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Ausgabe 55 - TQU die Umsetzer

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Die neue Verfassung birgt Chancen und Risiken<br />

Welche Spielregeln<br />

gelten im neuen Europa?<br />

Am 29. Oktober 2004 unterzeichneten <strong>die</strong><br />

Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten<br />

<strong>die</strong> neue Europäische Verfassung.<br />

Damit erhielt <strong>die</strong> Europäische Union eine<br />

neue Rechtspersönlichkeit und vertiefte <strong>die</strong><br />

Integration ihrer Mitgliedstaaten. Eine Ratifizierung<br />

des Vertrages wird in den Mitgliedsländern<br />

vorbereitet. In der Verfassung<br />

werden <strong>die</strong> Werte aufgeführt, auf denen<br />

<strong>die</strong> Union basiert: Achtung der Menschenwürde,<br />

Freiheit, Demokratie, Gleichheit,<br />

Rechtstaatlichkeit und <strong>die</strong> Wahrung der<br />

Menschenrechte. Diese Werte sind allen<br />

Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam,<br />

<strong>die</strong> sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung,<br />

Toleranz, Gerechtigkeit,<br />

Solidarität, Gleichstellung von Mann und<br />

Frau auszeichnet.<br />

Doch ist <strong>die</strong> Europäische Union nicht nur<br />

ein politisches Bündnis, sie ist zudem einer<br />

der bedeutendsten Wirtschaftsräume der<br />

Welt. Mit der Erweiterung ist <strong>die</strong> Zahl der<br />

Mitgliedstaaten auf 25 gestiegen, ein Binnenmarkt<br />

mit ausgezeichneten Aussichten<br />

für Wirtschaftswachstum und ständigen<br />

Wohlstand ist entstanden, mit beinahe einer<br />

halben Milliarde Verbrauchern. Diese<br />

Union bietet eine Reihe von Wachstumsmöglichkeiten<br />

für <strong>die</strong> Akteure der Wirtschaft.<br />

Sie ergeben sich in erster Linie aus den<br />

Grundbedingungen des Binnenmarktes:<br />

Freizügigkeit und freier Dienstleistungsverkehr,<br />

freier Waren-, Kapital- und Zahlungsverkehr<br />

und Wettbewerbsregeln.<br />

Zu den Chancen zählen unter anderem folgende<br />

Punkte, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> kleinen und mittelständischen<br />

