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Bernd Helfrich Chiemgauer Volkstheater im Gespräch mit Dr ... - 1

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http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0508/20050830.shtml<br />

Sendung vom 30.08.2005, 20.15 Uhr<br />

<strong>Bernd</strong> <strong>Helfrich</strong><br />

<strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Gespräch</strong> <strong>mit</strong> <strong>Dr</strong>. Wolfgang Habermeyer<br />

Habermeyer: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, herzlich willkommen zum heutigen alphaforum.<br />

Sie haben unseren Gast sicherlich in der Totalen bereits erkannt, ich freue<br />

mich ganz besonders, heute bei uns <strong>im</strong> Studio <strong>Bernd</strong> <strong>Helfrich</strong> begrüßen zu dürfen,<br />

Volksschauspieler und Leiter des <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong>s. Schön, dass Sie bei<br />

uns sind.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Grüß Gott.<br />

Habermeyer: Sie sind Schauspieler, Regisseur, Theaterprinzipal, d. h. Sie leiten ein Theater. Da<br />

hat man doch relativ viel um die Ohren. Ich gehe gleich mal <strong>mit</strong>ten hinein: Wenn man<br />

da auf der Bühne steht, kann es dann manchmal passieren, dass man ein bisschen<br />

durcheinander kommt und einen richtigen Hänger hat, weil man so viel um die<br />

Ohren hat?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Eigentlich nicht, denn die Aufgaben sind bei uns eigentlich ganz gut verteilt. Ich kann<br />

mich also sehr gut auf meine Arbeit, ob als Schauspieler oder als Regisseur,<br />

konzentrieren. Das geht schon. Kleine Hänger gibt es <strong>im</strong>mer mal, größere sollte<br />

man nach Möglichkeit vermeiden.<br />

Habermeyer: Was war denn die letzte <strong>mit</strong>tlere Katastrophe bei einer Aufführung?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Eine <strong>mit</strong>tlere Katastrophe? Das war ein Kameraschaden bei einer<br />

Fernsehaufzeichnung: Da konnten wir dann hinterher den ganzen Akt wegwerfen.<br />

Wir hatten vor allem nicht abgebrochen, was möglicherweise ein bisschen schlecht<br />

war. Wir waren total verunsichert, weil wir kein Rotlicht mehr gesehen haben auf der<br />

Kamera und wussten, dass nun irgendetwas kaputt gegangen sein muss. Wir<br />

mussten dann nachdrehen. Für das Publikum war das möglicherweise ganz lustig<br />

oder auch weniger lustig, weil sie dann eben länger sitzen bleiben mussten. Denn<br />

nach der Aufzeichnung musste ich vor den Vorhang treten und zu den Leuten<br />

sagen: "Liebe Gäste, leider müssen wir den dritten Akt noch einmal spielen!"<br />

Manche finden so etwas lustig und manche sagen, dass das ja ein Wahnsinn ist.<br />

Habermeyer: Und die Leute <strong>im</strong> Publikum müssen alle dableiben.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Sie sollten dableiben und sie sind auch alle dageblieben. Aber auf der anderen<br />

Seite sieht dabei das Publikum auch mal, wie schwierig unser Beruf eigentlich<br />

letztlich ist.<br />

Habermeyer: Weil sie das Gleiche noch einmal absolut gleich spielen müssen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau.<br />

Habermeyer: Und bei den Schauspielern? Gab es da mal etwas in jüngerer Zeit, bei dem die<br />

Kollegen hinter der Bühne gesagt haben: "Um Gottes Willen, was macht er denn<br />

jetzt!" Wie machen Sie denn das überhaupt <strong>mit</strong> dem Soufflieren? Denn ich habe<br />

nirgends einen Souffleur gesehen bei Ihren Aufführungen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Wir haben keinen Souffleur. Bis zu den "kalten Proben" haben wir schon noch


Habermeyer: Ja, man merkt nichts.<br />

jemanden, der souffliert, danach dann aber nicht mehr. Das geht ja auch nicht. Denn<br />

selbst dann, wenn mal irgendetwas sein sollte, kann ja nicht der Souffleur von hinter<br />

der Kulisse heraus etwas sagen. Das geht nicht. Da muss einfach jeder durch als<br />

Schauspieler. Aber man ist <strong>mit</strong>tlerweile natürlich schon so routiniert, dass man dem<br />

anderen helfen könnte in so einer Situation oder dass einem selbst geholfen wird.<br />

Das funktioniert ganz gut. Der Zuschauer merkt jedenfalls nichts.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Be<strong>im</strong> Fernsehen gibt es hingegen ein Problem, das <strong>mit</strong> der Schnitttechnik<br />

zusammenhängt: Da kann man schon mal leicht durcheinander kommen, wenn<br />

man nicht ganz präzise ist. Aber Gott sei Dank kommt das nur ganz, ganz selten<br />

vor.<br />

Habermeyer: Wenn Sie nicht Schauspieler geworden wären, was wären Sie dann am liebsten<br />

geworden?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Dann wäre ich <strong>mit</strong> Sicherheit Fußballprofi geworden.<br />

Habermeyer: Mit Sicherheit?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das Talent war jedenfalls vorhanden. Ich habe <strong>mit</strong> 14, 15 Jahren bei Bayern<br />

München zusammen <strong>mit</strong> dem Franz Beckenbauer in der ersten Schülermannschaft<br />

gespielt. Ich war da wirklich ganz gut. Aber ich bin dann eben <strong>mit</strong> 15 Jahren zum<br />

Theater gekommen. Mit fällt da zum Fußball gerade etwas ein: 1959 haben wir als<br />

kombinierte Schülermannschaft aus Sechz'gern und Bayern einmal ein Vorspiel<br />

bestritten. Das war vor einem Freundschaftsspiel zwischen einer gemischten<br />

Mannschaft aus Bayern München und dem TSV 1860 München gegen<br />

Manchester United. Damals, also 1959, hatte das Grünwalder Stadion die<br />

modernste Flutlichtanlage Europas! So schnell vergeht die Zeit.<br />

Habermeyer: Ja, die Zeiten ändern sich.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ich hätte also sicherlich das Talent und den nötigen Ehrgeiz gehabt, aber dann kam<br />

ich eben <strong>mit</strong> 15 Jahren zum Theater und da war das natürlich vorbei da<strong>mit</strong>. Ich war<br />

auf dem Land und konnte nicht mehr regelmäßig trainieren. Der Theaterchef – ich<br />

war damals be<strong>im</strong> Tegernseer <strong>Volkstheater</strong> und der Chef dort war mein Vater<br />

Lothar Kern – war natürlich auch nicht begeistert, wenn ich am Sonntag <strong>im</strong>mer <strong>mit</strong><br />

aufgeschlagenen und blutigen Knien auf der Bühne gestanden bin. Das war nicht<br />

so ganz gut.<br />

Habermeyer: Sie waren Torwart.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, und das bin ich auch jetzt noch ab und zu aus Spaß an der Freud. Gut, das war<br />

einfach eine schöne Zeit. Aber <strong>mit</strong> dem regelmäßigen Training ging dann einfach<br />

nichts mehr und so habe ich dann halt "nur" noch in Trostberg in der Landesliga<br />

gespielt, in der vierthöchsten Spielklasse. Das war das Höchste, was man <strong>mit</strong><br />

diesem Aufwand dann noch erreichen konnte.<br />

Habermeyer: Hat man denn in der Landesliga damals schon Geld bekommen als Spieler?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, nein. Es gab ein bisschen Fahrtkostenzuschuss, mehr nicht.<br />

Habermeyer: Sie haben also <strong>mit</strong> dem Franz Beckenbauer zusammen in der Schülermannschaft<br />

gespielt, in der damals ersten Schülermannschaft; heute wäre das die C-Jugend.<br />

War es denn damals schon klar, dass das einer ist, der ein bisschen raussticht aus<br />

den anderen?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, klar. Beckenbauer war schon damals ein Ausnahmefußballer. Er war einfach<br />

eine Ausnahme. Er hat <strong>im</strong>mer Mittelstürmer gespielt und hat auch wahnsinnig viele<br />

Tore geschossen. Er hat also nicht irgendwo hinten gespielt wie später, sondern<br />

vorne.<br />

Habermeyer: Er war also nicht bereits damals der Libero.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, der Franz war <strong>im</strong>mer vorne. Ich war in Untergiesing in der Agilolfinger Schule<br />

und Franz war in Obergiesing in der Icho-Schule. Es gab damals <strong>im</strong>mer diese


Schulsportfeste: Da sind <strong>im</strong>mer die besten Sportler der verschiedenen Schulen<br />

einmal <strong>im</strong> Jahr zusammengekommen. Ich war <strong>im</strong>mer der Abgeordnete meiner<br />

Schule, weil ich <strong>im</strong>mer schon ein guter Sportler gewesen bin. Und der Franz war<br />

<strong>im</strong>mer der Abgeordnete der Obergiesinger. Er war da schon <strong>im</strong>mer der Beste. Er<br />

war eben nicht nur <strong>im</strong> Fußball der Beste, sondern er war in der Leichtathletik auch<br />

sehr, sehr gut, in allem, was <strong>mit</strong> Bewegung und Schnelligkeit zu tun hatte.<br />

Habermeyer: Aber eigentlich war er doch ein rechtes "Hemd", also ein recht schmalbrüstiger<br />

junger Mann.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das ist er ja heute noch: Der Franz ist bis heute ein schlanker Mann geblieben –<br />

<strong>im</strong> Gegensatz zu einigen anderen, nicht wahr. Er war einfach schon in der<br />

