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MAGAZIN Suggestionen 2020

Das Magazin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V. in der Ausgabe 2020.

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Rezensionen & Neuerscheinungen<br />

Rezensionen & Neuerscheinungen<br />

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Rezensionen &<br />

Neuerscheinungen<br />

Autoren: Dr. med. dent. Peter Dünninger // Dipl.-Psych. Anke Precht<br />

Patrick McCarthy:<br />

>> Wie man Angst in nur vier Sitzungen<br />

heilt.<br />

Carl Auer, Heidelberg 2019<br />

Der Titel klingt schon einmal ziemlich selbstbewusst.<br />

Normalerweise hätte mich das<br />

schon etwas gegen den Autor voreingenommen.<br />

Nachdem ich aber im letzten Jahr von<br />

einem Artikel über McCarthys Teekannen-<br />

Test so begeistert war (<strong>Suggestionen</strong> 2019),<br />

ging ich mit einiger Vorfreude ans Lesen.<br />

Und siehe da, es lohnte sich!<br />

Eigentlich steht das Wichtigste schon in der<br />

Einleitung: McCarthy wird darin als „Taxifahrer-Therapeut“<br />

bezeichnet. Welche Frage<br />

stellt der Taxifahrer zuerst? „Wo wollen Sie<br />

hin?“ Wo der Fahrgast herkommt, ist ihm relativ<br />

egal. Und das ist auch das Hauptmerkmal<br />

von McCarthys Psychotherapie: absolut<br />

lösungsorientiert. Auch das mit den vier<br />

Sitzungen, wird glaubhaft versichert, soll<br />

funktionieren. Es geht also schnell, aber damit<br />

noch nicht automatisch einfach. Wenn<br />

der Autor seine Interventionen an den vier<br />

Sitzungstagen schildert, nebst den notwendigen<br />

Vorbereitungen und aller Faktoren, die<br />

es dabei zu bedenken gilt, wird schnell klar,<br />

welche immense Routine und Erfahrung in<br />

diese nur vordergründig so kurze Therapie<br />

einfließen.<br />

McCarthy bezeichnet sich auch ausdrücklich<br />

nicht als Hypnotherapeuten. Vielmehr sieht<br />

er sich mehr wie ein Dirigent, der selber keine<br />

einzige Note spielt, aber das Orchester<br />

dazu bringt, eine Melodie hervorzubringen.<br />

Schönes Bild. Er legt allerdings größten Wert<br />

auf das Erzeugen einer möglichst hohen<br />

Erwartungshaltung und dabei hilft schon<br />

gleich der erwähnte Teekannen-Test, der in<br />

aller Breite geschildert wird, nichts anderes,<br />

als ein sehr fantasievoller Suggestibilitätstest,<br />

der gleichzeitig die Neugier und Erwartungshaltung<br />

erheblich steigert.<br />

Die vier Therapiesitzungen werden bis in die<br />

kleinste Formulierung explizit dargestellt<br />

und analysiert. Jede für sich ist ein Kunstwerk.<br />

Insbesondere die letzte Intervention<br />

„Der besondere Ort der Glückseligkeit“ lohnt<br />

schon alleine den Kauf des Buches. Die Anwendung<br />

sollte auch über den Einsatz bei<br />

Angst hinaus für eine ganze Reihe anderer<br />

Probleme gut möglich sein.<br />

Alles in allem: ziemlich genial! Ich glaube,<br />

dass jede(r) Therapeut(in) von diesem Buch<br />

profitieren kann und sei es nur wegen des ästhetischen<br />

Genusses der Kunstfertigkeit der<br />

Interventionen. > Es tut so weh!<br />

Lösungen für einen heilsamen Umgang<br />

mit chronischem Schmerz<br />

fischer & gann in Kamphausen,<br />

Bielefeld 2019.<br />

Der Anästhesist und Schmerzmediziner Jelitto<br />

beleuchtet in seinem Buch sehr detailliert<br />

die ganz individuellen Bedeutungsebenen<br />

von chronischem Schmerz.<br />

Nach der Differenzierung von akutem (körperliches<br />

Korrelat durch Verletzung etc.) vs.<br />

chronischem Schmerz (keine unmittelbar<br />

für den Schmerz verantwortliche körperliche<br />

Beschädigung) und der Klarstellung, dass<br />

eine chronische Schmerzerkrankung dennoch<br />

eine ganz reale Erkrankung sei, führt<br />

er durch Fallbeispiele, anhand derer er unterschiedliche<br />

Entstehungs- und Lösungsgeschichten<br />

darstellt. Schmerz als Erinnerung,<br />

unbewusste Selbstbestrafung, posttraumatisches<br />

