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Texte Das Jahr

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http://mugi.hfmt-hamburg.de/FannyHenselRaeume<br />

<strong>Texte</strong> <strong>Das</strong> <strong>Jahr</strong><br />

Januar<br />

Ahnest du, o Seele wieder<br />

Sanfte, süße Frühlingslieder?<br />

Sieh umher die falben Bäume,<br />

Ach! Es waren holde Träume.<br />

<strong>Das</strong> „Traumstück“ nimmt eine Schlüsselstellung innerhalb des Zyklus ein. Es bindet<br />

die anderen Monate durch zahlreiche motivische Bezüge an sich. In seinem<br />

klanglich und rhythmisch schillernden Charakter weist es auf Kommendes voraus.<br />

Februar<br />

Denkt nicht ihr seyd in deutschen Gränzen,<br />

Von Teufels-Narren und Todtentänzen<br />

Ein heiter Fest erwartet Euch<br />

<strong>Das</strong> energiegeladene Scherzo gilt als Reminiszenz an den bunten, lustigen Karneval,<br />

den Fanny und Wilhelm Hensel in Italien erlebten.<br />

März<br />

Verkündiget ihr dumpfen Glocken schon<br />

Des Osterfestes erste Feyerstunde?<br />

Eine Bearbeitung des Osterchorals „Christ ist erstanden“.<br />

April<br />

Der Sonnenblick betrüget<br />

Mit mildem, falschem Schein.


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Launisches Aprilwetter deutet der stete Wechsel der Charaktere im „Capriccioso“<br />

an.<br />

Mai<br />

Nun blüht das fernste, tiefste Thal.<br />

Ein Frühlingslied zwischen Sehnsucht und heftiger Leidenschaft...<br />

Juni<br />

Hör' ich Rauschen, hör' ich Lieder<br />

Hör' ich holde Liebesklage?<br />

Eine „Serenade“, ein lautenbegleitetes Ständchen, in einer lauen Sommernacht.<br />

Dieses Klavierstück hat Fanny Hensel für die Reinschrift neu komponiert. In der<br />

Erstfassung war der „Juni“ virtuoser und umfangreicher.<br />

Juli<br />

Die Fluren dürsten<br />

Nach erquickendem Thau, der Mensch verschmachtet.<br />

Ein elegisches Lied im Larghetto-Tempo, das Hitze und Trockenheit signalisiert.<br />

August<br />

Bunt von Farben<br />

Auf den Garben<br />

Liegt der Kranz.<br />

Ein kraftvoller Marsch, vielleicht ein bäuerliches Erntefest.


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September<br />

Fließe, fließe, lieber Fluß<br />

Nimmer wird ich froh.<br />

Im September 1839 überquerte die Familie die Alpen über den Finstermünzpass.<br />

Die Fahrt entlang des Inn hat die Komponistin tief beeindruckt.<br />

Oktober<br />

Im Wald, im grünen Walde<br />

Da ist ein lustiger Schall.<br />

Ein musikalisches Bild des Jagdmonats mit Hörnerklang und stürmischem Wind.<br />

November<br />

Wie rauschen die Bäume so winterlich schon<br />

Es fliehen die Träume des Lebens davon<br />

Ein Klagelied schalt<br />

Durch Hügel und Wald.<br />

Eine Totenfeier mit schmerzlichen Exklamationen, Seufzermotiven, aber auch<br />

wilden und grotesken Zügen.<br />

Dezember<br />

Vom Himmel hoch, da komm ich her.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Jahr</strong> schließt mit dem Weihnachtschoral „Vom Himmel hoch, da komm ich<br />

her“.


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Nachspiel<br />

Der Epilog zitiert wieder einen Choral, den Eröffnungschor aus Bachs<br />

„Matthäuspassion“, deren Wiederentdeckung 1829 für Fanny Hensel ebenso<br />

wegweisend war wie für ihren Bruder: „<strong>Das</strong> alte <strong>Jahr</strong> vergangen ist“.<br />

Fanny Hensels „<strong>Das</strong> <strong>Jahr</strong>“ mit Gedichten und Vignetten von Wilhelm Hensel<br />

Dem Manne, der schon manches <strong>Jahr</strong><br />

So lang ich ihm verbunden war<br />

Zum steten Festtag mir verkürzt<br />

Mit Poesie das Leben gewürzt<br />

Ihm sey gereicht, dem Ernsten, Tüchtigen<br />

<strong>Das</strong> spielende Bild des <strong>Jahr</strong>s, des flüchtigen.<br />

Mit dieser Widmung überreichte Fanny Hensel ihrem Ehemann zu Weihnachten 1841<br />

ihren neuen Klavierzyklus „<strong>Das</strong> <strong>Jahr</strong>“. Vier Monate lang hatte sie daran gearbeitet.<br />

Am Tag vor Heiligabend war das letzte Stück beendet. In der darauf folgenden Zeit<br />

schmückte Wilhelm Hensel sein Weihnachtsgeschenk liebevoll mit Vignetten und<br />

Gedichten aus.<br />

Die Musikerin und der preußische Hofmaler führten nicht nur eine glückliche Ehe.<br />

