Beschaffung aktuell 10.2020
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MANAGEMENT<br />
Das Produktgeschäft<br />
Für <strong>Beschaffung</strong>sobjekte im Produktgeschäft denken Einkäufer<br />
traditionell vor allem an kommerzielle Bündelung.<br />
Gerade in der Frühphase besteht aber auch die Möglichkeit,<br />
durch Technologiesprünge die Kosten radikal zu senken.<br />
Das ist für die <strong>Beschaffung</strong> oft kontraintuitiv, da starke<br />
Anreize bestehen, Standardprodukte zu nutzen: Bündelung<br />
hilft, Einkaufsziele zu erfüllen.<br />
Für Projekteinkäufer ist dies ein Balanceakt: Einerseits<br />
müssen sie die Fahne der Vereinfachung hochhalten, um<br />
Anspruchsinflation und Goldplating zu verhindern. Oft<br />
reicht ein Standardprodukt vollkommen aus. Andererseits<br />
hat die <strong>Beschaffung</strong> durch Kontakt mit den Lieferanten<br />
die Möglichkeit, technische Innovationen frühzeitig zu erkennen<br />
und in die Organisation zu tragen. Gerade im Produktgeschäft<br />
mit seinen standardisierten Komponenten<br />
können Weiterentwicklungen einen großen Hebel darstellen:<br />
sowohl für Sprünge in den Gesamtkosten als<br />
auch im Kundennutzen. Vor diesem Hintergrund muss<br />
der Projekteinkauf für <strong>Beschaffung</strong>sobjekte im Produktgeschäft<br />
zwei widersprüchliche Ziele verfolgen: Einerseits<br />
die Standardisierung der <strong>Beschaffung</strong>sobjekte. Gerade in<br />
der Frühphase wird sonst schnell allein technisch argumentiert<br />
und Standardisierungspotenzial verschenkt.<br />
Andererseits müssen auch aus der <strong>Beschaffung</strong>sfunktion<br />
heraus eine Reihe expliziter Innovationsprojekte zur Weiterentwicklung<br />
technischer Standards aufgesetzt werden.<br />
Ohne solche projektübergreifenden Initiativen kann<br />
die Kostenposition nicht verbessert werden.<br />
Wie können Tools genutzt werden, um diese Probleme zu<br />
bewältigen? Erstens sollte eine Stabsstelle für Kosten -<br />
simulationen eingerichtet werden, in der Berechnungs -<br />
instrumente weiterentwickelt und Daten speziell zum Berechnung<br />
der Total Cost of Ownership (TCO) zur Verfügung<br />
gestellt werden. Welche Kosteneffekte durch Nutzung<br />
standardisierter Komponenten entstehen, muss die<br />
Projekteinkäuferin toolbasiert schnell überschlagen können.<br />
Für eine seriöse Rechnung braucht dies mindestens<br />
Input aus Fertigung und Logistik. Das Format solcher<br />
komplexer Überschlagsrechnungen wird immer noch zu<br />
oft den Projekteinkäufern selbst überlassen, die aber<br />
meist weder die Zeit, noch die Daten, noch das Skillset haben,<br />
komplexe Simulationen selbst aufzubauen und weiterzuentwickeln.<br />
Hier muss eine Stabstelle ran, die Mindeststandards<br />
abspricht und konstant weiterentwickelt.<br />
Schon mit Excel lassen sich Dialoge für Szenarien bauen.<br />
Wichtig ist, dass hier überhaupt angefangen wird. Wie<br />
solche Tools genutzt werden, und was man verbessern<br />
kann, sollte mindestens alle sechs Monate durch verbindliche<br />
anonyme Nutzerumfragen überprüft, und an die VP-<br />
Ebene berichtet werden. Ziele für die Nutzerzufriedenheit<br />
müssen explizit definiert und mit Zieldaten zugesagt<br />
werden. Auch hier verselbstständigen sich sonst oft die<br />
Bereiche: Die <strong>Beschaffung</strong> hört auf, die Tools zu nutzen,<br />
und alle schimpfen auf die IT. Einfache Feedback-Schleifen<br />
und klare Verantwortlichkeiten verhindern ein solches<br />
Verrotten von zentralen Tools und Datensätzen.<br />
Wie sollen Projekteinkäufer mit den Zieldifferenzen umgehen?<br />
Die Streckung auf unterschiedliche Zeithorizonte<br />
entzerrt diesen Konflikt. Kurzfristig steht im Produktgeschäft<br />
die Standardisierung im Vordergrund. Mittelfristig<br />
werden Ausnahmen zur Komponenteninnovation definiert.<br />
Neben dem Serieneinkauf müssen auch Projekteinkäufer<br />
und Entwickler die Roadmap für solche Weiterentwicklungen<br />
kennen und in ihre Erstellung eingebunden<br />
werden. Projektpläne mit Schlüssellieferanten für solche<br />
Maßnahmen sind dabei Pflicht, dies sollte nicht nebenbei<br />
erfolgen, sondern geplant und nachverfolgt werden.<br />
Für effektive Koordination und Anreizsetzung müssen die<br />
jeweiligen Pläne und Berechnungen sowie der Status der<br />
versprochenen Leistungspakete für alle Beteiligten transparent<br />
und einfach zugänglich sein. Ohne transparente<br />
Status-Dashboards bleibt „Management“ in Absichtsbekundungen<br />
stecken. Commitments müssen überprüfbar<br />
und Probleme möglichst früh erkannt werden.<br />
Die Autoren<br />
Die Quellen<br />
Prof. Dr. Roman Bartnik lehrt und forscht an der Technischen<br />
Hochschule Köln zu den Themengebieten Supply Chain Management,<br />
Project Management und Lean Management.<br />
Dr. Uwe Holtschneider ist Dozent für Lieferanten management an der<br />
Cologne Business School und leitet den Bereich Supply Management/<br />
Methods and Tools bei Yazaki Europe Ltd.<br />
Backhaus, Klaus; Voeth, Markus (2014): Industriegütermarketing.<br />
Grundlagen des business-to-business-marketings. 10., überarbeitete<br />
Auflage. Munich, Germany: Verlag Franz Vahlen (Vahlens<br />
Handbücher).<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 10 33