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Hufeland Spiegel - Hufeland-Haus

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<strong>Hufeland</strong>-<strong>Spiegel</strong><br />

Zur Zeit scheint es modern, also „in“ zu sein,<br />

einen „Burnout“ zu haben, wie neudeutsch<br />

die Zustände „überarbeitet“ oder „ausgelaugt“<br />

gerne umschrieben werden. Zum Glück leiden<br />

nicht alle Menschen, die vorübergehend kraft-<br />

und ideenlos, ohne Hoffnung und Zuversicht sind,<br />

an Depressionen. Als Depression bezeichnet man<br />

eine psychische (= seelische) Erkrankung, die zu<br />

den als affektive Störung bezeichneten Stimmungsstörungen<br />

zählt.<br />

Typisch für das Krankheitsbild ist eine ausgeprägte<br />

Antriebs- und Hoffnungslosigkeit sowie<br />

Wenn die Seele auf<br />

Dauer Trauer trägt<br />

Wie man mit der Depression leben kann und<br />

welche Möglichkeiten die moderne Medizin hat<br />

Bericht: Dieter Schön<br />

Fachliche Beratung: Dr. med Leonhard Fricke<br />

und Leonard Seger (Diplom-Psychologe)<br />

manchmal auch eine erkennbare Leere und Starre<br />

im Ausdruck der Erkrankten. Es scheint so zu sein,<br />

dass man die Erkrankung rechtzeitig erkennen und<br />

damit auch frühzeitig therapieren kann. Warum aber<br />

kommt es dann zu so schrecklichen Katastrophen<br />

wie dem Freitod des Fußballprofis Robert Enke?<br />

Nicht nur, dass er seinem Leben ein Ende setzte,<br />

er stieß auch die eigene Familie und den Lokomotivführer<br />

des Zuges, vor den er sich warf, in große<br />

seelische Schwierigkeiten.<br />

Sein Schicksal ist deswegen so bemerkenswert,<br />

weil seine Krankheit nicht überraschend, also von<br />

heute auf morgen auftrat. Er war schon seit Jahren<br />

wegen seiner Depression in psychiatrischer Behandlung<br />

und der eigene Vater ist Psychotherapeut und<br />

konnte ihm scheinbar auch nicht helfen. Das ist tatsächlich<br />

kein Einzelfall, nur wegen der Popularität<br />

des Opfers aber beispielhaft.<br />

Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Therapie<br />

liegt vor allem in der Bereitschaft des Kranken, die<br />

Therapie jeweils im Rahmen seiner körperlichen und<br />

geistigen Möglichkeit aktiv anzunehmen. Dabei ist<br />

der Patient allerdings auch auf die Unterstützung<br />

seines Umfeldes, Freunde, Kollegen und vor allem<br />

der Familie angewiesen.<br />

Eine große Herausforderung<br />

an das Umfeld<br />

Der Fall Enke ist auch deshalb exemplarisch,<br />

weil mit ihm ein sehr erfolgreicher Mensch sich<br />

nicht mehr zu helfen wusste. Gewöhnlich stellt man<br />

sich unter depressiven Menschen Versager, Zweifler,<br />

Gescheiterte vor, aber doch keinen Fußball-Nationalspieler,<br />

der für seine tadellose Leistung gefeiert<br />

und ausgestattet ist mit einem Vertrag, der ihm<br />

den Rest des Lebens sorgenfrei gestalten könnte?<br />

Das Beispiel zeigt deutlich, wie sehr die<br />

unmittelbaren Mitmenschen gefordert sind,<br />

denn im Umfeld des Gefährdeten entstehen häufig<br />

Situationen, die Menschen Hürden und Zwänge<br />

aufdrücken, die zu seelischen Stolperfallen werden<br />

können: peinliche Bloßstellungen, überzogene<br />

Leistungsanforderungen verbunden mit Existenzängsten<br />

oder Einsamkeit.<br />

Die ersten Anzeichen einer beginnenden Depression<br />

sind vielfältig und nur dann erkennbar,<br />

wenn die sich mehrenden Anzeichen konzentriert<br />

registriert und beobachtet werden. Erschwerend<br />

kommt hinzu, dass die gesellschaftliche Ächtung<br />

von psychisch Erkrankten trotz unserer aufgeklärten<br />

Generationen immer noch sehr tiefgehend ist.<br />

Kranke versuchen Anzeichen von Depressionen zu<br />