Unternehmen relevant sind:<br />

Die Förderung unterdurchschnittlich entwickelter<br />

Regionen und Branchen, Unterstützung<br />

von Forschung und Entwicklung und<br />

bei der Verbreitung technischer Erfindungen,<br />

Schutz des geistigen Eigentums, nachhaltiges<br />

Wirtschaftswachstum, <strong>die</strong> Einführung<br />

einer gemeinsamen Währung, <strong>die</strong> Anzahl<br />

potenzieller Arbeitsnehmer und ein angehobenes<br />

Bildungsniveau.<br />

Auf der anderen Seite, gibt es Risiken, <strong>die</strong><br />

zu berücksichtigen sind, will man <strong>die</strong> Chancen<br />

nutzen. Die größten Risiken lassen sich<br />

den wirtschaftlichen und kulturellen Unterschieden<br />

und der politischen Vielfältigkeit<br />

der EU zuschreiben. Ein wichtiges Thema,<br />

mit dem sich Unternehmen auseinandersetzen<br />

müssen, ist der Umgang mit kulturellen<br />

Unterschieden. Einheimisches Vorgehen und<br />

gewohnte Methoden können nicht eins zu<br />

eins in anderen Ländern angewendet werden,<br />

<strong>die</strong> Leistungen müssen der länderspezifischen<br />

Gegebenheit angepasst sein.<br />

Fehlende Sprach- und Marktkenntnisse gehören<br />

auch dazu. Mit internationalen bzw.<br />

international einsetzbaren Partnern kann<br />

man solche Nachteile am effektivsten ausgleichen,<br />

allerdings muss man solche Partner<br />

erst finden und auch einarbeiten.<br />

Die neue Europäische Verfassung bietet<br />

umfangreichen Schutz für geistiges Eigentum.<br />

Diese Bestimmungen und Maßnahmen<br />

können den gewerblichen Schutzrechten<br />

und den Urheberrechten zugeordnet werden.<br />

Die langfristige Etablierung an ausländischen<br />

Märkten, setzt eine eigenständige<br />

Rechtspersönlichkeit voraus. Die Verfassung<br />

der Europäischen Union beseitigt jegliche<br />

Beschränkung der Niederlassungsfreiheit.<br />

Demzufolge gelten im Falle einer Unternehmensgründung<br />

<strong>die</strong> gleichen Bestimmungen<br />

für ausländische Privatpersonen und<br />

Unternehmen wie für einheimische.<br />

Deutsche Unternehmen sind zum größten<br />

Teil auf dem Gebiet der Europäischen Union<br />

tätig. Sie müssen sich für <strong>die</strong> neue Verfassung<br />

mit all ihren Risiken und Chancen<br />

interessieren und sich damit auseinandersetzen.<br />

Helmut Bayer<br />

Steinbeis-Hochschule Berlin<br />

Was ist eigentlich eine<br />

Marke?<br />

Rein rechtlich ist eine Marke ein Warenzeichen,<br />

ein Name, Zeichen oder Symbol, mit<br />

dem Produkte gekennzeichnet werden, um<br />

ihre Einmaligkeit auszudrücken. Ein Zeichen,<br />

das sich markenrechtlich schützen<br />

lässt. Mit dem Zeitalter der industriellen Produktion<br />

war auch <strong>die</strong> Ära der großen und<br />

berühmten Marken angebrochen. Marken<br />

genossen das uneingeschränkte Vertrauen,<br />

ließen hundertprozentige Qualität erwarten<br />

und begründeten nicht selten eine lebenslange<br />

Markentreue. Seit einiger Zeit befindet<br />

sich <strong>die</strong> Unternehmens- und damit auch<br />

<strong>die</strong> Markenführung in einem dramatischen<br />

Wandel, der auf absehbare Zeit nicht abgeschlossen<br />

sein wird. Die „Entdeckung“<br />

der vergangenen Jahre schlechthin war <strong>die</strong><br />

Bedeutung der Emotionalität. Erfolgreich<br />

sind nur jene Marken, <strong>die</strong> starke Gefühle<br />

wecken. Ein Auto ist auch Lebensgefühl,<br />

Cola ein Kultgetränk. Erstaunlich ist, dass<br />

im gleichen Maße, in dem <strong>die</strong> „irrationale“<br />

Bedeutung von Marken erkannt wurde,<br />

das Streben nach rationaler Markenführung<br />

gestiegen ist. Das zeigt sich in vermehrtem<br />

Markencontrolling und einer steigenden<br />

Erwartung an <strong>die</strong> Marktforschung. Der<br />