Sie bildeten auch eine außergewöhnliche Künstlergemeinschaft. Er malte und<br />

schrieb, während sie komponierte und Klavier spielte. Sie inspirierten sich<br />

gegenseitig zu immer neuen Kunstwerken – und sie schufen gemeinsame Werke.<br />

Wilhelm Hensel ließ sich von den Musikstücken seiner Ehefrau zu Zeichnungen<br />

inspirieren. Er schrieb zahlreiche <strong>Texte</strong>, die sie vertonte, z.B. zu ihrer dramatischen<br />

Szene „Hero und Leander“ und ihrem Festspiel „Die Hochzeit kommt“. In ihren<br />

ersten Ehejahren führten sie ein gemeinsames Tagebuch in Herzform. <strong>Das</strong> kleine, in<br />

braunes Leder mit Goldornamenten gebundene Buch enthält eine sehr intime,<br />

sorgfältig aufeinander abgestimmte Mixtur aus privaten Notizen, Noten und<br />

Zeichnungen.<br />

Oft notierte Fanny Hensel ihre Klavierlieder in Schönschrift auf einzelne Bögen, die<br />

ihr Ehemann mit einer Vignette versah. Gelegentlich verschenkten sie solche<br />

Blätter. Sie stellten auf dieselbe Art auch umfangreichere Gemeinschaftswerke und<br />

sogar ganze Bücher zusammen. Zwei Alben von Fanny und Wilhelm Hensel befinden<br />

sich erst seit wenigen <strong>Jahr</strong>en im Mendelssohn-Archiv der Staatsbibliothek zu Berlin.<br />

Beide galten lange als verschollen:<br />

<strong>Das</strong> „Italienische Album“ entstand 1839/40 während der Reise von Fanny und<br />

Wilhelm Hensel nach Italien. Es enthält 18 Kompositionen – Klavierstücke, Solo-<br />

Lieder, Duette und Vokal-Quartette - die Reiseeindrücke widerspiegeln und mit<br />

Zeichnungen von Wilhelm Hensel ausgestaltet sind.<br />

Ein <strong>Jahr</strong> nach der Rückkehr aus Italien, von August bis Dezember 1841, schuf das<br />

Künstlerpaar ein neues Album: „<strong>Das</strong> <strong>Jahr</strong>. Zwölf Charakterstücke für das<br />

Fortepiano“. Die einzelnen Monate des <strong>Jahr</strong>es sind auf verschiedenfarbigem Papier


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notiert, jeder Monat beginnt mit einem vorangestellten Gedicht und einer Vignette.<br />

Als tönendes, farbiges, bildhaftes und sprechendes Gesamtkunstwerk bildet es den<br />

Höhepunkt in der lang erprobten Zusammenarbeit.<br />

Keines der großen Gemeinschaftswerke sollte veröffentlicht werden. Erst kurz vor<br />

ihrem Tod wagte Fanny Hensel gegen jede Konvention und gegen den Widerstand<br />

des Bruders die Publikation einiger ihrer Kompositionen. Fanny und Wilhelm Hensel<br />

schufen ihre großen, gemeinsamen Werke für sich und ihren Freundeskreis.<br />

Vielleicht auch für die Nachwelt.<br />

Die gemeinsamen künstlerischen Äußerungen von Fanny und Wilhelm Hensel nahmen<br />

mehr und mehr Werkcharakter an: <strong>Das</strong> herzförmige Tagebuch ist absolut intimer<br />

Natur. Es war mit Sicherheit nur für die Familie und nicht für die Augen und Ohren<br />

von Fremden bestimmt. <strong>Das</strong> „Italienische Album“ hat halbprivaten Charakter. Es ist<br />

als klingendes Reisetagebuch gedacht, als Erinnerung des Ehepaars an eine<br />

einzigartige Zeit. Gleichzeitig ist es - anders als das herzförmige Tagebuch – ein<br />

ausgearbeitetes Kunstwerk. Mit dem „<strong>Jahr</strong>“ widmen sich Fanny und Wilhelm Hensel<br />

erstmals einem Thema von allgemeingültiger Bedeutung. Auch hier gibt es einzelne<br />

autobiografische Bezüge, aber es geht in dem Zyklus um die Stimmungen des<br />

<strong>Jahr</strong>eszeitenwechsels, monatsspezifische Ereignisse und Stationen aus dem<br />

Kirchenkalender. Die Reinschrift des „<strong>Jahr</strong>s“ sprengt die häusliche Idylle. Sie wirkt<br />

wie für eine Veröffentlichung vorgesehen.<br />

<strong>Das</strong> Werk zählt nicht nur zu den Zeugnissen eines der interessantesten<br />

Künstlerehepaare der Romantik. Es ist auch von musikgeschichtlicher Bedeutung.<br />

„<strong>Das</strong> <strong>Jahr</strong>“ gilt als erster Monats-Zyklus der Klaviergeschichte. Erst 35 <strong>Jahr</strong>e später<br />

hat Tschaikowsky Ähnliches unternommen.

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