Symptom, Schmerz als Reaktion auf<br />

unterdrückte Emotionalität.<br />

Auch sensibilisiert er für Krankheitsgewinne,<br />

durch die Schmerz unbehandelbar wird,<br />

so dass man sich die Behandlung in diesen<br />

Fällen auch sparen sollte, solange der Zielkonflikt<br />

(z.B. Schmerzfreiheit vs. Rente) nicht<br />

gelöst ist.<br />

Etwas unklar ist zu Beginn der Lektüre, an<br />

wen sich das Buch denn nun wendet.<br />

Den Schmerzmediziner? Die Allgemeinmedizinerin?<br />

Den Schmerzpatienten?<br />

Abschließend kann bestätigt werden, dass es<br />

für alle dieser Gruppen hilfreich sein kann.<br />

Patienten können ihren Horizont erweitern<br />

und sich öffnen für die Idee, dass es nicht darum<br />

geht, den richtigen Behandler zu finden,<br />

der den Schmerz dann endlich „wegmacht“,<br />

sondern dass ihr Schmerz sie über etwas informiert,<br />

das zu verstehen sich lohnt. ÄrztInnen<br />

werden ermutigt, Schmerz umfassender<br />

anzuschauen, nämlich zu dem Menschen<br />

gehörend, der unter ihm leidet. Dass gerade<br />

Nichtschmerzmedizinern abrechnungstechnisch<br />

für eine beziehungsbasierte Behandlung<br />

sehr enge Grenzen gesetzt sind, kritisiert<br />

Jelitto zu Recht.<br />

So ergänzt er seinen Text nicht nur durch<br />

eine praktische Übersicht möglicher Abrechnungsziffern,<br />

sondern auch durch ein umfangreiches<br />

Glossar und, in die Kapitel eingefügt,<br />

Hintergrundwissen über physische<br />

Faktoren der Schmerzleitung und -Inhibierung.<br />

Hypnose wird im Buch nur einmal genannt:<br />

Als Möglichkeit, akute Schmerzen zu lindern.<br />

Ihre breiten Einsatzmöglichkeiten in der Behandlung<br />

von chronischen Schmerzen, finden<br />

leider keine Erwähnung. Dabei bieten<br />

sich ja gerade da, wo man Schmerzen als Teil<br />

des Menschen akzeptiert, ihre Bedeutung<br />

herausfinden möchte, die eigene Integrität<br />

wiederherzustellen versucht, zahlreiche<br />

Anwendungseinladungen. Erwähnt sei nur<br />

die ideomotorische Arbeit, die durch die gut<br />

nachvollziehbaren Beispiele im Buch Anregungen<br />

erhält. Mir als Psychologin hat das<br />

Buch Mut gemacht, mich auf Menschen mit<br />

chronischem Schmerz einzulassen und sie<br />

auf dem Heilungsweg zu unterstützen. > Wie strick ich mir ein dickes Fell.<br />

Das Workbuch für Frauen.<br />

Trias, Stuttgart 2019<br />

Das Buch richtet sich explizit an Frauen. Und<br />

es ist rosa. Oh, oh! Böse Falle! Um allen möglichen<br />

Fettnäpfchen von vorneherein auszuweichen,<br />

beriet ich mich vorsichtshalber mit<br />

meiner Fachfrau für Gender- und politische<br />

Korrektheitsfragen, meiner Tochter. „Ich soll<br />

hier ein Buch besprechen, das ausdrücklich<br />

für Frauen geschrieben ist und einen<br />

quietschrosa Einband hat, ist sowas überhaupt<br />

in Ordnung?“ „Wer hat´s geschrieben?“<br />

„Eine Frau.“ „Dann ist es natürlich völlig<br />

korrekt!“ „Und wenn´s ein Mann geschrieben<br />

hätte?“ „Dann wär´s selbstverständlich sexistisch<br />

und total verwerflich!“<br />

Dermaßen beruhigt, wenn auch verwirrt, begann<br />

ich zu lesen. Und siehe da, das Buch war<br />

gut! Es ist Gott sei Dank keines der üblichen<br />

„Denke positiv und alles wird besser“- Bücher,<br />

die noch nie funktioniert haben. Es ist auch<br />

keine leichte Nachttisch-Lektüre. Es ist in der<br />

Tat ein Arbeitsbuch und es schreckt auch vor<br />

unangenehmen Themen nicht zurück.<br />

Wenn man die überaus zahlreich angebotenen<br />

Übungsaufgaben ernst nimmt, wird<br />

es tatsächlich anstrengend, und der Leser<br />

(die Leserin) muss sich eigenen Fehlern und<br />

Unzulänglichkeiten durchaus stellen. Dies<br />

allerdings immer mit dem wohlwollenden<br />

Grundtenor, dass Imperfektionen normal<br />

und erlaubt sind. Im ganzen Duktus und<br />

besonders bei den Aufgaben zeigt sich die<br />

langjährige Erfahrung der Autorin, die dabei<br />

