Susanne_Albrecht
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Kunst<br />
Susann <strong>Albrecht</strong>-Amsler<br />
‹Der fragmentierte Raum›
Innen und Aussen<br />
Im Eingangsbereich von Haus 09 weitet sich für die Besucher<br />
der Blick: das Bild an der rechten Wand der Eingangshalle<br />
zeigt einen grosszügigen Platz, es ist die Piazza Venezia in Rom.<br />
Im Treppenhaus gibt ein weiteres Kunstwerk den Blick in<br />
ein mit Büchern vollgestopftes Geschäft frei, ein anderes zeigt<br />
Menschen, die sich zielstrebig durch die 60 Meter lange<br />
Galerie im Schloss Chenonceau im Loiretal bewegen, welche<br />
einst von Katharina de Medici errichtet wurde. Lässt man<br />
den Lift ausser Acht und steigt man in die oberen Stockwerke,<br />
sind auf zwei weiteren Schwarz-Weiss-Drucken die<br />
Kapellbrücke in Luzern sowie ein ins Spiel vertieftes Kind<br />
auszumachen. Die verschiedenen Motive der Bilder scheinen<br />
zufällig zusammengewürfelt zu sein, und doch gehören<br />
sie zusammen. Was verbindet sie? In der 5-teiligen Arbeit<br />
geht es um Räume, Orte und deren Funktionen.
Susann <strong>Albrecht</strong>-Amsler<br />
‹Der fragmentierte Raum›<br />
5-teilige Arbeit, 2010<br />
Fotografie, zerschnitten,<br />
zusammengesetzt und<br />
gedruckt<br />
110 × 112/138/147/153/159 cm<br />
Die Serie steht für die Vielgestaltigkeit von Räumen, in denen<br />
wir uns bewegen, worauf sich der Titel ‹Der fragmentierte<br />
Raum› bezieht. Ursprünglich hiess die Serie ‹Inside – Outside›<br />
also ‹Innen und Aussen›, öffentlicher und privater Raum.<br />
Unter diesem Aspekt steht der Platz in Rom für den öffentlichen<br />
Raum, der während Hunderten von Jahren dem Staat<br />
zur politischen Repräsentation diente, Mittelpunkt des<br />
sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens war und<br />
heute in erster Linie der Verkehrsführung, der Freizeit<br />
und dem Konsum dient. An die Stelle von überlebensgrossen<br />
Statuen von Staatsmännern sind riesige Werbeflächen an<br />
Gebäuden getreten. Die Frau auf dem Plakat war der Auslöser<br />
für dieses Foto. Die Kapellbrücke ist ein Durchgangs ort,<br />
mit ihrem Bilderschmuck zugleich Museum, während die<br />
einst private Galerie im Schloss Chenonceau nun zur<br />
Besichtigung offen steht. Das spielende Kind verweist auf<br />
das Zuhause, das in der heutigen schnelllebigen Zeit eine<br />
starke Aufwertung erfährt, sucht man doch vermehrt Halt<br />
und Ruhe im Privaten.
Es sind Orte, mit denen die St. Galler Künstlerin Susann<br />
<strong>Albrecht</strong>-Amsler (*1954) Wissen, Erinnerung und Erfahrung<br />
verknüpft . Die Aufnahme der Piazza Venezia entstand<br />
während eines dreimonatigen Atelieraufenthaltes in Rom,<br />
die Frau im Bücherladen ist ihre Tochter und das kleine<br />
Mädchen sie selbst – das Foto hat einst ihr Vater gemacht.<br />
Der intime Charakter des Bildes hätte beinahe dazu geführt,<br />
dass die ganze Arbeit nicht angekauft wurde. Ein leicht<br />
bekleidetes Mädchen wird heutzutage als No-Go eingestuft.<br />
Es hängt zuoberst im Treppenhaus , wo wohl nur noch die<br />
Mitarbeitenden des wissenschaftlichen Labors hinkommen.<br />
Die ursprünglichen Fotos wurden in Einzelbilder zerlegt und<br />
neu zusammengesetzt. Ist diese künstlerische Praxis eine<br />
Anspielung darauf, dass Erinnerungen an diese Orte im<br />
Gedächtnis immer wieder neu zusammengesetzt werden?<br />
Oder man vielfach nur Details sieht, aber nicht das grosse<br />
Ganze? Die Bilder im Haus 09 wurden im von beiden Seiten<br />
mit Tageslicht beleuchteten Treppenhaus so gehängt, dass<br />
das in den Bildern vorhandene Spiel mit Licht und Schatten<br />
aufgenommen und verstärkt wird.<br />
Christine Musits<br />
Kunstbeauftragte Kantonsspital St. Gallen, Juni 2019
Herausgeber:<br />
Kantonsspital St. Gallen<br />
Departement Bau und Raum<br />
H-Kunst<br />
T +41 71 494 22 16<br />
h-kunst@kssg.ch<br />
www.kssg.ch/h-kunst