Rijec 58_59
Riječ: glasnik Hrvatske kulturne zajednice Wiesbaden / Das Wort: Mitteilungsblatt der Kroatischen Kulturgemeinschaft e.V. / HKZ Wiesbaden.
Riječ: glasnik Hrvatske kulturne zajednice Wiesbaden / Das Wort: Mitteilungsblatt der Kroatischen Kulturgemeinschaft e.V. / HKZ Wiesbaden.
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Mitteilungsblatt der Kroatischen Kulturgemeinschaft e.V. Nr. 58/59, 2020
Im vorletzten Kapitel „Körper statt Korporationen“ liegt der Fokus weniger auf Kleidungsstücke,
Vinken rückt den menschlichen Körper in den Vordergrund: Ein interessanter Abschnitt. Das
Verhältnis des weiblichen Körpers als Lockfleisch und des männlichen Körpers als schwellende,
muskulöse, lebendige Maschine ist in der Moderne in der Mode noch nicht verschwunden. So lässt
sich annehmen, dass Fetischkleidung wie Sadomaso-Latex-Kostüme und Trachten wie Dirndl, die
die Zeugungsinstrumente betonen, zur Haute Couture dazugezählt werden können. Suspekte
Annahme. Vinken wechselt sofort das Thema. Es geht um Tattoos und seine Geschichte, die
detailliert und informativ erzählt wird. Ein weiterer Moment, in dem der Leser indirekt seinen
Horizont erweitert. Schließlich ist ein Tattoo heutzutage zu einer normalen Sache geworden, dessen
Ursprung jedoch die wenigsten kennen. Vom Thema Tattoo geht Vinken zum Modeschöpfer
Alexander McQueen über. Eine völlig neue Dimension von Mode wird beschrieben. Die ‚Handlung‘
in Vinkens Werk beginnt - sinnbildlich gesehen - eine andere Richtung einzuschlagen. Der Zweck
einer Kollektion ist nicht mehr der, angezogen zu sein. Die Modenschau wird zur Kunstvernissage.
McQueen beleuchtet die Themen ‚Vergänglichkeit‘ mit Blumenkleidern, die verrotten können; das
Thema ‚Tod‘ mit knochigen Magermodels; das Thema ‚Leid‘ indem er Models als Messias am
Kreuz darstellt; mit Tartanmustern lässt er „traumatische Ereignisse der schottischen Geschichte“
wiederaufleben. Mit bestimmten Mustern manipuliert McQueen und lässt Models wie Pflanzen
aussehen und Organisches wie Anorganisches erscheinen. Kleider werden falsch geschnitten (mit
Lücken), um die Verletzlichkeit des menschlichen Körpers zu zeigen. Steine werden auf fleischartige
Stoffe genäht, um die Überreste einer menschlichen Leiche darzustellen. Die Möglichkeiten von
Mode sind, und das beweist Barbara Vinken zu hundert Prozent, endlos variabel und zu allem fähig.
Die Macht wirkt fast erschreckend, dies realisiert der Leser nach diesem spektakulären Kapitel.
Und zum Schluss stellt sich hier wiederum die berechtigte Frage: Ist diese Macht das Geheimnis
der Mode?
Im neunten und letzten Kapitel findet der Leser einen schönen Abschluss. Vinken minimiert leicht
die Spannung und beendet das Buch auf den letzten zwei Seiten mit einer kurzen altgriechischen
Sage. Das Kapitel nennt sie „Zeitzeichen“. Es geht folglich um die Darstellung von Zeit in Mode
(Begründer dessen ist das Haus Martin Margiela). Das Material bei diesen Kollektionen wird so
gewählt, dass es die Spuren der Zeit widerspiegelt, wie z.B. weißer Stoff, der vergilbt. Ebenfalls
von Schimmel befallene oder zuvor auf dem Flohmarkt gekaufte Stoffe nehmen hier einen Platz
ein. Ebenfalls die einzelnen Stufen des Produktionsprozesses des Kleidungsstückes dürfen sichtbar
werden. Nähte und Abnäher gehören dazu. Das Model wird zur „Schneiderpuppe“.
Zum Schluss schenkt Vinken der abschließenden Sage einen eigenen Titel „Und ewig lockt der
Orient“. Es geht um die Sage von Omphale und Herakles und ihrem Kleidertausch, bei welcher
Omphale wortwörtlich ‚die Hosen anhat‘ und die Grotte als Gewinner verlässt, während Herakles
als belächelter weibischer Verlierer zurückgelassen wird. Vinken ist sich sicher: Das weibliche
Geschlecht siegt in Sachen Mode.
„Angezogen – Das Geheimnis der Mode“ von Barbara Vinken ist Modebegeisterten sowie
Kulturinteressierten oder Personen, die ihrem Geschichtswissen den speziellen Schliff verleihen
wollen, sehr zu empfehlen. Die Mischung aus politischen évènements, historischem
Hintergrundwissen, philosophischen und ideologischen Bezügen sowie Gendertheorien, gepaart
mit dem großen Thema Mode, ergeben einen informativen als auch unterhaltenden Band, der
garantiert im Gedächtnis bleibt und eventuell auch im Umgang in der Wahl mit seinen
Kleidungsstücken seine Spuren hinterlassen wird.
Kurs: Mythos Coco Chanel, SoSe 2018
Leitung: PD Dr. Marijana Erstić, BA LA Deutsch GyGe, 7. Fachsemester
Nicole Dziembala
59