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MAGAZIN Suggestionen 2020

Das Magazin der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie e.V. in der Ausgabe 2020.

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Hypnotherapeutische Arbeit mit Träumen<br />

Hypnotherapeutische Arbeit mit Träumen<br />

733<br />

Im Traum sind wir schöpferisch. Unser<br />

Selbst setzt sich mit unserer Erfahrungswelt<br />

in Beziehung und kreiert neue Möglichkeiten.<br />

Träume als Botschafter des<br />

Unbewussten zeigen uns, wo unser Leben<br />

in Ängsten stecken geblieben ist, was in<br />

unserem Körper geschieht, wie wir unsere<br />

Beziehungen erleben, was wir brauchen<br />

und wer wir sein könnten. Wir erfahren<br />

und wissen Dinge im Traum, die dem Verstand<br />

nicht klar waren.<br />

Nicht nur Künstler wie Salvador Dali oder<br />

Forscher wie August Kekulé ließen sich von<br />

ihren Träumen inspirieren. Nach Michael<br />

Schredl haben auch 8% der „normalen“ Menschen<br />

kreative Träume, die ihnen helfen, ihre<br />

Probleme zu lösen (1). Milton Erickson nutzte<br />

Träume für Heilungsprozesse. „Edward C.“<br />

konnte über seine Probleme nicht sprechen,<br />

die ihn in die Psychiatrie gebracht hatten. In<br />

hypnotisch induzierten Träumen lernte der<br />

Patient, wie man kommuniziert. Dies befreite<br />

ihn aus seiner Psychose (2). In der Beschäftigung<br />

mit Träumen treten wir mit dem Unbewussten<br />

in Dialog. Die Hirnforschung hat<br />

nachgewiesen, dass es neben dem System<br />

Hypnotherapeutische<br />

Arbeit mit Träumen<br />

des bewussten Verstandes ein zweites System<br />

gibt, das Unbewusste, das in Bildern<br />

spricht, sich in Emotionen und somatischen<br />

Markern äußert und dem unsere Intuition<br />

entspringt (3). Das Unbewusste bestimmt<br />

unser Erleben und Handeln wesentlich (4).<br />

Folglich können wir nur dann in Übereinstimmung<br />

mit uns selbst leben, gesund sein<br />

und erfolgreich unsere Ziele verwirklichen,<br />

wenn, wie Maja Storch sagt, Unbewusstes<br />

und Bewusstes miteinander synchronisiert<br />

sind (3). Träume sind der Königsweg zum<br />

Unbewussten (S. Freud, 5) und der Weg zur<br />

Ganzheit (C. G. Jung, 6).<br />

Hypnotherapeutische Arbeit mit Träumen<br />

bietet viele Vorteile. Hypnose hat nach Watkins<br />

& Barabasz eine größere Hebelwirkung,<br />

Details von Träumen zu rekonstruieren und<br />

suggestiv Träume zu bestimmten Problemen<br />

zu kreieren (4). Einen Traum aufgrund des<br />

Traumberichts verstehen zu wollen, kann<br />

leicht zu einem intellektuellen Unterfangen<br />

werden, dem die emotionale Wirkungskraft<br />

fehlt. In Trance sind wir dagegen viel näher<br />

Autor: Dipl.-Psych. Bernhard A. Wicke<br />

an den Gefühlen und innerseelischen Prozessen.<br />

Auch bedarf es in den vielen verschiedenen<br />

Methoden der analytischen Traumdeutung<br />

eines Experten, der den Traum des<br />

Patienten deutet. Dadurch werden Patienten<br />

aber ein Stück weit ihres eigenen Zugangs<br />

zum Unbewussten beraubt.<br />

Deutung von innen heraus<br />

Im Curriculum Klinische Hypnose vermittelt<br />

Walter Bongartz eine Methode, nach der<br />

Ähnlichkeit zwischen dem entscheidenden<br />

Gefühl im Traum und einer aktuellen oder<br />

früheren Lebenssituation zu suchen. Somit<br />

erfolgt eine „Deutung von innen heraus“,<br />

aus der Perspektive des Patienten (7). Hier<br />

erfährt der Patient mehr Selbstwirksamkeit<br />

und kann selbst zum Experten seines Unbewussten<br />

werden.In der Anleitung zur Selbsthypnose<br />

nutzt Brian Alman die Tatsache,<br />

dass wir ohnehin etwa alle 12 Minuten einen<br />

Tagtraum haben, um im Traum eine Zielsuggestion<br />

zu entwickeln (8). In diesem Stadium<br />

kann ich, wenn der Patient von Affekten<br />

überschwemmt wird, stabilisierend intervenieren,<br />

oder ich kann zur Intensivierung des<br />

Prozesses ermutigen, tiefer zu gehen. Rasseln<br />

zeitigt für viele eine energetisierende<br />

Wirkung. Aus diesem Zustand hoher emotio-<br />

• ursachenorientiert arbeiten, analog zur Affektbrücke,<br />

um zum auslösenden Ereignis zu<br />

finden und dies weiter zu bearbeiten<br />

• prozessorientiert tiefer gehen, um einen<br />

unerlösten Gefühlszustand zur Katharsis zu<br />

bringen<br />

• oder insbesondere bei Albträumen lösungsorientiert<br />

diese „zu einem guten Ende“<br />

träumen; wie z.B. in dem Kinderbuch „Antons<br />

Albtraum“ (10).<br />

