Ausgabe 55 - TQU die Umsetzer
Ausgabe 55 - TQU die Umsetzer
Ausgabe 55 - TQU die Umsetzer
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Performance Measurement<br />
in der Praxis<br />
Wie kann <strong>die</strong> Leistung eines Unternehmens gemessen und bewertet werden?<br />
Im Wettbewerb der Besten ist gutes Management<br />
einer der letzten nicht ohne weiteres<br />
zu kopierenden Standortfaktoren geworden.<br />
Es zeichnet sich ab, dass Management<br />
und Unternehmensteuerung <strong>die</strong> entscheidende<br />
Kernkompetenz des nächstens<br />
Jahrzehnts sein werden. Die zunehmende<br />
Dynamik und Entwicklungsgeschwindigkeit<br />
der Unternehmensumwelt erfordert dabei<br />
leistungsfähige und flexible Steuerungssysteme.<br />
Dazu könnnte Performance Measurement<br />
als Querschnittsaufgabe des Managements<br />
einen Beitrag leisten.<br />
Performance Measurement beruht auf einem<br />
Ansatz, welcher in der Forschung als „System<br />
zur Messung und Lenkung der mehrdimensionalen,<br />
durch wechselseitige Interdependenzen<br />
gekennzeichneten, strategische<br />
und operative Aspekte integrierende, Unternehmensleistung<br />
auf Basis eines kybernetischen<br />
Prozesses mit Elementen des organisationalen<br />
Lernens“ verstanden wird.<br />
Der Steuerungs- und Informationsbedarf von<br />
Unternehmen und das Bedürfnis, verwendete<br />
Kenngrößen zu strukturieren und zueinander<br />
in Beziehung zu setzen, führte<br />
schon früh zur Entwicklung von Kennzahlensystemen,<br />
von denen das ROI-Kennzahlensystem<br />
des US-Chemiekozerns DuPont aus<br />
dem Jahre 1919 wohl das bekannteste ist.<br />
Finanzielle Kennzahlensysteme <strong>die</strong>ser ersten<br />
Entwicklungsphase steuern anhand einer<br />
Spitzenkennzahl, im Fall des DuPont Konzerns<br />
des Return-On-Investement, mit der alle<br />
Nachgeordneten Kennzahlen mathematisch<br />
verknüpft sind. Die Konstruktion <strong>die</strong>ser Systeme<br />
spiegelt einen mechanistischen Steuerungsanspruch<br />
wieder, der glaubt, Unternehmen<br />
wie eine Maschine mittels verschiedener<br />
Stellgrößen steuern zu können.<br />
In den 70er Jahren wurde zunehmend erkannt,<br />
dass zur Beurteilung und Steuerung<br />
eines Unternehmens zusätzliche Informatio-<br />
nen notwendig sind. Dies führte zur Weiterentwicklung<br />
bisheriger Kennzahlensysteme.<br />
Ein Beispiel ist das so genannte<br />
„ZVEI-Kennzahlensystem“ das 1970 vom<br />
Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie<br />
Deutschlands entwickelt wurde. Dieses<br />
stellt neben finanziellen Messgrößen zur<br />
Strukturanalyse, welche auf <strong>die</strong> Spitzenkennzahl<br />
„Eigenkapitalrentabilität“ verdichtet<br />
werden, Kennzahlen zur Wachstumsanalyse<br />
in den Dimensionen Vertriebstätigkeit,<br />
Ergebnis, Kapitalbindung und<br />
Wertschöpfung dar. Gemeinsam war <strong>die</strong>sen<br />
Systemen, dass sie für gewöhnlich Informationen<br />
aus dem Jahresabschluss verwenden,<br />
also schwerfällig und stark monetär<br />
ausgerichtet waren.<br />
Im Jahr 1987 griff der Artikel „Relevance<br />
Lost“ von Johnson/Kaplan <strong>die</strong> verbreitete<br />
Unzufriedenheit mit Kennzahlensystemen auf<br />
und wurde zum Auslöser der später von<br />
Eccles (1991) beschriebenen Performance<br />
Measurement Revolution. Johnson und Kaplan<br />
beklagten <strong>die</strong> Defizite rein finanzieller<br />
Steuerungssysteme, welche nicht in der<br />
Lage waren, <strong>die</strong> tatsächlichen Leistungstreiber<br />
und Erfolgsfaktoren von Unternehmen<br />
zu erfassen: Sie waren eindimensional,<br />
vergangenheitsbezogen, es mangelte ihnen<br />
an Bezug zur Strategie und sie waren nicht<br />
in das operative Geschäft integriert. Neben<br />
anderen Reformversuchen, wie der<br />
Prozesskostenrechnung oder der Shareholder-Value-Orientierung<br />
war das moderne<br />
Performance Measurement eine erfolgreiche<br />
Reaktion auf <strong>die</strong>se Entwicklung.<br />
Die von der Performance Measurement<br />
Revolution angestrebte Lösung bestand in<br />
verschiedenartigen, auch qualitativen Indikatoren,<br />