Grund dafür liegt sicher in der ökonomischen<br />

Bedeutung der Marke. Erst in jüngster<br />

Zeit scheint Marketingspezialisten und<br />

Topmanagern bewusst zu werden, wie groß<br />

der immaterielle Wert ihrer Marken tatsächlich<br />

ist. Das Streben nach Berechenbarkeit<br />

des Markenwerts ist auch Folge des neuen<br />

Rechnungslegungsstandards IFRS, der<br />

2005 in der EU eingeführt wurde, und des<br />

Kreditratings nach Basel II. Die Beurteilung<br />

der Bonität eines Unternehmens kann danach<br />

direkt vom Markenwert abhängig<br />

gemacht werden. Manche Firmen bestehen<br />

fast nur noch aus Produktdesign und<br />

Markenmanagement, während sie weltweit<br />

produzieren lassen. Auch wenn sich noch<br />

zeigen muss, ob Produktions-Know how und<br />

Vermarktungs-Know-how langfristig so konsequent<br />

getrennt werden können, ist <strong>die</strong>ser<br />

Trend vermutlich kaum aufzuhalten. So nachvollziehbar<br />

es ist, dass Manager ihr wertvollstes<br />

Gut ganz rational steuern wollen,<br />

so sollten sie sich dennoch bewusst sein,<br />

dass ihnen <strong>die</strong>s nie ganz gelingen wird,<br />

da Marken sich im Spannungsfeld zwischen<br />

Emotion und Rationalität bewegen.<br />

Quelle: Harvard Businessmanager März 2005<br />

Wissensmanagement<br />

Knowledge in action<br />

Es ging nicht um den<br />

Knusperspaß<br />

allein<br />

John Harvey Kellogg (1852 bis 1943),<br />

dem berühmten Erfinder der Cornflakes,<br />

ging es eigentlich nicht um den Knusperspaß.<br />

Er hatte auch nicht den Aufbau eines<br />

Weltkonzerns im Sinn, der über 2,25 Milliarden<br />

Dollar umsetzt. John ging es ums<br />

Gedärm. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

stand es nämlich schlecht um <strong>die</strong> amerikanischen<br />

Verdauungstrakte.<br />

Alan Parker porträtierte Kellogg in seinem<br />

Film The Road to Wellville 1994 als weiß<br />

gewandeten Patriarchen, der offensichtlich<br />

einen an der Schüssel hatte: Kellogg empfahl<br />

seinen Patienten Elektroschocks und<br />

asketische Torturen, Hochdruck-Darmspülungen<br />

und eine Lachtherapie, Lichtbäder und<br />

Sitzungen im maschinengetriebenen Vibrationsstuhl.<br />

Kelloggs berühmte Frühstücksflocken jedenfalls<br />

nahmen als Teil seines Feldzuges gegen<br />

<strong>die</strong> „Selbstvergiftung“ ihren Anfang.<br />

Seine Kekskrümel namens „Granola“, lederartige<br />

gebackene Weizenflocken und <strong>die</strong><br />

Vorläufer der heutigen Cornflakes, waren<br />

nur Versuche, den Kurgästen ihre Diät<br />

schmackhafter zu gestalten. Auch konnten<br />

ehemalige Kurgäste <strong>die</strong> Flocken per Versandhandel<br />

beziehen und verschiedene<br />

medizinische Geräte für den Hausgebrauch.<br />

Bloß: Ein großer Geschäftsmann war John<br />

Harvey Kellogg nicht. Zu Beginn des 19.<br />

Jahrhunderts fuhr sein in mehrere Unternehmen<br />

zersplitterter Versandhandel sogar Verluste<br />

ein. Kellogg hatte ein zu großes Ego<br />

und zu wenig Respekt für <strong>die</strong> Welt des<br />

Kommerzes. Ein ehemaliger Patient des<br />

Meisters, der Agrarmaschinenhersteller<br />

Charles William Post, stellte sich da wesentlich<br />

geschickter an. 1892 hatte er unweit<br />

des „Sanitariums“ sein eigenes Kurhaus<br />

eröffnet und ersetzte das verhasste Fleischverbot<br />

durch fröhliche Medikationen. Sein<br />

eigener Kaffeeersatz und <strong>die</strong> Post-Frühstücksflocken<br />

namens „Grape Nuts“ wurden zu<br />

Markthits. Post verstand es nämlich frühzeitig,<br />

beherzte Anzeigenkampagnen einzusetzen<br />

(„Macht Kaffee blind?“), Gratisproben<br />

in Läden zu verteilen und seine hausbackene<br />

Gesundheitsphilosophie als werbendes<br />

