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Riječ: glasnik Hrvatske kulturne zajednice Wiesbaden / Das Wort: Mitteilungsblatt der Kroatischen Kulturgemeinschaft e.V. / HKZ Wiesbaden.
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Mitteilungsblatt der Kroatischen Kulturgemeinschaft e.V. Nr. 58/59, 2020
BUCHREZENSION ZU BARBARA VINKENS
„Angezogen – Das Geheimnis der Mode“
Barbara Vinkens Werk „Angezogen – Das Geheimnis der Mode“, erschienen im Jahr 2013 und
beim Verlag Klett-Cotta gedruckt, ist mehr als ein Buch über Mode. Es liefert das Geheimnis der
Mode, wie der Titel aussagt. Wie ein Stempel oder eine Markierung ‚schweben‘ die Worte „Das
Geheimnis der Mode“ auf dem Buchcover. Daneben zu erkennen ist eine Abbildung von Beinen,
und zwar Frauenbeinen. Ein Bein in knalligem Pink, das andere in leuchtendem Türkis. Zu erkennen
ist ein kleiner Ansatz von Absatzschuhen. Eine weitere Bedeckung der Beine lässt sich auf der
Abbildung nicht vernehmen. Und schon weiß der potenzielle Leser, was eine wichtige Rolle in
Vinkens Buch spielt: Frauenbeine. Aber auch Männerbeine. Fragen stellen sich, nämlich was man
trägt und was frau trägt. Das „Geheimnis“ fängt im Buch bei den Beinen an.
Das insgesamt 254 Seiten lange Buch ist in Kapitel und Unterkapitel aufgeteilt. Das erste von neun
Kapiteln nennt Vinken „Der Mode auf der Spur: Eine etwas andere Geschichte der Mode“. Wir
setzen einen Schritt vorwärts, um eine Reise zu beginnen: Der Leser begibt sich auf eine
Erkundungsreise, es klingt nach einem Abenteuer. So ähnlich wirkt es auch. Der Leser wird
sinnbildlich in verschiedene Epochen versetzt sowie an unterschiedliche Orte. „Angezogen“ ist ein
Produkt von Recherche aus zahlreichen Quellen. Vinken selbst tritt wie ein Reisebegleiter in den
Blick und kommentiert die einzelnen Stationen mit ihrem sachlichen Schreibstil, der gleichzeitig
leicht provokant sowie amüsant klingt. Diese Methode Vinkens trägt dazu bei, weiterlesen zu wollen
und weckt Vorfreude auf das nächste Lesen. Das Buch beginnt mit einer Schilderung einer Situation,
in welcher Vinken die Fußgänger New Yorks beobachtet und vor allem eins sieht: Beine. Sie erkennt
eine spezifische Silhouette bei den Passanten und umschreibt sie sehr genau. Sobald es um
Kleidungsstücke geht, wirft Vinken mit Details um sich. Alle Kriterien des Teils werden genannt:
Stil, Länge, Stoff, Muster, Farbe, etc. Für eine Person, die sich durchschnittlich stark mit Mode
befasst, erscheinen kontinuierlich unbekannte Fachtermini im Text. Direkt im Anschluss geht
Vinken auf das Männerbein vor der Französischen Revolution ein und zügig wird die Unterstützung
einer These deutlich, welche sich größtenteils durch das ganze Buch zieht: Die Frauen von heute
sind zum Großteil das geworden, was damals die Männer waren – in Sachen Mode
verständlicherweise – und genauso umgekehrt.
Vinken geht häufig auf den ‚Geschlechtertausch‘ zwischen Mann und Frau bezüglich Mode ein.
Der Leser wechselt zwischen der Zeit, in der der Mann das schöne und prunkvolle Geschlecht war
und der Zeit, in der die Frau diese Rolle annimmt und die Männermode von heute weitestgehend
Inbegriff des A-Modischen wird (so beschreibt es Vinken). Bei Vinkens Argumentation wird
deutlich, dass es einen Fehler im System gibt: Obwohl Frauen heute das ‚schöne Geschlecht’ sind,
die sich für die Außenwelt zurecht machen, verfolgen sie damit nicht das Ziel, als starkes, weibliches
‚Arbeitstier‘ zu wirken, sondern Lebensfreude auszustrahlen (auch mit ihrer Kleidung). Hierbei
entdeckt der Leser einen weiteren Systemfehler, nämlich den des ‚erotischen Problems‘. Während
Männer sich an die stetig erhaltene Moderegel für Männer orientieren - die des Anlegens eines
Anzugs, für den Vinken ebenfalls das Geheimnis des heute allgemein als perfekt geltenden Anzugs
liefert – müssen Frauen den wechselnden Modetrends folgen und von Scheitel bis Sohle
Weiblichkeit per se verkörpern. Das heißt: Die Perfektion des (wie die anderen aussehenden)
Individuums wird verlangt, gleichgültig ob angezogen oder nicht. Welcher Leserin kommt dieser
gesellschaftliche Druck nicht bekannt vor?
Das zweite Kapitel namens „Der große Bruch: Wie die Mode aus der Männerwelt verschwand und
ein weibliches Laster wurde“ widmet sie Philippe d’ Orléans und Marie Antoinette, die für das
vorhin angeführte Problem in der Rolle des Trendsetters/ der Trendsetterin mitverantwortlich waren.
Vinken begründet diesen Wechsel mit dem Einfluss dieser während der Französischen Revolution.
Beide Personen wendeten sich von der allgemeingültigen Mode der Zeit ab. Philippe d‘ Orléans
verzichtete als „Sansculotte“ auf die damals üblichen Kniebundhosen für Männer und Marie
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