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Botin aus der Buckligen Welt Oktober 2020 - Nr 217

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Lost<br />

Places<br />

Die Dorfschmiede gewährt seltene Einblicke in altes Handwerk<br />

Wo Hammer und Amboss noc<br />

Sie ist klein und unscheinbar, aber dennoch sehenswert: die alte<br />

Dorfschmiede in Hochwolkersdorf. Fährt o<strong>der</strong> geht man die Dorfstraße<br />

entlang, fällt das kleine ebenerdige und leicht zurückgesetzte<br />

Gebäude kaum ins Auge. Nur ein Schild mit <strong>der</strong> Aufschrift „Karl<br />

Kornfeld – ehem. gepr. Huf- und Wagenschmied“ und Ringe an<br />

<strong>der</strong> H<strong>aus</strong>mauer zum Anbinden <strong>der</strong> Pferde verraten die ehemalige<br />

Nutzung. Ein Lesertipp hat unseren Fotografen Markus Steinbichler<br />

auf die Schmiede aufmerksam gemacht. Der Besuch bot viel<br />

Wissenswertes und Einblicke in ein selten gewordenes Handwerk.<br />

Das Schmiedehandwerk<br />

wird bereits seit <strong>der</strong> Bronzezeit<br />

praktiziert. Seither haftet den<br />

Schmieden und ihren Künsten<br />

fast schon etwas Magisches<br />

und Mystisches an. Mit <strong>der</strong><br />

gezügelten Kraft des Feuers<br />

und viel Geschick werden <strong>aus</strong><br />

einem spröden Material kunstfertige<br />

Werkstücke hergestellt.<br />

T<strong>aus</strong>ende kundige Handgriffe<br />

und Hammerschläge waren dafür<br />

notwendig. Und so kommen<br />

Schmiede auch in zahlreichen<br />

Sagen, Märchen und Mythen<br />

vor, vom griechischen Hephaistos<br />

bis zu Wieland, dem<br />

Schmied <strong>aus</strong> den germanischen<br />

Heldensagen. Doch auch in <strong>der</strong><br />

<strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> gehörten die<br />

Huf- und Wagenschmieden früher<br />

zum Alltag und zum Dorfbild.<br />

Die meisten sind heute allerdings<br />

verschwunden. Nicht<br />

so die Schmiede in Hochwolkersdorf.<br />

Sie stammt <strong>aus</strong> dem<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>t, wurde zwischen<br />

1946 und 1973 vom letzten<br />

Schmied Karl Kornfeld betrieben<br />

und stellt eine Seltenheit<br />

in <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> dar, denn<br />

es gibt kaum noch erhaltene und<br />

funktionstüchtige Schmieden in<br />

<strong>der</strong> Region. Dieser Umstand ist<br />

aber nicht selbstverständlich,<br />

son<strong>der</strong>n war mit viel Mühe und<br />

Engagement verbunden.<br />

Die Dorfschmiede als<br />

Dorferneuerungsprojekt<br />

Um 2000 wurde im Ort eine<br />

Dorterneuerungsverein gegründet,<br />

<strong>der</strong> sich zahlreichen ehrgeizigen<br />

Projekten verschrieb.<br />

Die Revitalisierung <strong>der</strong> vom<br />

Verfall bedrohten Dorfschmiede<br />

war eines davon. Mit Kosten<br />

von knapp 40.000 Euro,<br />

Landesför<strong>der</strong>ungen, aber auch<br />

erheblichen Geldbeträgen von<br />

privaten Sponsoren und 500<br />

freiwilligen Arbeitsstunden wurden<br />

<strong>der</strong> Dachstuhl samt Eindeckung,<br />

<strong>der</strong> Kamin sowie <strong>der</strong><br />

Verputz innen wie außen saniert.<br />

Auch die Elektrik wurde erneuert<br />

und <strong>der</strong> Amboss neu aufgestellt.<br />

Nur <strong>der</strong> schwarze Ruß an <strong>der</strong><br />

frisch verputzten Decke musste<br />

mit Farbe imitiert werden, damit<br />

<strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong> alten Schmiede<br />

wie<strong>der</strong>hergestellt werden<br />

konnte.<br />

„Die Huf- und Wagenschmieden<br />

waren so etwas wie die<br />

Autowerkstätten <strong>der</strong> vorigen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>te“, stellt Helmut<br />

Wenninger, <strong>der</strong> Obmann des<br />

Vereins, beim Besuch einen<br />

anschaulichen Vergleich her:<br />

Anstelle <strong>der</strong> Motoren wurden<br />

Fuhrwerke repariert und Pferde<br />

beschlagen. „Daher rührt auch<br />

<strong>der</strong> kleine Vorplatz für die Tiere<br />

vor <strong>der</strong> Schmiede“, erklärt er,<br />

bevor er einen Einblick in die<br />

Werkstatt gewährt, wo schon<br />

Feuer brennt, womit <strong>der</strong> typische<br />

Schmiede-Geruch verbreitet<br />

wird.<br />

Seltene Einblicke in ein<br />

altes Handwerk<br />

Die handwerklichen Schmieden<br />

haben sich seit <strong>der</strong> Antike<br />

kaum verän<strong>der</strong>t: Auf <strong>der</strong> „Esse“<br />

wird die Schmiedekohle verbrannt,<br />

mit einem Blasebalg<br />

(heute meist elektrische Gebläse)<br />

wird die glühende Kohle auf<br />

Temperaturen von bis zu 1.250<br />

Grad erhitzt, um darin das Metall<br />

zu erwärmen und somit bearbeitbar<br />

zu machen. Über <strong>der</strong><br />

Feuerstelle befindet sich <strong>der</strong> Abzug<br />

mit Rauchfang. Wichtigster<br />

Hämmer und Gesenke des letzten Schmiedes Feuer in <strong>der</strong> Esse Pferdegeschirr o<strong>der</strong> „Kummet“<br />

Fotos (7): Steinbichler<br />

6 <strong>Botin</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | September <strong>2020</strong>

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