reisen EXCLUSIV - Herbst 2020
Sehnsuchtsorte Lieblingshotels 2020 Bier-Interrail-Tour Friesland Hamburg München Deutsche Städte neu entdecken Nova Scotia in Kanada Fahrrad: Hoch auf den Karwendel Ursprung der Elbe Luxus-Beauty Fahrrad-Lifestyle und vieles mehr
Sehnsuchtsorte
Lieblingshotels 2020
Bier-Interrail-Tour
Friesland
Hamburg
München
Deutsche Städte neu entdecken
Nova Scotia in Kanada
Fahrrad: Hoch auf den Karwendel
Ursprung der Elbe
Luxus-Beauty
Fahrrad-Lifestyle
und vieles mehr
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<strong>Herbst</strong> <strong>2020</strong><br />
Deutschland € 7,90 · Schweiz SFR 13,50 · Österreich € 9,00<br />
Lieblingshotels<br />
<strong>2020</strong><br />
SEHNSUCHTS<br />
Orte<br />
RUNDREISE<br />
Bier-Interrail-Tour<br />
Nova Scotia in Kanada<br />
Friesland<br />
FAHRRAD<br />
DEUTSCHE STÄDTE<br />
Hamburg<br />
und München<br />
neu entdecken<br />
Hoch auf den Karwendel<br />
oder zum Ursprung<br />
der Elbe
Adventures to share.<br />
Seclusion to cherish.
Stil<br />
kompo<br />
siteur<br />
Zur<br />
Online Bestellung<br />
Inspiriert durchs Leben.<br />
Jetzt am Kiosk oder im Abo.
EDITORIAL<br />
BALD!<br />
Ich schreibe gerne diesen Editorial-Schwank<br />
aus meinem Leben. Gebe gerne einen kleinen<br />
Einblick in meine Reisewelt. Eindrücke, die oft<br />
schön und häufig chaotisch oder gerne unerwartet<br />
und abenteuerlich waren. Und heute<br />
sitze ich da und bin ratlos, wie ich die nächsten<br />
Zeilen sinnvoll mit Inhalt fülle. Nicht, weil<br />
ich nichts erlebt habe. Auch nicht, weil nichts<br />
Unerwartetes passiert ist.<br />
Was könnte aus meinem Mund hier relevant<br />
sein? Vielleicht ein kleines Update, wie es einem<br />
Reisemagazin in diesen Zeiten geht.<br />
Kurzum: nicht gut. Natürlich ist das Businesskonzept<br />
auf Fernweh ausgelegt. Auf eine weit<br />
entfernte Welt. Die heute noch weiter entfernt<br />
scheint, als sie wirklich ist. Die Länder dieser<br />
Welt waren zusammengerückt. Und nun wird an dieser Verbindung<br />
gezerrt. Für uns bedeutet das natürlich weniger <strong>reisen</strong>, weniger Recherche,<br />
es bedeutet auch, sich die essenzielle Frage zu stellen: Will<br />
uns noch jemand lesen?<br />
Foto: Privat; Illustration: Veronika M/Shutterstock.com<br />
Nachdem wir den Sommer haben ausfallen lassen, melden wir uns<br />
nun im <strong>Herbst</strong> zurück mit der Hoffnung, dass Menschen sich nach<br />
Reisen sehnen, Ideen für die Zukunft sammeln und die Glückseligkeit<br />
der kleinen Fluchten auch in dieser Zeit genießen. Dazu möchten wir<br />
mit dieser Ausgabe beitragen. Mit Sehnsuchtsorten und Traum<strong>reisen</strong>,<br />
die zum größten Teil auch sofort zum An<strong>reisen</strong> einladen.<br />
Zumindest nach dem jetzigen Stand der Dinge. Wie wir wissen, kann<br />
sich das Blatt schnell wenden. Wir hoffen inständig, alsbald zum<br />
Guten. Und diese Hoffnung trägt uns jeden Tag.<br />
Jennifer Latuperisa-Andresen<br />
Instagram @fraumuksch<br />
herbst <strong>2020</strong> 5
STANDARDS<br />
05 Editorial<br />
08 Take away<br />
10 Reisenews<br />
12 Nachgelesen<br />
13 Autoren<br />
14 Esskalation<br />
16 Für kleine Weltenbummler<br />
18 Kulturtipp<br />
19 Buchtipps<br />
20 Da wollen wir hin<br />
21 Vorfreude<br />
26 Kolumne<br />
70 Abo<br />
130 Gewinnspiel<br />
130 Impressum<br />
»Gastfreundschaft besteht<br />
aus ein wenig Wärme, ein wenig<br />
Nahrung und großer Ruhe.«<br />
Ralph Waldo Emerson<br />
Lifestyle<br />
52 Luxusbeauty<br />
Diese Anti-Aging-Cremes sind Gold wert und für die Haut so<br />
erholsam wie eine Übernachtung im Luxushotel.<br />
110 Fahrrad-Lifestyle<br />
Fahr Rad: Mit diesem stylischen Fahrrad und dem passenden<br />
Zubehör kurvt man doch gerne durch die Gegend.<br />
INHALT<br />
8NOVA SCOTIA
Lieblings<br />
HOTELS<br />
<strong>2020</strong><br />
RUNDREISE<br />
AKTIV IN EUROPA<br />
Fotos: Thorsten Brönner, Joe Fletcher Photography, Illustration: Kapreski/Shutterstock.com<br />
28 Nova Scotia<br />
Fischerhüttchen, dramatische Küsten<br />
und kulinarische Finessen: Die Vielseitigkeit<br />
von Nova Scotia in Kanadas Osten<br />
ist bald wieder eine Reise wert.<br />
34 Zum Wohl!<br />
Autor Ralf Johnen tingelte von Bierstadt<br />
zu Bierstadt im Zug. Eine Interrail-Reise<br />
mit Promille.<br />
40 Friesland<br />
Bei einer Kurzreise nach Friesland<br />
wandelte Redakteurin Marie Tysiak<br />
zwischen Street-Art in der ehemaligen<br />
Kulturhauptstadt Leeuwarden und<br />
herrschaftlichen Landgütern im Süden<br />
der niederländischen Provinz.<br />
46 Luxus<br />
Ein paradiesischer Luxusurlaub auf Mauritius,<br />
der die Sehnsucht nach mehr weckt.<br />
54 Wellness<br />
Thermalwasser de luxe: In diesen drei<br />
Wellnesstempeln (auf Teneriffa, Island und<br />
in der Toskana) ist Erholung garantiert.<br />
72 Design<br />
Wo Trendsetter Urlaub machen? Natürlich in den<br />
coolen Designhäusern der Welt. Unsere Wahl liegt<br />
diesmal in Athen, Büsum und Amsterdam.<br />
84 Neue Hotels<br />
Achtung, in diesen Luxusoasen sollte man sich<br />
einige Nächte gönnen – von Berg-Hideaway bis<br />
Strandschönheit.<br />
88 Das Daheimhotel<br />
Durchgestylte Hotels sind Inspirationsquellen<br />
für daheim: Designelemente zum Verlieben und<br />
Nachkaufen.<br />
94 Den Karwendel hinauf<br />
Keine Gnade für die Wade!<br />
Autor Martin Häußermann erreichte erst mit<br />
dem E-Bike und dann zu Fuß die Birkkarspitze<br />
auf 2.749 Metern Höhe.<br />
102 An der Elbe entlang<br />
Autor Markus Grenz begibt sich ganz nachhaltig<br />
zur Quelle der Elbe in Tschechien.<br />
DEUTSCHLAND<br />
112 Hamburg<br />
Wo die Hansestadt jetzt hip ist!<br />
Herzenstipps von Autorin und<br />
Hamburgerin Simone Sever.<br />
122 München<br />
Die bayerische Hauptstadt überrascht!<br />
Handverlesene Empfehlungen von Redakteurin<br />
und München-Liebhaberin Marie Tysiak.<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
7
takeawayaway<br />
VIEL UM DIE OHREN?.<br />
Am Bahnhof oder Flughafen kann es schon<br />
einmal so laut sein, dass man die Musik vor<br />
lauter Trubel nicht hört. Mit den drahtlosen<br />
Over-Ear-Kopfhörern »Clam Anc« von Fresh ‘n<br />
Rebel werden die Umgebungsgeräusche ausgeblendet,<br />
sodass man seine Musik überall in Ruhe<br />
genießen kann. Um € 130,<br />
www.freshnrebel.com/de<br />
MACH MAL BLAU.<br />
SCHMUCKE.<br />
PALME.<br />
Für Sommer- & Urlaubsfeeling<br />
to go sorgt die schöne Kette mit<br />
Palmenanhänger von So Cosi.<br />
Kette »Under the Palm Tree«,<br />
925er-Sterlingsilber, goldplattiert<br />
oder rhodiniert mit Steinbesatz,<br />
€ 89, www.socosi.de<br />
Ich bin dann mal weg! Die neue Edition »North Coast« von<br />
Lipault Paris macht mit ihrem bunten Design Lust und Laune,<br />
sich auf und davon zu machen. Trolley packen und mit den<br />
vier Rollen federleicht durch den Flughafen an Bord rollen.<br />
Meer und Sonne, ich komme! 55 cm, € 111, www.lipault.de<br />
WENN WIR CRUISEN ....<br />
Was haben Dior und Vespa gemeinsam? Sie wurden beide<br />
1946 gegründet. Nun haben sie eine weitere Gemeinsamkeit:<br />
die Vespa 946 Christian Dior. Die Dior-Version der Vespa im<br />
elfenbeinfarbenen Metalliclack mit goldfarbenem Finish sowie<br />
Sitzbezug und Handgriffen aus blauem handvernähtem<br />
Echtleder wird in einer limitierten Edition ab Frühjahr 2021<br />
in den Dior-Boutiquen erhältlich sein. Ebenso das passende<br />
Zubehör wie Helm und Tasche. Preis auf Anfrage.<br />
PERFEKTES.<br />
WOCHENENDE.<br />
Zusammen mit »Johann« die Welt<br />
entdecken: Mit manchen Lieblingsstücken<br />
fängt jede Reise an und<br />
hört sie auch wieder auf. Interior-Designer<br />
Johann Alexander<br />
Stütz designt zeitlose, dennoch<br />
stilvolle Taschen aus hochwertigem<br />
Leder – und achtet dabei auf<br />
jedes Detail. Auf unnötige Nähte<br />
beispielsweise verzichtet er, da sie<br />
von Material und Design ablenken.<br />
Jede Tasche ist handgefertigt und<br />
ein Unikat. Tasche »Johann« aus<br />
Blankleder, € 1.200,<br />
www.johannalexanderstuetz.com<br />
Text: Ulrike Klaas; Fotos: PR (4), Daniella Petrovics<br />
8<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
DIREKT<br />
AN DER<br />
SKIPISTE!<br />
Aktiv im Winter<br />
Wintererlebnis<br />
für die Familie<br />
Egal, ob sportlich-aktiv oder gemütlich,<br />
das Falkensteiner Hotel Cristallo bietet alles, was Familien<br />
im Winterurlaub suchen: ein abwechslungsreiches Aktivprogramm,<br />
eine hauseigene Skischule und eine erstklassige<br />
Wellnessanlage mit separatem Kinder-SPA sowie Kinderbetreuung<br />
im Falky-Land – und das alles mitten im<br />
Zentrum der Aktivregion Katschberg.<br />
MEHR INFOS UNTER<br />
falkensteiner.com/cristallo<br />
frühling 2016
eisenews<br />
VOM TOSENDEN MEER UMSCHLUNGEN<br />
Pater Noster ist Schwedens berühmtester und spektakulärster Leuchtturm, der abgelegen<br />
auf der winzigen Insel Hamneskär vor Marstrand an der schwedischen Westküste steht. Die<br />
extrem gefährlichen Gewässer, die die Insel umgeben, sind seit Jahrhunderten gefürchtet.<br />
Fast 110 Jahre lang lebten Generationen von Leuchtturmwärtern mit ihren Familien in dieser<br />
extremen Umgebung, kümmerten sich um den Leuchtturm und retteten schiffbrüchige<br />
Seeleute. Seit Kurzem wurden hier neun Gästezimmer für bis zu 18 Gäste, ein Restaurant,<br />
eine Bar und ein Café geschaffen. Übernachtungen auf Anfrage. www.paternoster.se/en/<br />
Noch ein wahrer Geheimtipp: Die Serra da Estrela ist noch relativ unbekannt – und ein atemberaubend schönes Naturparadies.<br />
Stille, kristallklare Bergseen treffen auf rauschende Wasserfälle. Wanderer und Biker begegnen auf insgesamt 375 Kilometern an<br />
gekennzeichneten Wegen seltenen Tier- und Pflanzenarten und machen Rast in traditionellen Dörfern mit kleinen Tante-Emma-<br />
Läden, wo man frisches Maisbrot oder den typischen »Schwarzen Kuchen«, namens Bolo Negro, kaufen kann. Auch das einzige<br />
Skigebiet Portugals findet sich hier. Kein Wunder, dass die Unesco das höchste Gebirge auf dem portugiesischen Festland nun<br />
als »Weltgeopark« unter besonderen Schutz gestellt hat. Definitiv auf unserer Bucketlist 2021! www.centerofportugal.com<br />
NEUER WELTGEOPARK IN PORTUGAL<br />
10<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
AUF DEM PLANETENWEG<br />
DURCHS SONNENSYSTEM<br />
Fotos: Erik Nissen Johansen, Francisco T. Santos, Eggental Tourismus/Alex Filz, manuelatessaro.it, <strong>2020</strong> Urs Riggenbach/Lytefiresauna.com, Johnny Bonne Ritzau Scanpix<br />
Lust auf einen Trip ins Weltall? Dann auf<br />
ins Eggental nach Südtirol. In den Orten<br />
Gummer und Steinegg bekommt man einen<br />
der schönsten Nachthimmel Italiens zu sehen<br />
und die Milchstraße scheint hier zum Greifen<br />
nahe. Tagsüber erkundet man auf dem »Weg<br />
der Sterne« zwischen dem Planetarium in<br />
Gummer und der Sternwarte in Obergummer<br />
die neuen Stationen oder auf dem Planetenweg<br />
das Sonnensystem. Wer bei Vollmond<br />
dort urlaubt, kann an den kulinarischen<br />
Vollmondevents teilnehmen und genächtigt<br />
wird im Apollo-Zimmer des Hotel Oberwirt,<br />
mit nachgebauter Mondlandefähre »Eagle«.<br />
Eggental ist das erste europäische<br />
Sternendorf. www.eggental.com/de<br />
NACHHALTIG SCHWITZEN<br />
Nachhaltiges Urlauben wird für viele Reisende immer<br />
wichtiger. Nun können Wellnesssuchende auch nachhaltig<br />
schwitzen: in der ersten Solarsauna in den Schweizer Bergen,<br />
in Graubünden im Prättigau. Sie wird nicht nur mit Solarenergie<br />
betrieben, sondern ist auch mobil. Im Sommer steht sie<br />
neben dem Gasthaus Heuberge, im Winter hoch oben auf<br />
2.000 Metern. So springt man nach dem Saunagang in den<br />
Heubergsee und ruht danach in Liegestühlen – die grandiose<br />
Bergkulisse immer im Blick. www.heuberge.ch<br />
VON AMEISEN UND EIERN<br />