Schülermannschaft ein Ausnahmekönner. Ich kann mich noch daran erinnern, dass<br />

wir irgendwann einmal alle zu spinnen angefangen haben, weil wir irgendwie Ärger<br />

<strong>mit</strong> dem Trainer hatten. Wir beschlossen daher, alle gemeinsam zum TSV 1860 zu<br />

wechseln. Aber das wäre damals gar nicht so einfach gewesen, weil wir dazu die<br />

Unterschrift der Eltern gebraucht hätten. – Wie das heute wäre, weiß ich gar nicht. –<br />

Aber die Leute vom FC Bayern haben den Franz natürlich unbedingt halten wollen:<br />

Sie haben einfach damals schon gewusst, was sie an ihm haben und was aus ihm<br />

mal werden wird.<br />

Habermeyer: Und dann sind Sie <strong>mit</strong> 15 Jahren auf die Bühne gegangen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja.<br />

Habermeyer: Mussten, wollten, durften oder konnten Sie auf die Bühne?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ich hatte eigentlich eine Lehrstelle als Damenfriseur, denn wenn man aus der<br />

Schule kommt, muss man sich ja irgendwie darüber klar werden, was man beruflich<br />

machen möchte. Ich kann mich noch erinnern, dass dieser Friseursalon in der<br />

Briennerstraße gewesen ist. Den Namen des Ladens weiß ich nicht mehr, aber ich<br />

weiß noch, dass damals die Fotos der Friseure <strong>im</strong> Schaufenster ausgestellt waren.<br />

Wahrscheinlich hat mir das damals einfach <strong>im</strong>poniert. Das war ein reiner<br />

Damensalon. Weil mir die Damen <strong>im</strong>mer schon gut gefallen haben, habe ich mir<br />

gedacht: "Das wäre doch ein Beruf für mich. Da hat man <strong>im</strong>mer Kontakt <strong>mit</strong> und<br />

Nähe zu Damen!" Ich wollte diese Lehrstelle eigentlich antreten, denn es war alles<br />

schon perfekt gemacht, aber dann hat mein Vater zu mir gesagt: "Sag mal, hast du<br />

nicht Lust, Theater zu spielen? Der Nachwuchs bei uns ist knapp." Ich habe mir das<br />

dann kurz überlegt und letztlich zugest<strong>im</strong>mt: "Gut, dann gehe ich eben zum Theater!"<br />

Habermeyer: Welche Rollen haben Sie denn <strong>mit</strong> 15 Jahren dort gespielt? Den jugendlichen<br />

Liebhaber werden Sie ja <strong>mit</strong> 15 Jahren noch nicht gespielt haben, oder?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, natürlich nicht. Ich habe halt so kleinere Rollen gespielt. Einmal habe ich z. B. in<br />

Stuttgart in den Kammerspielen einen Schuhcremevertreter gespielt. Denn die<br />

"Tegernseer" haben damals <strong>im</strong>mer einmal <strong>im</strong> Jahr vier Wochen am Stück z. B. in<br />

Stuttgart in den Kammerspielen gastiert. Das war natürlich ganz toll für uns. Dabei<br />

habe ich eben, wie gesagt, einen Schuhcremevertreter gespielt. Das ging dann<br />

schon. Ich habe <strong>im</strong>mer schon ein bisschen reifer ausgehen, ich bin schon <strong>mit</strong> 15<br />

Jahren als 17-, 18-Jähriger durchgegangen. Neben den kleinen Rollen habe ich<br />

natürlich auch Requisite gemacht, die Bühne <strong>mit</strong>gebaut usw. Ich habe alles<br />

gemacht und hatte so<strong>mit</strong> eine richtige Elevenzeit: Das war eigentlich die beste<br />

Lehre.<br />

Habermeyer: Haben Sie denn auch Schauspielunterricht genommen?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, ich habe dann in Stuttgart Privatunterricht bei Carlo Fuß genommen. Das werde<br />

ich nie vergessen. Damals gab es nämlich ein Wunderkind in der Oper, das war<br />

die Anja Silja. Das war die Wagnersängerin schlechthin: Sie hat, wenn ich mich<br />

nicht täusche, schon <strong>mit</strong> 17 Jahren die schwersten Wagnerpartien gesungen. Sie<br />

hat <strong>mit</strong> mir zusammen Unterricht bei diesem Carlo Fuß genommen. Er hat da<br />

keinen Unterschied gemacht zwischen einem kleinen Eleven aus Bayern und<br />

einem Weltstar! Er wollte aus mir einen klassischen jugendlichen Helden machen.<br />

Er sagte zu mir: "Du bist begabt, sprich <strong>mit</strong> deinen Eltern!" Und so kam ich dann


eines Tages an <strong>mit</strong> meinen Eltern bei ihm. Ich war, wie gesagt, 15 Jahre alt und<br />

mein Vater meinte nur: "Ja, ja, natürlich, das finde ich toll. Du kannst von mir aus<br />

gerne Schauspielunterricht nehmen und hier drei Jahre lernen. Aber du musst das<br />

selbst finanzieren!" Super! Da<strong>mit</strong> war die Sache natürlich erledigt. Vielleicht muss<br />

ich sogar froh sein, dass das so gekommen ist damals. Denn klassische Helden<br />

gab es und gibt es wie Sand am Meer. So bin ich halt der Liebhaber <strong>im</strong><br />

<strong>Volkstheater</strong> geworden: Da habe ich zusammen <strong>mit</strong> dem Gerhard Lippert 20<br />

Jahre lang die jugendlichen Liebhaberrollen gespielt. Das war schon eine<br />

wunderbare Zeit. Wir waren da, wie ich sagen darf, doch relativ konkurrenzlos.<br />

Habermeyer: Haben Sie denn bei diesem Schauspiellehrer wirklich etwas gelernt?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, man hat schon etwas gelernt. Aber die beste Lehre ist einfach die Praxis: Das<br />

ist <strong>im</strong>mer noch das Beste. Vor allem das Zuschauen! Ich glaube, ich habe am<br />

meisten durchs Zuschauen gelernt. Ich habe ja <strong>mit</strong> allen großen bayerischen<br />

Schauspielern gespielt, ob das der Schmid-Wildy war oder ein Michl Lang oder ein<br />

Beppo Brem. Von denen konnte man etwas lernen. Ich kreide es den jungen<br />

Schauspielern von heute <strong>im</strong>mer wieder an, dass sie nicht genau zuschauen: "Ihr<br />

müsst zuschauen! Ihr müsst euch Vorbilder suchen!" Denn vom Abschauen kann<br />

man am meisten lernen. Ich habe z. B. drei Jahre lang <strong>im</strong> Residenztheater <strong>im</strong><br />

"Brandner Kaspar" <strong>mit</strong>gespielt. Ich war damals nie in der Garderobe während der<br />

Aufführung. Natürlich ist es toll, wenn man <strong>im</strong> ersten oder zweiten Stock in der<br />

Garderobe sitzt und man dann die St<strong>im</strong>me des Inspizienten hört: "Herr <strong>Helfrich</strong>, Ihr<br />

Auftritt! Kommen Sie bitte runter!" Bei mir hat es das nie gebraucht, weil ich <strong>im</strong>mer<br />

in der "Gasse" gestanden habe, also in der Feuerwehrzone, und wie gebannt dem<br />

Fritz Strassner oder dem Toni Berger oder dem Gustl Bayrhammer zugesehen<br />

habe. Mir ist da nichts entgangen, nichts. Da kann man am meisten lernen.<br />

Habermeyer: Welche Rolle haben Sie da gespielt?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ich habe den Flori gespielt, den Wilderer.<br />

Habermeyer: Da<strong>mit</strong> waren Sie der Gegenspieler vom Bierbichler Sepp.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau.<br />

Habermeyer: Man muss noch einmal sagen: Sie kommen aus einer Schauspielerfamilie. Ihr<br />

Vater war der Chef vom Tegernseer <strong>Volkstheater</strong>. Aber auch Ihre Mutter war<br />

Schauspielerin, das war nämlich die Amsi Kern. Sie war eigentlich noch viel<br />

berühmter als Ihr Vater. Leider ist Ihre Mutter vor ein paar Jahren gestorben. Sie war<br />

wirklich eine gestandene bayerische Volksschauspielerin. Hätten Sie sich denn<br />

überhaupt durchsetzen können, wenn Sie gesagt hätten, Sie würden doch lieber<br />

Damenfriseur werden?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, <strong>mit</strong> Sicherheit. Ich bin wirklich nicht gezwungen worden, zum Theater zu gehen.<br />

Das hat sich einfach so ergeben.<br />

Habermeyer: Sie haben dann gemerkt, dass Ihnen das erstens Spaß macht und dass Sie das<br />

zweitens auch können. Denn irgendwann einmal muss man ja merken, ob man das<br />

kann. Es hilft ja nichts, wenn es einem zwar Spaß macht, aber man es einfach nicht<br />

kann. Wann wussten Sie denn, dass Sie das auch wirklich können und nicht nur<br />

wollen?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Durch das Lob der Kollegen habe ich das dann schon gemerkt. Sie waren damals<br />

schon sehr, sehr kritisch. Wir hatten einen älteren Kollegen <strong>mit</strong> Namen Ernst<br />

Heiden. Er war damals Geschäftsführer bei den "Tegernseern" und er war sehr,<br />

sehr kritisch. Wenn der einmal gesagt hat, "Burschi, es ist gut, was du machst!",<br />

dann konnte man wirklich etwas geben darauf. 1968/69 kamen dann die ersten<br />

Fernsehsachen und da hat man dann schon gemerkt, dass man vielleicht nicht<br />

ganz verkehrt liegt <strong>mit</strong> seiner Arbeit.<br />

Habermeyer: Bleiben wir noch ein wenig in der Vergangenheit, bei den Anfängen. Hatte denn<br />

das Tegernseer Bauerntheater ein eigenes Haus?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, sie hatten in Tegernsee ein eigenes schönes Haus: Dort lagerten die Kulissen


und dort hat man auch regelmäßig ein oder zwei Mal in der Woche gespielt. Das<br />

war sehr schön. Aber auch dieses Theater war in erster Linie ein Tourneetheater.<br />

