24.09.2020 Aufrufe

Beschaffung aktuell 10.2020

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

MANAGEMENT<br />

Das Lieferkettengesetz – Contra<br />

Der Weg in die Unmündigkeit<br />

Um es vorwegzusagen, kein klar denkender<br />

Einkäufer oder eine Einkaufsabteilung wird<br />

wissentlich Kinder- oder Sklavenarbeit, lebensgefährdende<br />

Produktionszustände oder sonstige<br />

moralisch und ethisch verwerfliche Arbeitsbedingungen<br />

durch seine Einkaufspolitik, weder<br />

aktiv noch passiv, unterstützen.<br />

Das geplante Lieferkettengesetz mag vielleicht<br />

harmlos klingen, ist allerdings in seiner konsequent<br />

angedachten Anwendung ein gravierender<br />

Eingriff in eine weltoffene Wirtschaftspolitik<br />

und wird zum weiteren Standortnachteil des<br />

Wirtschaftsstandortes Deutschland führen.<br />

Naive Politiker und Verbandsvertreter meinen<br />

durch bürokratische Regelungen die Welt positiv<br />

verändern zu können. Der Effekt wird gleich<br />

null sein, allerdings wird der deutschen Wirtschaft<br />

ein weiterer Klotz ans Bein gebunden.<br />

Schon im Jahr 2004 hat sich auf Initiative des<br />

Miele-Einkaufs meine Organisation zur freiwilligen<br />

Selbstverpflichtung nach SA 8000 bekannt.<br />

All unsere Einkäufer wurden in dieser<br />

Richtung geschult und sensibilisiert, dies galt<br />

und gilt besonders für die Einkäufer in China<br />

und Indien. Dieser Vorgang ist kein Einzelfall<br />

und in vielen Firmen, die ich in den über 40 Jahren<br />

meiner aktiven Berufszeit kennengelernt<br />

habe, sind genauso vorgegangen. Über 20 Einkaufsreisen<br />

habe ich nach Asien begleiten und<br />

koordinieren dürfen, kein Einkäufer ist mir untergekommen,<br />

den dieser Sachverhalt unberührt<br />

ließ. Viele Lieferantenbeurteilungen sehen<br />

in ihrer Bewertung die soziale Lage und Situation<br />

im Unternehmen vor, ein grober Verstoß<br />

führt in der Regel zum Ausschluss des Lieferanten<br />

an der weiteren Qualifikation. Ein wesentlicher<br />

Pfeiler eines praktizierten Lieferantenmanagements<br />

ist die analytische Betrachtung<br />

des Lieferantenumfeldes, dazu gehören<br />

eben auch die Zustände in den Fabriken.<br />

Hier genau kommen wir auf den Punkt der unterschiedlichen<br />

Sichtweisen. Während Politiker,<br />

Behörden und Institutionen in Kategorien einer<br />

öffentlichen Vergabeverordnung denken, in<br />

denen versucht wird, juristisch alle möglichen<br />

Belange abzudecken, obliegt dies in der freien<br />

Wirtschaft und Industrie den Geschäftsführungen/Management<br />

mit ihren gut ausgebildeten<br />

und aufgestellten Einkaufsbereichen.<br />

Nirgendwo ist die Effektivität so schlecht, wie<br />

im öffentlichen Vergaberecht. Diese liegt nicht<br />

an den Einkäufern, die in der Regel mehr wol-<br />

len aber gehindert werden durch bürokratische<br />

Vorgaben, sondern an dem Umfeld. Politiker,<br />

Juristen und Beamte meinen, dass man in Verordnungen<br />

und Vorschriften alles regeln kann<br />

und wenn es keine Regel gibt, dann muss<br />

schnellstens eine neue erstellt werden. Die<br />

Konsequenz daraus ist, wie mir Einkäufer aus<br />

dem öffentlichen Vergabewesen berichtet haben,<br />

dass ihr Haus lieber von einer aktiven Einkaufspolitik<br />

Abstand nimmt und Juristen und<br />

externe Organisationen mit der Durchführung<br />

von Ausschreibungen und Einkaufsverhandlungen<br />

beauftragt. Gibt es eine größere Bankrotterklärung?<br />

Die größten Probleme sind immer verbunden<br />

mit den öffentlichen Vergaben wie: Flughafen<br />

Berlin, Autobahnmaut Toll Collect, Hamburger<br />

Elb-Philharmonie, Vergabe der Aufträge für<br />

Mundschutzmasken im Rahmen CoVid 19, Bundeswehraufträge<br />

und viele, viele andere mehr.<br />

Wäre hier ein professionelles Einkaufen nach<br />

industriellem Muster (im Verbund mit einer ordentlichen<br />

Geschäftsführung und Betriebscontrolling)<br />

zum Einsatz gekommen, gäbe es<br />

diese Probleme und Verschwendung von öffentlichen<br />

Steuereinnahmen nicht.<br />

Mit einer Gesetzesnovelle allein wird es nicht<br />

getan sein. Darauf folgen der Aufbau neuer Behörden<br />

und die Einforderung von unendlich<br />

vielen Dokumenten und Zertifikaten. Einer verschlankten<br />

und wettbewerbsfähigen Wirtschaft<br />

wird dies nicht dienlich sein. Ferner wird<br />

dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet.<br />

Interessant ist auch die Aussage der Initiative,<br />

dass dem Verbraucher allein die Verantwortung<br />

nicht überlassen werden kann. Wer ist<br />

der Verbraucher, ein unmündiges Kleinkind?<br />

Dies alles lässt einen zu der Meinung kommen,<br />

dass das geplante Lieferkettengesetz<br />

nichts weiter als ein weiterer Schritt in eine<br />

Planwirtschaft nach dem Muster DDR 2.0 ist.<br />

Strategische Einkaufsabteilungen und deutsche<br />

Unternehmen werden mit diesem Gesetz<br />

entmündigt, ohne dass sich die Welt in<br />

Pakistan, Bangladesch, China, Afrika oder Indien<br />

ändern wird.<br />

CONTRA<br />

Dipl.-Ing. Wilfried Krokowski, GF Global<br />

Procurment Service, besitzt langjährige<br />

Erfahrungen im Bereich Global Sourcing.<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 10 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!