Seine Stühle schmücken noch heute Hotellobbys<br />
und verschönern Hotelzimmer. Arne Jacobsen gilt als<br />
einer der international bedeutendsten Architekten<br />
und Designer Dänemarks des 20. Jahrhunderts. Mit<br />
Kreationen wie dem Stuhl »Die Ameise« oder den<br />
Sesseln »Das Ei« und »Der Schwan« schuf er Designklassiker<br />
mit Weltruhm. Dabei war Jacobsen in erster<br />
Linie Architekt. Seine Entwürfe von Häusern rundherum<br />
aus Beton und Glas, sehr am deutschen Bauhaus<br />
orientiert, glichen einer Revolte. Im Trapholt Museum<br />
im jütländischen Kolding an der dänischen Ostsee ist<br />
bis zum 24. Mai 2021 die bisher größte und umfangreichste<br />
Ausstellung über Arne Jacobsen zu sehen.<br />
»Arne Jacobsen –<br />
Dänemarks Designer«,<br />
www.trapholt.dk/de
nachgelesen Text:<br />
Linda Ruckes<br />
Schwitzen in finnischen Saunen, abschalten in den Hamams des Osmanischen<br />
Reichs und neue Energie tanken in japanischen Quellen – jedes Land hat seine<br />
Entspannungs- und Badekultur. Doch alle zielen auf eines: abschalten vom Alltag<br />
und sich danach wie neugeboren fühlen. Eben wahre Jungbrunnen für Körper,<br />
Geist und Seele. Außergewöhnliche Entspannungsorte finden sich rund um den<br />
Globus. Wir stellen drei besonders außergewöhnliche vor.<br />
Das badet man gerne aus<br />
THERMAE BATH SPA, Großbritannien<br />
Baden gehen in Bath: In der englischen Stadt Bath lässt sich über den Dächern der Stadt baden.<br />
Bei Tag und Nacht genießt man im Open-Air-Rooftop-Pool des restaurierten Thermae Bath Spas<br />
grandiose Aussichten über die georgianische Stadtarchitektur und die umliegenden Hügel.<br />
Das mineralstoffreiche, 45 Grad Celsius warme Wasser mag man gar nicht mehr verlassen.<br />
Höchstens für eine wohltuende Anwendung wie die Watsu-Massage – eine Massage im Wasser<br />
aus Shiatsu- und Akupressurbewegungen.<br />
12 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
»Jungbrunnen - Die neue<br />
Wellness- und Badekultur«<br />
im gestalten Verlag mit Kari<br />
Molvar, erhältlich im Buchhandel.<br />
Der Preis beträgt € 39,90.<br />
ISBN: 978-3-89955-883-8<br />
FRIEDRICHSBAD,<br />
Baden-Baden<br />
»Nach zehn Minuten vergisst<br />
man die Zeit und nach 20<br />
Minuten die ganze Welt«,<br />
meinte schon Marc Twain über<br />
die Wirkung der Baden-Badener<br />
Wasserkreisläufe. Und<br />
behält bis heute recht damit.<br />
Die alte römische Badeanlage<br />
Friedrichsbad mit ihren<br />
historischen Kuppeln und<br />
kunstvollen Säulen ist schon<br />
beim Betreten besonders.<br />
Seit ihrer Eröffnung im Jahr<br />
1877 wird hier die römische<br />
Badekultur mit irischen<br />
Heißluftbädern zelebriert. An<br />
17 verschiedenen Stationen<br />
praktizieren Ruhesuchende<br />
das Wellnessprogramm aus<br />
der Antike – von Dampfbädern<br />
über Thermalduschen bis zu<br />
Seifenbürstenmassagen.<br />
MIRAMONTI BOUTIQUE<br />
HOTEL, Meran, Italien<br />
Eine Ruheoase inmitten der<br />
Natur auf 1.230 Metern: Nach<br />
dem Sport wie Hatha Yoga,<br />
Pilates oder der Einheit mit dem<br />
Personal Trainer kommt die<br />
Erholung. Ob baden gehen im<br />
japanischen Onsen, schwitzen<br />
in der finnischen Sauna oder bei<br />
besten Aussichten im Infinitypool<br />
entspannen. Das Miramonti<br />
Boutiquehotel liegt auf<br />
einem Bergmassiv oberhalb der<br />
Gemeinde Hafling in Südtirol<br />
und der Blick über die Gipfelwelt<br />
ist atemberaubend schön.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
Fotos: Courtesy of Thermae Bath Spa, Courtesy of Miramonti Boutique Hotel, Courtesy of CARASANA Bäderbetriebe GmbH, Jungbrunnnen, gestalten <strong>2020</strong>, Illustration: Irmun/Shutterstock.com, badahos/Shutterstock.com
AUTOREN<br />
Muskelkater<br />
hatte ich am nächsten<br />
hatteTag trotzdem.<br />
Tag trotzdem.<br />
Markus Grenz<br />
Martin Häußermann<br />
Simone Sever<br />
Ralf Johnen<br />
Thorsten Brönner<br />
Fotos: privat<br />
Markus ist unser<br />
Entdecker. Keine Region<br />
ist ihm zu abgelegen, keine<br />
Erfahrung zu extrem.<br />
Dabei ist es ihm am wichtigsten,<br />
Land und Leute<br />
gleichermaßen zu ergründen.<br />
Wie bei seinem<br />
Fahrradtrip entlang der<br />
Elbe in Tschechien, die er<br />
bis zur Quelle verfolgte.<br />
»Für mich war die Tschechoslowakei<br />
ein richtiges<br />
Entdeckerland, fern von der<br />
sonst so häufigen Uniformität<br />
so mancher EU-Destinationen.<br />
In Tschechien stößt<br />
man durchaus noch auf<br />
Ostblockcharme, wenn man<br />
von den Hochglanzseiten<br />
der europäischen Metropolen<br />
müde geworden<br />
ist. Doch ein Fahrradtrip<br />
entlang der Elbe oder eine<br />
Bergtour im Riesengebirge<br />
kann es mit jeder Konkurrenz<br />
in Europa aufnehmen.«<br />
instagram@<strong>reisen</strong>_exclusiv<br />
Martin ist unser Mann für<br />
die rasanten Erlebnisse.<br />
Dabei sind Straßen und<br />
Wege für den bekennenden<br />
Schwaben nicht nur<br />
Verbindungen von A nach<br />
B, sondern Erlebnisorte.<br />
Das gilt ganz besonders<br />
für die Berge. Denn dort<br />
ändert sich die Landschaft<br />
wirklich mit jedem<br />
Schritt – oder Pedaltritt.<br />
Für diese Ausgabe<br />
schwang sich Martin zunächst<br />
in den Sattel eines<br />
E-Mountainbikes, um<br />
dann die Wanderschuhe<br />
zu schnüren.<br />
»Bike and hike ist genial.<br />
Berge auf schmalen Pfaden<br />
durch schroffes Gelände<br />
zu erobern, ist genau mein<br />
Ding. Aber man muss ja<br />
nicht nur hoch, sondern<br />
auch wieder runter. Weil<br />
mich der Abstieg meist<br />
mehr anstrengt als der Aufstieg,<br />
war ich extrem dankbar<br />
für das Bike. Das trug<br />
mich ohne Kraftanstrengung<br />
vom Karwendelhaus ins Tal.<br />
Muskelkater hatte ich am<br />
nächsten Tag trotzdem.«<br />
instagram@martinunterwegs<br />
Feine Unterkünfte sind<br />
für Simone das i-Tüpfelchen<br />
jeder Reise, denn<br />
die Zeiten, in denen<br />
Hotels für sie lediglich<br />
als Schlafstätten dienten,<br />
sind längst Vergangenheit.<br />
Jetzt genießt sie die<br />
Menschen im Hotel, die<br />
Lobbys, die Restaurants,<br />
die Bars, die Spas … und<br />
ist stets auf der Suche<br />
nach dem besonderen<br />
Extra des Hauses, was<br />
ihr auf den letzten Reisen<br />
im Health Hotel Océano<br />
auf Teneriffa, im Shangri-<br />
La’s Le Touessrok auf<br />
Mauritius und im Designhotel<br />
Perianth unterhalb<br />
der Akropolis einfach<br />
gemacht wurde. Wenn<br />
unsere Autorin mal nicht<br />
auf Reisen ist, besinnt<br />
sie sich auf ihre Wurzeln<br />
und nimmt uns mit in ihre<br />
Heimatstadt Hamburg<br />
und sagt ganz klar:<br />
»Wer sich vom Wetter davon<br />
abhalten lässt, sich Hals<br />
über Kopf in die ›schönste<br />
Stadt der Welt‹ zu verlieben,<br />
ist selbst schuld!«<br />
instagram@aspirinia<br />
Ralf Johnen ist schon<br />
seit seiner Kindheit ein<br />
begeisterter Bahnfahrer.<br />
Es sollte einige Jahre<br />
seines Erwachsenenlebens<br />
dauern, bis er sich<br />
den Traum von einer<br />
Interrail-Tour erfüllt hat.<br />
Dieses Ereignis konnte<br />
er in der tschechischen<br />
Provinz mit einem Bierbad<br />
gebührend feiern. Allein<br />
die Fahrt mit dem Glacier<br />
Express schreit nach<br />
baldiger Wiederholung.<br />
»Vor Gerichten aus dem<br />
Speisewagen hatte ich trotz<br />
aller Bahnromantik Angst –<br />
bis ich die Bündner Capuns<br />
im Glacier Express bestellt<br />
habe. Formidabel!«<br />
instagram<br />
@boardingcompleted<br />
Thorsten ist am liebsten<br />
langsam unterwegs. Mit<br />
dem Rad, zu Fuß oder mit<br />
der Bahn reist er gerne in<br />
abgelegene Ecken. Nova<br />
Scotia hat er mit dem<br />
Trekkingrad umrundet<br />
und sich die schönsten<br />
Ecken erwandert. Neben<br />
der Natur haben ihm die<br />
charmanten Kleinstädte<br />
mit europäischem Flair<br />
gefallen.<br />
»Das Kanadafeeling setzt<br />
bereits ganz im Osten<br />
des Landes ein. Einsame<br />
Strandspaziergänge, paddeln<br />
auf Seen und immer<br />
wieder in endlose Wälder<br />
eintauchen. Dazwischen<br />
weht in den Städten und<br />
Dörfern noch der Geist der<br />
Pioniere. Nordamerika? Europa?<br />
Jeden Tag bekommt<br />
man die Kultur von beidem<br />
serviert, besonders beim<br />
Essen.«<br />
instagram@thorstenbroenner<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
13
esskalation<br />
Clever essen<br />
Im Loungebereich des The Silo London machen es sich die Gäste auf Sitzhockern und an Tischen bequem, die aus dem Myzel,<br />
dem vegetativen Teil eines Pilzes, bestehen. Klingt vielleicht zunächst etwas irritierend, sieht aber sehr stylisch aus. Die Wandleuchten<br />
wurden von einem Töpfer aus der Nähe aus alten, im Restaurant verbrauchten Weinfl aschen gefertigt. Und für die<br />
Esstische des Restaurants wurden recycelter Kunststoff, Beine aus nachhaltigem Eschenholz und Korkdetails benutzt. Küchenchef<br />
Douglas McMaster setzt auch in der Küche die Zero-Waste-Philosophie auf höchstem Niveau um. Zutaten wie Butter und<br />
Hafermilch werden selbst produziert. Aus nicht mehr ganz frischem Obst und Gemüse werden Smoothies hergestellt und beim<br />
Fleisch wird darauf geachtet, alles zu verwerten, inklusive der Innereien. Das The Silo im kreativen Londoner Viertel Hackney<br />
Wick ist ein Zero-Waste-Restaurant, das beweist, dass sich Luxus, Stil und Nachhaltigkeit nicht widersprechen. Und das äußerst<br />
wohlschmeckend! www.silolondon.com<br />
14<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
FutterNEID<br />
Jetzt auch so ein zartrosa Rinderfi let wie<br />
Joe Pantoliano in »Matrix« verzehren! Wer<br />
kennt es nicht: Der Film beginnt und beim<br />
Anblick des Essens läuft einem das Wasser<br />
im Mund zusammen. Das Kochbuch<br />
»Binging with Babish«, zum gleichnamigen<br />
Kultkanal auf YouTube, verhindert Futterneid<br />
beim Filme- oder Serienabend. Der<br />
amerikanische Filmemacher Andrew Rea<br />
alias Oliver Babish<br />
kocht 100 Rezepte<br />
aus Film<br />
und Fernsehen<br />
nach. Da wird zum<br />
wohl niedlichsten<br />
Kochfi lm aller<br />
Zeiten »Ratatouille«<br />
ein Confi t Byaldi<br />
kredenzt. »Dipping<br />
Sticks« knabbert<br />
man, während<br />
»Breaking Bad«<br />
läuft, und zum Abschluss werden noch<br />
Zitronenküchlein inspiriert von »Game of<br />
Thrones« auf dem Sofatisch platziert. Christian<br />
Verlag, 336 S., 100 Rezepte, € 34,99<br />
Geschmacks-<br />
SACHE<br />
Dass es für einen guten Drink<br />
oder Cocktail nicht unbedingt<br />
Alkohol braucht, beweist die<br />
alkoholfreie Barkarte der Bar<br />
am Steinplatz des Marriott<br />
Berlin. Als erste deutsche<br />
Hotelbar kredenzt sie den<br />
Gästen hochwertige Drinks,<br />
mit Namen wie »Chamomile<br />
Gro(o)ve«, ohne auf Hochprozentiges<br />
zu setzen. Stattdessen<br />
fi nden sich alkoholfreie<br />
Destillate in raffinierten Kreationen<br />
mit hausgemachtem<br />
Kombucha, Rosenwasser,<br />
Sirups und mit Kräutern,<br />
Gewürzen und Säften wieder.<br />
Versacken ohne Nachwirkungen!<br />
www.barsteinplatz.com<br />
Scharf wie<br />
NACHBARS LUMPI<br />
Die Ingwerknollen stammen aus<br />
Peru, sind bio und werden handverlesen.<br />
Zusammen mit Zitronenund<br />
Limettensaft, ein wenig braunem<br />
Rohrzucker und einem Schuss<br />
Mandelsirup entsteht<br />
ein feurig-scharfes<br />
Ingwerkonzentrat,<br />
das, einmal gekostet,<br />
zum ständigen<br />
Begleiter wird. Ob in<br />
Schorlen, Tees, Cocktails,<br />
Soßen, Suppen,<br />
Reisgerichten oder<br />
einfach nur verdünnt<br />
mit Wasser. Gefertigt<br />
wird Ben’s Ginger in<br />
einer kleinen Manufaktur<br />
in München.<br />
www.bensginger.de<br />
Hallo WACH!<br />
Wer denkt, kalter Kaffee ist nur etwas für heiße Tage, hat noch nicht den Cold Brew der Kölner<br />
Kaffeemanufaktur Van Dyck probiert. Fruchtig-frisch nimmt er geschmacklich mit nach Uganda<br />