Habermeyer: War das Publikum damals eigentlich anders als heute?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, da gibt es keinen Unterschied. Heute ist allerdings ganz deutlich zu erkennen,<br />

dass <strong>im</strong>mer mehr junge Leute zu uns ins <strong>Volkstheater</strong> kommen. Das mag an<br />

unserer Fernsehpräsenz liegen, das ist gut möglich. Es sind jedenfalls sehr, sehr<br />

viele junge Leute bei uns <strong>im</strong> Publikum. Aber der Geschmack des Publikums hat<br />

sich speziell be<strong>im</strong> Dialekttheater meiner Ansicht nach nicht verändert.<br />

Habermeyer: Dann gehen wir doch gleich mal zum <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong>, das Sie jetzt seit<br />

1984 zusammen <strong>mit</strong> Ihrer Frau leiten. Ihre Frau ist ebenfalls Schauspielerin, das ist<br />

nämlich die Mona Freiberg. Seit wann ist denn <strong>im</strong> Bayerischen Rundfunk das<br />

<strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong> zu sehen? Seit 1995?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau, seit 1995. Davor waren wir zwei Jahre lang bei einem Privatsender zu<br />

sehen. Dann kam aber der BR auf uns zu und hat gefragt, ob wir nicht zu ihnen<br />

wechseln wollen. Dafür waren wir natürlich sehr, sehr dankbar, denn einen besseren<br />

Arbeitgeber kann man sich nicht vorstellen als den BR. Das funktioniert einfach alles<br />

bestens. Ich denke, da sind beide Seiten wirklich sehr zufrieden. Mittlerweile haben<br />

wir <strong>mit</strong> dem BR, wenn ich mich nicht täusche, bereits 95 oder 96 Produktionen<br />

gemacht.<br />

Habermeyer: In diesen zehn Jahren also knapp 100 Produktionen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja.<br />

Habermeyer: Das ist ein Haufen Holz. Wie oft sind Sie denn <strong>im</strong> Fernsehen zu sehen?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Wir sind, glaube ich, <strong>im</strong> 14-tägigen Rhythmus am Freitag zu sehen. Neu machen<br />

wir pro Jahr acht Produktionen. Im Sommer wird da aber eineinhalb Monate lang<br />

Sommerpause gemacht, was ganz gut ist. Denn sonst würden die Stücke wirklich<br />

"verschossen".<br />

Habermeyer: Ihr <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong> hat kein eigenes Haus, sondern ist ein richtiges<br />

Gastspieltheater.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja.<br />

Habermeyer: Sie haben allerdings eigene Probenräume. Danach wird auf Gastspiel gegangen<br />

oder es wird eine Fernsehaufzeichnung gemacht. Ist es so, dass die Sachen, die<br />

<strong>im</strong> Fernsehen zu sehen sind, vorher "normal" aufgeführt werden? Oder wird<br />

geprobt und dann gleich ins Fernsehen gegangen da<strong>mit</strong>?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Die Stücke, die wir jetzt machen, sind alle neu. Gestern hatten wir z. B. Aufzeichnung<br />

und heute haben wir das schon wieder vergessen. Das ist nun einmal leider so. Bei<br />

dem einen oder anderen Stück überlegt man sich, ob man es in ein paar Jahren<br />

auf Tournee bringen kann. Die ersten Produktionen – <strong>mit</strong>tlerweile haben wir ja be<strong>im</strong><br />

<strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong> insgesamt 120 oder 130 Produktionen gemacht –<br />

stammten noch aus dem Repertoire: Das war insofern noch relativ einfach. Aber<br />

jetzt jedes Jahr acht neue Stücke auf die Bühne zu bringen, das ist natürlich schon<br />

nicht ganz einfach. Aber das macht eben auch Spaß. Man muss z. B. viel lesen<br />

dafür. Ich bekomme ja viele Stücke zugeschickt, aber bei den meisten muss man<br />

eben ganz freundlich absagen, nicht wahr. Warum sie in Wahrheit überhaupt nicht<br />

geeignet sind, darf man meistens nicht schreiben, das ist klar. Mir macht es<br />

jedenfalls großen Spaß, Stücke auszuwählen und zu bearbeiten oder auch selbst<br />

neue Ideen zu haben. Das funktioniert ganz gut.<br />

Habermeyer: Klar ist jedenfalls, dass Sie auch auf Gastspiel gehen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, natürlich. Wir haben pro Jahr neben unseren Fernsehproduktionen ungefähr<br />

180 bis 200 Vorstellungen. Wir machen das aber <strong>mit</strong> zwei Ensembles. Wir sind<br />

also <strong>im</strong>mer <strong>mit</strong> zwei Ensembles unterwegs. Wir spielen momentan den "Skandal<br />

in Pullding". In diesem Stück spiele ich selbst <strong>mit</strong>. Und dann gibt es noch die andere<br />

Truppe <strong>mit</strong> Egon Biscan, <strong>mit</strong> meiner Frau Mona Freiberg, <strong>mit</strong> dem Andreas Kern


und dem Hans Stadlbauer usw. Diese andere Truppe spielt <strong>im</strong> Moment "Das<br />

sündige Dorf".<br />

Habermeyer: Und das sind dann Sachen, die speziell für das Gastspiel geprobt und einstudiert<br />

werden und die nichts da<strong>mit</strong> zu tun haben, dass das vorher <strong>im</strong> Fernsehen zu sehen<br />

war.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, wir hatten diese beiden Stücke vorher schon fürs Fernsehen gemacht.<br />

Natürlich haben wir dann dem Sender gegenüber den Wunsch geäußert, speziell<br />

diese beiden Stücke in den nächsten beiden Jahren nicht zu wiederholen. Denn<br />

sonst könnte es sein, dass der Zuschauer das womöglich am Freitag <strong>im</strong><br />

Fernsehen sieht und dann am Samstag nicht mehr zu unserem Gastspiel in<br />

Bayreuth oder Stuttgart usw. kommt.<br />

Habermeyer: Wie muss man sich die Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem BR vorstellen? Sie bekommen<br />

Bücher oder finden Bücher, lesen diese Bücher durch und sagen sich dann: "So,<br />

dieses Stück möchte ich jetzt machen!" Sind Sie da vollkommen frei oder gehen<br />

Sie da zuerst zum Redakteur oder zur Redakteurin?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, da sind wir völlig frei. Erst dann, wenn wir selbst eine engere Auswahl der<br />

Bücher getroffen haben, gehen sie zur Redaktion, also entweder zu Frau Ofiera<br />

oder zu Herrn Jäger, die für uns zuständig sind. Die lesen das dann auch noch<br />

einmal durch, aber sie haben uns eigentlich noch nie ein Stück abgelehnt.<br />

Habermeyer: Was ist denn die Bedingung für ein Stück, da<strong>mit</strong> Sie es spielen können?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Da sind wir sehr offen und vielseitig. Wir brauchen also nicht nur schauen, dass die<br />

Leute lachen, sondern wir können durchaus auch mal Stücke <strong>mit</strong> einem ernsten<br />

Hintergrund spielen. In dem Zusammenhang kann ich Ihnen z. B. folgende<br />

Geschichte erzählen: Mittlerweile entwickle ich ja Ideen für die Stücke selbst und<br />

lasse sie dann schreiben. Das ist seit ein paar Jahren so ein Steckenpferd und<br />

eine Stärke von mir. Ich wusste gar nicht, dass ich das kann, aber <strong>mit</strong>tlerweile geht<br />

das ganz gut. Ich schreibe halt nur keine Dialoge. Die Dialoge lasse ich dann<br />

schreiben. Aber ich erfinde die eigentliche Geschichte und die Figuren. Bei uns ist<br />

ja auch die Christiane Blumhoff ab und zu als Gastschauspielerin <strong>mit</strong> dabei: weil sie<br />

sehr, sehr gut ist und auch menschlich sehr gut zu uns passt. Sie hat drei<br />

wunderbare und hübsche Kinder. Sie war <strong>mit</strong> einem Schwarzen verheiratet, aber<br />

ihr Mann ist leider vor einiger Zeit gestorben. Ihre Kinder sind also bildhübsch und ihr<br />

Sohn, der S<strong>im</strong>on, der nun auch bei uns <strong>mit</strong>spielt, hat wohl schon einmal<br />

irgendetwas be<strong>im</strong> Fernsehen gemacht. Ich habe jedenfalls die Christiane eines<br />

Tages gefragt, ob ihr Junge begabt ist, ob sie glaubt, dass er auf der Bühne spielen<br />

könnte. Sie hat gemeint, dass sie das sehr wohl glaubt. Er ist um die 20 Jahre alt:<br />

bildhübsch und musikalisch. Ich habe mir dann eben folgende Geschichte<br />

ausgedacht: Es geht um zwei Handwerksburschen, genauer gesagt um zwei<br />

Z<strong>im</strong>merer, die auf der Walz sind. Der eine von den beiden ist Hamburger. Wir<br />

haben bei uns in der Truppe den Jörn Hinrichs, der kann den Hamburger Dialekt<br />

perfekt. Auch er ist so Mitte 20. Und der Zweite ist eben ein Schwarzer, das ist der<br />

