Beschaffung aktuell 10.2020
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MANAGEMENT<br />
Der Projekteinkauf unter der Lupe, Teil II<br />
One-night-stands: Beziehungen ohne Bindung<br />
In diesem zweiten Teil unserer Serie zum Projekteinkauf widmen sich die Autoren Prof. Roman Bartnik und Dr. Uwe<br />
Holtschneider verschiedenen kurzfristigen Geschäftstypen, nämlich dem Produkt- und Projektgeschäft. Hier tun sich<br />
vielfältige Koordinations- und Anreizprobleme auf, die mit einer richtigen, angepassten Strategie gemindert werden<br />
können.<br />
Haie, Flundern und Sardinen: <strong>Beschaffung</strong>sprojekte<br />
sind so vielfältig wie<br />
die Fische im Aquazoo – entsprechend<br />
müssen sich auch Projekteinkäufer auf<br />
verschiedene Herausforderungen einstellen.<br />
Wie bei Fischen, helfen auch bei <strong>Beschaffung</strong>sprojekten<br />
Kategorisierungen: Welche<br />
Gegebenheiten machen einen Unterschied<br />
für die Lösung von Koordinations- und Anreizproblemen<br />
(siehe erster Teil der Serie in der<br />
letzten Ausgabe).<br />
Wir nutzen hierfür ein bewährtes Schema<br />
aus dem Industriegüter-Marketing (Backhaus<br />
und Voeth 2014). Erstens fragen wir, ob wir<br />
eine angepasste Leistung oder ein Massenprodukt<br />
kaufen. Zweitens fragen wir, ob wir<br />
uns durch den Kauf an den Lieferanten binden<br />
(siehe Abbildung nächste Doppelseite).<br />
Die Antworten auf beide Fragen bestimmen<br />
die strategische Ausrichtung der Beziehung<br />
zu Lieferanten und Kunden, unsere Wechselmöglichkeiten,<br />
Verhandlungsmacht, Fallen<br />
und Entwicklungsmöglichkeiten. Wir wollen<br />
dies an einigen Beispielen verdeutlichen.<br />
Im ersten Geschäftstyp, dem Produktgeschäft<br />
(unspezifisch, keine Bindung), kaufen<br />
wir ein Leistungsbündel, das nicht an uns an-<br />
Koordinations- und Anreizprobleme im Projekteinkauf, kurzfristige Geschäftstypen<br />
Geschäftstyp<br />
Problemfeld<br />
Zentrale Probleme<br />
Lösungsansatz<br />
Produktgeschäft<br />
Koordination<br />
Komplexe Komponentenstruktur<br />
erschwert Übersicht und Positionierung.<br />
Product Data Management Tools zur Reduktion der<br />
Komplexität.<br />
Komplexe Wechselwirkungen der Kosteneffekte<br />
von Entscheidungen sind kaum zu<br />
überschauen.<br />
Stabstelle zur Professionalisierung der Analysen<br />
& Kostenszenarien .<br />
Anreizsetzung<br />
Fokus der <strong>Beschaffung</strong> traditionell auf<br />
Standardisierung und Bündelung; technische<br />
Innovationen drohen vernachlässigt<br />
zu werden.<br />
Explizite Aufsetzung und Kommunikation von<br />
Standardisierungsprojekten: In welchen Materialbereichen<br />
sollen bis wann welche Standards erreicht<br />
werden?<br />
Roadmaps mit strategischen Partnern.<br />
Anreizsetzung zu strategischen Partnern durch Zielvorhaben:<br />
Lieferantenleistung und Auftragsanteile. Partnerschaften<br />
ohne Business-Effekt bleiben wirkungslos!<br />
Projektgeschäft<br />
Koordination<br />
Fehler und Erfahrungswerte werden nicht<br />
systematisch gesammelt und genutzt.<br />
Stabsstellen unterstützen, Fokus auf Nutzbarkeit<br />
durch verpflichtendes Feedback zu den Tools.<br />
Anreizsetzung<br />
Systematische Fehlersammlung soll<br />
„nebenbei“ erledigt werden; Erfolg wird in<br />
KPIs nicht berücksichtigt. Dadurch geringeres<br />
Interesse, Tools weiterzuentwickeln.<br />
Fehlersammlung mit Aktionen verbindlich vorgeschrieben,<br />
Stabsstelle überwacht, Top-Management<br />
prüft Einhaltung und honoriert gute Ergebnisse.<br />
Durchsicht der „Lessons Learned“ aus Vorprojekten, bei<br />
Neuprojekten vorschreiben.<br />
Da Beteiligte selbst Probleme erheben<br />
sollen, wenig Interesse an „Nestbeschmutzung“.<br />
Probleme werden nicht benannt.<br />
Externe, unabhängige Evaluation im und nach dem<br />
Projekt.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 10 31