und Peru. Aus fairem Handel und biologischem Anbau. Auch für unterwegs der perfekte Wachmacher<br />
für zwischendurch. 250 ml, um € 4<br />
Fotos: PR (4), Kevin Rechsteiner (2), Clare Lewington (2), Matt Russell Ltd<br />
Zu TISCH!<br />
Dinieren in außergewöhnlichem Ambiente: Ein kleines, aber<br />
feines Restaurant mit Charme befi ndet sich im schweizerischen<br />
Winterthur. Im Les Wagons isst das Auge im doppelten<br />
Sinne mit, denn. die Gäste speisen in drei liebevoll restaurierten<br />
Wagen aus dem Jahr 1923 der Uetlibergbahn. Auf dem Tisch<br />
landen ausnahmslos regionale Produkte. Wer nur auf einen<br />
Drink vorbeikommen möchte - kein Problem - die Bar heißt<br />
jeden Gast herzlich willkommen! www.leswagons.ch<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
15
kleine weltenbummler<br />
PIPPI WIRD<br />
75 JAHRE<br />
Sie ist wohl der Inbegriff der kindlichen Anarchie und war die Heldin unserer<br />
Kindheit. Pippi Langstrumpf, das mutigste, stärkste und unabhängigste Mädchen<br />
der Welt, wird sage und schreibe 75 Jahre alt. Die Geschichten über das fröhlichfreche<br />
Mädchen mit den roten Zöpfen und den vielen Sommersprossen erfand die<br />
schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren zwar während des Zweiten Weltkrieges<br />
und veröffentlichte sie erstmals 1945 in Schweden, aber sie bringen Kinder<br />
noch heute zum Lachen. Unweigerlich möchte man nach dem Lesen der Geschichten<br />
zu diesem idyllischen Fleckchen Erde namens Småland <strong>reisen</strong> – mit seinen<br />
bunten Häusern, den vielen Seen und weiten Wäldern – und auf Pippis Spuren<br />
wandeln. Ein guter Anlaufpunkt ist die »Astrid Lindgrens värld« in Vimmerby, dem<br />
Heimatort der Autorin. Allerdings bleibt diese aufgrund der Corona-Pandemie<br />
vorerst bis 2021 geschlossen. Auch die Geburtstagsfeierlichkeiten sind verschoben.<br />
Aber in Småland erlebt man so oder so spannende Abenteuer. Allein wegen der<br />
atemberaubend idyllischen Natur lohnt sich ein Besuch immer.<br />
www.visitsmaland.se/en, www.astridlindgrensvarld.se/en<br />
16 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
Aufsteigen, die große Fahrt beginnt: Mit dem Dreirad<br />
von Banwood im Vintage-Look gehen kleine Entdecker<br />
nicht nur auf große Fahrt, es begleitet sie auch<br />
die halbe Kindheit – von den ersten Fahrversuchen<br />
ab zwei Jahren mit Schiebegriff, lernen Kinder<br />
dank der Pedale das Fahrrad fahren im Anschluss<br />
leichter. Bis zu sechs Jahre geeignet, € 144, über<br />
smallable.com<br />
Spaghettiiii<br />
Das perfekte Reiseaccessoire für kleine<br />
Weltenbummlerinnen: Die Handtasche in<br />
Kameraform »Straw Camera« von Mimi &<br />
Lula verwahrt Kleinigkeiten und lässt nicht<br />
nur die stolze Besitzerin strahlen. Um € 23,<br />
über tausendkind.de<br />
Fotos: PR (2), Astrid Lindgren’s World, Rosemarie Gearhart, Angelina Litvin, Land.Schnupern<br />
Um Kinder zum Wandern zu motivieren, braucht es schon mehr als ein in Aussicht<br />
gestelltes Eis am Ende der Etappe. Der Milch-Erlebnispfad Usseln bei Willingen ist ein<br />
Weg, wo Kinder vor lauter Abwechslung vermutlich gar nicht merken, dass sie am Ende<br />
ganze sechs Kilometer gewandert sind – und dabei viel über Kühe und Landwirtschaft<br />
gelernt haben. Beim Kuhglockenschlagen, Werfen von Fichtenzapfen durch die Löcher<br />
einer »Käse«-Plane, im Heustadl-Kino, an der Fernrohrstation »Wo ist die Kuh« und auf<br />
dem Kuhfl aden-Trampolin verfl iegt die Zeit. Im Muhseumscafé der Upländer Bauernmolkerei<br />
ist dann Endstation. Neu ist die Stempelpass-App. Einfach herunterladen,<br />
auf dem Weg die Fragen von Kuh Helma beantworten und Punkte sammeln.<br />
www.milchpfad-usseln.de<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
17
events<br />
Museen sind gähnend langweilig? Unsere drei Tipps gewiss nicht!<br />
Hier lohnt es sich sogar, allein der Museen wegen hinzu<strong>reisen</strong>.<br />
DALÍ THEATRE-MUSEUM .<br />
in Figueres.<br />
1<br />
Ein Museum, das vor Kreativität sprüht, in<br />
dem es nicht rein um die Betrachtung der<br />
Werke und den Künstler geht, sondern<br />
darum, wie jeder das Werk an sich persönlich<br />
empfindet. Das Dalí Theatre-Museum in<br />
Figueres hat Salvador Dalí, einer der wohl<br />
bekanntesten spanischen Maler des 20.<br />
Jahrhunderts, selbst konzipiert und 1974 im<br />
alten Theater von Figueres eröffnet. Dalí ist<br />
in Figueres geboren und im Keller des Museums<br />
in einem Mausoleum begraben. Das Besondere<br />
ist zweifelsohne, dass der Maler hier<br />
nicht einfach nur seine Werke zusammengetragen<br />
hat, sondern eigens für das Museum<br />
erschaffen hat, wie den schwarzen Cadillac<br />
im Regen im Innenhof des Museums.<br />
Dabei hat er seine Werke nicht immer<br />
ausführlich erklärt. Mit Absicht.<br />
Vielmehr ging es ihm darum, dass<br />
sich die Besucher ihr eigenes Bild<br />
machen und ihre eigene Meinung<br />
bilden. Spannend für die ganze<br />
Familie! Der Eintritt kostet € 13,<br />
www.salvador-dali.org<br />
2 3<br />
VAN GOGH MUSEUM.in Amsterdam.<br />
JOSEPH BEUYS.im Museum Schloss Moyland.<br />
Er war der Rockstar der Kunstgeschichte. Um kaum<br />
einen Maler ranken sich so viele Mythen wie über<br />
Vincent van Gogh. Eine tragische Figur, die zu Lebzeiten<br />
von der Hand in den Mund lebte. Erst nach seinem<br />
Tod erlangte er eine solch große Berühmtheit. Kein<br />
anderes Museum zeigt so viele seiner Werke wie das<br />
Van-Gogh-Museum am Museumplein im Amsterdamer<br />
Stadtteil Oud-Zuid. 200 Gemälde, 500 Zeichnungen<br />
und 750 handgeschriebene Dokumente finden sich<br />
hier. Wunderbar aufbereitet und sehr informativ. Man<br />
erfährt von seinen psychischen Problemen, warum<br />
er sich selbst ein Stück vom Ohr abschnitt, von seinem<br />
Selbstmord und dass es so viele Selbstporträts<br />
gibt, weil Van Gogh kein Geld für Modelle hatte. Selbst<br />
Kunstmuffel sind nach dem Besuch zumindest beeindruckt.<br />
Mindestens zwei Stunden Zeit einplanen! Eintritt<br />
kostet € 19, www.vangoghmuseum.nl<br />
Er war der Mann mit der Weste und dem Filzhut.<br />
Ein Exzentriker. Verehrt von seinen Anhängern, aber<br />
durchaus umstritten bei vielen. Der deutsche Aktionskünstler<br />
Joseph Beuys war provokant und erlangte<br />
mit seiner Kunst Weltruhm. Unter Kunst verstand er<br />
nämlich auch Aktionen, Installationen und Lebenskonzepte.<br />
Für seine Werke benutzte er Fett, Filz, Blut<br />
und Dreck, Telefone, Röntgenbilder, Knochen und<br />
Haare und stellte sie in immer neuen Sinnzusammenhängen<br />
dar. Auch wenn er stets behauptete, es nicht<br />
zu sein, war er auch politisch aktiv. Er gilt als Mitbegründer<br />
der Grünen. Die weltweit größte Sammlung<br />
seiner Werke besitzt das Museum Schloss Moyland –<br />
idyllisch in der niederrheinischen Provinz gelegen und<br />
an sich schon einen Besuch wert. Neben dem Archiv<br />
gibt es auch immer wieder temporäre Ausstellungen.<br />
www.moyland.de<br />
Text: Ulrike Klaas; Fotos: Gottfried Evers, Jan Kees Steenman, Sergey Mind, Roger Higgins<br />
18<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
BÜCHER<br />
Text: Ulrike Klaas<br />
LesePROVIANT<br />
Ob auf Reisen<br />
oder gemütlich auf<br />
dem Sofa: fünf<br />
Neuerscheinungen,<br />
die großen Lesespaß<br />
versprechen und<br />
mit auf Reisen<br />
gehen sollten.<br />
PARIS Alina reist nach Paris, in die Stadt, in<br />
der sie mit ihrem verstorbenen Liebsten glückliche<br />
Tage verbracht hat. In den Gärten von<br />
Paris trifft sie auf gleich zwei Männer. Schafft<br />
sie es, sich der Liebe wieder zu öffnen? »Der<br />
Garten unter dem Eiffelturm« ist ein berührender<br />
Liebesroman über Gefühle, Schuld und<br />
Vergebung – und die Gärten von Paris und der<br />
Normandie. Roman und Garten-Reiseführer in<br />
einem, mit vielen persönlichen Tipps der<br />
Autorin Elena Eden. 258 S., bestellbar über<br />
Amazon.de, € 9,99.<br />
ERDE Kleine Taten ganz groß: Felix aus<br />
Deutschland pflanzt Bäume, und Shalise aus<br />
Australien sammelt Müll am Strand. Zwölf<br />
Jungen und Mädchen rund um die Welt, die<br />
sich für unseren Planeten einsetzen – und mit<br />
ihren Geschichten Kinder begeistern, etwas<br />
gegen Klimawandel und Umweltzerstörung zu<br />
unternehmen. Bunt und lebendig illustriert<br />
von Adelina Lirius. »Groß genug, die Welt zu<br />
retten«, Loll Kirby, 32 S., Insel Verlag, € 16,95.<br />
ISLAND Der Auftakt zur einer Trilogie: Es ist<br />
ihr letzter Fall vor dem Ruhestand und Hulda<br />
Hermannsdóttir, Kommissarin bei der Polizei<br />
Reykjavík, riskiert ihr eigenes Leben. Der Tod<br />
einer jungen Frau wirft düstere Rätsel auf und<br />
die Zeit rennt. »Dunkel« des isländischen Bestsellerautors<br />
Ragnar Jónasson ist ein gelungener,<br />
stimmungsvoller Krimi mit überraschenden<br />
Wendungen, den man kaum mehr aus der<br />
Hand legen kann. 384 S., btb Verlag, € 15.<br />
HIMALAYA Persönliche Einblicke in die Gefühlswelt<br />
einer Bergsteiger-Legende: Reinhold<br />
Messner hat in »Gehe ich nicht, gehe ich kaputt«<br />
Zeugnisse von den höchsten Gipfeln der<br />
Welt gesammelt. Eigene Aufzeichnungen und<br />
Briefdokumente anderer berühmter Bergsteiger<br />
wie Weltzenbach, Hillary oder Buhl zeigen,<br />
was sie zu den großen Abenteuern angetrieben<br />
hat. Von bewegenden Schicksalen, großen<br />
Triumphen und einer absoluten Obsession.<br />
Unheimlich berührend! 288 S., Malik, € 24.<br />
WALD Wie beeinflussen Walnussblätter den<br />
Geschmack von Spreewaldgurken? Was ist das<br />
Geheimnis der neapolitanischen Holzofenpizza?<br />
Waldökologe und Lebensmittelexperte<br />
Artur Cisar-Erlach hat sich in »Der Geschmack<br />
von Holz – Auf der Suche nach dem wilden<br />
Aroma der Bäume« auf eine Reise rund um den<br />
Globus begeben, um zu erkunden, wie Holz<br />
schmeckt – und wie man es kocht, destilliert<br />
und fermentiert, dass es einen besonderen<br />
Geschmack entwickelt. Ein Muss für Foodies!<br />
336 S., Malik, € 22.<br />
herbst <strong>2020</strong> 19
da wollen wir hin<br />
WENIGER IST MEER<br />
Tiny Houses in Norddeutschland<br />
Wenn man am Abend auf der kleinen Terrasse bei einem guten Glas<br />
Wein tief die salzige Meeresluft einatmet, überkommt einen ein wohliges<br />
Gefühl der Zufriedenheit und eine angenehme Leere der Gedanken.<br />
Und das ist es, was ein Urlaub in den Tiny Houses bewirkt: ein gutes<br />
Gewissen. Die minimalistischen Häuschen sind Trend. Zu Recht. Sie stehen<br />
für Umweltbewusstsein und machen mit ihrem skandinavisch angehauchten,<br />
modernen Design auf kleinem Raum viel her. Und – das<br />
ist wohl der wichtigste Punkt in Sachen Entschleunigung – sie stehen<br />
meist allein für sich mitten in der Natur. Wie die Green Tiny Houses,<br />
einer der ersten Anbieter in Deutschland mit vier Standorten in Norddeutschland.<br />
Grünes Wohnen im Grünen, der Gedanke geht auf. Die<br />
Fassade besteht aus Superwood-Holz, komplett ohne chemisch-giftige<br />
Lacke und mit Klebstoffen aus unbehandeltem Seegras der Ostsee. Ein<br />
Green Tiny House steht im Nordseeheilbad Büsum, genauer hinter der<br />
Familienlagune Perlebucht. Nur wenige<br />
Schritte und man steht am Unesco-<br />
Weltnaturerbe Wattenmeer. Lieber Festland<br />
statt Insel: Am Harlesieler Deich<br />
in Carolinensiel fi ndet sich das zweite<br />
Green Tiny House. Lieber Wald statt<br />
Meer? Dann ist das Tiny House am<br />
Salemer See, in der waldreichsten Region<br />
Schleswig-Holsteins, perfekt zum<br />
Urlauben.<br />
Text: Ulrike Klaas, Fotos: Green Tiny Houses GmbH (4)<br />
Fotos: xxx<br />
Die Green Tiny Houses sind ab € 129 pro<br />
Nacht buchbar. Es ist Platz für zwei<br />
Erwachsene und zwei Kinder.<br />
www.greentinyhouses.com<br />
20<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
VORFREUDE<br />
