Beschaffung aktuell 10.2020
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MANAGEMENT<br />
Das Lieferkettengesetz – Contra<br />
Der Weg in die Unmündigkeit<br />
Um es vorwegzusagen, kein klar denkender<br />
Einkäufer oder eine Einkaufsabteilung wird<br />
wissentlich Kinder- oder Sklavenarbeit, lebensgefährdende<br />
Produktionszustände oder sonstige<br />
moralisch und ethisch verwerfliche Arbeitsbedingungen<br />
durch seine Einkaufspolitik, weder<br />
aktiv noch passiv, unterstützen.<br />
Das geplante Lieferkettengesetz mag vielleicht<br />
harmlos klingen, ist allerdings in seiner konsequent<br />
angedachten Anwendung ein gravierender<br />
Eingriff in eine weltoffene Wirtschaftspolitik<br />
und wird zum weiteren Standortnachteil des<br />
Wirtschaftsstandortes Deutschland führen.<br />
Naive Politiker und Verbandsvertreter meinen<br />
durch bürokratische Regelungen die Welt positiv<br />
verändern zu können. Der Effekt wird gleich<br />
null sein, allerdings wird der deutschen Wirtschaft<br />
ein weiterer Klotz ans Bein gebunden.<br />
Schon im Jahr 2004 hat sich auf Initiative des<br />
Miele-Einkaufs meine Organisation zur freiwilligen<br />
Selbstverpflichtung nach SA 8000 bekannt.<br />
All unsere Einkäufer wurden in dieser<br />
Richtung geschult und sensibilisiert, dies galt<br />
und gilt besonders für die Einkäufer in China<br />
und Indien. Dieser Vorgang ist kein Einzelfall<br />
und in vielen Firmen, die ich in den über 40 Jahren<br />
meiner aktiven Berufszeit kennengelernt<br />
habe, sind genauso vorgegangen. Über 20 Einkaufsreisen<br />
habe ich nach Asien begleiten und<br />
koordinieren dürfen, kein Einkäufer ist mir untergekommen,<br />
den dieser Sachverhalt unberührt<br />
ließ. Viele Lieferantenbeurteilungen sehen<br />
in ihrer Bewertung die soziale Lage und Situation<br />
im Unternehmen vor, ein grober Verstoß<br />
führt in der Regel zum Ausschluss des Lieferanten<br />
an der weiteren Qualifikation. Ein wesentlicher<br />
Pfeiler eines praktizierten Lieferantenmanagements<br />
ist die analytische Betrachtung<br />
des Lieferantenumfeldes, dazu gehören<br />
eben auch die Zustände in den Fabriken.<br />
Hier genau kommen wir auf den Punkt der unterschiedlichen<br />
Sichtweisen. Während Politiker,<br />
Behörden und Institutionen in Kategorien einer<br />
öffentlichen Vergabeverordnung denken, in<br />
denen versucht wird, juristisch alle möglichen<br />
Belange abzudecken, obliegt dies in der freien<br />
Wirtschaft und Industrie den Geschäftsführungen/Management<br />
mit ihren gut ausgebildeten<br />
und aufgestellten Einkaufsbereichen.<br />
Nirgendwo ist die Effektivität so schlecht, wie<br />
im öffentlichen Vergaberecht. Diese liegt nicht<br />
an den Einkäufern, die in der Regel mehr wol-<br />
len aber gehindert werden durch bürokratische<br />
Vorgaben, sondern an dem Umfeld. Politiker,<br />
Juristen und Beamte meinen, dass man in Verordnungen<br />
und Vorschriften alles regeln kann<br />
und wenn es keine Regel gibt, dann muss<br />
schnellstens eine neue erstellt werden. Die<br />
Konsequenz daraus ist, wie mir Einkäufer aus<br />
dem öffentlichen Vergabewesen berichtet haben,<br />
dass ihr Haus lieber von einer aktiven Einkaufspolitik<br />
Abstand nimmt und Juristen und<br />
externe Organisationen mit der Durchführung<br />
von Ausschreibungen und Einkaufsverhandlungen<br />
beauftragt. Gibt es eine größere Bankrotterklärung?<br />
Die größten Probleme sind immer verbunden<br />
mit den öffentlichen Vergaben wie: Flughafen<br />
Berlin, Autobahnmaut Toll Collect, Hamburger<br />
Elb-Philharmonie, Vergabe der Aufträge für<br />
Mundschutzmasken im Rahmen CoVid 19, Bundeswehraufträge<br />
und viele, viele andere mehr.<br />
Wäre hier ein professionelles Einkaufen nach<br />
industriellem Muster (im Verbund mit einer ordentlichen<br />
Geschäftsführung und Betriebscontrolling)<br />
zum Einsatz gekommen, gäbe es<br />
diese Probleme und Verschwendung von öffentlichen<br />
Steuereinnahmen nicht.<br />
Mit einer Gesetzesnovelle allein wird es nicht<br />
getan sein. Darauf folgen der Aufbau neuer Behörden<br />
und die Einforderung von unendlich<br />
vielen Dokumenten und Zertifikaten. Einer verschlankten<br />
und wettbewerbsfähigen Wirtschaft<br />
wird dies nicht dienlich sein. Ferner wird<br />
dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet.<br />
Interessant ist auch die Aussage der Initiative,<br />
dass dem Verbraucher allein die Verantwortung<br />
nicht überlassen werden kann. Wer ist<br />
der Verbraucher, ein unmündiges Kleinkind?<br />
Dies alles lässt einen zu der Meinung kommen,<br />
dass das geplante Lieferkettengesetz<br />
nichts weiter als ein weiterer Schritt in eine<br />
Planwirtschaft nach dem Muster DDR 2.0 ist.<br />
Strategische Einkaufsabteilungen und deutsche<br />
Unternehmen werden mit diesem Gesetz<br />
entmündigt, ohne dass sich die Welt in<br />
Pakistan, Bangladesch, China, Afrika oder Indien<br />
ändern wird.<br />
CONTRA<br />
Dipl.-Ing. Wilfried Krokowski, GF Global<br />
Procurment Service, besitzt langjährige<br />
Erfahrungen im Bereich Global Sourcing.<br />
<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 10 21