweren Verläufen auch in Kombination<br />

mit Antidepressiva. Viele Psychotherapeuten<br />

empfinden die Behandlung depressiver Patienten<br />

als sehr belastend. So schrieben z.B.<br />

Gotlib & Robinson 1982, dass „der Kontakt<br />

zwischen einem depressiven Patienten und<br />

einem Therapeuten auf das Befinden des<br />

Patienten oft keinen Einfluss hat, wohingegen<br />

das Befinden des Therapeuten sich oft<br />

deutlich verschlechtert.“<br />

Es entsteht ein therapeutisches Dilemma, da<br />

die Diagnose einer Depression in der Praxis<br />

häufig vorkommt, aber die Therapie für den<br />

Therapeuten eine besondere Herausforderung<br />

darstellt.<br />

Hieraus ergeben sich folgende Fragen:<br />

Was macht die Behandlung depressiver<br />

Patienten so schwierig?<br />

Warum kann gerade die Hypnotherapie<br />

erfolgreich bei depressiven Patienten eingesetzt<br />

werden?<br />

Sowohl Michael D. Yapko (1995) als auch<br />

Ortwin Meiss (2016) haben die Sprachmuster<br />

von depressiven Patienten näher untersucht.<br />

Dabei stellten sie fest, dass depressive<br />

Menschen die gleichen Sprachmuster und<br />

Trancephänomene verwenden, wie wir Therapeuten<br />

sie in der Hypnotherapie einsetzen.<br />

Durch die negativen Sprachmuster versetzen<br />

Autorin: Dr. med. Nikola Aufmkolk<br />

die Patienten sich und ihr Umfeld in eine<br />

Negativ-Trance und übertragen ihre depressive<br />

Stimmung auf die Umgebung und damit<br />

auch auf den Therapeuten (Tab. 2, Tab.<br />

3). Wenn der Therapeut diese Trancephänomene<br />

erkennt, kann er sich besser davor<br />

schützen. Andererseits kann der Therapeut<br />

das Wissen um die negativen Sprachmuster<br />

und Trancephänomene für die Behandlung<br />

depressiver Patienten nutzen, denn der depressive<br />

Patient befindet sich oft schon in<br />

einem Trancezustand und reagiert gut auf<br />

<strong>Suggestionen</strong>.<br />

Fazit: Die Hypnotherapie nutzt ähnliche<br />

Mittel zur Genesung, wie der Patient sie<br />

zur Aufrechterhaltung der Erkrankung<br />

verwendet.<br />

Wie kann nun konkret die Hypnotherapie<br />

in der Behandlung depressiver Patienten<br />

angewendet werden?<br />

Am Anfang der Therapie steht immer der<br />

Beziehungsaufbau und die Anamnese. Die<br />

Anamnese sollte bei depressiven Patientenso<br />

kurz wie möglich sein. Die Beschreibung der<br />

Leidensgeschichte kann eine intensive Negativ-Trance<br />

beim Patienten und Therapeuten<br />

auslösen. Trotzdem ist eswichtig, die Geschichte<br />

des Patienten ausreichend zu würdigen.<br />

Der Therapeut muss das Erklärungsmodell<br />

des Patienten verstehen, Bilder und<br />

Emotionen zur Depression erfahren und seine<br />

Sprach- und Trancephänomene erkennen.<br />

In der ersten Stunde werden gemeinsam<br />

konkrete Therapieziele entwickelt und Erwartungen<br />

aufgebaut, um damit auch Hoffnung<br />

auf Besserung bei dem Patienten zu<br />

wecken. In der hypnotherapeutischen Arbeit<br />

wird dem Patienten ermöglicht, Änderungen<br />

seiner Verhaltensweisen und Emotionen zu<br />

erfahren. Die Bilder, die der Patient bzgl. seiner<br />

Depression oft spontan schon geäußert<br />

hat, können in Trance genutzt und verändert<br />

werden (z.B. Gewichte auf den Schultern –<br />

Versuchen, diese in Trance abzulegen…).<br />

Zu Beginn der Behandlung<br />

Es ist wichtig, zu Beginn der Behandlung keine<br />

direkten <strong>Suggestionen</strong> zur Kraft und Freude<br />

zu geben. Diese können vom depressiven<br />

Patienten nicht empfunden werden und sie<br />

fühlen sich dadurch im Anschluss oft noch insuffizienter.<br />

Aus demselben Grund sollte zu<br />