Reisen hat sich verändert. Doch die Vorfreude auf kommende<br />
Erlebnisse ist ungebrochen. Bei diesen drei Varianten reist man<br />
in seinem eigenen kleinen Kosmos – und ist inmitten<br />
atemberaubender Bergwelten unterwegs. Drei Roadmovies<br />
deluxe mit Höhen und Tiefen.<br />
EINEN GANG HERUNTERSCHALTEN<br />
Entschleunigung auf vier Rädern: Stilecht mit einem Oldtimer-Bulli unterwegs<br />
zu sein, hat etwas Entspannendes. Das beruhigende, monotone Röhren des<br />
Motors, eine PS-Zahl, die nur eine gelassene Fahrweise zulässt, und vor der<br />
Frontscheibe ziehen die Bayerischen Alpen in ihrer ganzen Pracht vorüber.<br />
Fenster herunterkurbeln, Radio aufdrehen und sich die Bergluft um die Nase<br />
wehen lassen. Herrlich! Wer dabei lieber mehr PS unter dem Hintern hat,<br />
kann sich auch ein neueres Bulli-Modell mieten. PaulCamper ist eine<br />
Camper-Sharing-Plattform, wo private Van- und Wohnmobilbesitzer ihre<br />
Fahrzeuge an reiselustige Abenteurer vermieten – neben München in vielen<br />
weiteren großen Städten Deutschlands. www.paulcamper.de<br />
Foto: Daniel J. Schwarz<br />
21
22 herbst <strong>2020</strong>
VORFREUDE | Schweiz<br />
SCHÖNE SCHWEIZER KURVEN<br />
Majestätisch klettert die Gotthardpassstraße bei Airolo den schroffen Berg empor. Auf den Schweizer<br />
Alpenpässen ist der Fahrspaß gigantisch, die Aussichten sind atemberaubend und lassen das Herz jedes<br />
Bergeliebhabers höherschlagen. Deswegen ist den Serpentinenstraßen des Landes ein eigener Roadtrip auf<br />
der Grand Tour of Switzerland gewidmet. Mehr über die Route entlang der fünf schönsten Alpenpässe mit<br />
absoluter Adrenalingarantie erfahrt ihr hier: <strong>reisen</strong>exclusiv.com/grand-tour-schweiz<br />
Foto: Freedom_wanted/shutterstock.com<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
23
VORFREUDE | Südtirol<br />
Rallye klingt zunächst nach Zeitdruck und Wettbewerb. Doch die Teilnehmer der alljährlichen <strong>Herbst</strong>rallye<br />
»Südtirol Classic Schenna Golden Edition <strong>2020</strong>« sind schon vor dem Start alle Gewinner. Denn bei diesem<br />
Rennen geht es um den puren Genuss. Vom 4. bis 11. Oktober <strong>2020</strong> erkunden Oldtimerliebhaber mit ihren<br />
Kultkarossen Südtirols wunderschöne Landstriche in und rund um Schenna bei Meran. Eisacktaler Törggele-<br />
Runde, Sundowner-Tour am Tschögglberg und die schönsten Pässe der Dolomiten im <strong>Herbst</strong>licht stehen auf<br />
dem Programm. Dazwischen probieren sich die Teilnehmer durch regionale Köstlichkeiten. Die Teilnahme kostet<br />
für 7 Tage € 1.680 und für 4 Tage € 1.380 für jeweils 2 Pers. (und ohne Unterkunft). Außerdem findet jedes<br />
Jahr eine Hauptrallye statt, die im Jahr <strong>2020</strong> ihr 35-jähriges Jubiläum gefeiert hätte. Die Geburtstagsfestivitäten<br />
sind nun auf den 4. bis 11. Juli 2021 verschoben. www.suedtirolclassic.com, www.schenna.com<br />
24
DER RENNER IN SCHENNA<br />
Foto: Tourismusverein Schenna/Patrick Schwienbacher<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
25
KOLUMNE<br />
Kolumnistin Ala Zander hatte Glück im Unglück. Bei<br />
ihrem momentanen Kurzurlaub auf Santorin hatte sie<br />
einen Fahrradunfall. Ihr Ellbogen ist gebrochen, und sie<br />
hat eine Rippenfraktur. Aber die PR-Agenturchefin lässt<br />
es sich dennoch nicht nehmen, ihre Kolumne zu texten.<br />
Dann wird eben diktiert. Gute Besserung, Ala!<br />
E<br />
s war einmal dieses völlig verrückte Jahr <strong>2020</strong>, in dem im Februar<br />
plötzlich ein neuartiger Virus aus China über uns hereinbrach.<br />
Anfänglich als Grippe belächelt, ging dann plötzlich<br />
alles ganz schnell, und die gesamte Welt kam zum völligen<br />
Stillstand. Kurz vor dem finalen Lockdown endete meine letzte Geschäftsreise<br />
mehr als abrupt und ich fand mich mit zahllosen stornierten<br />
Flug<strong>reisen</strong> plötzlich in Bad Gastein wieder, meinem einzigen<br />
festen Wohnsitz in meinem rastlosen Reiseleben.<br />
In Österreich wurde der Lockdown zwar schnell und radikal umgesetzt,<br />
jedoch sieht »stay home« in einem entlegenen Bergdorf natürlich<br />
anders aus als in Großstädten und urbanen Ballungsräumen. Bei uns<br />
hieß das daher eher »stay alone«, und wir wurden von der Regierung<br />
gezielt aufgefordert, nach draußen zu gehen, sich an der frischen Luft<br />
zu bewegen und somit Lunge und Immunsystem zu stärken.<br />
Spätestens da verliebte ich mich übrigens noch ein bisschen mehr<br />
in unser Nachbarland.<br />
Mir als Radsportlerin kam das natürlich mehr als gelegen: Anstelle<br />
von drei bis fünf Flügen pro Woche, täglichen Meetings und Events<br />
konnte ich meine Arbeit hocheffizient am Laptop verrichten und hatte<br />
plötzlich mehr Zeit zum Fahrradfahren als je zuvor. So kam ich auch<br />
endlich dazu, die unendliche Vielzahl österreichischer Radwege zu erkunden,<br />
von denen ich zwar schon so viel gehört hatte, für die mir<br />
jedoch immer die nötige Zeit zum Entdecken fehlte.<br />
Eine der bekanntesten Radstrecken dürfte dabei wohl die »Ciclovia<br />
Alpe Adria« sein, die sich über 410 Kilometer von der Mozartstadt Salzburg<br />
bis nach Grado an der italienischen Adriaküste erstreckt. Je nach<br />
eigenem Fitnesslevel erradelt man diese landschaftlich spektakuläre<br />
Route durch die Alpen in fünf bis acht Tagesetappen, übernachtet in<br />
kleinen Gasthäusern und kann irgendwann ab Udine das Meer riechen.<br />
Ebenso einmalig ist der »Drau Radweg« von den Dolomiten bis an<br />
die kroatisch-slowenische Grenze. 510 Kilometer durch die einzigartige<br />
Bergkulisse Kärntens und zumeist entlang der Drau, des viertlängsten<br />
Nebenflusses der Donau. Ich gebe zu: Ich hatte vorher noch nie von der<br />
Drau gehört, und dabei handelt es sich um einen wirklich beachtlichen<br />
Strom. Ich durchradelte bekannte Ortsnamen wie Spittal und Villach<br />
(beide übrigens auch Teil des »Alpe Adria Radwegs«) und machte dabei<br />
auch gleich noch einen Abstecher an den wunderschönen Wörthersee.<br />
Ob der Nationalpark Hohe Tauern oder endlose Flussauen und Pinienwälder<br />
– für Naturliebhaber wie mich war das alles ein wirklich gigantisches<br />
Erlebnis und ich stellte mal wieder fest: Das Gute liegt so nah!<br />
Wovon ich auch noch nie gehört hatte? Von den »Krimmler Wasserfällen«,<br />
die mit 385 Metern Fallhöhe doch tatsächlich Österreichs<br />
höchste Wasserfälle sind und das glorreiche Ende des »Tauernradwegs«<br />
darstellen. Dieser startet im deutschen Grenzort Passau und<br />
zieht sich über 310 Kilometer über Salzburg und Zell am See durch<br />
eine wieder mal atemberaubende Bergkulisse, vorbei an Burgen und<br />
malerischen kleinen Orten. In den siebeneinhalb Wochen strikten<br />
Lockdowns waren ja leider alle Gasthäuser und Unterkünfte geschlossen,<br />
weshalb ich meine Verpflegung im Rucksack mitführte und ausschließlich<br />
Tagesrouten planen konnte.<br />
Kaum war allerdings in Österreich selbst alles wieder geöffnet, die<br />
Grenzen jedoch weiterhin dicht und meine internationalen Businesstrips<br />
nach wie vor tabu, machte ich mich endgültig auf und zog mit<br />
kompaktem Fahrradgepäck noch einmal richtig los. Endlich konnte<br />
ich in all den zauberhaften und urigen Gasthöfen einkehren und lecker<br />
essen gehen, um abends dann todmüde, aber glücklich in einer<br />
kleinen Pension zu übernachten. Ich entdeckte so viele niedlichen<br />
Ortschaften und Naturschauspiele, dass ich mich wirklich fragte, warum<br />
ich in all den Jahren besser über Südamerika und Südostasien<br />
Bescheid wusste als über das Land, in dem ich seit vier Jahren lebe ...<br />
Corona hat vieles verändert und sicherlich auch unser Reiseverhalten.<br />
Und nach dieser Erfahrung – die ich ausschließlich Corona<br />
verdanke – habe ich einmal mehr beschlossen, dass es nicht immer<br />
exotisch sein muss, um außergewöhnlich zu sein ...<br />
Fotos: Ala Zander (3)<br />
26 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
RUNDREISE<br />
Wenn ich nicht hier bin,<br />
bin ich aufm SONNENDECK<br />
Es gibt kaum ein entschleunigenderes Abenteuer als eine Fahrt auf einem Hausboot. Während<br />
der Kapitän das Boot sicher über den Canal du Midi im Süden Frankreichs mit seinen zahlreichen<br />
Schleusen lenkt, entspannt man sich auf dem Sonnendeck im Whirlpool und betrachtet die<br />
abwechslungsreiche Landschaft, die träge vorüberzieht. Abends ankert man in malerischen, kleinen<br />
Hafenstädtchen und der Koch serviert bei Sonnenuntergang ein köstliches Menü an Deck. Sollte<br />
es dann überhaupt noch einen Wunsch geben, kümmert sich der Steward darum. Belmond Afloat<br />
bietet beispielsweise eine 7-tägige Fahrt von Carcassonne nach Bèziers an, kostet um € 7.823 p. P.<br />
www.belmond.com<br />
DU BIST SO<br />
HEISS WIE<br />
EIN VULKAN<br />
Gewappnet für das nächste<br />
Outdoorabenteuer? Der<br />
Tagesrucksack von Cotopaxi<br />
macht mit seinem kunterbunten<br />
Design Laune, die<br />
Welt zu entdecken. Es muss<br />
ja nicht gleich der Namensgeber<br />
der Marke Cotopaxi<br />
sein, der mit 5.897 Metern<br />
zweithöchste Berg Ecuadors<br />
und einer der höchsten aktiven<br />
Vulkane der Erde. Jeder<br />
Rucksack der Serie Del Dia<br />
ist ein Unikat, denn die Näherinnen<br />
auf den Philippinen<br />
fertigen sie aus Stoffresten<br />
anderer Rucksäcke. »Tarak<br />
20 L Backpack«, um € 120.<br />
Über www.globetrotter.de<br />
Fotos: PR (2), Belmond Afloat<br />
Einmal um die Welt<br />
Arbeiten und nebenbei die Welt entdecken – doch wie<br />
stelle ich das an? »Das Handbuch für digitale Nomaden.<br />
Praktische Tipps und Inspiration für ein multilokales<br />
Leben« gibt Antworten auf beispielsweise folgende<br />
Fragen: Wie stelle ich es mit dem Berufswechsel an,<br />
wie läuft die Auftragsakquise, welche Ziele lohnen sich<br />
für digitale Nomaden? Jetzt einarbeiten und, sobald es<br />
wieder möglich ist, den Traum vom »Arbeiten unterwegs«<br />
erfüllen. Lonely Planet, 192 S., € 19,99.<br />
herbst <strong>2020</strong> 27<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
text & fotos<br />
BThorsten Brönner<br />
Nova<br />
Scotia<br />
KÜSTENROADMOVIE<br />
Die Küstenstraßen von Nova Scotia zählen zu den schönsten Nordamerikas.<br />
Mal sind sie lieblich wie in einem Heimatfilm, mal rau wie in einer Naturdoku.<br />
Sie führen einen zu Leuchttürmen, zu heimeligen Kleinstädten und zum<br />
größten Tidenhub der Welt. Hinein ins eigene Urlaubskino – denn die Fahrt<br />
um die Halbinsel gleicht einem Roadmovie.<br />
28
RUNDREISE | Nova Scotia<br />
Ein Wunder der Natur ist der immense Tidenhub an der Bay of Fundy. Hier ist gemessen worden, dass die gezeitenabhängige<br />
Erhebung bis zu 21 Meter beträgt. Zum Vergleich: Bei der Nordsee sind es etwa zwei bis drei Meter.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
29
Bildschön – ein Attribut, das zu Nova Scotia passt wie der Hummer ins Meer. Egal ob im schnuckeligen Lunenburg oder<br />
auf der spektakulären Cape-Breton-Insel, die Atmosphäre und die Aussichten sind unvergesslich schön.<br />
30
AAls Startort bietet sich Halifax an. Ist es Zufall, dass es sich die Provinzhauptstadt<br />
in der Mitte dieses malerischen Fleckens Erde gemütlich<br />
macht? Halifax führt Reisende aus Europa behutsam an Kanada<br />
heran. Hier der Hafen mit seiner Flaniermeile und den Pubs, dort der<br />
Uhrturm, darüber die sternförmig angelegte Zitadelle Fort George.<br />
Die Klänge eines Dudelsacks tragen die Gedanken von der Alten Welt<br />
hin zur Neuen. Also los. Zum Meer!<br />
SOUNDTRACK DER REISEX<br />
Raus aus der Stadt, rauf auf den Highway 333. Sofort setzt das Roadmovie-Feeling<br />
ein. Eine breite Asphaltstraße mit aufgepinselten gelben<br />
Linien. Bäume und Seen fliegen vorbei. Die Füße wippen mit der<br />
Radiomusik. Der Highway wippt mit – auf und ab. Linker Hand öffnet<br />