Im Anschluss an diese meist emotional bewegende,<br />

aufschlussreiche und befreiende<br />

Traumarbeit unterstütze ich den Patienten<br />

darin, im Sinne des Embodiments (3) eine<br />

Haltung oder Bewegung zu finden, die das<br />

erlöste Gefühl am besten ausdrückt.<br />

Fallbeispiel<br />

Erfolgreiche Managerin, Mitte dreißig, sehr<br />

leistungsorientiert, litt seit der Pubertät<br />

unter schweren Depressionen mit Angstzuständen,<br />

die zentral um die Frage nach dem<br />

Sinn des Lebens kreisten; sie sagt über sich,<br />

dass sie, mit Hilfe ihres kühlen Verstandes,<br />

nur funktioniert. Nach mehreren hypnotherapeutischen<br />

Sitzungen zum Spüren ihres<br />

Körpers und der Bearbeitung von belastenden<br />

Themen in der Beziehung zu den Eltern<br />

und der „toten Zeit“ durch ihr Nur-Funktionieren,<br />

schilderte sie folgenden Traum: ich<br />

bin als Lichtpunkt in einem dunklen Raum,<br />

in der Finsternis, eine Stimme ertönt: „Wenn<br />

du stirbst, ist alles vorbei!“- Verzweifelt sagt<br />

sie, nun wisse sie es, das Leben sei sinnlos.<br />

Ich gehe mit ihr in der oben beschriebenen<br />

Weise in den Traum hinein. Zunächst entwickelt<br />

sie starke Angst, kann diese aber im<br />

geschützten Rahmen des Settings aushalten<br />

und beruhigt sich zunehmend.<br />

Ihr Fokus richtet sich auf das Erleben ihrer<br />

selbst als Zentrum und als Licht, welches<br />

sich ausdehnt. Tiefer hineingehend spürt sie<br />

ihre Lebendigkeit, eine Freude des Daseins.<br />

Danach bewegt sie sich zu einer traurig getönten,<br />

aber auch beschwingenden orientalischen<br />

Musik (die sie vorher als ihre Lieblingsmusik<br />

mitgebracht hatte), die sie mit<br />

ihrer Lebendigkeit verbindet. Diese Arbeit<br />

führte zu einer deutlichen Besserung der<br />

Symptomatik, anhaltend erlebt sie sehr viel<br />

mehr Lebensfreude.<br />

Fallbeispiel<br />

Ca. 50-j. Ingenieur, durch ein privates Großprojekt<br />

heillos überfordert, litt unter anhaltender<br />

Angst, Panikattacken und depressiver<br />

Erschöpfung. Er träumte: ich muss zurück,<br />

weil meine Seele noch dort ist, in einem Saal<br />

treffe ich meinen Vater, ich studiere die Karte,<br />

der Weg ist völlig von Bergen verstellt, da<br />

komme ich nie raus, mein Vater deutet auf<br />

die Karte und sagt: „Schau, das geht!“ In der<br />

Traumarbeit erkennt er einen Zusammenhang<br />

zwischen der Erfahrung von Gängelei,<br />

Kritik und Entmündigung durch seinen Vater<br />

in der Kindheit und seinem Versagen im Projekt.<br />

Er grenzt sich ab, tritt mit dem Vater in<br />

Dialog, den er jetzt als hilfreich und unterstützend<br />

erlebt, und der ihn in seinem Weg<br />

bestärkt.<br />

Er spürt deutlich die Befreiung. Nach der<br />

Trancearbeit malt er die ihn umzingelnden<br />

Berge auf einen Block, legt diesen auf den<br />

Boden und schreitet mehrfach mit einer sich<br />

öffnenden Armbewegung und den Worten<br />

„ich gehe meinen Weg“ über den Block hinweg.<br />

In der Folge legte sich die Angst des Patienten<br />

und er konnte sein Projekt meistern.<br />

So hilft Hypnotherapie, die schöpferische<br />

Kraft des Traumes in die Lebenswirklichkeit<br />

zu bringen.<br />

Quellenangaben:<br />

1 Michael Schredl; Aktuelle empirische Traumforschung,<br />

in: Traum und Schlaf, Alfred Krovoza<br />

/ Christine Walde (Hg.); J.B. Metzler Verlag<br />

2018<br />

2 Ernest L. Rossi (Hrsg.); Gesammelte Schriften<br />

von Milton H. Erickson,<br />

Band 5 Innovative Hypnotherapie I, S. 89-<br />

100; Carl Auer 1998<br />

3 Maja Storch, Frank Krause; Selbstmanagement<br />

- ressourcenorientiert; Hogrefe 2017<br />

4 John G. Watkins & Arreed Barabasz;<br />

Advanced Hypnotherapy; Routledge 2008<br />

5 Sigmund Freud; Die Traumdeutung (1900);<br />

Studienausgabe Band II, S. Fischer 1972<br />

6 Carl Gustav Jung; Die Dynamik des Unbewußten,<br />

Gesammelte Werke Achter Band;<br />

Walter-Verlag 1979<br />

7 Walter Bongartz, Curriculum Klinische Hypnose<br />

2001-2002, Mitschrift von Bernhard A.<br />

Wicke<br />

8 Brian M. Alman, Peter T. Lambrou; Selbsthypnose,<br />

Carl Auer 2006<br />

9 Rasseln wird in vielen Kulturen Amerikas,<br />

Afrikas und Asiens zur Tranceinduktion genutzt;<br />

mir brachten es Stan Lifschitz, Carlo<br />

Zumstein und insbesondere Ailo Gaup nahe,<br />

letzterer beim DGH Jahreskongress 2011,<br />

WS 20<br />

10 Ben Furman / Mathias Weber; Antons Albtraum,<br />

Carl Auer 2016

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