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Beschaffung aktuell 10.2020

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MANAGEMENT<br />

Neue staatliche Regeln veröffentlicht<br />

Arbeitsschutz gilt auch zu Hause<br />

Über das schnelle Umschalten auf Homeoffice waren zu Beginn der Pandemie<br />

alle froh. Der Arbeitsschutz stand dabei zunächst nicht im Fokus. Doch die gesetzlichen<br />

Pflichten des Arbeitgebers gelten auch für die mobile Arbeit daheim. Die<br />

Bundesregierung hat nun aktualisierte Handlungsempfehlungen herausgegeben,<br />

um Rechtssicherheit in unsicheren Zeiten zu gewährleisten.<br />

Zeit- und ortsflexibles Arbeiten – das<br />

klang in Vor-Corona-Zeiten irgendwie<br />

verheißungsvoll, nach Traumstrand<br />

mit Laptop und grenzenloser Schaffenskraft.<br />

Mittlerweile ist Ernüchterung eingetreten<br />

und das monatelange pandemiebedingte<br />

Arbeiten im Homeoffice steckt vielen wortwörtlich<br />

in den Knochen. Denn zu Hause<br />

kommt der Arbeitsschutz zu kurz: Ergonomische<br />

Sitze, ideale Beleuchtung, flimmerfreie<br />

Bildschirme im optimalen Abstand gibt es im<br />

Betrieb, aber selten im heimischen Büro.<br />

Arbeitsschutzpflichten bleiben<br />

„Der Arbeitgeber bleibt auch in Krisenzeiten<br />

für die Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes<br />

in der Verantwortung“, betont<br />

Rechtsanwalt Dr. Stefan Müller aus Leipzig. „Er<br />

ist beispielsweise nach wie vor zur Durchführung<br />

einer Unterweisung nach § 12 Arbeits -<br />

schutzgesetz verpflichtet“, so der Arbeitsr -<br />

echtler. Der Arbeitgeber muss die Beschäftig -<br />

ten über alle Risiken in Kenntnis setzen , die<br />

mit der Arbeit im Homeoffice verbunden sind,<br />

und er muss sie zu den Möglichkeiten der Risikovermeidung<br />

unterweisen (siehe Kasten). In<br />

der Wahl der Kommunikationsmittel ist er dabei<br />

frei, er kann per allgemeinem Rundschreiben<br />

oder auch ganz individuell per Telefon, Video<br />

oder Chat informieren .<br />

Auch ein anderes Grundprinzip des deutschen<br />

Arbeitsschutzrechts, die Gefährdungsbeurteilung,<br />

gilt weiter, lässt sich momentan<br />

aber ebenfalls nicht so einfach umsetzen.<br />

„Wenn der Zutritt zum privaten Bereich der<br />

Beschäftigten nicht möglich ist, kann die Gefährdungsbeurteilung<br />

auch durch Befragung<br />

aus der Ferne und einen Selbstcheck des<br />

Arbeit nehmers durchgeführt werden“, sagt<br />

Jörg Feldmann von der Bundesanstalt für<br />

Arbeits schutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in<br />

Dortmund.<br />

Bereits im April 2020 veröffentlichte das Bundesministerium<br />

für Arbeit und Soziales<br />

(BMAS) eine erste Handreichung in Form des<br />

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards, der die<br />

17 wichtigsten Handlungsempfehlungen<br />

zum Arbeiten in der Pandemie auflistete. Seit<br />

Ende August gibt es nun ausführlichere Vorgaben<br />

in Form der neuen SARS-CoV-2-<br />

Arbeitsschutzregel. Die von den Arbeitsschutzausschüssen<br />

beim BMAS gemeinsam<br />

mit der BAuA entwickelte Regel hat zwar<br />

keinen Gesetzesrang, gehört jedoch zum<br />