S<strong>im</strong>on, also der Sohn von der Christiane Blumhoff. Diese beiden kommen<br />

irgendwo ins Oberland, meinetwegen nach Ruhpolding, und stellen sich be<strong>im</strong><br />

Handwerksmeister vor, der zugleich auch Bürgermeister ist. Und für den sind das<br />

natürlich zwei Ausländer. Der eine ist Hamburger und der andere ist ein Schwarzer!<br />

Und so versucht natürlich jeder <strong>mit</strong> dem Schwarzen irgendwie Englisch zu sprechen<br />

– so weit halt das Schulenglisch reicht. Aber der S<strong>im</strong>on sagt dann einfach <strong>im</strong><br />

tiefsten bayerischen Dialekt: "Ja könnt Ihr nicht mehr gescheit bayerisch reden?"<br />

Weil er natürlich ein Urbayer ist. Diese ganze Geschichte ist natürlich wahnsinnig<br />

lustig, aber sie geht halt nur so lange gut, bis sich der S<strong>im</strong>on in die Tochter des<br />

Bürgermeisters, die ein blondes, hübsches Mädchen ist, verliebt.<br />

Habermeyer: Oha.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Und dann sagt natürlich der Vater von diesem Mädchen, der Bürgermeister, zum<br />

S<strong>im</strong>on: "Burschi, du bist ein netter Kerl, du bist auch ein guter Handwerker, aber jetzt<br />

musst du wieder gehen!" Und S<strong>im</strong>on geht. Wir können also auch solche


Geschichten spielen, <strong>mit</strong> denen wir das Publikum durchaus zum Nachdenken oder<br />

in eine traurige St<strong>im</strong>mung bringen. Gott sei Dank.<br />

Habermeyer: Sie haben also die Idee für diese Stücke und lassen dann die Dialoge schreiben.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja.<br />

Habermeyer: Muss das vom Bühnenbild her so sein, dass jeder Akt <strong>im</strong> gleichen Bühnenbild, vor<br />

dem gleichen Hintergrund spielt?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das ist natürlich das Problem, das wir haben: Wir können keine verschiedenen<br />

Schauplätze haben. Das heißt, wir müssen <strong>im</strong>mer <strong>mit</strong> einem einzigen Bühnenbild<br />

arbeiten. Für einen Autor ist das natürlich wahnsinnig schwer.<br />

Habermeyer: Der muss dann alles in ein Z<strong>im</strong>mer oder auf einen Platz packen können.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das ist das Problem. Wenn man wie bei einem Fernsehspiel oder bei einem<br />

Kr<strong>im</strong>i mehrere Schauplätze hat, dann macht das die Sache natürlich sehr viel<br />

einfacher. Da kann man dann die Dialoge mal hierhin und mal dorthin legen. Aber<br />

bei uns muss der Faden von der ersten bis zur 90. Minute <strong>mit</strong> nur einem Bühnenbild<br />

durchgehen. Das ist natürlich andererseits auch wieder sehr reizvoll.<br />

Habermeyer: Das ist reizvoll, aber auch nicht ganz einfach.<br />

<strong>Helfrich</strong>: St<strong>im</strong>mt.<br />

Habermeyer: Was muss ein Volksschauspieler eigentlich <strong>mit</strong>bringen, da<strong>mit</strong> er ein<br />

Volksschauspieler ist?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Begabt muss er sein, das ist alles. Er muss nur begabt sein. Gut, für ein Mädchen<br />

wäre es nicht ganz ungeschickt, wenn sie auch noch hübsch ist.<br />

Habermeyer: Oh, es gibt auch Volksschauspielerinnen, die dem gängigen Schönheitsideal nicht<br />

so ganz entsprechen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das ist völlig richtig, das ist klar.<br />

Habermeyer: Aber wie wird man denn ein Volksschauspieler? Was ist denn der Unterschied<br />

zwischen einem Schauspieler und einem Volksschauspieler?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Dass er den Dialekt beherrscht. Und das ist das Problem. Wir erleben es ja <strong>im</strong>mer<br />

wieder, dass sich bei uns junge Leute bewerben, die aus Bayern kommen, die in<br />

Bayern verwurzelt sind und die trotzdem nach der Schauspielschule keinen Dialekt<br />

mehr können, weil ihnen dort jegliche Natürlichkeit und vor allem der Dialekt<br />

regelrecht ausgetrieben wird. Denen muss man auf der Bühne die Muttersprache<br />

erst mal wieder beibringen. Das ist tragisch.<br />

Habermeyer: Das heißt, Sie befürworten dann auch solche Sachen, wie sie am<br />

Prinzregentheater gemacht werden. Das ist damals noch von Everding eingeführt<br />

worden. Dort können die jungen Schauspieler <strong>im</strong> Sommer Kurse machen, in<br />

denen sie wieder Bayerisch lernen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, auf alle Fälle. Wenn sie die richtigen Lehrer haben, die dieses Fach auch<br />

beherrschen, dann ist das durchaus zu begrüßen.<br />

Habermeyer: Wie weit sind Sie denn frei in der Sprache bei den Fernsehaufzeichnungen?<br />

Müssen Sie sich zurücknehmen in Ihrem Bayerisch?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Eigentlich müssen wir uns nicht zurücknehmen. Aber ich lege schon ein bisschen<br />

Wert darauf, dass man halt nicht "oiwei", sondern "<strong>im</strong>mer" sagt usw. Das sind so<br />

Kleinigkeiten, die man abschleift. Aber dass man jetzt dieses Bühnen-Bayerisch<br />

spricht, dagegen bin ich schon sehr. Wir können also schon ziemlich natürlich<br />

bleiben.<br />

Habermeyer: Sie sprechen also quasi so, wie derjenige, der den Dialog schreibt, meint, dass<br />

man auf der Straße spricht.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das machen wir schon so. Hie und da muss man natürlich schon auch mal ein<br />

paar Konzessionen machen. Wir waren vor ungefähr 20 Jahren mal <strong>mit</strong> unserem


Theater droben in Friesland und haben den "Jäger von Fall" vom Ganghofer<br />

gespielt. Bei den Ostfriesen muss man natürlich schon irgendwie versuchen, das<br />

alles so zu sprechen, dass sie das auch verstehen. Das ist <strong>mit</strong> einem Stück von<br />

Ganghofer natürlich sehr, sehr schwierig, weil der ja ohnehin eine ganz eigene<br />

Sprache hat. Aber das ging wunderbar und wir dachten uns, dass das jetzt<br />

best<strong>im</strong>mt jeder verstanden hat. Nach der Vorstellung kam aber ein Ostfriese zu uns<br />

und meinte: "Das war aber jetzt kein Bayerisch, das Sie da gesprochen haben!"<br />

Der wollte also doch lieber die ursprüngliche Art haben. Aber das sind natürlich nur<br />

Einzelfälle. Insgesamt versuchen wir natürlich schon, dass wir uns ein wenig<br />

zurücknehmen, wenn wir ein bisschen weiter weg spielen. Wenn wir z. B. in<br />

Frankfurt sind, dann versuchen wir schon, dass wir das ein bisschen abschleifen.<br />

Das kann man schon machen, ohne dass man einem Stück irgendetwas n<strong>im</strong>mt.<br />

Habermeyer: Und wenn das Stücke sind, die in der Vergangenheit spielen? Wird dann die<br />

Sprache umgestellt? Oder kommt das in letzter Zeit kaum noch vor?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das kommt kaum noch vor.<br />

Habermeyer: Sie spielen eigentlich fast <strong>im</strong>mer in der Jetztzeit.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, schon, oder auch mal in den zwanziger oder fünfziger Jahren. Aber weiter<br />

gehen wir eigentlich nicht zurück.<br />

Habermeyer: Und da ändert sich dann auch an der Sprache nichts.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, da ändert sich dann nichts.<br />

Habermeyer: Sind denn die Stücke, die nicht Sie entwickelt haben, sondern die Sie finden oder<br />

geschickt bekommen, alte Stücke, die früher schon gespielt worden sind? Oder<br />

sind das <strong>im</strong>mer neue Stücke, die speziell für Sie geschrieben worden sind?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Heute sind das lauter neue Stücke. Denn von den Stücken, die früher geschrieben<br />

worden sind, haben wir wohl <strong>mit</strong>tlerweile alle gespielt oder bearbeitet. Oder sie sind<br />

halt für uns aus den vorhin genannten Gründen nicht spielbar. Die Stücke, die wir<br />

heute spielen, sind also alles neue Stücke. Wir haben da ein paar Autoren, die für<br />

uns arbeiten wie z. B. die Ulla Kling, die sehr viel für uns schreibt. Sie kennt auch<br />

wirklich jeden von uns. Oder es gibt den Walter Gerd Pfaus, der uns das letzte<br />

Stück, das wir gespielt haben, geschrieben hat. Mein Sohn, der Harald <strong>Helfrich</strong>,<br />

schreibt <strong>mit</strong>tlerweile ebenfalls. Er schreibt sehr gut. Wichtig ist, dass die Tradition<br />

<strong>mit</strong> dem Modernen zusammenfindet, dass das passt. Ich glaube, das ist ganz, ganz<br />

wichtig.<br />

Habermeyer: Man müsste vielleicht noch ein wenig klären, was das <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong><br />

eigentlich ist. Da gibt es also einen Chef und eine Chefin. Dann gibt es Ihre Familie,<br />

den Sohn, die Tochter, Ihren Bruder. Früher gab es auch noch die Mutter. Und dann<br />

gibt es die Schauspieler. Ist das eine richtige Firma, bei der die Leute als<br />

Schauspieler fest angestellt sind?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, wir sind <strong>mit</strong>tlerweile sogar eine große Firma geworden. Wenn man <strong>im</strong> Jahr 200<br />