sich eine Bucht nach der anderen. Sie geben das Terrain für die<br />
Straße 333 vor. Sie schwenkt hin und her. Dann das offene Meer. Auto<br />
abstellen und strahlend in das Dorf Peggy's Cove laufen. Den dahinter<br />
aufragenden Leuchtturm kennt hier in den Canadian Maritimes, den<br />
Seeprovinzen, jedes Kind. Ein schlanker, weißer Bau mit roter Haube.<br />
Auf drei Seiten klatschen die Wellen ans Land. Das ist der Soundtrack<br />
der Reise. Er klingt auf der Runde immer ähnlich, aber nie gleich.<br />
Auf die St. Margarets Bay folgt die Stadt Lunenburg. Die bunt bemalten<br />
Holzhäuser und alten Kapitänsvillen sehen aus, als wären sie<br />
in Norwegen ins Meer gepurzelt und hierher getrieben. Lunenburg<br />
wurde von deutschen Siedlern gegründet. Das Schmuckkästchen ist so<br />
gut erhalten, dass es die Unesco adelte. An der Lunenburg Waterfront<br />
kuscheln sich Cafés und Restaurants aneinander. Wie wäre es, den Tag<br />
mit einem Hummergericht und einem Wein aus dem Annapolis Valley<br />
zu beschließen? Zum Einstimmen für die nächsten Reisestationen.<br />
MAL EUROPA, MAL WIE EIN WESTERN AM MEERX<br />
Auf der Westseite von Nova Scotia schneidet das Annapolis Valley malerisch<br />
in die grünen Hügel. Das Tal ist gut 100 Kilometer lang, bis<br />
zu 15 Kilometer breit und erinnert stark an Europa. Auf der Fahrt<br />
über die verschlafenen Country-Roads fällt in den gepflegten Gärten<br />
die Flagge der Akadier auf. Sie gleicht der Trikolore Frankreichs und<br />
trägt als Zusatz im blauen Streifen einen goldenen Stern. Zeit<strong>reisen</strong>de<br />
fahren zum rekonstruierten Fort Port-Royal oder zum britischen Fort<br />
Anne. Wälder rahmen Wiesen, Felder und Weingüter ein. In den Rebzeilen<br />
reifen Trauben für Weiß- und Schaumweine. Die leicht wellige<br />
Gegend erinnert an das deutsche Weinanbaugebiet Pfalz.<br />
Das nächste Déjà-vu gibt es ein Stück gen Norden in der Kulturlandschaft<br />
Grand Pré. Hier rangen Siedler dem Meer durch Eindeichung<br />
und Schleusen fruchtbares Land ab. In dem flachen Landstrich<br />
wähnt man sich eher in den Niederlanden als in Kanada. Von der zweiten<br />
Unesco-Welterbestätte der Reise bis zur Nummer drei sind es nur<br />
wenige Minuten – die Bay of Fundy. Diese stellt das heimische Wattenmeer<br />
in den Schatten.<br />
RUNDREISE | Nova Scotia<br />
Würde ein Filmregisseur einen Western ans Meer verlegen, dann sicher<br />
hierher. Sonderbar geformte rote Felsen mit Naturbögen, mal mit<br />
Bäumen drauf, mal ohne. Man könnte meinen, hier hätte jemand den<br />
Stöpsel aus der Badewanne gelassen und alles wurde wild durcheinander<br />
gestrudelt: angeschwemmte Äste, ein Streifen Kieselsteine<br />
und weiter draußen gluckst die See. Sie liegt spiegelblank da und gibt<br />
das Himmelsblau wieder. Einer riesigen Umwälzpumpe gleich hebt<br />
und senkt sich der Atlantik. Bis zu 21 Meter Tidenhub – das ist Weltrekord.<br />
Das Binnenmeer ist 220 Kilometer lang, 60 Kilometer breit und<br />
bei Ebbe eine Spielwiese für Naturfreunde und bei Flut ein Eldorado<br />
für Wale. Hierhin kommen die Meeresriesen gerne. Ganz zur Freude<br />
der geduldigen Beobachter.<br />
SPAZIERGANG ÜBER DEM SANKT-LORENZ-GOLFX<br />
Mit der Cape-Breton-Insel serviert Nova Scotia sein Filetstück am<br />
anderen Ende der Provinz. Bereits die Anfahrt ist ein Erlebnis. Allmählich<br />
ansteigend hangelt sich der Cabot Trail am tiefblauen Sankt-<br />
Lorenz-Golf entlang. 300 Kilometer feinstes Landschaftskino. Nova-<br />
Scotia-Urlauber, die in den Cape-Breton-Highlands-Nationalpark eintauchen,<br />
können sich ein wenig wie Entdecker fühlen.<br />
26 Wanderwege ziehen sich durch die Wälder. Der Skyline Trail ist<br />
der spektakulärste Weg. Der gekieste Pfad führt über eine tundraartige<br />
Hochebene mit Wiesen und offenen Kiefernwäldern. Hinter einer<br />
Kuppe geht es auf einem Holzbohlenweg weiter. Meist führen Panoramawege<br />
nach oben. Doch der Skyline Trail senkt sich, vollführt einen<br />
Bogen und springt in mehreren Geländestufen den Hügel hinunter.<br />
Mit jedem Schritt kommt man dem Meer ein Stückchen näher. Viele<br />
Stufen sind türkis angemalt für jene Tage, wenn der dichte Seenebel<br />
die Küsten Nova Scotias verschluckt. Oft streicht der Wind über den<br />
offenen Hang und sorgt für freie Sicht. Den Weißkopfseeadlern und<br />
den Basstölpeln gefällt es. Sie machen hier genauso Jagd auf Beute<br />
wie die Blauwale, Buckelwale, Pottwale, Minkwale und Grindwale. Die<br />
Augen scannen das Wasser ab. Ob sich eine Fluke zeigt? Unbedingt<br />
bis zum Abend bleiben, bis sich der Sonnenball senkt, die Küste in<br />
goldenes Licht taucht und im Meer versinkt. Der Skyline Trail ist dazu<br />
einer der besten Plätze im Land.<br />
Das Roadmovie setzt zum Finale an. Egal ob im Sommer die Lupinen<br />
auf den Wiesen Spalier stehen oder im Oktober der Indian Summer<br />
die Küstenwälder zum Leuchten bringt – diese Fahrt vergisst keiner.<br />
INFO<br />
Tourism Nova Scotia c/o TravelMarketing Romberg,<br />
Schwarzbachstr. 32, 40822 Mettmann, Tel. 02104 797454,<br />
www.novascotia.com/de<br />
Hilfreich ist die Karte: www.novascotia.com/map<br />
Mehr spannende Infos rund um Nova Scotia auf dem Kanada-<br />
Blog: www.kanadastisch.de/provinzen/atlantic/nova-scotia/<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
31
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IM HUMMERLAND<br />
Die maritime kanadische Provinz Nova Scotia scheint losgelöst von Zeit und Raum.<br />
Ihre natürliche Schönheit bekommt eine zusätzliche Attraktion – und die<br />
lernt man am besten genussvoll auf der Zunge kennen.<br />
32<br />
<strong>EXCLUSIV</strong><br />
frühling 2016
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Fotos: Tourism Nova Scotia (2), Tourism Nova Scotia/Jive Photographic, Tourism Nova Scotia/Dean Casavechia, Natalia Lisovskaya/Shutterstock.com<br />
Hier sind die Hummer der Hammer!<br />
Fragt man Einheimische in Nova Scotia, welche Spezialität man unbedingt<br />
einmal probieren sollte, kommt diese Antwort sehr häufig: Lobster,<br />
auf Deutsch Hummer! Das ist kein Wunder. Schließlich kann man in<br />
Nova Scotia zu jeder Jahreszeit die Meerestier-Delikatesse schlemmen.<br />
Und zwar fangfrisch. Je nach Ort und Jahreszeit können die Fangkörbe<br />
auch selbst einmal eingeholt werden. Und wer einen fangfrischen Lobster<br />
in bester Qualität ergattern möchte, der besucht einfach einen der<br />
Häfen und kauft direkt vor Ort. Dann jedoch muss selbst zubereitet werden.<br />
Wer das lieber umgehen möchte, nimmt an einem wahrhaft authentischen<br />
Hummererlebnis teil. Das geht am besten bei einem Lobster-<br />
Supper in einem der Küstenorte. Serviert wird er dort in allen möglichen<br />
Facetten. Ein Beispiel wäre die kanadische Variante des norddeutschen<br />
»Fischbrötchens«, die sogenannte »Lobster Roll«, die mit frischem Hummerfleisch<br />
und Mayo in Weißbrot auch der perfekte Picknicksnack für<br />
zwischendurch ist.<br />
Highway to Shells<br />
Die Bay of Fundy ist ein Wunder der Natur.<br />
Ihr hoher Tidenhub bereichert die Bucht derart,<br />
dass Wale sich hier gern zeigen. Zudem<br />
ist der näherreiche Meerboden ideal für die<br />
Königin der Muscheln: die Jakobsmuschel.<br />
Wer sie frisch aus dem Meer mag, kauft sie<br />
am besten gleich im Hafen von Digby. Übrigens schon allein sehenswert,<br />
weil dort die größte Jakobsmuschel-Flotte der Welt vor Anker liegt.<br />
Glücklicherweise lässt sich die Jakobsmuschel – die hier sehr saftig und<br />
zart ist – vielseitig servieren. Unser Favorit: Leicht angebraten, in der<br />
Mitte glasig, garniert auf einer Portion Pasta mit Knoblauch und Butter.<br />
Wo der Eiswein wächst<br />
Kenner wissen Bescheid, aber die Allgemeinheit wundert sich oft darüber,<br />
dass in der doch eher kühl anmutenden Provinz der Wein Tradition hat und<br />
die Trauben auch exzellent wachsen und gedeihen. Heute gibt es mehr als<br />
600 Hektar Rebfläche und etwa 20 Weingüter in verschiedenen Regionen<br />
der Provinz. Unbedingt probieren sollte man den besten Weißwein Nova<br />
Scotias, den Tidal Bay. Als erster Appellationswein ganz Nordamerikas<br />
passt dieser frische Weißwein perfekt zu den Meeresfrüchten, für die Nova<br />
Scotia weltberühmt ist. Besonders rund um das hübsche Örtchen Wolfville<br />
an den Hängen des Annapolis Valley nahe der Bay of Fundy sind exzellente<br />
Weingüter ansässig, die den ein oder anderen Gaumenschmeichler<br />
ausschenken. Eine weitere Spezialität Nova Scotias ist der Eiswein. Mal<br />
den eher lieblichen Wein gekostet? Es lohnt sich: Glücklicherweise bieten<br />
die meisten Weingüter Weinproben an, bei denen auch Eisweine probiert<br />
werden können.<br />
Good Cheer Trail<br />
Ein weiteres Highlight im Schlemmerparadies Nova Scotia ist der »Good<br />
Cheer Trail« – die Route verbindet mehr als 50 Produzenten von Wein, Bier,<br />
Cider und Spirituosen und macht es Besuchern kinderleicht, sich durch<br />
Nova Scotia durchzuprobieren. Auf dem »Good Cheer Trail« trifft man die<br />
Brauer und Handwerker, die ihre ganze Leidenschaft in die Herstellung<br />
eines guten Bieres, Weins oder einer Spirituose stecken. Man kann auf<br />
der Tour Nordamerikas ersten Single-Malt-Whisky direkt aus dem Fass<br />
trinken und lokale Küche genießen. Wie wäre es mit einem Cheese-Tasting<br />
bei einem nahe gelegenen Bauernhof oder einer Fischsuppe – gepaart mit<br />
dem perfekten Nova-Scotia-Wein? Oder man trinkt ein exzellentes Glas<br />
Rum, der in der Festung von Louisbourg hergestellt wurde; genau dort, wo<br />
Soldaten ihn vor Jahrhunderten genossen haben. Prost!<br />
INFO<br />
Mehr Informationen über Nova Scotia finden<br />
Sie unter: www.novascotia.com/de<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
33
RUNDREISE | Interrail<br />
34
B text<br />
Ralf Johnen<br />
Vom Felsenkeller<br />
zum Matterhorn<br />
Eine Bahnreise zu den Elitebrauereien Europas<br />
verrät viel über die Bierkultur des Kontinents.<br />
Ganz nebenbei wird ein solcher Trip zu einer<br />
eindrucksvollen Entdeckungsreise durch die Vielfalt<br />
des Kontinents. Autor Ralf Johnen hat sich mit<br />
dem Interrail-Ticket 1. Klasse einen<br />
Jugendtraum erfüllt.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
35
RUNDREISE | Interrail<br />
Leuven an einem Mittwoch<br />
Bierchen und Bitterballen zum Sonnenuntergang.<br />
Die Rotterdamer nennen es »borrelen«.<br />
Rotterdam an einem Dienstag<br />
Mit Geschichte und Tradition hat diese Stadt nichts am Hut. Dafür bekommt<br />
hier jede noch so abgefahrene Idee eine faire Chance. Das zeigt<br />
sich schon an der Empfangshalle des Bahnhofs: ein futuristischer Bau<br />
in Form eines verzogenen Bumerangs, dessen zinkverkleidete Fassade<br />
so dynamisch wirkt, als handele es sich um ein Terminal für bemannte<br />
Weltraumflüge.<br />
Wenig später entdecken wir würfelförmige Wohnhäuser und eine<br />
Markthalle, deren bewohnbare Außenwände schicke Appartements<br />
beherbergen. An den Ufern der Maas bewundern wir die Erasmusbrücke,<br />
deren eleganter Pylon Erinnerungen an einen Schwanenhals<br />
weckt. Dahinter: Wolkenkratzer und in der Ferne mit Containern beladene<br />
Ozeanriesen, Vorboten des größten Hafens Europas.<br />
Nach der Stadtsafari wächst unsere Neugier, wie sich dieses Umfeld<br />
auf die Arbeit der örtlichen Braumeister auswirkt. Also überqueren<br />
wir die Maas, um die Fenix Food Factory aufzusuchen. Das<br />
angenehm abgerockte Etablissement ist in einer ausgemusterten<br />
Lagerhalle untergebracht, wo sich die Kaapse Brouwers angesiedelt<br />
haben. Das schummrige Lokal wird von Kerzen erleuchtet, in deren<br />
Schein wir den Hinweis auf eine Produktlinie namens »Kaapse Karloffs<br />
Experimental« entdecken. Wir ordern das »Kaapse Grettir«, das<br />
die Braumeister des Hauses gemeinsam mit einem isländischen Kollegen<br />
