Botin aus der Buckligen Welt Oktober 2020 - Nr 217
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Lost<br />
Places<br />
Die Dorfschmiede gewährt seltene Einblicke in altes Handwerk<br />
Wo Hammer und Amboss noc<br />
Sie ist klein und unscheinbar, aber dennoch sehenswert: die alte<br />
Dorfschmiede in Hochwolkersdorf. Fährt o<strong>der</strong> geht man die Dorfstraße<br />
entlang, fällt das kleine ebenerdige und leicht zurückgesetzte<br />
Gebäude kaum ins Auge. Nur ein Schild mit <strong>der</strong> Aufschrift „Karl<br />
Kornfeld – ehem. gepr. Huf- und Wagenschmied“ und Ringe an<br />
<strong>der</strong> H<strong>aus</strong>mauer zum Anbinden <strong>der</strong> Pferde verraten die ehemalige<br />
Nutzung. Ein Lesertipp hat unseren Fotografen Markus Steinbichler<br />
auf die Schmiede aufmerksam gemacht. Der Besuch bot viel<br />
Wissenswertes und Einblicke in ein selten gewordenes Handwerk.<br />
Das Schmiedehandwerk<br />
wird bereits seit <strong>der</strong> Bronzezeit<br />
praktiziert. Seither haftet den<br />
Schmieden und ihren Künsten<br />
fast schon etwas Magisches<br />
und Mystisches an. Mit <strong>der</strong><br />
gezügelten Kraft des Feuers<br />
und viel Geschick werden <strong>aus</strong><br />
einem spröden Material kunstfertige<br />
Werkstücke hergestellt.<br />
T<strong>aus</strong>ende kundige Handgriffe<br />
und Hammerschläge waren dafür<br />
notwendig. Und so kommen<br />
Schmiede auch in zahlreichen<br />
Sagen, Märchen und Mythen<br />
vor, vom griechischen Hephaistos<br />
bis zu Wieland, dem<br />
Schmied <strong>aus</strong> den germanischen<br />
Heldensagen. Doch auch in <strong>der</strong><br />
<strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> gehörten die<br />
Huf- und Wagenschmieden früher<br />
zum Alltag und zum Dorfbild.<br />
Die meisten sind heute allerdings<br />
verschwunden. Nicht<br />
so die Schmiede in Hochwolkersdorf.<br />
Sie stammt <strong>aus</strong> dem<br />
19. Jahrhun<strong>der</strong>t, wurde zwischen<br />
1946 und 1973 vom letzten<br />
Schmied Karl Kornfeld betrieben<br />
und stellt eine Seltenheit<br />
in <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> dar, denn<br />
es gibt kaum noch erhaltene und<br />
funktionstüchtige Schmieden in<br />
<strong>der</strong> Region. Dieser Umstand ist<br />
aber nicht selbstverständlich,<br />
son<strong>der</strong>n war mit viel Mühe und<br />
Engagement verbunden.<br />
Die Dorfschmiede als<br />
Dorferneuerungsprojekt<br />
Um 2000 wurde im Ort eine<br />
Dorterneuerungsverein gegründet,<br />
<strong>der</strong> sich zahlreichen ehrgeizigen<br />
Projekten verschrieb.<br />
Die Revitalisierung <strong>der</strong> vom<br />
Verfall bedrohten Dorfschmiede<br />
war eines davon. Mit Kosten<br />
von knapp 40.000 Euro,<br />
Landesför<strong>der</strong>ungen, aber auch<br />
erheblichen Geldbeträgen von<br />
privaten Sponsoren und 500<br />
freiwilligen Arbeitsstunden wurden<br />
<strong>der</strong> Dachstuhl samt Eindeckung,<br />
<strong>der</strong> Kamin sowie <strong>der</strong><br />
Verputz innen wie außen saniert.<br />
Auch die Elektrik wurde erneuert<br />
und <strong>der</strong> Amboss neu aufgestellt.<br />
Nur <strong>der</strong> schwarze Ruß an <strong>der</strong><br />
frisch verputzten Decke musste<br />
mit Farbe imitiert werden, damit<br />
<strong>der</strong> Charakter <strong>der</strong> alten Schmiede<br />
wie<strong>der</strong>hergestellt werden<br />
konnte.<br />
„Die Huf- und Wagenschmieden<br />
waren so etwas wie die<br />
Autowerkstätten <strong>der</strong> vorigen<br />
Jahrhun<strong>der</strong>te“, stellt Helmut<br />
Wenninger, <strong>der</strong> Obmann des<br />
Vereins, beim Besuch einen<br />
anschaulichen Vergleich her:<br />
Anstelle <strong>der</strong> Motoren wurden<br />
Fuhrwerke repariert und Pferde<br />
beschlagen. „Daher rührt auch<br />
<strong>der</strong> kleine Vorplatz für die Tiere<br />
vor <strong>der</strong> Schmiede“, erklärt er,<br />
bevor er einen Einblick in die<br />
Werkstatt gewährt, wo schon<br />
Feuer brennt, womit <strong>der</strong> typische<br />
Schmiede-Geruch verbreitet<br />
wird.<br />
Seltene Einblicke in ein<br />
altes Handwerk<br />
Die handwerklichen Schmieden<br />
haben sich seit <strong>der</strong> Antike<br />
kaum verän<strong>der</strong>t: Auf <strong>der</strong> „Esse“<br />
wird die Schmiedekohle verbrannt,<br />
mit einem Blasebalg<br />
(heute meist elektrische Gebläse)<br />
wird die glühende Kohle auf<br />
Temperaturen von bis zu 1.250<br />
Grad erhitzt, um darin das Metall<br />
zu erwärmen und somit bearbeitbar<br />
zu machen. Über <strong>der</strong><br />
Feuerstelle befindet sich <strong>der</strong> Abzug<br />
mit Rauchfang. Wichtigster<br />
Hämmer und Gesenke des letzten Schmiedes Feuer in <strong>der</strong> Esse Pferdegeschirr o<strong>der</strong> „Kummet“<br />
Fotos (7): Steinbichler<br />
6 <strong>Botin</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Buckligen</strong> <strong>Welt</strong> | September <strong>2020</strong>