Schwarznuss-09.20
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Montag, 21.09.2020 | Bieler Tagblatt
Region
Schwarze Kostbarkeiten
Lobsigen Affolters Hof in Lobsigen ist ein ganz normaler Bauernbetrieb mit Mutterkühen und Ackerbau. Wären da nicht die
knapp 300 Nussbäume, deren Ertrag zu einer Delikatesse verarbeitet wird, in die das Herzblut der ganzen Familie fliesst.
Denise Gaudy
Unter der Pergola im stattlichen Bauerngarten
der Familie Affolter wird das
Zvieri aufgetischt. Zum sauren Most gibt
es Hobelkäse, mit Weichkäse und Trüffelspänen
ähnlichen Scheibchen belegte
Brötchen, getrocknete Baumnusskerne,
Cherry-Tomätchen sowie walnussgrosse,
schwarze, halbierte Kugeln – vermutlich
süsse Früchtchen, denn die
Wespen interessieren sich ganz besonders
für die Delikatesse. «Greifen Sie zu,
probieren Sie», fordern Margrit Affolter,
Christian Affolter und Michael Engelhardt
ihren Gast auf. Die dekorativen
Rädchen auf dem Weichkäse sowie die
undefinierbaren kugeligen Häppchen
schmecken tatsächlich süss. Und würzig.
Nach Zimt, Anis und Nelken, vielleicht.
Ihre Konsistenz ist derjenigen
von Oliven ähnlich: saftig und weich
aber dennoch leicht knackig. Alles in allem:
köstlich! Die schwarze, glänzende
Delikatesse heisst Schwarznuss, Lobsiger
Schwarznuss, und ist ein von A bis Z
hofeigenes Produkt.
Feinkost vom Familienbetrieb
Affolters Hof an der Aarbergstrasse 17 in
Lobsigen ist ein konventionell bewirtschafteter,
mittelgrosser Bauernbetrieb
mit den Produktions-Schwerpunkten
Rindfleisch, Getreide, Mais und Zuckerrüben.
Seit 2013 betreiben Ueli und
Margrit Affolter den Hof in Generationengemeinschaft
mit ihrem Sohn, dem
gelernten Landwirt Christian, und dessen
Frau Vanessa. Vor zwölf Jahren hat
Ueli Affolter, der sich selbst als «Landwirt
aus Leidenschaft» bezeichnet, noch
einmal Neuland betreten und eine Plantage
von rund 300 Nussbäumen angelegt.
Diese Kultur braucht sieben bis
acht Jahre, bis sie einen gewissen Ertrag
abwirft. Es blieb also genügend Zeit zum
Überlegen, was man mit den Baumnüssen
dereinst anfangen könnte. Die zündende
Idee der Lobsiger Schwarznuss
hatte schliesslich der Schwiegersohn
und Schwager der Betriebsleiter, Michael
Engelhardt. Als gebürtiger Deutscher
und GaultMillau ausgezeichneter
Koch kannte er die Delikatesse sowohl
als Spezialität aus seiner Heimat als
auch aus der Profiküche. Christian Affolter
und Michael Engelhardt sind sich
einig: «Unser Ziel war es, aus den Nüssen
ein ladenfertiges Nischenprodukt
herauszugeben und dieses direkt zu vermarkten.»
Im Jahr 2015 probierte man
auf dem Lobsiger Nusshof erstmals, mit
einer kleinen Menge Baumnüssen die in
Sirup eingelegte Spezialität herzustellen.
Mit Erfolg. Seither fliesst das Herzblut
der ganzen Familie in die von Jahr zu
Jahr zunehmende Produktion der Delikatesse.
Reine Handarbeit
Der ganze Prozess von der Ernte über
die Zubereitung bis zum Abfüllen ins
Glas erfolgt von Hand: «Die Nüsse werden
grün geerntet, also bevor sie reif
Die Schwarznuss
• Eingelegte unreife Baumnüsse sind
eine Delikatesse aus dem Südwesten
Deutschlands und werden auch Pfälzer
Trüffel oder Johanni-Nüsse genannt.
• Traditionell werden sie zu Herbstund
Wintergerichten serviert. Man isst
die Schwarznuss in Scheibchen geschnitten
oder halbiert zu gereiftem
Käse, Fleischgerichten wie Carpaccio
oder Tatar, Wild oder Pasteten. Zudem
kann man damit Salate, Vanilleglacé
oder ein Honigparfait verfeinern.