Theaterorte zu bespielen hat und acht Fernsehaufzeichnungen macht, dann braucht<br />

es natürlich sehr viel an Organisation und Logistik usw. Da braucht es Busse,<br />

LKWs für die Technik usw. Einige der Schauspieler sind bei uns fest angestellt und<br />

einige sind Freiberufler, je nachdem, wie sie das wollen oder wie wir das für besser<br />

halten.<br />

Habermeyer: Wie viele fest angestellte Schauspieler sind es?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das Ensemble umfasst um die 20 Leute und davon sind ungefähr sechs oder acht<br />

Leute fest engagiert.<br />

Habermeyer: Ist es so, dass das manchmal auch schwierig zu koordinieren ist? Denn die<br />

Schauspieler wollen ja vermutlich auch noch etwas anderes spielen, und nicht nur<br />

bei Ihnen spielen. Die machen wahrscheinlich hin und wieder eine<br />

Fernsehproduktion usw.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Teilweise ist das schon ein bisschen schwierig. Der Hans Stadlbauer z. B. dreht ja


fest das "Forsthaus Falkenau". Da gibt es dann schon ab und zu mal ein paar<br />

kleinere Probleme. Aber unsere Leute haben <strong>mit</strong>tlerweile doch eine solche<br />

Popularität erreicht, dass sie einem Sender gegenüber auch durchaus ihren<br />

eigenen Standpunkt vertreten können. Sie können also sagen: "Passt auf, das<br />

<strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong> ist mein Standbein, das säge ich mir nicht ab, also müsst<br />

ihr auf die <strong>Chiemgauer</strong> Rücksicht nehmen." Da schließt man sich dann halt <strong>mit</strong> der<br />

jeweiligen Produktion kurz und da wird uns dann gesagt, man bräuchte den<br />

Stadlbauer oder die Kathi Leitner dann und dann für einen <strong>Dr</strong>eh so und so lange.<br />

Das können wir dann schon arrangieren.<br />

Habermeyer: Die Kathi Leitner, der Egon Biscan, der Hans Stadlbauer: Sind das Leute, die<br />

schon ewig dabei sind be<strong>im</strong> <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong>?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Die sind schon ewig dabei.<br />

Habermeyer: Also schon bevor Sie Prinzipal wurden?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Natürlich, die waren schon dabei, als meine Mutter noch das Theater leitete. Die<br />

Kathi ist <strong>mit</strong>tlerweile wohl an die 30 Jahre bei uns, der Hans Stadlbauer<br />

meinetwegen 29 Jahre und der Egon Biscan 28 Jahre. Das ist bei uns schon zu<br />

einer großen Familie geworden.<br />

Habermeyer: Das heißt, man kennt sich auch ziemlich gut.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, man kennt sich und man mag sich vor allem. Denn das ist wichtig. Ich glaube,<br />

das ist wirklich wichtig und das merkt man dann auch auf der Bühne, ob sich die<br />

Leute dort oben mögen, ob das eine Einheit ist oder ob da jeder nur ein<br />

Einzelkämpfer ist und gegen den anderen spielt.<br />

Habermeyer: Und wenn neue, junge Schauspieler dazukommen, dann müssen die sich<br />

integrieren – und dürfen nicht intrigieren.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau, aber davon haben wir keinen, so etwas gibt es bei uns nicht, Gott sei Dank.<br />

Schon meine Mutter hat <strong>im</strong>mer dafür gesorgt, dass da alles passt, dass da auch<br />

menschlich alles passt. Denn das ist ja ganz, ganz wichtig, wenn man so viel<br />

zusammen ist wie wir. Auch die Jungen bekommen das also sehr schnell <strong>mit</strong>: Sie<br />

werden bei uns aufgenommen und fühlen sich wohl bei uns. Und die Leistungen<br />

bringen sie natürlich auch – die müssen sie natürlich auch bringen, das ist klar.<br />

Habermeyer: Aber für den Chef eines Theaters gibt es doch best<strong>im</strong>mt auch Entscheidungen, die<br />

einem nicht ganz so leicht fallen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Die überlasse ich dann meiner Frau.<br />

Habermeyer: Ach so. Und wie ist das bei der Besetzung eines neuen Stückes?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Die mache ich. Aber die unangenehmen Dinge muss dann meine Frau erledigen.<br />

Habermeyer: Sie machen also die Besetzung, aber die Mitteilung, wer was spielt, das macht<br />

dann Ihre Frau.<br />

<strong>Helfrich</strong>: So ist es.<br />

Habermeyer: Gibt es da nicht manchmal auch lange Gesichter unter den Schauspielern?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, nein. Bei den Mädels gibt es das vielleicht schon ab und zu mal. Aber da<br />

muss man dann einfach vernünftig argumentieren, warum das so ist, warum die<br />

Rolle so und so besetzt werden muss. Letztlich gibt es da ja nur künstlerische<br />

Argumente. Persönliche An<strong>im</strong>ositäten würde man da zurückstellen, aber die gibt es<br />

bei uns sowieso nicht. Künstlerisch muss das halt passen und deswegen muss die<br />

eine Person verstehen, warum man die andere vorzieht.<br />

Habermeyer: Wie viel bürokratischen bzw. technischen Aufwand haben Sie eigentlich als Leiter<br />

zu bewältigen? Sie machen also Regie und spielen auch selbst, aber Sie haben ja<br />

vorhin selbst vom Fuhrpark usw. erzählt: Wie viel Büroarbeit ist das also?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das ist sehr viel Büroarbeit. Aber wir haben auch ein paar Damen bei uns <strong>im</strong> Büro<br />

sitzen. Meine Frau ist dort die Chefin, denn sie spielt nicht nur Theater, sondern


macht auch die ganze Organisation. Und dann haben wir eine Agentur, das<br />

Konzertbüro Chiemgau, <strong>mit</strong> dem wir zusammenarbeiten. Die nehmen uns schon<br />

mal die ganze Tournee ab, das ist ein Riesenvorteil. Natürlich machen sie das<br />

<strong>im</strong>mer in Absprache <strong>mit</strong> uns – auch wegen der Fernsehtermine. Andi Kern steht z.<br />

B. nicht nur auf der Bühne, sondern er ist auch für die ganzen Kulissen zuständig<br />

und auch dafür, wer wann wohin zu fahren hat, wer wann be<strong>im</strong> Treffpunkt sein muss<br />

usw. Dafür ist er verantwortlich. Die Aufgaben sind also ganz gut verteilt bei uns.<br />

Habermeyer: Gehen wir doch noch einmal ein wenig zurück. Einem größeren Publikum wurden<br />

Sie natürlich durch Ihre Fernseharbeit bekannt, speziell durch Ihre Arbeit <strong>im</strong><br />

berühmten "Komödienstadel". Dort haben Sie sich, wie Sie vorhin erzählt haben,<br />

<strong>mit</strong> dem Gerhard Lippert als jugendlicher Liebhaber die Klinke in die Hand<br />

gegeben. Was war denn das erste Stück, in dem Sie dort <strong>mit</strong>gespielt haben?<br />

Wissen Sie das noch?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, ich glaube nicht. Meine erste Fernsehrolle war be<strong>im</strong> "Königlich Bayerischen<br />

Amtsgericht", das weiß ich noch. Und dann erst kamen die "Komödienstadel".<br />

Aber ich weiß jetzt nicht mehr genau, was da das erste Stück gewesen ist, bei dem<br />

ich dabei war. War das "St. Pauli in St. Peter" <strong>mit</strong> dem Maxl Graf? Ich weiß es nicht<br />

mehr genau. Denn ich habe so viele Produktionen gemacht, dass man so etwas<br />

einfach vergisst.<br />

Habermeyer: Sie haben dort aber nicht sofort <strong>mit</strong> großen Hauptrollen angefangen, oder?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Doch, be<strong>im</strong> "Komödienstadel" schon.<br />

Habermeyer: Da waren Sie dann schon so etabliert, dass Sie gleich die Hauptrollen gespielt<br />

haben.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau.<br />

Habermeyer: Der Regisseur des "Komödienstadels" war damals der Olf Fischer.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau.<br />

Habermeyer: Machen Sie heute Ihre Regiearbeiten genauso wie er damals, also auch relativ<br />

lautstark?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, nein. Es gibt ja viele, die es nicht so toll fanden, was der Olf Fischer gemacht<br />

hat. Aber diese Leute vergessen <strong>im</strong>mer, dass sie alle, dass alle bayerischen<br />

Schauspieler, die dann wirklich groß geworden sind, ihren Erfolg dem Olf Fischer<br />

zu verdanken haben. Wirklich alle. Er hat sie groß gemacht. Und das vergessen sie<br />

eben gerne. Der Olf Fischer hat weniger Wert gelegt auf die Führung der<br />

Schauspieler. Ihm war es wichtiger, die Schauspieler gut zu photographieren. Er hat<br />

z. B. sehr viel <strong>mit</strong> Großaufnahmen gearbeitet. Aber genau dadurch sind die Leute<br />

natürlich auch bekannt geworden: Ihre Gesichter sind bekannt geworden. In der<br />

heutigen Zeit arbeitet man aber logischerweise ganz anders. Da n<strong>im</strong>mt man mehr<br />

zurück, denn auch die Technik ist ja ganz anders geworden. Denken Sie nur einmal<br />

an die Lichtsetzung. Das Fernsehlicht, die Studiobeleuchtung ist heute ja ganz<br />

anders als damals. Früher hatte man halt Theaterlicht: Das war einfach volles Licht –<br />

und fertig! Heute arbeitet man ganz, ganz toll <strong>mit</strong> Licht und Schatten. Die Arbeit ist<br />

also schon ganz anders geworden.<br />

Habermeyer: Haben Sie sich denn irgendjemanden zum Vorbild genommen als Regisseur?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Natürlich, ich habe viele, viele Vorbilder, weil ich ja <strong>mit</strong> vielen guten Regisseuren<br />

gearbeitet habe. Ich habe ja z. B. viel <strong>mit</strong> dem Dieter Wieland in der "Kleinen<br />