unter gesetzlichen Regelwerk und konkretisiert<br />

die Anforderungen im Pandemiefall. „Erfüllt<br />

der Arbeitgeber diese Anforderungen,<br />

kann er davon ausgehen, dass er rechtssicher<br />

handelt und keine Sanktionen durch Aufsichtsbehörden<br />

fürchten muss“, beschreibt<br />

BAuA-Referent Feldmann den besonderen<br />

Charakter der Regel.<br />

Flexible Arbeitszeiten<br />

Die Arbeitszeit im Homeoffice entspricht<br />

während der Corona-Krise nicht immer den<br />

üblichen Bürozeiten, insbesondere wenn Kinder<br />

betreut und Arbeitsplätze geteilt werden<br />

müssen. „Den Mitarbeitern werden dann<br />

regelmäßig flexible Arbeitszeitmodelle<br />

ermöglicht , etwa Gleitzeitmodelle mit Kernarbeitszeiten<br />

oder Vertrauensarbeitszeit -<br />

modelle“, weiß Fachanwalt Müller. „Dabei ist<br />

aller dings auch hier der öffentlich-rechtliche<br />

Arbeitszeitschutz zu beachten: Die Vorgaben<br />

des Arbeitszeitgesetzes zu den Dokumenta -<br />

tionspflichten sowie zu den erforderlichen<br />

Pausen-, Ruhe- und Höchstarbeitszeiten gelten,<br />

und zwar jetzt erst recht.“ Der Arbeitgeber<br />

sollte darauf ausdrücklich hinweisen,<br />

muss sich im Übrigen aber mangels Kontrollmöglichkeit<br />

darauf verlassen, dass die Mitarbeiter<br />

die gesetzlichen Bestimmungen auch<br />

am heimischen Schreibtisch einhalten. Um<br />

Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu vermeiden,<br />

sollte der Arbeitgeber eine ständige<br />

Erreichbarkeit zu Hause weder ausdrücklich<br />

verlangen noch stillschweigend erwarten.<br />

Exkurs: Arbeitszeitaufzeichnung<br />

Im vergangenen Jahr hat der Europäische<br />

Gerichts hofs (EuGH) ein Machtwort zu den<br />

Aufzeichnungspflichten gesprochen und gefordert,<br />

dass die tägliche Arbeitszeit eines<br />

jeden Beschäftigten mittels eines Systems<br />

erfasst werden müsse. Nach wie vor ist unter<br />

Juristen umstritten, wie mit diesem Urteil umzugehen<br />

ist. „Überwiegend geht man davon<br />

aus, dass auch weiterhin ‚nur‘ eine allgemeine<br />

Pflicht zur Aufzeichnung der über acht Stunden<br />

hinausgehenden werktäglichen Arbeitszeit<br />

sowie der Sonn- und Feiertagsarbeit besteht“,<br />

erläutert Dr. Müller den <strong>aktuell</strong>en Stand.<br />

Diese Beschränkung auf Überstunden gelte<br />

aber nur bis zu einer Anpassung des Arbeits -<br />

zeitgesetzes an die europäischen Vorgaben.<br />

SARS-CoV-2-Arbeitsschutz -<br />

regel des BMAS<br />

Auszug<br />

... Punkt 4.2.4 (2)<br />

Auch für Arbeiten im Homeoffice gelten das<br />

Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitszeitgesetz.<br />

Regelungen zu Arbeitszeiten und Erreichbarkeit<br />

sollen getroffen werden. Beschäftigte sind<br />

im Hinblick auf einzuhaltende Arbeitszeiten,<br />

Arbeitspausen, darüber notwendige Dokumentation,<br />

die ergonomische Arbeitsplatz -<br />

gestaltung und die Nutzung der Arbeitsmittel,<br />

zum Beispiel korrekte Bildschirmposition,<br />

möglichst separate Tastatur und Maus,<br />

richtige und wechselnde Sitzhaltung und<br />

Bewegung spausen zu unterweisen.<br />

24 <strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 10

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