produziert haben. Zu den Ingredienzen gehört eine frühblühende<br />
Thymianart, die auch auf der subarktischen Insel gedeiht und die dem<br />
Bier eine Minznote verleiht.<br />
Stunden später sitzen wir in der »Wunderbar«, einem Lokal, das mit<br />
allerlei Deutschlandzitaten überrascht. Während wir wie gebannt auf<br />
die Aktivitäten einer Kuckucksuhr starren und uns an einem örtlichen<br />
Weizenbier laben, resümieren wir: Offenbar färbt der Charakter einer<br />
Stadt auch auf ihre Gerstensäfte ab. Eine These, die wir mit auf unsere<br />
zweite Etappe nehmen.<br />
Nach dem Frühstück sitzen wir im Zug nach Leuven. Die belgische<br />
Universitätsstadt mag übersichtlich sein, doch mit AB InBev hat hier<br />
der größte Brauereikonzern der Welt seinen Hauptsitz. Zunächst aber<br />
wenden wir uns der historischen Altstadt zu, die schon im 15. Jahrhundert<br />
eine erste Blütezeit erlebte. Damals war Flandern eines der<br />
größten Handelszentren, was in beträchtlichem Reichtum resultierte.<br />
Aus dieser Epoche stammt das spätgotische Rathaus, das mit seiner<br />
schlanken Statur und seinen üppigen Ornamenten wie aus einem Film<br />
von Tim Burton gefallen scheint.<br />
Doch Leuven besitzt auch eine schroffe Seite. Rund um das Viertel<br />
Tweewaters waren vor langer Zeit die Brauereien beheimatet. Dazu<br />
gehört auch Stella Artois, ein weithin bekanntes Bier nach Pilsener<br />
Brauart, einem Stil, der erst nach der Erfindung effzienter Kühlsysteme<br />
Ende des 19. Jahrhunderts seinen Siegeszug antreten konnte. Das<br />
1926 lancierte Stella wurde so erfolgreich, dass sich der Mutterkonzern<br />
InBev 2008 den amerikanischen Marktführer Anheuser-Busch<br />
(»Budweiser«) einverleiben konnte.<br />
Der Besuch der Brauerei lehrt uns, dass wenig gegen ein frisch<br />
gezapftes Stella spricht. In Gedanken aber sind wir bereits bei unseren<br />
Leihfahrrädern, mit denen wir rund zehn Kilometer gen Norden<br />
fahren. Unser Ziel ist die Kleinbrauerei Hof ten Dormaal. Während<br />
draußen in den Feldern Kohorten von Rennradfahrern ihren Idolen<br />
nacheifern, weiht uns Braumeister Jef Janssens in die Geheimnisse des<br />
Familienbetriebs ein. »Wir sind ein Bauernhof, und wir befinden uns<br />
genau in der richtigen Klimazone. Also bauen wir Hopfen und Malz<br />
selbst an.« Ein Alleinstellungsmerkmal, das nach seiner Kenntnis kein<br />
anderer Betrieb aufweist.<br />
Hinzu kommt ein feines Händchen für traditionelle und experimentelle<br />
Biersorten. Zunächst kredenzt er mit dem »Zure van Tildonk«<br />
ein Lambiek, womit wir uns schon tief in den Feinheiten belgischer<br />
Braukunst befinden. Das Sauerbier kommt nämlich ohne Hefezufuhr<br />
aus, weil diese in der Region rund um Brüssel in der Luft enthalten ist.<br />
Dies löst eine spontane Vergärung aus. Es folgen ein cremiges Amber<br />
und ein Oak Aged Gin Donker, das mit seinen zwölf Prozent Alkohol<br />
vier Monate in einem ausgemusterten Ginfass gelegen hat. Genug für<br />
die Schlussfolgerung, dass ein großer Brauereistandort den kreativen<br />
Umgang mit den Ingredienzen beflügelt.<br />
Autarke Produzenten: Die Brauerei Hof ten<br />
Doormaal stellt alle Zutaten selbst her.<br />
36<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
Die Markthalle von Rotterdam<br />
war schon bei ihrer Eröffnung<br />
eine architektonische Ikone.<br />
Die Kubushäuser hingegen haben<br />
sich nicht durchgesetzt.<br />
Offenbar färbt der Charakter einer Stadt<br />
auch auf ihre Gerstensäfte ab.<br />
herbst <strong>2020</strong> 37
RUNDREISE | Interrail<br />
Hübsch herausgeputzt: Die Altstadt von Pilsen erfreut mit barocken Kaufmannshäusern.<br />
Hier sieht man rot: Steinig und steil<br />
ist die Piste am Gornergletscher,<br />
samtrot die Farbe des Nürnberger<br />
Stadtbieres.<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
In der freundlichen fränkischen Metropole<br />
sind schwangere Frauen dazu verpflichtet,<br />
vier Liter Bier zu trinken – pro Tag.<br />
Fotos: Ralf Johnen (6), Glacier Express, Philip Gow, Philippe Verreault-Julien, Mike van den Bos, Nicole Baster<br />
Nürnberg an einem Donnerstag<br />
Von Experimentierfreudigkeit zeugt auch der Hauptbahnhof von Lüttich,<br />
wo wir in den ICE Richtung Frankfurt umsteigen. Der Spanier<br />
Santiago Calatrava hat den Bahnhof in den Adelsstand eines Instagram-<br />
Hotspots erhoben. Nach ein paar geruhsamen Stunden erreichen wir<br />
am Nachmittag Nürnberg. Hier gilt bis heute offziell ein kurioses Gesetz,<br />
das uns bei der Reiseplanung aufgefallen war: In der freundlichen<br />
fränkischen Metropole sind schwangere Frauen dazu verpflichtet, vier<br />
Liter Bier zu trinken – pro Tag. Die Regel stammt noch aus dem Mittelalter<br />
und ist ernährungsmäßig weniger bedenklich, als es heute klingt,<br />
denn das Trinkwasser war in Städten oft stark verschmutzt und Bier<br />
hatte lediglich zwei Prozent Alkohol.<br />
Wie wir bei einem Rundgang durch die örtlichen Felsenkeller lernen,<br />
waren seinerzeit Dutzende Brauereien in der Stadt aktiv. Sie alle<br />
waren verpflichtet, für die Lagerung Kühlräume anzulegen. So konnte<br />
ein unterirdisches Labyrinth entstehen, dessen Eingang sich stilgerecht<br />
neben einem Gersten verarbeitenden Betrieb befindet: der Hausbrauerei<br />
Altstadthof. Das legendäre Bier überzeugt mit einer wunderbar<br />
rötlichen Farbe und einer ausgewogenen Aromapalette. Auch der<br />
größte Fan sollte sich nicht allein darauf beschränken, denn in Franken<br />
produziert man unzählige köstliche Biere, die aufgrund ihrer geringen<br />
Herstellungsmengen selbst bei Puristen als Craft Beer durchgehen.<br />
Pilsen an einem Freitag<br />
Restaurierte Patrizierhäuser mit verspielten Giebeln begrüßen uns im<br />
Zentrum von Pilsen. Die westböhmische Stadt hat sich fein herausgeputzt<br />
in den vergangenen Jahren. Doch am Stadtrand lebt weiterhin<br />
der ruppige Charme des Ostblocks. Hier steht auch jene Attraktion,<br />
die selbst für Besucher aus Übersee zu einem Zugpflaster geworden<br />
ist: die Brauerei von Pilsner Urquell. In den Katakomben können wir<br />
das Getränk vor der Filtrierung verkosten, was an der Gesamtdiagnose<br />
wenig ändert: Dieses Bier ist dank seines niedrigen Alkoholgehalts<br />
und des hohen Hopfenanteils ein guter Durstlöscher.<br />
Wie wir in unserem abendlichen Domizil erfahren, beschränkt<br />
sich die Verwendung aber nicht nur hierauf. Vielmehr hat das Hotel<br />
Purkmistr das Gebräu zweckentfremdet: Das Spa des Hauses bietet<br />
ein Bad in einem warmen Gemisch aus Bier und Wasser an. Daneben<br />
steht ein Zapfhahn, aus dem eiskaltes Urquell strömt. Apart.<br />
Ein Sonntag in den Schweizer Alpen<br />
Aus logistischen (und gesundheitlichen) Gründen legen wir vor dem<br />
Höhepunkt des Trips einen reinen Reisetag ein. So stehen wir am<br />
Sonntagmittag am Bahnsteig von Chur. In der Hauptstadt des ostschweizerischen<br />
Kantons Graubünden nehmen wir im Panorama-<br />
wagen des Glacier Expresses Platz, wo sich sofort die Überzeugung<br />
einstellt, dass Bahnfahren die Krönung aller Mobilitätsformen ist. Gemächlich,<br />
elegant und sehr verlässlich bahnt sich der Zug seinen Weg<br />
durch die Bergwelten – nicht selten fernab jeder Straße.<br />
In Andernach haben wir Gelegenheit, den Waggon zu verlassen.<br />
Doch nach der Überwindung des 2.033 Meter hohen Oberalppasses, des<br />
höchsten Punkts der Strecke, stehen wir in dickem Nebel. Wir trösten<br />
uns im Zug mit köstlichen Bündner Capuns, mit Spätzleteig gefüllte<br />
und heimischem Käse überbackene Mangoldblätter. Dazu ordern wir ein<br />
Zermatt-Bier mit dem Matterhorn auf dem Etikett. Es stammt aus der<br />
höchstgelegenen Brauerei Europas. Auf den Anblick des fotogenen Berges<br />
müssen wir indes bis zum Vormittag warten, denn wir treffen erst<br />
nach Einbruch der Dunkelheit in dem mondänen Ferienort ein. Es wird<br />
ein Anblick, der nostalgische Gefühle weckt und die guten, alten Zeiten<br />
des Reisens lebendig werden lässt. Wie eine Interrail-Tour durch Europa.<br />
INFO Die Interrail-Tickets sind in verschiedenen Varianten für die<br />
1. und 2. Klasse erhältlich. Los geht es bei vier frei wählbaren<br />
Reisetagen innerhalb eines Monats (€ 328 in der 1. Klasse,<br />
€ 246 in der 2. Klasse), drei Monate ohne Reisebeschränkungen<br />
kosten € 1.202 (1. Klasse) bzw. € 902 (2. Klasse). Bei den<br />
Tickets mit limitierten Reisetagen muss der Verlauf der Reisetage<br />
jeweils zu Beginn von Hand eingetragen werden. Bei den<br />
meisten Hochgeschwindigkeitszügen (wie ICE oder Thalys), vielen<br />
Panoramazügen (wie dem Glacier Express) und einigen Nachtzügen<br />
(etwa den ÖBB Nightjets) müssen lediglich Zuschläge und<br />
Reservierungsgebühren bezahlt werden. www.interrail.eu<br />
Rotterdam, rotterdam.info<br />
Kaapse Grettir von Kaapse Brouwers, www.kaapsebrouwers.nl<br />
Fluffy IPA von Vet & Lazy, lazy.vet<br />
Leuven, www.visitleuven.be<br />
De Zure van Tildonk (Lambiek) von Hof ten Doormaal,<br />
hoftendormaal.com<br />
Brut Bier von Brouwerij de Vlier, www.brouwerijdevlier.be<br />
Stella Artois, www.stellaartois.com<br />
Nürnberg, tourismus.nuernberg.de<br />
Rotbier von der Hausbrauerei Altstadthof,<br />
www.hausbrauerei-altstadthof.de<br />
Schlenkerla Rauchbier, www.schlenkerla.de<br />
Pilsen, www.pilsen.eu<br />
Pilsner Urquell, www.pilsnerurquell.com<br />
Zermatt, www.zermatt.ch<br />
»Matterhorn« von Zermatt Bier, www.zermattbier.ch<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
39
text & fotos<br />
BMarie Tysiak<br />
»FRIESLAND? Meinst du Ostfriesland?« war eine häufige Reaktion, bevor ich mich in die<br />
fast nördlichste Provinz der Niederlande aufmachte. Friesland zählt zu den unbekannteren<br />
Zielen in unserem schönen Nachbarland. Doch hier gibt es viel zu entdecken, denn die<br />
niederländischen Friesen haben sich ihre ganz besondere Kultur bewahrt. Bis heute<br />
sprechen sie zum Beispiel ihre eigene Sprache. Unsere Redakteurin Marie Tysiak war<br />
zu Besuch in Friesland, das weit mehr als Kühe, Küste und Käse hervorgebracht hat.<br />
40 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
RUNDREISE | Friesland<br />
Ich glaube, ich spinne! Da, wo einst Kriminelle ihre Straftaten absaßen, nippen<br />
Gäste heute entspannt in der Beachbar an ihrem Cocktail. Leeuwarden überrascht<br />
mit historischen Gebäuden wie dem alten Gefängnis, in denen sich nun<br />
angesagte Restaurants, Bars, Ateliers und kleine Lädchen befinden.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
41
»Sprache macht menschlich«: In Leeuwarden<br />
finden sich kunstvolle Plätze und ungewöhnliche<br />
Unterkünfte wie die alte Post, nun ein Grandhotel<br />
– und war zur Recht Kulturhauptstadt 2018.<br />
Schief ansehen? Das muss man den<br />
Turm von Leeuwarden nicht, das ist<br />
er ganz von allein. Nicht die einzige<br />
Kuriosität, die Guide Christina auf<br />
einer Stadtführung zeigt.<br />
42<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
RUNDREISE | Friesland<br />
Unweigerlich neige ich den Kopf leicht. Dann schaue ich mich auf<br />
dem weiten Platz um. Nein – der Turm Oldehove ist wirklich schief,<br />
und zwar nicht nur ein bisschen. Christina, die mir im Namen von<br />
A guide to Leeuwarden die Hauptstadt Frieslands zeigt, lacht. »Das<br />
bildest du dir nicht ein«, und sie zückt das erste Bild aus ihrer Mappe.<br />
»Hier«, beginnt sie zu erklären, »siehst du, wie diese spätgotische Kirche<br />
aus dem 16. Jahrhundert aussehen sollte!« Ein prachtvolles Bauwerk<br />
auf ihrem Ausdruck kontrastiert mit dem einsamen Turm aus<br />
rotem Backstein vor mir. Denn was der Bauherr nicht beachtete: Leeuwarden<br />
wurde gegründet, indem sich drei Dörfer auf Warften zusammenschlossen.<br />
Das sind aufgeschüttete Erdhügel, die vor Sturmfluten<br />
schützen sollen. Und genau unter dem Turm befindet sich einer dieser<br />