Komödie" gearbeitet. Meine Frau, die Mona Freiberg, und ich gehörten ja fast zehn<br />

Jahre lang zum Stammensemble der "Kleinen Komödie". Für mich war der Dieter<br />

Wieland einer der besten Regisseure überhaupt. Er hat es verstanden, die<br />

Menschen zu führen. Er konnte z. B. unglaublich gut den Schauspielerinnen eine<br />

Frau vorspielen: Er konnte sich besser bewegen als manche Frau. Das kann ich z.<br />

B. auch sehr, sehr gut. Meine Damen lachen sich <strong>im</strong>mer krank auf der Bühne, wenn<br />

ich ihnen vorführen muss, wie eine Dame zu gehen hat, wie sich eine Dame<br />

bewegt. Darum haben wir dann ja auch "Charly's Tante" adaptiert und "Dem Karli


sei Tante" daraus gemacht. Das ist einfach durch so einen Blödsinn entstanden,<br />

weil alle zu mir gesagt haben: "Das ist ja der Wahnsinn, du musst in deinem<br />

früheren Leben mal eine Frau gewesen sein!" Und dann hat der Schorlemmer<br />

gesagt: "So, da mache ich jetzt ein Stück für dich!" Da<strong>mit</strong> sind wir wieder be<strong>im</strong><br />

Zuschauen: Be<strong>im</strong> Zuschauen kann man am meisten lernen! Oder denken Sie in<br />

Bezug auf die Regie z. B. an den Fassbinder.<br />

Habermeyer: Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen. Denn Sie haben ja auch <strong>mit</strong> Rainer<br />

Werner Fassbinder gearbeitet, und zwar <strong>im</strong> "Bolwieser".<br />

<strong>Helfrich</strong>: Da kann man einfach nur lernen.<br />

Habermeyer: In Amerika heißt dieses Stück ja "Bolweiser". Warum weiß ich auch nicht, vielleicht<br />

deswegen, weil sie sich schwer tun, das "Bolwieser" auszusprechen. Die siebziger<br />

Jahre und Ihre Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Fassbinder stelle ich mir schon als etwas ganz,<br />

ganz anderes vor, verglichen <strong>mit</strong> dem Heute.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das war wirklich ganz etwas anderes.<br />

Habermeyer: Was war daran anders?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Schon alleine das Vorstellungsgespräch war eine unglaubliche Geschichte. Sie<br />

müssen sich vorstellen, ich als der Bub vom Land muss zum Vorstellungsgespräch<br />

zum Fassbinder in die Reichenbachstraße, wo er gewohnt hat. Die Wohnung war<br />

unglaublich chaotisch. Sie war ganz in Schwarz gehalten: Das Bad war schwarz,<br />

das Schlafz<strong>im</strong>mer war schwarz, die Bettdecken waren schwarz usw. Die Küche<br />

war jedoch so eine Art Bauernküche und dort saßen so ungefähr zehn oder zwölf<br />

Leute herum, seine ganze "Familie" sozusagen. Ich saß da <strong>mit</strong>tendrin. Und dann<br />

kreiste natürlich zuerst einmal der Joint. Als der Joint dann bei mir gelandet ist, hat<br />

der Fassbinder nur gemeint: "Nein, nein, <strong>Bernd</strong> will das nicht!" So bin ich gleich<br />

schon mal erschrocken, wie es da zugeht bei denen. Aber das war ja auch ganz<br />

lustig. Es war dann klar, dass ich diese Rolle bekomme. Aber der Fassbinder<br />

sagte zu mir: "Ich sehe dich schwarz, ich sehe dich schwarz!" Ich dachte mir nur:<br />

"Gut, wenn ich be<strong>im</strong> Fassbinder spielen kann, dann lasse ich mir halt die Haare<br />

schwarz färben." Und so habe ich diese Rolle halt schwarz gespielt. Ich saß jeden<br />

Tag in der Maske, wo dann <strong>mit</strong> der Ondulierschere an meinen Haaren<br />

herumgemacht wurde. Möglicherweise ist das der Grund dafür, warum ich heute<br />

nur mehr so wenig Haare auf dem Kopf habe. Wahrscheinlich sind damals alle<br />

meine Haare abgebrochen oder verbrannt worden. Aber es war natürlich schon<br />

faszinierend <strong>mit</strong> dem Fassbinder zu arbeiten. Wir haben damals in Hof gedreht:<br />

Das waren lauter Verrückte!<br />

Habermeyer: In Hof?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, in Hof. Wir haben in Hof gedreht. Allerdings nicht ganz, weil dem Fassbinder in<br />

den letzten Tagen Hof nicht mehr gefallen hat. Und deswegen hat er gesagt: "Ich will<br />

hier nicht mehr drehen, ich will jetzt in München drehen!" Und deswegen musste<br />

dann in Geiselgasteig dieser Bahnhof nachgebaut werden! Das war alles möglich.<br />

Bei Fassbinder war alles möglich. Da gab es keinen Redakteur, der gesagt hätte:<br />

"Herr Fassbinder, Sie müssen arbeiten, wir haben Termindruck, wir müssen fertig<br />

werden!" Nein, wirklich nicht. Wir konnten mal zwei Tage nicht drehen, weil der<br />

Fassbinder einfach nicht da war. Er war einfach abwesend. Oder es war der<br />

Hauptdarsteller einfach nicht anwesend, weil ihn sein Freund, der kleine Ausländer,<br />

betrogen oder verlassen hatte, und deswegen konnte er "natürlich" nicht arbeiten<br />

und musste den ganzen Tag nur heulen. Solche Sachen hat man damals also<br />

schon auch <strong>mit</strong>erlebt. Wenn wir aber gearbeitet haben, wenn der Fassbinder<br />

gearbeitet hat, dann war das einfach toll. Auch seine Schauspielerführung war toll.<br />

Habermeyer: Was hat denn da die Intensität ausgemacht? Wenn man sich heute den<br />

"Bolwieser" aus den siebziger Jahren ansieht - das war die Verfilmung eines<br />

Buches von Oskar Maria Graf und Sie spielten darin den Merkl, den Bräu, <strong>mit</strong> dem<br />

die Hauptdarstellerin, die Frau vom Bolwieser, eine Affäre hat -, dann merkt man,<br />

dass das unglaublich intensiv ist. Wie kam denn diese Intensität zustande?


<strong>Helfrich</strong>: Es war so: Der Fassbinder hat einem als Schauspieler die Möglichkeit gegeben,<br />

ihm zunächst einmal etwas anzubieten. Und dann hat er dich zur Seite genommen<br />

und hat gesagt: "Das ist gut!" Oder er hat ganz leise gesagt: "Mach es so!" Er hat<br />

wirklich ganz leise und ruhig gesprochen. Er konnte einem die Sachen wunderbar<br />

ver<strong>mit</strong>teln und man konnte das wirklich wunderbar annehmen von ihm. Und wenn<br />

das funktioniert hat, dann war das natürlich großartig. Er hat allerdings auch <strong>im</strong>mer<br />

einen gehabt, den er geknechtet und beleidigt und gedemütigt hat. So einer war<br />

<strong>im</strong>mer da. Ich war das Gott sei Dank nicht, aber ich wäre dann sowieso sofort<br />

gegangen – auch wenn das der Fassbinder ist. Aber es gab einfach <strong>im</strong>mer einen,<br />

<strong>mit</strong> dem er das machte. Die werden sich vermutlich gegenseitig gebraucht haben.<br />

Oder denken Sie nur an den Michael Ballhaus, an seinen Kameramann.<br />

Habermeyer: Das ist der berühmte und <strong>mit</strong>tlerweile Oscar-prämierte Kameramann.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Es war faszinierend zu sehen, wie der sein Licht setzt und wie der arbeitet. Man<br />

kann wirklich überall etwas lernen, überall. Solche Dinge kann man <strong>im</strong>mer<br />

brauchen.<br />

Habermeyer: War das vor oder nach "Sachrang"?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das war nach "Sachrang".<br />

Habermeyer: "Sachrang" war ja die größte BR-Produktion, die es bis dahin gegeben hat. Ich<br />

glaube, man hat ein ganzes Jahr hingedreht an diese Folgen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, ein ganzes Jahr, weil wir dafür ja alle vier Jahreszeiten brauchten.<br />

Habermeyer: Man hat die Jahreszeiten also nicht "gefakt" damals?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, nein. Ich weiß nur, dass wir nicht gedreht haben, als Schnee da war. Und als<br />

dann kein Schnee mehr da war, wurde der Winter gedreht. Das weiß ich noch,<br />

denn das war dann schon sehr witzig: <strong>mit</strong> Kunstschnee und dauerndem Warten<br />

und Hoffen, dass es vielleicht doch schneit.<br />

Habermeyer: Sie waren bei dieser Produktion ein ganzes Jahr lang eingespannt.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja.<br />

Habermeyer: Wie war diese Arbeit?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Toll, wirklich toll. Der Wolf Dietrich ist ja auch ein wunderbarer Regisseur, <strong>mit</strong> dem<br />

ich einige Sachen gemacht habe. Und die Schauspieler, die damals <strong>mit</strong>gespielt<br />

haben! Da waren ja wirklich alle <strong>mit</strong> dabei! Der Gustl Bayrhammer, der Fritz<br />