Büchlein den Packungen beizulegen.<br />

Die Postum Cereal Company wurde<br />

zum ersten Frühstücksflocken-Multi der Welt,<br />

mit Büros in London und New York, und<br />

John Harvey Kellogg reagierte mit Sarkasmus<br />

und Verleugnung.<br />

Es war John Harveys jüngerer Bruder Will,<br />

der <strong>die</strong> Geschicke der Not leidenden Familienfirma<br />

herumdrehte und Entscheidungen<br />

traf, dank deren <strong>die</strong> Kellogg‘s doch<br />

noch zu den Königen der Frühstücksflocken<br />

werden sollten. Lange hatte Will Keith<br />

Kellogg (1860 bis 1951) als unterbezahlter<br />

Verwalter seines herrischen Bruders gearbeitet.<br />

Doch er bekam Anfang der<br />

1890er Jahre seine große Chance: Er solle<br />

das darbende Versandimperium neu ordnen<br />

und als Anreiz 25 Prozent der Gewinne<br />

behalten. Will ließ sich das nicht zweimal<br />

sagen.<br />

Von Beginn an hatte Will einen klaren Blick<br />

fürs Marketing. Schon als <strong>die</strong> Brüder früh<br />

ihre Weizenflocken erfunden hatten, bestand<br />

Will darauf, sie gegen den Willen<br />

seines Bruders nicht als Krümel zu verkaufen.<br />

Ganze Flocken sähen einfach appetitlicher<br />

aus. Der reißende Absatzerfolg gab<br />

ihm Recht, und er geschah, obwohl der<br />

ältere Bruder den Verkauf auf Patienten und<br />

Ehemalige beschränken ließ und obwohl<br />

der Werbetext („Ideal für <strong>die</strong> Auflösung<br />

durch Verdauungsflüssigkeiten“) wohl nicht<br />

jedermann appetitlich erschien. Er fügte eine<br />

Substanz hinzu, <strong>die</strong> der Meister streng verboten<br />

hatte: Rohrzucker. Nun explo<strong>die</strong>rte<br />

auch der Verkauf, zumal Will mit einer massiven<br />

Werbekampagne nachlegte. 1906<br />

gliederte er das Geschäft mit den Frühstücksflocken<br />

in eine eigene Firma aus, <strong>die</strong> spätere<br />

Kellogg Company. Nach einem anhaltenden<br />

Rechtsstreit verlor der ältere Bruder<br />

1917 sogar das Recht, seinen eigenen<br />

Namen auf Produkten des Sanitariums<br />

zu verwenden.<br />

Will Kellogg hatte längst über den Tellerrand<br />

hinaus gedacht und erkannt, dass der<br />

Wert einer Firma am überfüllten Markt für<br />

Frühstücksflocken weniger im Produkt als in<br />

der Marke lag. In roten Lettern ließ Will<br />

seine Signatur auf <strong>die</strong> Schachteln drucken,<br />

zusammen mit einer Warnung: „Nicht echt<br />

ohne <strong>die</strong>se Unterschrift“. Wer mehr als zwei<br />

Schachteln kaufte, bekam das Funny<br />

Jungleland Moving Picture Booklet als Dreingabe:<br />

ein buntes Büchlein mit kostümierten<br />

Tieren, das ein Vierteljahrhundert lang ein<br />

gefragter Hit blieb und 43 Millionen Mal<br />

geduckt wurde.<br />

Ob sie sich wirklich unterscheiden, <strong>die</strong> Lebensweise<br />

des Ballaststoff-Fundamentalisten<br />

John Harvey und <strong>die</strong> lebensfrohere Herangehensweise<br />

seines jüngeren Bruders? Das<br />

ist noch eine ganz andere Frage.<br />

Der exzentrische Arzt und Hotelier, der sich<br />

an seinem Lebensabend gern im weißen<br />

Anzug mit einem Kakadu auf der Schulter<br />

fotografieren ließ, starb 1943 im Alter von<br />

91 Jahren und zehn Monaten. „Nicht<br />

schlecht für einen Grasfresser“, soll er vor<br />

seinem Tod bemerkt haben. Will Keith, der<br />

rastlose und zuckerfreundlichere Unternehmer,<br />

starb 1951 im Alter von 91 Jahren<br />

und sieben Monaten. Er hinterließ ein<br />

Milliardenerbe und eine (ihm zugeschriebene)<br />

Aussage, <strong>die</strong> das Phänomen der<br />

Kellogg Company trefflich erklärt: „Ein<br />

Geschäft, das auf Werbung aufgebaut ist“.<br />

Von Thomas Fischermann in DIE ZEIT 38/2003<br />

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