einer vielschichtigen Erfolgsdefinition<br />
und einer stringenten Verknüpfung mit<br />
der Strategie: Die finanzielle Dimension ist<br />
nicht mehr Angelpunkt, sondern nur noch<br />
einer von vielen.<br />
Diese Anforderungen erfüllte <strong>die</strong> 1992 in<br />
einem viel beachteten Artikel von Kaplan/<br />
Norton im Harvard Business Review vorgestellte<br />
Balanced Scorecard. Durch ihre Stärken<br />
bei der Strategiekommunikation und<br />
-umsetzung, ihre logische Klarheit und nicht<br />
zuletzt durch <strong>die</strong> Prominenz und Marketingmacht<br />
ihrer Autoren hat sie sich seitdem als<br />
das Performance Measurement System<br />
durchgesetzt, während vergleichbare andere,<br />
gleichzeitig erschienene Konzepte, wie<br />
<strong>die</strong> Performance Pyramid oder der Intellectual<br />
Capital Ansatz weit weniger Beachtung<br />
fanden.<br />
Auch wenn bis heute häufig Performance<br />
Measurement mit Balanced Scorecard<br />
gleichgesetzt wird, sind in der Zwischenzeit<br />
eine Vielzahl neuerer innovativer Ansätze<br />
veröffentlicht wurden. Es hat sich gezeigt,<br />
dass bestehende Performance<br />
Measurement Ansätze keineswegs alle Probleme<br />
lösen, zumal ihre Implementierung<br />
und <strong>die</strong> Anbindung an andere Managementsysteme<br />
des Unternehmens sich oft als<br />
problematisch erweisen.<br />
In den letzten Jahren hat <strong>die</strong> Forschung zum<br />
Performance Measurement erhebliche Fortschritte<br />
gemacht. Jedoch existiert keineswegs<br />
Übereinstimmung, weder in den<br />
Grundlagen noch im Umfang. In der Beratungspraxis<br />
des Autors gewinnt das Thema<br />
Performance Measurement zunehmend an<br />
Bedeutung, ohne dass ein entsprechendes<br />
theoretisches Fundament verwendbar wäre.<br />
So kann in der täglichen Beratungsarbeit<br />
nicht auf wesentliche Grundlagen zurückgegriffen<br />
werden.<br />
Thomas Seeger<br />
Steinbeis-Hochschule Berlin<br />
Der Komplexität gerecht werden<br />
Was müssen Kennzahlensysteme leisten?<br />
Kennzahlensysteme als wichtiger Teil der<br />
Informations- und Steuerungssysteme erfreuen<br />
sich seit einigen Jahren erhöhter Aufmerksamkeit<br />
in der Managementliteratur. Nach<br />
vielen Jahren der Konzentration auf finanzielle<br />
Ergebnisse zur Führung eines Unternehmens,<br />
gab es Anfang der 90er Jahre mit<br />
der Vorstellung der Balanced Scorecard von<br />
Norton und Kaplan einen grundlegenden<br />
Bewusstseinswandel hin zu einer mehrdimensionalen<br />
Betrachtung der Unternehmensperformance.<br />
Weitere Themen wurden berücksichtigt<br />
für <strong>die</strong> Kennzahlenausrichtung<br />
wie Strategie, Kunden, Mitarbeiter, Prozesse,<br />
Fähigkeiten, etc. Die Anzahl der Publikationen<br />
und Lösungsvorschläge für offene<br />
und neu ausgerichtete Kennzahlensysteme<br />
nahm in den 90er Jahren dramatisch zu.<br />
Doch spürt man in den Unternehmen anhaltende<br />
Unsicherheit und Unzufriedenheit<br />
mit den vorhandenen Kennzahlensystemen.<br />
Nach Ittner und Larcker im Harvard Business<br />
Manager (Februar 2004) gibt ein Drittel<br />
der befragten Unternehmen an, über kein<br />
ausreichendes Kennzahlensystem zu verfügen,<br />
und 80 % denken nicht über <strong>die</strong> kausalen<br />
Zusammenhänge zwischen ihren<br />
Kennzahlen nach und damit nicht über <strong>die</strong><br />
ihr Geschäft bestimmenden Erfolgsfaktoren.<br />
Bevor überlegt werden kann, wie <strong>die</strong><br />
Kennzahlensysteme zu gestalten sind, gilt<br />
es zuerst zwei zentrale Fragen zu beantworten:<br />
„Warum brauchen wir ein Kennzahlensystem?“<br />
und „Was soll es leisten?“<br />
An den Antworten wird sich jeder Weg,<br />
Systeme auf- und auszubauen, messen lassen<br />
müssen. Gleichzeitig geben sie Hinweise<br />
darauf, wie Kennzahlensysteme beschaffen<br />
sein sollen.<br />
Kennzahlensysteme sind sowohl Teil des<br />
Informations-, als auch des Steuerungssystems<br />
eines Unternehmens und haben deshalb<br />
verschiedenste Aufgaben zu erfüllen.<br />
Dazu gehören u. a.: Ausrichtung der Or-<br />
ganisation, Kommunikation von Zielen und<br />