Strassner usw. Und das war natürlich auch ein toller Stoff. Und der Gerhard Lippert<br />

als Hauptdarsteller! Grandios.<br />

Habermeyer: Haben Sie die Prominenz, die Sie durch Ihre Teilnahme an solchen Produktionen<br />

bekommen haben, auch auf der Bühne gespürt? Denn Sie spielten in "Sachrang"<br />

<strong>mit</strong>, <strong>im</strong> "Bolwieser" usw.: Das hatte doch best<strong>im</strong>mt Auswirkungen auf Ihre Karriere<br />

als Schauspieler.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Natürlich, auf alle Fälle. Man ist auf der Bühne, der Vorhang geht auf, man geht raus<br />

und bekommt einen Auftrittsapplaus. So etwas kommt meiner Meinung nach nur<br />

durchs Fernsehen zustande. Durch das Fernsehen wird man populär, wird beliebt<br />

und bekommt eine gewisse Fangemeinde.<br />

Habermeyer: Und dann haben Sie 1984 von Ihrer Mutter das <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong><br />

übernommen. Wie lang hatte Ihre Mutter dieses Theater geleitet?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Sie hatte es 1964 übernommen.<br />

Habermeyer: Aber gegründet hat Sie dieses Theater nicht.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, gegründet wurde dieses Theater von einem gewissen Georg Truk. Dessen<br />

Nachfolger war dann Georg Rückerl, der allerdings bereits <strong>mit</strong> 36 Jahren gestorben<br />

ist. Das muss so um das Jahr 1964 gewesen sein. Es lag dann einfach nahe, dass<br />

man dieses Theater der Familie Kern angeboten hat. Die Ehe meiner Eltern in<br />

Tegernsee ging zu diesem Zeitpunkt gerade auseinander und insofern war es für


meine Mutter ganz gut, dass sie von Tegernsee nach Traunstein umziehen und dort<br />

ein neues Betätigungsfeld finden konnte. Dadurch bekam sie eben auch einen<br />

gewissen Abstand von ihrem ehemaligen Mann. Sie hat also dieses Theater 20<br />

Jahre lang geleitet.<br />

Habermeyer: Sie jedoch waren damals noch nicht bei den <strong>Chiemgauer</strong>n, denn begonnen haben<br />

Sie in Tegernsee bei Ihrem Vater. Und dann haben Sie 1984 das <strong>Chiemgauer</strong><br />

<strong>Volkstheater</strong> von Ihrer Mutter übernommen.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Genau. Ich hatte davor viele, viele Jahre an der "Kleinen Komödie" gespielt und war<br />

freiberuflich tätig. Ich war z. B. auch bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen usw.<br />

Mein Start be<strong>im</strong> <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong> war sehr, sehr toll. Meine Mutter hatte<br />

mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, zusammen <strong>mit</strong> meiner Frau dieses Theater zu<br />

übernehmen. Sie war einfach auch überarbeitet und in gewisser Weise müde von<br />

dieser vielen Arbeit. Ich sagte also zu. Am Tag davor hatte ich noch in den<br />

"Kreuzelschreibern" in der "Kleinen Komödie" gespielt, zusammen <strong>mit</strong> dem Beppo<br />

Brem. Ich war <strong>mit</strong> dem Beppo damals schon per du: Wir haben uns wirklich sehr,<br />

sehr gut verstanden. Er war ein wunderbarer Kollege und auch ein toller Mensch. Ich<br />

habe also zum Beppo gesagt: "Beppo, wir haben die Chance, das Theater <strong>im</strong><br />

Chiemgau zu übernehmen. Wir wollen auf Tournee gehen <strong>mit</strong> dem 'Verkauften<br />

Großvater'. Hättest du nicht Lust, dabei die Hauptrolle zu spielen?" Und der Beppo<br />

sagte zu! Das war natürlich ein unglaublich guter Start für uns.<br />

Habermeyer: Weil da auf die Plakate "Beppo Brem" draufgeschrieben werden konnte.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Da<strong>mit</strong> waren wir natürlich allen anderen Theatern, die wie wir durch die Lande<br />

zogen, meilenweit überlegen.<br />

Habermeyer: Klar, wenn da der "Inspektor Wanninger" bei Ihnen auftritt.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das war natürlich sensationell für uns als Unternehmer, aber auch künstlerisch war<br />

das sehr, sehr wichtig für uns. Wir haben uns durch diesen Tourneeeinstieg einen<br />

Riesennamen machen können. Das <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong> wurde praktisch<br />

erst dadurch überregional bekannt.<br />

Habermeyer: Wann und warum hat das dann <strong>mit</strong> dem Fernsehen angefangen? Sie haben ja von<br />

1984 bis 1993 einfach ihr Gastspieltheater gemacht. Aber dann kam auf einmal<br />

etwas Neues hinzu.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, da kam dann etwas Neues. Da kam eines Tages "Sat.1" zu uns und hat uns für<br />

zwei Jahre verpflichtet. Wir haben damals in zwei Jahren 32 Fernsehproduktionen<br />

gemacht.<br />

Habermeyer: Das ist "wenig", ganz "wenig".<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das war nicht wenig. Aber gut, da stammten gut 20 Stücke aus dem Repertoire.<br />

Insofern ging das also noch. Aber wir waren damals für das Bühnenbild und für die<br />

Kostüme selbst verantwortlich. Heute, be<strong>im</strong> BR, ist das nicht mehr so: Heute leben<br />

wir diesbezüglich ja quasi <strong>im</strong> Schlaraffenland. Es gab dann aber eine unschöne<br />

Geschichte <strong>mit</strong> "Sat.1", denn "Sat.1" hat auf einmal gesagt, dass alles, was<br />

bayerisch ist, aus dem Programm genommen wird. Unter anderem wurde damals<br />

ja auch die Ramona Leiß <strong>mit</strong> ihrer Musiksendung abgesetzt – trotz eines<br />

bestehenden Vertrags. Bei uns war es ähnlich, auch wir haben anschließend ein<br />

Jahr lang gegen "Sat.1" prozessiert. Und dann kam der damalige Intendant des<br />

Bayerischen Rundfunks auf uns zu und hat gefragt: "Hättet ihr nicht Lust zu uns zu<br />

kommen?" Wir meinten nur: "Kinder, wo passt das <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong><br />

besser hin als zum BR?" Nachdem die Sache <strong>mit</strong> "Sat.1" dann geklärt war, gingen<br />

wir zum Bayerischen Rundfunk, wo wir bis heute geblieben sind.<br />

Habermeyer: Hat denn die Ausstrahlung von <strong>Volkstheater</strong>inszenierungen <strong>im</strong> Fernsehen die<br />

<strong>Volkstheater</strong>landschaft verändert? Bis in die fünfziger Jahre hinein hat man ja in<br />

vielen Orten in Bayern – sicherlich nicht in allen, aber doch in vielen – Komödie <strong>im</strong><br />

örtlichen Komödienstadel gespielt. Da haben der Schuster, der Schreiner, der<br />

Bauer usw. abends Theater gespielt. Seit dem "Komödienstadel" und seit der<br />

Ausstrahlung der Stücke des "<strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong>s" ist nun diese Art von


<strong>Helfrich</strong>: Nein, eigentlich nicht.<br />

Theater doch recht präsent <strong>im</strong> Fernsehen. Bekommen Sie denn <strong>mit</strong>, was die<br />

Laienbühnen draußen auf dem Land so machen? Hat sich da etwas verändert?<br />

Merken Sie da etwas?<br />

Habermeyer: Ich frage deshalb, weil es ja manchmal so sein kann, dass die Leute, die als Laien<br />

<strong>Volkstheater</strong> machen, eher das machen, was sie <strong>im</strong> Fernsehen sehen, und nicht<br />

unbedingt mehr das, was aus der eigenen Tradition stammt.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Das ist richtig. Speziell die Laientheater, die Bauerntheater, wie es sie früher<br />

gegeben hat und wie es sie heute auf dem Land teilweise <strong>im</strong>mer noch gibt, spielen<br />

heute natürlich schon sehr häufig unsere Stücke nach. Das ist richtig. Sie rufen bei<br />

uns an und gehen z. T. so weit, dass sie fragen, ob sie nicht gleich eine<br />

Videokassette von uns haben könnten. Aber da sage ich dann schon: "Nein, nein,<br />

Freunde, ihr müsst euch schon eure eigenen Gedanken machen!" Sie bekommen<br />

dann das Textbuch und meinetwegen auch die bearbeiteten Bücher, aber mehr<br />

nicht. Das st<strong>im</strong>mt schon: Auch die Stücke der Bauerntheater, der Laientheater<br />

werden ein bisschen moderner.<br />

Habermeyer: Was machen Sie eigentlich, wenn Sie nicht Prinzipal sind, nicht spielen, nicht Regie<br />

führen? Was machen Sie dann außer Fußballspielen und <strong>im</strong> Tor stehen be<strong>im</strong> FC<br />

Schmiere?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ich mache sehr viel Hundesport. Ich habe zwei Schäferhunde, <strong>mit</strong> denen ich sehr<br />

erfolgreich bin - oder mal mehr, mal weniger erfolgreich. Ich mache da Zucht und<br />

Leistung: Für den Laien ist das jetzt wahrscheinlich ein bisschen kompliziert. Ich<br />

mache jedenfalls viel <strong>mit</strong> der Polizei zusammen: Wir machen das Gleiche, was die<br />

Polizei <strong>mit</strong> den Hunden macht, also "Fährte", "Unterordnung" und "Schutzdienst".<br />