Beginn der Therapie keine positive Zukunftsprojektion<br />

erfolgen.<br />

Sinnvoll ist es, mit einer Ressourcenaktivierung<br />

zu beginnen. Positive Erlebnisse sind<br />

im impliziten Gedächtnis gespeichert. Dieses<br />

ist unbewusst und speichert Erinnerungen<br />

an Erleben und Gefühle. Das implizite Gedächtnis<br />

ist nicht durch Depressionen beeinflusst.<br />

Beispiele dafür können Erinnerungen<br />

an einen schönen Urlaub sein, positive Beziehungserfahrungen<br />

oder positive Gefühle<br />

beim Sport. Häufig berichten die Patienten<br />

nicht spontan davon, so dass man den Patienten<br />

direkt danach fragen sollte Die Körperwahrnehmung<br />

ist bei vielen depressiven<br />

Menschen gestört, daher sollte jeder depressive<br />

Patient zu Sport (Laufen, Schwimmen,<br />

Radfahren o.ä.) angehalten werden. Zusätzlich<br />

sind Achtsamkeitsübungen, wie z.B. ein<br />

Bodyscan, der die Wahrnehmung des eigenen<br />

Körpers schult, notwendig. Auch Trancen<br />

mit realen Bewegungen wie „Schwingen<br />

wie ein Baum im Wind“ beim stehenden Patienten<br />

können sehr hilfreich sein. Depressive<br />

Patienten fühlen sich in ihren Gedanken<br />

und auch in ihrem Körper oft gefangen und<br />

unbeweglich. Dadurch wird das Erleben von<br />

Beweglichkeit und Lebendigkeit in der Trance<br />

als sehr befreiend erlebt. Übungen zur<br />

Ich-Stärkung, wie imaginative Übungen zum<br />

Nein-Sagen oder Grenzen-Setzen, verbessern<br />

die Abgrenzung nach außen und führen zu<br />

einer Verbesserung der Selbstwahrnehmung<br />

und des Selbstwertes. Bei einigen Patienten<br />

ist es sinnvoll, Erlebnisse der Vergangenheit<br />

aufzuarbeiten. Hierzu eignen sich hypnotherapeutische<br />

Techniken wie z.B. die Altersregression,<br />

innere Kind-Arbeit u.v.m..<br />

Positive Entwicklung<br />

Nach erfolgreicher Ressourcenaktivierung<br />

kann im Verlauf der Therapie die Imagination<br />

einer positiven Entwicklung und die<br />

Überwindung der Depression als Zukunftsprojektion<br />

erfolgen. Die Hinweise aus den<br />

Trancen kann der Patient nutzen, um selbst<br />

aktiv an der Überwindung seiner depressiven<br />

Symptomatik zuarbeiten. Zusammenfassend<br />

ist der depressive Patient einer hypnotherapeutischen<br />

Behandlung in der Regel sehr<br />

gut zugänglich, da er selbst Sprachmuster<br />

Beispiele für hypnotherapeutische Sprachmuster bei Depressiven<br />

Truismen<br />

Annahmen<br />

Verknüpfungen<br />

Einstreuungen<br />

Zwei negative Alternativen<br />

Allumfassende negative Alternative<br />

Beispiele für Trancephänomene bei Depressiven<br />

Altersregression<br />

Altersprogression<br />

Zeitverzerrung<br />

Amnesie/Dissoziation<br />

Sensorische Veränderungen<br />

Das Wetter macht einen einfach depressiv.<br />

Ich kann mich mit anderen nicht unterhalten.<br />

Ich habe keine Arbeit und liege deshalb auf dem Sofa.<br />

und Trancephänomene zur Aufrechterhaltung<br />

seiner Erkrankung nutzt. Es gibt viele<br />

unterschiedliche Techniken, die in der Behandlung<br />

depressiver Patienten eingesetzt<br />

werden können, wobei es zu Beginn wichtig<br />

ist, nicht zu früh direkte positive <strong>Suggestionen</strong><br />

vermitteln zu wollen. Der Nutzung des<br />

impliziten Gedächtnisses zur Ressourcenaktivierung<br />

kommt am Anfang der Therapie eine<br />

besondere Bedeutung zu. Achtsamkeitsübungen,<br />

Ich-Stärkung und Altersregression<br />

können neben vielen weiteren Interventionen<br />

je nach Krankheitsbild und Persönlichkeit<br />

des Patienten eingesetzt werden, um<br />

schon recht bald das Befinden des Patienten<br />

positiv zu verändern.

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