ersten Hügel, der noch zu Bauzeiten der Kirche unter dem Gewicht<br />
absackte. Sie wurde nie fertig gebaut – alles, was blieb, ist der schiefe<br />
Turm von Leeuwarden. Heute bietet er von oben den schönsten Blick<br />
über die Stadt. Nur schwindelfrei sollte man sein, denn beim Aufstieg<br />
scheint nichts unter den Füßen ebenerdig zu sein.<br />
Es ist nicht die einzige Kuriosität, die ich auf unserer Stadtführung<br />
entdecken sollte. Christina ist aus Deutschland, doch blieb nach ihrem<br />
Studium in Leeuwarden und leitet heute unter anderem die deutschen<br />
Stadtführungen. Es fühlt sich fast ein wenig an, als würde ich mit<br />
einer Freundin durch die beschauliche Innenstadt bummeln. »Schau<br />
mal«, Christina zieht mich zu einem schmalen Fenstersims eines alten<br />
Hansehauses. Darauf stehen fünf kleinste Figürchen, die eine Alltagsszene<br />
am Spielplatz abbilden. Die Miniaturmenschen von Leeuwarden,<br />
die sich über die Stadt verteilen, sind eines der unzähligen Kunstprojekte<br />
hier. Ob Street-Art oder das renommierte Fries Museum – die<br />
Stadt sprüht vor Kreativität. Deswegen bemühten sich die Einwohner<br />
höchstpersönlich um die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2018 – und<br />
erhielten die Ernennung!<br />
Ich lerne schnell: Die Friesen sind hartnäckig und anders als der<br />
Rest der Niederlande, oder zumindest betonen sie das gerne. Jedenfalls<br />
sprechen sie heute noch ihre eigene Sprache: Friesisch. Besonders<br />
auf dem Dorf lernen viele Kinder erst in der Schule Niederländisch.<br />
Auch ist man stolz auf die kreativen Errungenschaften der Friesen.<br />
Der berühmteste von ihnen ist wohl M. C. Escher, der Anfang des 20.<br />
Jahrhunderts mit seinen unmöglichen Figuren und Grafiken weltbekannt<br />
wurde. Eschers prunkvolles Geburtshaus, ein Palais aus dem 17.<br />
Jahrhundert, beherbergt heute das Keramikmuseum in Leeuwarden.<br />
Ein kleiner Geheimtipp ist sein Kellerraum, der als eine Art lebensgroßes<br />
Escher-Gemälde jeden Orientierungssinn der Besucher täuscht.<br />
Das Geburtshaus von Mata Hari, nur wenige Straßen weiter an einer<br />
schönen Gracht gelegen, steht hingegen aktuell leer. Das Fries Museum<br />
stellt eines ihrer aufreizend opulenten Kostüme aus.<br />
Von hier aus führt Christina mich an den schönen Shops der »Kleine<br />
Kerkstraat« und den unzähligen Cafés der Nieuwestad durch schmale<br />
Gassen in den Osten der Innenstadt. Prunkvoll erstrahlt die Schönheit<br />
aus der niederländischen Neorenaissance, in der auch ich in meiner Zeit<br />
in Leeuwarden nächtigen werde. Das Post Plaza ist das schönste Grandhotel<br />
der Stadt und bestimmt eine der ungewöhnlichsten Unterkünfte<br />
der ganzen Niederlande. Dort, wo früher in der gigantischen Eingangshalle<br />
Briefe an den Schaltern entgegengenommen wurden, werden<br />
heute Drinks in der Bar des Grand Café ausgeschenkt. Das ehemalige<br />
Telefonistinnenzimmer dient für Feierlichkeiten. Doch überall im Hotel<br />
erinnern Fotos und Artefakte an das Hauptpostamt, das von 1904 bis in<br />
die 1990er-Jahre Leeuwarden von hier mit der Welt verband.<br />
Nur wenige Minuten weiter bleiben wir vor einem weiteren historischen<br />
Prunkstück der Stadt stehen: dem ehemaligen Gefängnis im<br />
Herzen von Leeuwarden. Beim ersten Anblick erinnert es an eine<br />
herrschaftliche Festung umrahmt von einem Wassergraben. Auch hier<br />
zeigt sich wieder, wie es den Friesen gelingt, sich ihre Geschichte und<br />
Kultur zu bewahren und doch dabei tolle neue Orte der Moderne zu<br />
erschaffen. Während wir über das Kopfsteinpflaster der Fußgängerbrücke<br />
unter dem eisernen Tor in den Innenhof schreiten, steigt ein mulmiges<br />
Gefühl in mir auf. Gitterstäbe versperren die Fenster, in denen<br />
noch bis 2007 Kriminelle ihre Strafe absaßen. Als das Gebäude den<br />
Feuerschutzrichtlinien für Strafanstalten nicht mehr standhielt, verlagerte<br />
man das Gefängnis in ein neues Gebäude am Stadtrand. Und<br />
heute? Natürlich beherbergt der Komplex allerlei kreative Projekte.<br />
»Die öffentliche Stadtbibliothek nimmt zum Beispiel diesen linken<br />
Flügel ein«, zeigt Christina auf einen Teil des ockerfarbenen Baus.<br />
»Und in den ehemaligen Zellen«, sie weist ein Stück weiter, »haben<br />
heute viele kleine Läden ihre Ausstellungsfläche.« Wir treten durch<br />
den ersten Innenhof in einen weiteren. Sand, Liegestühle, bunte Deko-<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
43
RUNDREISE | Friesland<br />
Auch Oranjewoud im Süden Frieslands<br />
hat einige Überraschungsmomente<br />
in petto: herrschaftliche<br />
Häuser aus dem 17. Jahrhundert<br />
und sehenswerte Kunst im<br />
Museum Belvédère.<br />
rationen und Lampions zieren den Hof. »Da hinten ist das Proefverlof,<br />
eines der schönsten Restaurants der Stadt.« Gleich am Wassergraben<br />
werden auf der Terrasse edle Steaks und Seafood serviert. »Manche<br />
Einwohner aus Leeuwarden <strong>reisen</strong> mit ihrem eigenen Boot zum Restaurant<br />
an«, führt Christina fort, als wir das ehemalige Gefängnis wieder<br />
durch das Tor verlassen und ein Boot unter der Brücke passiert.<br />
Wie sehr Leeuwarden von Wasser und Kanälen bestimmt ist, lerne<br />
ich des Abends, als ich einen weiteren Einwohner der Stadt kennenlerne.<br />
Hette van den Brink, den Gondoliere von Leeuwarden, treffe ich<br />
am Museumshafen, er hat seine original venezianische Gondel schon<br />
fertig gemacht. Es ist ein perfekter Sommerabend, die einstündige<br />
Fahrt auf dem elf Meter langen Kahn über die Grachten der Stadt vorbei<br />
an den vielen Segelbooten und schönen Häusern versetzt mich in<br />
Verzückung. Leeuwarden kann absolut mit Italien mithalten, nicht nur<br />
dank des schiefen Turms.<br />
Die Tage in Leeuwarden vergehen viel zu schnell. Doch zum Glück<br />
habe ich noch einen weiteren Ort in Friesland auf dem Programm.<br />
Weite Felder und saftige Wiesen, die hier und da mit grasenden Kühen,<br />
Seen oder manchmal einer historischen Windmühle bespickt<br />
sind, begleiten mich auf dem Weg nach Süden. Dass es nur noch<br />
knapp drei Stunden bis nach Köln sind, verdränge ich.<br />
»Oranjewoud«, zu Deutsch der orangene Wald, liegt etwas versteckt,<br />
jedoch umso majestätischer im Süden von Friesland. Ich folge<br />
schmalen Alleen und idyllischen Kanälen. Der erste Landsitz taucht<br />
am Wegesrand zwischen hohen Eichen auf. Gut ein halbes Dutzend<br />
herrschaftlicher Häuser aus dem 18. Jahrhundert thront heute noch<br />
in diesem versteckten Winkel der Niederlande. Daher rührt auch der<br />
Name Oranjewoud: Besonders die Königsfamilie pflegte in dem dichten<br />
Wald ihre Sommerhäuser und nutzte den nahen Wald als Jagdgründe.<br />
Die Idylle hier ist kaum zu übertreffen. Heute ist der Landschaftspark<br />
ein Paradies für Fahrradfahrer und Wanderer. Und auch<br />
Kunstliebhaber kommen natürlich ebenso wieder nicht zu kurz. Deshalb<br />
bin auch ich heute hier.<br />
Ich parke gleich vor dem modernen Glasbau, der sich wie selbstverständlich<br />
über einen der vielen Kanäle im Park spannt. Es ist Mittagszeit<br />
und heiß, Kinder springen von der kleinen Holzbrücke mit einem<br />
lauten Platsch ins kühle Nass, das von Schilf und Springbrunnen<br />
umrahmt ist. Im Glasbau des Museum Belvédère erwartet mich nicht<br />
nur eine heiß ersehnte Klimaanlage, sondern auch modernste Kunst –<br />
ein toller Kontrast zu der geschichtsträchtigen Landschaft. Die aktuelle<br />
großformatige Foto- und Videoausstellung zur Generation Z – also<br />
den Jugendlichen, die um die Jahrtausendwende geboren sind – lässt<br />
tief einblicken in die Gedanken der Teens auf der Suche nach Identität,<br />
Zugehörigkeit und persönlichen Werten in einer Welt, die von Großereignissen<br />
und Digitalität bestimmt wird.<br />
Zum Abschluss meiner Reise freue ich mich noch auf ein Highlight<br />
in der Region Friesland: ein Mittagessen im »De Heeren van Harinxma«,<br />
dem einzigen Michelin-Sterne-Restaurant von Friesland. Es<br />
liegt prachtvoll im alten Landsitz Lauswolt, das außerdem Frieslands<br />
einziges Fünf-Sterne-Hotel und den schönsten Golfplatz der Provinz<br />
beherbergt. Auf den Tisch, so wurde mir versprochen, kommen raffnierte<br />
und regionale Köstlichkeiten, die größtenteils im eigenen Garten<br />
angepflanzt werden. Beim Aussteigen bin ich mir sicher: Auch hier<br />
werden mich die Friesen wieder überraschen mit ihren einzigartigen<br />
und ganz speziellen Kreationen!<br />
INFO Mehr Informationen zur Provinz finden Sie auf der Website des<br />
Fremdenverkehrsamtes Visit Friesland unter: www.friesland.nl/de<br />
LEEUWARDEN<br />
A Guide to Leeuwarden. Spannend gestaltete private und kostenfreie<br />
öffentliche Stadtführungen durch Leeuwarden, auch auf<br />
Deutsch möglich. www.aguidetoleeuwarden.nl/de<br />
Post Plaza. Die schönste Unterkunft in Leeuwarden, eindrucksvoll<br />
im alten Postamt gelegen. Vier-Sterne-Hotel mit 82 Zimmer,<br />
DZ um E 116. www.post-plaza.nl/en/index.html<br />
Gondeltour. Die schönste Art, Leeuwarden vom Wasser aus zu<br />
erkunden. Einstündige Fahrt ab E 18,50. www.gondolatours.nl<br />
Proefverlof. Edles Restaurant im ehemaligen Gefängnis von<br />
Leeuwarden mit Terrasse am Wassergraben. www.proefverlof.frl/de<br />
SÜDFRIESLAND<br />
Museum Belvédère. Museum für moderne Kunst im Oranjewoud<br />
inmitten seiner herrschaftlichen Landgüter gelegen.<br />
www.museumbelvedere.nl<br />
Landgut Lauswolt. Frieslands einziges Michelin-Sterne-<br />
Restaurant, das lokale Zutaten in köstliche Kreationen<br />
verwandelt. www.lauswolt.nl/de<br />
Reise-Tipps finden Sie unter auf.reise/friesland-tipps<br />
44<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
Special<br />
LIEBLINGSHOTELS<br />
Es gibt Hotels, die inspirieren, verzaubern und sind einfach unvergesslich schön.<br />
Wir haben tief in unseren Herzen gekramt und küren für Sie dieses Jahr wieder unsere absoluten<br />
Lieblingshotels, zu denen wir augenblicklich zurückkehren möchten. Und weil wir wissen,<br />
wie schwierig weite Reisen in diesen Zeiten sein können, sind es diesmal vor allem Hotels in Europa,<br />
die wir wärmstens empfehlen können! Doch auch ein bisschen Fernweh darf sein.<br />
Deswegen ist auch ein tropisches Traumhotel dabei.<br />
LUXUS WELLNESS DESIGN<br />
Foto: Aman Hotels; Illustration: Kapreski/Shutterstock.com<br />
46 Shangri-La’s<br />
Le Touessrok Resort & Spa<br />
Es ist der absolute Sehnsuchtsort unserer<br />
Autorin Simone auf der wunderschönen<br />
Insel Mauritius.<br />
Lieblings<br />
HOTELS<br />
<strong>2020</strong><br />
84 Neue Hotels<br />
Diese schicken Schuppen, die gerade frisch<br />
geöffnet haben, stehen ganz oben<br />
auf unserer Wunschliste!<br />
54 Océano Hotel Health Spa<br />
Eine Thalassotherapie? Autorin Simone ließ<br />
sich auf den heilenden Selbstversuch im<br />
Océano Hotel Health Spa ein.<br />
60 Natural Spa &<br />
Golf Resort Terme di Saturnia<br />
Im Süden der Toskana lädt das Natural<br />
Spa & Golf Resort Terme di Saturnia zu ganz<br />
viel Entspannung und italienischem<br />
Dolce Vita ein.<br />
64 The Retreat<br />
at Blue Lagoon<br />
Dort, wo Vulkane brodeln und heißes<br />
Thermalwasser aus dem Erdinneren<br />
sprudelt, verwöhnt das The Retreat<br />
an der blauen Lagune!<br />
72 Perianth Hotel<br />
Das Perianth Hotel im Herzen von Athen<br />
verwirklicht Designträume.<br />
76 Boat&Co Amsterdam<br />
Direkt am Wasser hat das durchgestylte<br />
Hotel Boat&Co eröffnet. Ein Garant für eine<br />
grandiose, bunte und gut gelaunte Zeit.<br />
80 Lighthouse Hotel & Spa<br />
Das Lighthouse Hotel & Spa verzaubert mit<br />
moderner Gemütlichkeit alle Landratten<br />
und Seemänner.<br />
88 Wohnträume<br />
Wir zeigen ausgewähltes Interieur der<br />
Spitzenhotels weltweit für Ihr Zuhause.<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