Habermeyer: Die haben ja auch schon mal <strong>mit</strong>gespielt <strong>im</strong> Theater.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, die haben schon <strong>mit</strong>gespielt.<br />

Habermeyer: Sie hatten regelrecht eine "tragende Rolle".<br />

<strong>Helfrich</strong>: Es ist für mich ganz wichtig, den Leuten zu ver<strong>mit</strong>teln, dass der Schäferhund nicht<br />

nur ein böses Tier ist, sondern auch ein liebes Tier. Das war auch <strong>mit</strong> ein Grund<br />

dafür, warum ich das gemacht habe, warum ich den Hund aufs Sofa habe springen<br />

lassen und dort Schmuseeinheiten <strong>mit</strong> ihm hatte. Das ist für mich ganz wichtig, denn<br />

meistens wird ja der große Hund – egal welcher Rasse – negativ dargestellt. Mit<br />

solchen Sachen kann man dieses Vorurteil halt ein bisschen abbauen. Ich bin also<br />

recht viel unterwegs <strong>mit</strong> meinen Hunden. Ich bin auch Leistungsrichter <strong>im</strong> Verein für<br />

deutsche Schäferhunde. Deswegen fahre ich halt schon viel herum in der Gegend<br />

und muss teilweise sogar ins Ausland, um bei den Leuten die Prüfungen<br />

abzunehmen. Meine Frau sieht das nicht ganz so gerne, weil ich da best<strong>im</strong>mt so an<br />

die zehn bis 14 Samstage <strong>im</strong> Jahr unterwegs bin. Manchmal ist das auch ein<br />

ganzes Wochenende, an dem ich dafür weg bin. Aber das macht man halt einfach<br />

den Kameraden zuliebe. Und ansonsten bin ich <strong>mit</strong> den Pferden unterwegs. Die<br />

Stallarbeit ist z. B. ein Hobby von mir.<br />

Habermeyer: Wie viele Pferde haben Sie denn?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Wir haben fünf Pferde bei uns zu Hause. Ein paar von ihnen sind schon Rentner,<br />

aber die fühlen sich alle sehr, sehr wohl bei uns. Mein erstes Pferd, den Totilas,<br />

habe ich von den <strong>Dr</strong>eharbeiten zu "Schafkopfrennen" <strong>mit</strong>gebracht. So bin ich<br />

eigentlich überhaupt zum Pferd gekommen. Ich habe damals in Straubing gedreht<br />

und stellte so ein bisschen eine negative Figur dar in der Rolle als "Schantl-Lucki".<br />

Für mich war das aber eine Traumrolle. Dabei bin ich das erste Mal auf die<br />

Rennbahn gekommen und bin auch selbst Prominentenrennen gefahren. Ich habe<br />

dann danach den Besitzer bzw. Trainer vom "Totilas", also dieses Fernseh-<br />

Pferdes, gefragt, was <strong>mit</strong> dem Pferd nach dem Film geschieht. "Ja, der wird<br />

geschlachtet!" "Wieso wird der geschlachtet?", habe ich da zunächst nur noch<br />

fragen können. Aber die Leute sind bei so etwas eben gnadenlos: Mit zwölf Jahren<br />

ist bei solchen Pferden die Karriere beendet und dann muss man für sie entweder


einen guten Platz fürs Alter finden, was meistens nicht der Fall ist, oder sie kommen<br />

halt zum Metzger.<br />

Habermeyer: Also zum Rossmetzger.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ich habe natürlich gemeint: "Sind Sie wahnsinnig?" Ich habe sofort meine Frau<br />

angerufen und die ging dann auch gleich zum Bauern und hat zu ihm gesagt, dass<br />

wir Platz für ein Pferd brauchen. So sind wir zu unserem ersten Pferd gekommen.<br />

Im Laufe der Zeit sind das <strong>im</strong>mer mehr geworden und ich habe dann auch die<br />

Amateurfahrerlizenz gemacht, bin also fünf oder sechs Jahre selbst Rennen<br />

gefahren. Das habe ich gerne gemacht und das hat auch großen Spaß gemacht.<br />

Habermeyer: Sie sind da richtig <strong>im</strong> Sulky gesessen?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, ich war da z. B. in Hamburg bei der deutschen Amateurmeisterschaft. Das hat<br />

Spaß gemacht. Aber das mache ich heute nicht mehr, diese Zeit ist vorbei.<br />

Geblieben sind jedoch die Pferde bei mir zu Hause: Die reite ich spazieren und<br />

dabei kann ich mich gut entspannen. Ich arbeite <strong>im</strong> Stall, ich schmuse <strong>mit</strong> den<br />

Pferden, ich putze sie, man hat einfach eine Beziehung zu ihnen aufgebaut: Das ist<br />

wirklich eine wunderschöne Geschichte.<br />

Habermeyer: Das heißt, Sie leben nicht in der Stadt.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, Gott sei Dank nicht. Ich bin zwar ein Münchner, aber ich muss sagen: Ein paar<br />

Stunden in der Stadt – egal in welcher – und ich muss wieder raus aufs Land. Ich<br />

bin kein Stadtmensch mehr. Wir sind Landmenschen und wir danken jeden<br />

Morgen unserem Herrgott, wenn wir aus dem Fenster schauen und unsere Berge<br />

und Wälder sehen. Wir haben es schon gut, dass wir dort leben dürfen.<br />

Habermeyer: Wir haben ja beide eine gemeinsame Leidenschaft, die auch <strong>mit</strong> Pferdestärken zu<br />

tun hat, allerdings <strong>mit</strong> Geräten, an die zwei Räder geschraubt sind.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das kommt auch noch hinzu.<br />

Habermeyer: Sie fahren also auch Motorrad.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, ich fahre leidenschaftlich gerne Motorrad.<br />

Habermeyer: Immer schon?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, eigentlich <strong>im</strong>mer schon. Früher sind wir halt die "wilden Japaner" gefahren – und<br />

hatten sehr viel Glück dabei, wie ich von heute aus betrachtet sagen muss.<br />

Habermeyer: Das Glück hat in den siebziger Jahren dazugehört, das hat man gebraucht als<br />

Motorradfahrer.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Ja, das hat wirklich dazugehört. Aber <strong>mit</strong>tlerweile sind wir natürlich reifer geworden<br />

und genießen das Fahren nur noch. Ich fahre einfach gerne durch die Gegend, auch<br />

mal unter der Woche, wenn nichts los ist, das Sudelfeld oder den Wallberg rauf.<br />

<strong>Dr</strong>oben trinke ich dann einen Kaffee und manchmal habe ich sogar das Textbuch<br />

<strong>mit</strong> dabei und lerne meine Rolle. Oder entwickle selbst neue Ideen. So etwas kann<br />

ich wirklich am besten in solchen Situationen.<br />

Habermeyer: Sie fahren heute also nicht mehr schnell <strong>mit</strong> dem Motorrad.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nein, nein, das haben wir alles hinter uns, das brauchen wir nicht mehr. Wir müssen<br />

uns da nichts mehr beweisen.<br />

Habermeyer: Fährt Ihre Frau <strong>mit</strong>?<br />

<strong>Helfrich</strong>: Nicht mehr so wie früher. Ich bin einfach ein bisschen vorsichtiger geworden: Wenn<br />

es mich "schmeißt", dann schmeißt es mich eben nur alleine. Ich muss ganz ehrlich<br />

sagen, dass ich da wirklich sehr vorsichtig geworden bin. Meine Frau ist<br />

wahnsinnig gerne <strong>mit</strong>gefahren früher, meine Tochter auch, aber die hat heute selbst<br />

den Motorradführerschein.<br />

Habermeyer: Aha. Wie geht es da dem Vater, wenn die Tochter <strong>mit</strong> dem Motorrad unterwegs<br />

ist?


<strong>Helfrich</strong>: Ganz schlecht, das ist furchtbar. Meine Frau sch<strong>im</strong>pft dann <strong>im</strong>mer und sagt: "Du<br />

kannst es ihr nicht verbieten, denn woher soll sie es denn haben, wenn nicht von<br />

dir?"<br />

Habermeyer: Logisch.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Aber das ist echt ein Problem. Jetzt <strong>im</strong> Moment ist sie ohne Motorrad und ich bin<br />

wahnsinnig froh darüber. Ich hoffe, dass sie es vielleicht vergisst <strong>mit</strong> der Zeit. Aber<br />

sie fragt mich doch <strong>im</strong>mer wieder: "Du, darf ich nicht doch mal dein Motorrad<br />

ausprobieren?" Aber die Maschine, die ich heute habe, ist dann Gott sei Dank<br />

doch zu schwer für sie – meiner Ansicht nach, was sie jedoch ganz anders sieht. Ich<br />

hoffe jedenfalls, dass sie das Motorradfahren <strong>im</strong> Laufe der Zeit dann doch vergisst.<br />

Habermeyer: Sie werden es nicht glauben, aber wir haben bereits eine <strong>Dr</strong>eiviertelstunde<br />

Sendezeit hinter uns. Die Zeit verging wie <strong>im</strong> Flug. Ich bedanke mich bei Ihnen für<br />

das nette <strong>Gespräch</strong>, mir hat es viel Spaß gemacht.<br />

<strong>Helfrich</strong>: Mir auch.<br />

Habermeyer: Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre<br />

Aufmerksamkeit. Unser Gast war heute der Schauspieler, Volksschauspieler und<br />

Leiter des <strong>Chiemgauer</strong> <strong>Volkstheater</strong>s <strong>Bernd</strong> <strong>Helfrich</strong>. Ich hoffe, es hat auch Ihnen<br />

Spaß gemacht, bis zum nächsten Mal, auf Wiederschauen.<br />

© Bayerischer Rundfunk

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