• Der würzige Sirup eignet sich zum
Süssen von Tee und Kaffee oder sogar
zum Abschmecken von Salatdressings.
• Die Lobsiger Nüsse sind direkt beim
Produzenten auf dem Hof oder online
erhältlich. Ein Glas kostet 21 Franken
und enthält mindestens vier Stück. gy
Link: www.schwarznuss.ch
Landwirt Ueli Affolter bei der Baumnuss-Ernte. BILDER: PHIL WENGER
Für die Herstellung der Delikatesse werden die Baumnüsse unreif geerntet.
Schwarze Nüsse wirken auch aufgeschnitten
sehr dekorativ.
Nüsse einzustechen ist ein enormer Arbeitsaufwand und bei Affolters ein Familienevent. Mutter Margrit Affolter, Sohn
Christian Affolter, Familienmitglied Walter Keller und Tochter Rebecca Engelhardt-Affolter, die Ehefrau von Schwarznuss-
Koch Michael (von links).
«Die schwarzen
Nüsse kann man auch
länger aufbewahren.
In zwei bis drei Jahren
verlieren sie nichts
von ihrem Aroma.»
Christian Affolter,
Landwirt
sind, in der Zeit um die Johannisnacht
am 21. Juni. Es braucht viel Fingerspitzengefühl,
um den richtigen Erntetag zu
erwischen. Ist man nur einen Tag zu
früh hat die Nuss ihr Kernhaus noch
nicht ausgebildet. Und ist man einen
Tag zu spät ist die Kernschale schon am
Verholzen», fachsimpelt Nussbauer
Christian Affolter. Das bedeutet, dass
die Früchte aller 287 Bäume am gleichen
Tag abgelesen werden müssen. Heuer
brauchte es dafür fünf Personen. Schon
am nächsten Tag beginnt die Familie,
die grünen Schalen der Nüsse einzustechen
– 12 bis 16 Löcher pro Nuss, jede
einzeln, von Hand, mit einer zweizinkigen
Metallgabel, einer Eigenkonstruktion
von Tüftler Christian. Für diese
enorm aufwändige Arbeit versammelt
sich die ganze Familie Affolter-Engelhardt
inklusive Grossvater, Enkel sowie
zahlreiche befreundete Helferinnen und
Helfern am grossen Tisch im Garten:
«Die Urgrossmutter kümmert sich um
die Kinder, die Tante kocht Zmittag,
alle helfen begeistert mit, ein wunderbares
Produkt entstehen zu lassen. Für
mich ist das ein magisches Ereignis»,
schwärmt Michael Engelhardt.
Sind alle Nüsse fertig eingestochen,
werden sie bis zu drei Wochen in Wasser
eingelegt, das täglich gewechselt wird.
So wird den Früchten die Gerbsäure
entzogen, die unreife Nüsse bitter
schmecken lässt. Haben sich die ehemals
grünen Schalen leicht braun verfärbt,
fängt Michael Engelhardts Part an:
«Am ersten Tag wird das Erntegut in
einem grossen Kochkessel blanchiert
und anschliessend mit Gewürzsirup
übergossen. An den zwei darauffolgenden
Tagen wird alles erneut aufgekocht,
wobei der Zuckergehalt jeden Tag erhöht
wird. Dieser Vorgang wird Kandieren
genannt. Das Wasser in den Zellen
der einst grünen Schalen wird allmählich
durch Zucker ersetzt, und die
Früchte sind jetzt schwarz geworden»,
erklärt der Chefkoch. Nun sind die
schwarzen Nüsse bereit zum Abfüllen in
Gläser – wieder ein Familienevent.
Lange Lagerung
Danach sind die frisch veredelten Nüsse
nicht gleich genussreif, denn ihren unverwechselbaren
Geschmack entwickeln
sie langsam. Deshalb lagern die
Gläser mindestens sechs Monate auf
dem Lobsiger Bauernhof, bevor die kulinarische
Köstlichkeit in Comestiblesund
Käsespezialitäten-Läden oder Restaurantküchen
gelangt. Nussbauer
Christian Affolter und Schwarznuss-
Koch Michael Engelhardt sind sich einig:
«Die schwarzen Nüsse kann man
aber durchaus auch länger aufbewahren.
In zwei bis drei Jahren verlieren sie
nichts von ihrem Aroma.»