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Beschaffung aktuell 10.2020

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MANAGEMENT<br />

gepasst wurde – denken wir an Druckpapier<br />

oder Standard-Software. Für Nachkäufe sind<br />

wir nicht an den Lieferanten gebunden.<br />

Im Projektgeschäft (spezifisch, keine Bindung),<br />

ist das Leistungsbündel an unsere Bedürfnisse<br />

angepasst, aber der Einzelkauf bindet<br />

uns nicht für zukünftige Transaktionen.<br />

Denken wir an den Bau einer neuen Niederlassung,<br />

an ein Beratungsprojekt oder an die<br />

externe Anmietung für eine Betriebsfeier.<br />

Im Systemgeschäft (unspezifisch, gebunden)<br />

kaufen wir ein Produkt „von der Stange“, in<br />

Wissenschaftliche Serie:<br />

„Der Projekteinkauf unter der<br />

Lupe“<br />

Die Serie setzt sich aus folgenden Teilen<br />

zusammen:<br />

• Teil 1: Der Projekteinkauf als Schnittstelle –<br />

09/2020<br />

• Teil 2: One-night-stands: Beziehungen ohne<br />

Bindung – 10/2020<br />

• Teil 3: Drum prüfe, wer sich bindet...: Beziehungen<br />

mit Langzeitbindung – 11/2020<br />

diesem Fall binden wir uns aber durch den<br />

Kauf für die Zukunft: Beispiele sind die Entscheidung<br />

für ein Automatisierungssystem<br />

oder der Erwerb von ERP-Lizenzen (da spätere<br />

Erweiterungen kompatibel sein müssen).<br />

Im Integrationsgeschäft (spezifisch, gebunden)<br />

kaufen wir eine angepasste Leistung<br />

und binden uns für die Zukunft an den Lieferanten.<br />

Dieser Geschäftstyp ist typisch für <strong>Beschaffung</strong><br />

in der Automobilindustrie: Für VW<br />

validierte Spezialstecker oder Aluminium-<br />

Gehäuse für Energieverteiler können im<br />

Nachgang durch die enge Integration nicht<br />

ausgetauscht werden. Auch sind die Erstinvestitionen<br />

für Validierung und Werkzeuge<br />

hier oft sehr hoch.<br />

Strategieempfehlungen nach Typen<br />

Welche Empfehlungen können wir nun aus<br />

diesen Unterscheidungen für Strategien im<br />

Projekteinkauf ableiten? Spezifität und Bindung<br />

verändern die interne wie externe Verhandlungsposition<br />

für Koordination und Anreizsetzung:<br />

Allgemein führt höhere Spezifität<br />

der Leistung zu höheren Erträgen, erschwert<br />

aber Benchmarking und Lieferantenwechsel.<br />

Das Risiko steigt. Höhere Bindung<br />

steigert ebenso das Risiko der Entscheidung,<br />

Fokus auf Bindung & Spezifität – vier Geschäftstypen<br />

(angepasst für den <strong>Beschaffung</strong>sbereich,<br />

basierend auf Backhaus & Voeth 2014).<br />

da schwer überschaubare Folgeinvestitionen<br />

einkalkuliert werden müssen. Für eine seriöse<br />

Abschätzung muss der Projekteinkauf vielfältige<br />

Inputs aus den Abteilungen strukturiert<br />

einholen und analysieren.<br />

Da beide Aspekte zusammenhängen, resultieren<br />

aus den vier Typen unterschiedliche<br />

Empfehlungen für Koordination wie Anreizsetzung<br />

im Projekteinkauf. In diesem Teil<br />

schauen wir uns die Typen des Produkt- und<br />

Projektgeschäfts genauer an, das Integrations-<br />

und Systemgeschäft folgt in der nächsten<br />

Ausgabe.<br />

Das Projektgeschäft<br />

Im Projektgeschäft (spezifisch, keine Bindung) ist die<br />

Koordination von Lessons Learned, also Erfahrungswerten<br />

aus Vorprojekten, zentral. Da <strong>Beschaffung</strong>sobjekte im<br />

Projektgeschäft naturgemäß einmalig und speziell sind,<br />

droht der Organisation sonst, dieselben Fehler immer<br />

wieder zu begehen. Tools, die hier wichtig sind, umfassen<br />

erstens die zentrale Sammlung von Lessons Learned: Was<br />

für Risiken im <strong>Beschaffung</strong>sprojekt wurden bei ähnlichen<br />

Projekten in der Vergangenheit übersehen? Welche Absicherungsmöglichkeiten<br />

gibt es, und wie haben sie sich<br />

bewährt? Oft scheitert dies an zwei einfachen organisatorischen<br />

Fehlern.<br />

Erstens wird keine Verantwortlichkeit seriös zugeordnet.<br />

Mit seriös meinen wir hierbei: mit ausreichendem Zeitbudget.<br />

Wenn komplexe Auswertungen von Lessons<br />

Learned als „on-top“-Aufgabe beschäftigten Leistungsträgern<br />

zugeordnet werden, ist das nicht seriös.<br />

Zweitens muss die Pflege und Nutzung von Lessons<br />

Learned Chefsache sein. Zu einer so wichtigen Tätigkeit<br />

gehören auch Ressourcen (Zeit, Standards, messbare Umsetzungsziele...).<br />

Es ist naiv, so zu planen, als ob komplexe<br />

Zusatzaufgaben und Selbstkritik ohne Struktur und Druck<br />

umsetzbar sind. Lessons Learned zu sammeln, ist aufwendig,<br />

sie umzusetzen braucht klare Verantwortlichkeiten,<br />

externe Kontrolle und KPIs auf VP-Ebene. Fehler haben<br />

schließlich in der Regel gute Gründe:<br />

• Die FMEA wurde nicht durchgeführt, weil dafür <strong>aktuell</strong><br />

drei Manntage erforderlich sind, und dafür kein Personal<br />

zur Verfügung stand.<br />

• Die technischen Anforderungen wurden übersehen,<br />

weil die 200-seitige Spezifikation als PDF verteilt und<br />

von 15 Mann ausgewertet werden musste.<br />

• Die BOM hatte Fehler, weil die Excel-Datei mit der dritten<br />

Änderungsschleife nicht per E-mail weitergeleitet<br />

wurde, da der Mitarbeiter im Urlaub war.<br />

In all diesen Beispielen müssen Prozesse grundlegend<br />

und mit Anfangsinvestitionen geändert werden, bevor<br />

sich etwas verbessern wird. Ohne Priorisierung, Nachverfolgung<br />

und Budget sind Lessons-Learned-Initiativen reine<br />

Augenwischerei. Wenn man es Sachbearbeitern überlässt,<br />

das Verhalten von Abteilungsleitern zu ändern,<br />

plant man naiv.<br />

32 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 10

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