Erwartungen, Basis für Zielvorgabe, Basis<br />
für Strategieumsetzung und -kommunikation,<br />
Steuerung der Abläufe, Erfüllung von Rechenschaftspflichten,<br />
Vergleichbarkeit , Basis<br />
für Benchmarking, Basis für Verbesserungen,<br />
Aufwand reduzieren, besseres Verständnis,<br />
Fokussierung der Organisation<br />
und ihrer Mitglieder, Grundlage von leistungsbezogenen<br />
Anreiz- und Entgeltsystemen.<br />
Diese Aufzählung ist keineswegs<br />
vollständig. Sie zeigt jedoch <strong>die</strong> Vielfältigkeit<br />
und Komplexität von Kennzahlensystemen<br />
auf. Aus <strong>die</strong>sen Aufgaben müssen<br />
nun Anforderungen an <strong>die</strong> praktische Gestaltung<br />
von Kennzahlensystemen abgeleitet<br />
werden.<br />
Ausgehend von den Aufgaben, <strong>die</strong> Kennzahlensysteme<br />
in Unternehmen zu erfüllen<br />
haben, lassen sich mehrere Leistungsmerkmale<br />
ableiten, an denen sie zu messen sind.<br />
Grundsätzlich lassen sich <strong>die</strong> zu stellenden<br />
Anforderungen nach inhaltlicher und struktureller<br />
Natur unterscheiden. Inhaltliche Anforderungen<br />
befassen sich mit dem angestrebten<br />
Betrachtungsgegenstand und geben<br />
an, was ein Kennzahlensystem zu messen<br />
in der Lage sein muss. Strukturelle Anforderungen<br />
zeigen auf, wie das System<br />
aufgebaut sein soll.<br />
Seit Kaplan (1987) ist anerkannt, dass<br />
Kennzahlensysteme mehrdimensionale Informationen<br />
bereitstellen müssen, welche über<br />
<strong>die</strong> klassische finanzielle Betrachtungsebene<br />
des Controlling hinaus gehen. Häufig wird<br />
im Gegensatz zur rückwärtsgewandten<br />
Sichtweise finanzieller Kennzahlen zusätzlich<br />
von Gegenwarts- und Zukunftsorientierung<br />
gesprochen. Darunter wird <strong>die</strong> Abbildung<br />
sogenannter weicher Faktoren wie<br />
Prozesse, Mitarbeiter, Qualität, Produktivität,<br />
Wissen, Fähigkeiten, Kunden u. a. verstanden,<br />
welche Werte schaffen und den<br />
Unternehmenserfolg der Zukunft bestimmen.<br />
Ein Unternehmen sollte möglichst ausgewo-<br />
gen nach innen und außen, in Vergangenheit,<br />
Gegenwart und Zukunft, auf Effizienz<br />
und Effektivität blicken. Ein leistungsfähiges<br />
Kennzahlensystem berücksichtigt Strategie,<br />
Prozesse, Stakeholder, Projekte und Verbesserungsmaßnahmen,<br />
Kompetenzen und<br />
Fähigkeiten, Infrastruktur und Ressourcen.<br />
Grundsätzlich muss das Kennzahlensystem<br />
in der Lage sein, alle entscheidungs- und<br />
erfolgsrelevanten Dimensionen abzubilden.<br />
Da <strong>die</strong>se bei jedem Unternehmen unterschiedlich<br />
sein können, ist <strong>die</strong> genannte Liste<br />
lediglich ein Mindeststandard und muss<br />
situationsabhängig ergänzt werden.<br />
Die zweite Kategorie von Anforderungen<br />
an Kennzahlensysteme gibt Hinweise, wie<br />
das Kennzahlensystem strukturiert sein muss,<br />
um seine Aufgabe, <strong>die</strong> rechzeitige Versorgung<br />
von Entscheidungsträgern mit relevanten<br />
Informationen, auf Dauer erfolgreich zu<br />
bewältigen. Es muss kausale Verknüpfungen<br />
und Abhängigkeiten darstellen, verständlich<br />
und kommunizierbar sein, an <strong>die</strong> spezifische<br />
Unternehmenssituation anpassbar und<br />
modular strukturiert sein, um sie ggf. schrittweise<br />
im Unternehmen einzuführen oder auf<br />
andere Unternehmensteile auszuweiten. Um<br />
den sich ändernden Herausforderungen,<br />
Strategien und Rahmenbedingungen eines<br />
Unternehmens langfristig gerecht zu werden,<br />
müssen Kennzahlensysteme zudem<br />
regelmäßig verändert werden können.<br />
Kennzahlensysteme sollen auf verschiedenen<br />
Leistungsebenen (Strategische Ebene,<br />
Prozessebene, Operative Steuerung) und in<br />
unterschiedlich großen Teilbereichen des<br />
Unternehmens eingesetzt werden können.<br />
Dazu muss das System so strukturiert sein,<br />
dass es beliebig teilbar, erweiterbar oder<br />
auf andere Ebenen übertragbar ist.<br />
Elmar Zeller<br />
Steinbeis-Hochschule Berlin<br />
8 README.<strong>TQU</strong> <strong>55</strong> README.<strong>TQU</strong> <strong>55</strong><br />
9