kaschieren um nicht als „verrückt“ zu gelten. Außerdem<br />

sind alle Menschen verschieden und individuell.<br />

Das macht ein frühzeitiges Erkennen schwierig und<br />

erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl.<br />

Warnsignale<br />

Nachstehend einige Informationen zu den Signalen,<br />

die möglicherweise darauf hinweisen, dass<br />

eine solche Krankheit droht: Depressive Menschen<br />

● sind häufig in anhaltend gedrückter Stimmung<br />

● sind auffallend freudlos<br />

● sind antriebsarm<br />

10 Dezember 2012<br />

● haben oft plötzlich kein Interesse mehr an allem,<br />

was vorher immer interessant war<br />

● sprechen oft auffallend leise, eintönig, monoton<br />

● wirken manchmal erstarrt, teilnahmslos<br />

● sind unmotiviert, bewegen sich kraftlos<br />

● sind ängstlich, ziehen den Kopf ein<br />

● sind geprägt von Minderwertigkeitsgefühlen<br />

● sind ohne Selbstvertrauen<br />

● haben oft Schlafstörungen<br />

Versagt das Transportsystem<br />

des Gehirns?<br />

Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse belegen,<br />

dass Stoffwechselstörungen des Gehirns mit<br />

Depression einhergehen. Nervenbotenstoffe, namentlich<br />

Serotin und Noradrenalin, könnten aus der<br />

Balance geraten. Entweder ist die Konzentration zu<br />

gering oder die Übertragung ist defekt. In diesem<br />

Fall funktioniert der Transport von Empfindungssignalen<br />

nicht mehr. Wenn das Auge ein Bild sieht,<br />

oder das Ohr Musik hört, der Tastsinn fühlt und der<br />

Mensch denkt, sind die Nervenzellen aktiv und senden<br />

Signale. Der Impuls wird elektrisch entlang der<br />

Nervenfasern bis zu den Nervenenden und Kontaktstellen<br />

mit anderen Nervenzellen, den Synapsen,<br />

transportiert. Zwischen den Nervenenden und den<br />

nachfolgenden Nervenzellen gibt es eine Lücke,<br />

die ein elektrischer Impuls nicht<br />

überspringen kann, das schaffen<br />

nur chemische Substanzen: die<br />

Neurotransmitter. Diese Neurotransmitter<br />

heften sich an<br />

Andockstellen der nächsten<br />

Nervenzellen und lösen dort<br />

einen neuen elektrischen Impuls<br />

aus und sorgen dafür, dass<br />

die Information fließt. Diese<br />

Transmitter sind das Serotonin,<br />

Noradrenalin und<br />

Dopamin. Studien haben<br />

gezeigt, dass sie bei<br />

der Entstehung<br />

psychischer<br />

Erkran-<br />

<strong>Hufeland</strong>-<strong>Spiegel</strong><br />

kungen eine wichtige Rolle spielen und sogar Verursacher<br />

sein können.<br />

Sind die Transportwege zwischen den Nervenzellen<br />

gestört oder besteht ein massives Ungleichgewicht<br />

zwischen diesen Neurotransmittern, dann<br />

schlägt sich das auch in Gefühlen und Gedanken<br />

nieder. Medikamente, die bei einer Depression verabreicht<br />

werden, nutzen diese Zusammenhänge für<br />

die therapeutische Wirkung. Es gibt verschiedene<br />

Antidepressiva, die der Mediziner einsetzen kann.<br />

Empfehlen sich Selbsttests?<br />

Wer sich im Internet auskennt, findet reihenweise<br />

psychologische Selbsttests. Hier soll deren Sinn und<br />

Anwendungspraxis nicht näher beleuchtet werden,<br />

aber alle diese Tests sollten keinesfalls ohne fachliche<br />

Beratung durchgeführt werden. Generell sind<br />

die Fragebögen zum einen alle viel zu umfangreich<br />

und führen schnell zu missverständlichen Deutungen<br />

und riskanten Fehleinschätzungen.<br />

Depressionsformen<br />

Depression ist nicht gleich Depression. Früher<br />

hat man es sich einfacher gemacht, da diagnostizierte<br />

man im Wesentlichen endogene Depressionen (=<br />

von innen kommend), die psychogene<br />

(= psychisch<br />

verursacht),<br />

die organische

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