MAGAZIN Suggestionen 2020

12 Pacing und Leading im Gebirge
Achtsamkeit und Hypnose 713
Achtsamkeit und Hypnose
Milton Erickson und Buddha
im Dialog
Autor: Dr. med. Michael E. Harrer
Trittsicherheit
Nach diesem Erfolgserlebnis erfasste meine
Gruppe eine Welle der Euphorie. Lachen
und Sprüche flogen hin und her, meine zuvor
stillen ‚Golden Girls‘ wurden plötzlich zu
einer Jungmädchengruppe auf Ausflug. Wir
waren ganz oben angekommen und uns
umgab eine herrliche Aussicht, die jederzeit
vom zwar guten, aber doch in steilem Gelände
verlaufenden Gratweg ablenken konnte.
Dieser würde unsere Aufmerksamkeit
für gut zwei Stunden in Anspruch nehmen,
positive Suggestionen waren also gefragt.
Die Herausforderung bestand darin, die Aufmerksamkeit
der einzelnen Person und der
gesamten Gruppe auf das richtige Verhalten
zu richten, also auf die häufig zu hörenden,
verunsichernden Warnungen zu verzichten
und die Verneinungsfalle auch in kritischen
Momenten zu vermeiden, die vielleicht intuitives
und schnelles Handeln erforderten.
Nach einer längeren Verschnaufpause formierte
ich die Gruppe wieder mit der Aufforderung,
beim Zusammenpacken sich erneut
auf sich selbst zu besinnen und der eigenen
Stimme während des Gehens eine verdiente
Pause zu gönnen. «Ihr werdet dafür die
Natur mit allen fünf Sinnen viel intensiver
wahrnehmen.» Auf dem Gratweg konnten
der jeweiligen Situation entsprechend verschiedene
Suggestionen unterstützen. «Ich
möchte, dass Euer Kopf ganz bei Euren Füßen
ist, die Augen auf den Boden gerichtet. -
Immer der unmittelbar nächste Schritt ist der
wichtigste. - Wählt für eure Füße beim folgenden
Auf und Ab entlang des Grates flache
Tritte mitfestem Untergrund, als würdet ihr
auf einer griffigen Treppe gehen. - Wir warten
auf der Bergseite, wenn wir entgegenkommende
Personen passieren lassen. - Ich
werde genügend oft anhalten, damit wir die
Aussicht genießen und uns auf Sehenswertes
aufmerksam machen können.» Franziska
hatte erneut ihren Platz gleich hinter mir, gefolgt
wie zuvor von der Ältesten in unserer
Gruppe.
Ab und zu überließ ich Franziska die Spitze,
die jeweils gewissenhaft das von mir angeschlagene
Tempo hielt, damit ich mich
zwischendurch den Mitteilsameren in der
Gruppe widmen konnte, wenn diese die
Achtsamkeit der Gruppe allzu sehr zu beeinträchtigen
drohten. Die Berghütte für eine
lange und nahrhafte Mittagspause erreichten
wir gemäß Zeitplan. Für den Abstieg
standen eine kürzere und eine längere Route
zur Wahl. Meine ‚Golden Girls‘ wählten einstimmig
die längere, weil schönere und abwechslungsreichere
Variante, obwohl diese
nochmals zwei, wenn auch kürzere, Gegensteigungen
enthielt. Und Franziska war bis
zum Schluss bei den Vorderen dabei, auch
in den nächsten Tagen, in denen es noch ein
paar harte und technisch anspruchsvollere
Anstiege zu bewältigen galt. >