auch nicht davor zurückscheut, ihre eigenen<br />

Schwächen offen darzulegen.<br />

Um das Selbstwertgefühl der Leserinnen zu<br />

steigern, wird mit allen Methoden und Tricks<br />

gearbeitet, die die moderne Psychotherapie<br />

zu bieten hat: Verhaltenstherapie, (Selbst-)<br />

Hypnose, Ankern, Klopfen, Akupressur, Modelllernen,<br />

Ressourcenarbeit, Resilienzstärkung,<br />

Future-Pace, Achtsamkeitstraining und<br />

sicher noch einem Dutzend anderer, die ich<br />

übersehen habe.<br />

Wer dieses Buch durcharbeitet und keinen<br />

positiven Effekt für sich erzielt, muss schon<br />

ein im negativen Sinne sehr dickes Fell haben.<br />

Wem kann man das Buch empfehlen?<br />

Sicher den angesprochenen Patientinnen<br />

(obwohl ich den starken Verdacht habe, es<br />

könnte auch bei Männern funktionieren!),<br />

aber auch allen Therapeut/innen, die sich<br />

aus der gebotenen Fülle von Interventionen<br />

und Übungsaufgaben jede Menge wertvolle<br />

Anregungen und Tipps für die eigene Arbeit<br />

werden herausziehen können. > Klienten kennenlernen – Diagnosen<br />

dynamisch utilisieren.<br />

Carl Auer, Heidelberg <strong>2020</strong>.<br />

Klajs ist Ericksonianer durch und durch. Sein<br />

Ansatz basiert auf Ericksons Art zu denken,<br />

und so beschreibt Klajs im ersten Kapitel<br />

sein Verständnis von Diagnose als Teil des<br />

therapeutischen Prozesses. Dass psychiatrische<br />

Diagnosen eher Therapeuten zur Verständigung<br />

oder Institutionen zum Einordnen<br />

dienen, oder aber einem Klienten zum<br />

Erhalten bestimmter Leistungen, aber nicht<br />

unbedingt der Heilung, führt er ausführlich<br />

und nachvollziehbar aus.<br />

Deshalb schlägt Klajs eine radikal pragmatische<br />

Utilisierung der Diagnose vor, mit dem<br />

Ziel einer strategischen Veränderung in die<br />

Zukunft hinein. Sie soll Chancen anstatt Defizite,<br />

Potential anstelle einer Symptomatik<br />

im Fokus haben und die Therapie flexibel begleiten.<br />

Bereits das Suchen nach einer Diagnose<br />

und die Ausrichtung der Fragen wirke<br />

suggestiv und verändernd und bedürfe besonderer<br />

Sorgfalt. Klajs unterteilt seine Betrachtung<br />

der ericksonianischen Diagnose in<br />

fünf Bereiche. Im ersten achtet er auf wichtige<br />

Diagnosekriterien wie bevorzugte Wertesysteme<br />

des Klienten, aber auch darauf, wie<br />

er Erlebnisse verarbeitet. Wie geht er mit der<br />

Wirklichkeit um, wo verzerrt er sie?<br />

Der zweite Bereich befasst sich mit Trancephänomenen,<br />

die sich im Alltag des Klienten<br />

als sich wiederholende Manifestationen des<br />

Unbewussten zeigen – und wie sie in der<br />

Therapie utilsiert werden können. Der dritte<br />

zeigt die Bedeutung des Systems, in dem der<br />

Klientlebt und sich erlebt. Doppelbindungen,<br />

Hierarchien sowie Dynamiken zwischen Familienmitgliedern<br />

oder in Partnerschaften<br />

erhalten er dabei Aufmerksamkeit.<br />

Im vierten Bereich beschäftigt er sich mit den<br />

Ressourcen, die dem Klienten zur Verfügung<br />

stehen, individuell und im therapeutischen<br />

Prozess. Schließlich beschäftigt sich der Autor<br />

mit der Motivation des Klienten, Faktoren,<br />

die einer Heilung zuarbeiten oder sie<br />

verhindern können.<br />

Fazit:<br />

Auch einer altgedienten Hypnotherapeutin<br />

öffnet dieses Buch auf über 300 Seiten an<br />

einigen Stellen noch einmal die Augen. Das<br />

Buch ist didaktisch super aufgebaut und<br />

führt systematisch durch die Kriterien, angereichert<br />

mit zahlreichen Fallbespielen, die<br />

der Autor in mehreren Jahrzehnten Ericksonianischer<br />

Arbeit gesammelt hat. Das Buch<br />

ist eine Fundgrube für jeden, der Hypnose<br />

nicht nur als „Extra“ nutzen möchte, sondern<br />

die sich tiefer in die Denk- und Handlungsweise<br />

Milton Ericksons einfinden will.

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