45
LUXUS<br />
Ob Privatvilla mit Pool und eigenem Strandabschnitt für die ganze Familie oder ein schönes Doppelzimmer für romantische Stunden zu zweit,<br />
Shangri-La's Le Touessrok im Nordosten der schönen Insel Mauritius lässt mitten im Indischen Ozean so manchen Traum wahr werden.<br />
Shangri-La's Le Touessrok Resort & Spa<br />
Mauritius
Mein<br />
SEHNSUCHTSORT<br />
Noch vor der weltweiten Corona-<br />
Krise durfte <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>-Autorin<br />
Simone Sever den Äquator überfl iegen, um<br />
für einige Tage im luxuriösen Shangri-La<br />
Le Touessrok Resort & Spa auf<br />
Mauritius zu entspannen. Dass diese<br />
Reise eine derart nachhaltige Wirkung<br />
nicht nur auf das Wohlbefi nden unserer<br />
<strong>reisen</strong>den Reporterin haben würde, konnte<br />
zu dem Zeitpunkt noch niemand ahnen.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
47
LUXUS<br />
»SHANGRI-LA IST EIN SYNONYM<br />
FÜR DAS PARADIES ODER AUCH EIN<br />
IDEALER RÜCKZUGSORT.«<br />
Der Indische Ozean ist gefühlt nur einen leichten und erfrischenden<br />
Hauch kühler als die Morgensonne auf der<br />
Südhalbkugel. Ein weißes Boot wiegt sich kaum sichtbar<br />
auf den sanften Wellen, in den Sand hat jemand ein riesengroßes<br />
Herz gemalt. Der erste Morgen im Shangri-La's Le<br />
Touessrok Resort & Spa, Mauritius fühlt sich an, als wäre ich mitten<br />
im Paradies gelandet, und doch habe ich zu dem Zeitpunkt noch keinerlei<br />
Vorstellung, was dieser Sehnsuchtsort noch alles kann.<br />
BUTLERESS BHARTEE PACKT AUS<br />
Aber der Reihe nach: Knapp 16 Stunden Anreise von meiner Haustür<br />
zur Zimmertür an die Ostküste des Inselstaats Mauritius liegen<br />
hinter mir, als mich Bhartee, meine Butleress, in die Feinheiten der<br />
Junior-Suite Frangipani Club 210 einweist. Hier darf ich die nächsten<br />
sechs Nächte und sieben Tage wohnen. »Alles in der Minibar«, erklärt<br />
mir Bhartee, »ist im Zimmerpreis inkludiert!«. Sogleich reicht sie mir<br />
ein Glas mit gekühltem Kokoswasser. Frisches Obst und eine Flasche<br />
Rosé-Champagner sind ein zimmerkategorienabhängiger Willkommensgruß.<br />
Wer so begrüßt wird, bei dem katapultiert sich das Wohlgefühl<br />
auf einer nach oben offenen Richterskala gleich mal haushoch<br />
übers Ziel hinaus. Der Blick auf den Coral Beach, direkt unter meinem<br />
Balkon, produziert noch mehr Glücksendorphine. Farben und Formen<br />
des knapp 70 Quadratmeter großen Zimmers spiegeln die Natur draußen<br />
vor dem Fenster: stilisierte Wellen, die im offenen Badezimmer<br />
mit frei stehender Badewanne als Sichtschutz an Türen zu Dusche und<br />
WC dienen. Korallen anmutende Kunstobjekte und formschöne Skulpturen<br />
aus Treibholz schmücken Wohn- und Schlafbereich. Die natürlichen<br />
Sandtöne der Steinfliesen und des sanft geschwungenen Sofas<br />
sind akzentuiert mit meerblauen Kissen. Im Badezimmer rund um die<br />
frei stehende Wanne spenden hölzerne Gefäße Duschgel, Shampoo,<br />
Conditioner und außerdem Sonnencreme und Mückenschutz. Die üblichen<br />
Accessoires wie Wattepads und Nagelfeile sind natürlich verpackt,<br />
auf Plastik wird weitestgehend verzichtet.<br />
Während ich mich auf dem Balkon noch immer nicht sattsehen kann<br />
am Indischen Ozean, der gerade unter dunklen Wolken helltürkis aufleuchtet,<br />
ist meine Butleress schon dabei, mein Gepäck in die Schränke<br />
zu räumen.<br />
EIN GARTEN EDEN<br />
In der offenen Hotellobby begrüßen Anthurien, prachtvolle Flamingoblumen<br />
und Strelitzien als raumfüllende Blumenarrangements die<br />
neuen Gäste. Wer mag, holt sich kurz ein Eis. Mango und Zitronensorbet<br />
sind nur zwei von insgesamt zwölf hausgemachten Sorten und die<br />
perfekte Wegenahrung für einen Spaziergang über das 34 Hektar große<br />
Gelände. Das Areal des Resorts kommt einem Garten Eden gleich:<br />
Palmen, die den strahlend blauen Himmel berühren, Hibiskusblüten<br />
in sattem Rot. Zauberhafte Frangipani in leuchtendem Weiß oder in<br />
der rosafarbenen Edition. Am Erwachsenenpool – es gibt natürlich<br />
auch noch einen Familienpool – ist es ruhig, nur der Soundtrack der<br />
gelben Webervögel, die ihre Nester hoch oben in der Palmenkrone<br />
kunstvoll drapiert haben, ist zu hören. Wenig später vergesse ich beim<br />
Schwingen in einer hölzernen Hängeschaukel Zeit und Raum.<br />
Es ist diese unendliche Ruhe, die Unaufgeregtheit und die Gastfreundschaft<br />
mit der Hand auf dem Herzen und einem angedeuteten<br />
Kopfnicken, einer Begrüßung, der ich überall im Hotel, an der Rezeption,<br />
am Pool, am Strand, in den Restaurants begegne: herzlich,<br />
einzigartig und zu jeder Zeit aufmerksam. Barthee etwa ist gleich am<br />
ersten Tag aufgefallen, dass ich gern Kokoswasser trinke. Jetzt steht<br />
jeden Abend ein frisches Glas in meiner Minibar, obwohl das gesunde<br />
Getränk sonst eigentlich nur am Anreisetag offeriert wird.<br />
ZEITLOS GLÜCKLICH<br />
Bereits nach wenigen Stunden habe ich meinen Terminkalender komplett<br />
vergessen, mein Zuhause im kalten Norddeutschland ist nur noch<br />
48 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
Es ist die Definition von maßgeschneidertem Luxus: In den drei privaten Beachvillen des Shangri-La's Le Touessrok Resort & Spa trifft zeitgenössischer<br />
Stil auf tailormade Interieur, geschmückt mit lokalen Kunstobjekten, und verzaubert so den Gast mit mediterraner Leichtigkeit.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
49
LUXUS<br />
Wolke-Sieben-Feeling: die Füße im Sand, einen<br />
kühlen Signature-Cocktail in der Hand, das<br />
sanfte Rauschen der Wellen … Am Hibiskusstrand<br />
sitzt es sich nicht nur während des<br />
Sonnenuntergangs am Republik Beach Club &<br />
Grill mehr als bequem.<br />
50
Im Bett faulenzen<br />
und dem Rauschen<br />
der Wellen lauschen,<br />
in den geschmackvollen<br />
Deluxe-Coral-<br />
Zimmern kann man<br />
sich nur wohlfühlen.<br />
»SHANGRI-LA, SO HEISST ES, IST EIN<br />
FIKTIVER ORT, AN DEM DIE MENSCHEN<br />
IN FRIEDEN UND HARMONIE LEBEN.«<br />
Fotos: Shangri's Le Touessrok Resort & Spa (7); Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
eine grau bewölkte Erinnerung in meiner Gedankencloud. Das scheint<br />
auch anderen Gästen in dieser Glücksoase ähnlich zu ergehen und damit<br />
niemand etwa seine Foot-Reflexology im Spa »Chi« am Wednesday<br />
oder eine Tischreservierung im »Safran«, dem Indian Restaurant, am<br />
Saturday vergisst, reicht ein vorbeispazierender Blick in formschöne<br />
Sandbehälter, die überall auf dem Hotelgelände aufgestellt sind. »Wed«<br />
verrät, dass es Mittwoch ist. Mir verrät es: terminlos glücklich!<br />
Geflochtene Ruheinseln, weich gepolsterte Tagesbetten – immer mit<br />
genügend Abstand – verschaffen am weitläufigen Hibiskusstrand niemals<br />
das Gefühl von Menschenansammlungen. Die Exklusivität ist auch<br />
bei ausgeschöpfter Kapazität der 200 Zimmer und Suiten und der drei<br />
privaten Beachvillen nicht nur ein Wort, sondern ein gefühltes Erlebnis.<br />
Auf einer der Ruheinseln stelle ich meine Tasche ab, frische flauschige<br />
Badetücher liegen bereit, und bevor ich es mir gemütlich machen<br />
will, geht mir das stets freundliche und zuvorkommende Hotelpersonal<br />
bereits zur Hand. Eine Kühlbox mit kaltem Wasser in<br />
einer Glasflasche steht nun für mich bereit. Ich muss nur noch ruhen<br />
und genießen und kurz noch einmal das Gesicht eincremen, als mich<br />
Owen vom Beachcast mit sanfter Stimme fragt, ob meine Sonnenbrille<br />
ein Putztuch vertragen könnte. Im Ernst? Mir wird tatsächlich meine<br />
Sonnenbrille geputzt? Ich bin so voller Dankbarkeit und kann das<br />
Glück jetzt noch viel besser sehen.<br />
DANKE FÜR DEN FISCH!<br />
Das japanische Fine-Dining-Restaurant »Kushi« verwöhnt am Abend<br />
mit allerfeinstem Fisch und Meeresgetier in Sushi- und Sashimivariationen:<br />
Lobster, Lachskaviar, Thunfisch, Seeigel … eine Crème brûleé<br />
von Grüntee als Dessert. Wer braucht nachts noch Träume, wo hier im<br />
Indischen Ozean auf der schönen Insel Mauritius doch Paradies und<br />
Schlaraffenland ineinander verschmelzen?<br />
ROBINSONESQUE<br />
Mit dem hoteleigenen Boot setze ich über auf die Ilot Mangénie, die<br />
Privatinsel des Shangri-La's Le Touessrok Resort & Spa. Der hölzerne<br />
Steg im aquamarinfarbenen Ozean, an dem mein Boot anlegt, könnte<br />
auch als kitschige Fototapete Karriere machen. Schon die kurze Bootsfahrt<br />
produziert körpereigene Glückshormone im Nanosekundentakt.<br />
Die wenigen Passagiere, die mit mir die Bootsfahrt genießen durften,<br />
schlurfen nun zum öffentlichen Strandabschnitt des Eilands. Ich lande<br />
in luxuriöser Einsamkeit mit Beach-Cabana, frischem Obst und auf<br />
Eis gelegtem Rosé, mit Weezer im Ohr stimme ich ein »On an Island<br />
in the sun … and it makes me feel so fine I can't control my brain. Hip<br />
hip« Lautes Singen, Selbstgespräche – hier ist außer meinem Butler für<br />
den Tag keine Menschenseele weit und breit zu sehen. Badewannenwarm<br />
ist das Wasser und der Strand führt flach und weichsandig in<br />
hüfttiefe Glückseligkeit. Vereinzelt ziehen Wolken über das Inselchen.<br />
Zum Mittag ist der Tisch gedeckt, von der Ceviche mit fangfrischem<br />
Fisch in Kokosmilch, die im »Ilot Mangénie Beach Restaurant« für<br />
mich geordert wurde, werde ich für den Rest meines Lebens träumen.<br />
Hand aufs Herz, mein Dank könnte nicht herzlicher sein. Meinen<br />
Sehnsuchtsort habe ich auf dieser Reise gefunden.<br />
Nachtrag: Sommer <strong>2020</strong>. Die Welt im Corona-Ausnahmezustand.<br />
Wenn die Nachrichten zu sehr überfordern, fliehe ich in Gedanken zu<br />
meinem Shangri-La, und wenn ich Bekannten und Freunden auf der<br />
Straße begegne, grüße ich Sie mit gebührendem Abstand und mit der<br />
Hand auf meinem Herzen.<br />
INFO<br />
Shangri-La's Le Touessrok Resort & Spa, Trou d‘Eau Douce,<br />
Mauritius. DZ für 2 Pers. inkl. Frühstück ab E 320.<br />
www.shangri-la.com/mauritius/shangrila/<br />
Air France www.airfrance.de und Air Mauritius,<br />
www.airmauritius.com fl iegen direkt von Paris.<br />
Unsere Reise-Tipps finden Sie unter auf.reise/mauritius-tipps<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
51
WAHRE SCHÄTZE SIND DIESE BEAUTYPRODUKTE,<br />
UM DIE GESICHTSHAUT WIEDER AUF VORDERMANN<br />
ZU BRINGEN. LUXURIÖSE BEAUTY MIT ANTI-AGING-<br />
EFFEKT – EINFACH GOLDWERT!<br />
Goldwert<br />
2 |<br />
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GOLDJUNGE<br />
Anti-Aging-Pflege aus den<br />
Tiefen des Ozeans: Das<br />
»SeaCreation The Serum«<br />
von Barbor reduziert<br />
vorhandene Alterserscheinungen<br />
für ein verjüngtes<br />
Hautbild. 30 ml, € 180<br />
1 |<br />
2<br />
GOLDRAUSCH<br />
Schlafmangel? Mit der<br />
»Overnight Wrinkle<br />
Resisting Cream« nun kein<br />
Problem mehr, denn<br />
die Nachtcreme von Shiseido<br />
vertuscht gekonnt<br />
schlaflose Nächte, indem<br />
sie gezielt die Falten<br />
bekämpft. 50 ml, € 95<br />
1 |<br />
3 |<br />
4 |<br />
3 |<br />
3<br />
GOLDGRÄBER<br />
Für mehr Ausstrahlung<br />
und Vitalität: Die<br />
Tagespflege »Excellence<br />
Énergie or soin jour« von<br />
Eisenberg wirkt wie<br />
Urlaub für die Haut.<br />
Seidenpeptide mit einer<br />
zarten Goldschicht reduzieren<br />
Zellstress. 50 ml,<br />
€ 239<br />
4<br />
GOLDSCHATZ<br />
Avocado-, Tomatenkernund<br />
Hagebuttenöl sowie<br />
Retinoid fördern die<br />
natürliche Zellerneuerung<br />
der Haut. Australisches<br />
Sandelholz-Extrakt unterstützt<br />
die Reduzierung<br />
von Entzündungen und<br />
Fältchen. Votary, »Intense<br />
Night Oil – Rosehip und<br />
Retinoid«, 50 ml, € 175<br />
Text & Produktion: Ulrike Klaas; Fotos: Jennifer Latuperisa-Andresen<br />
52<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
BEAUTY<br />
5 |<br />
5<br />
GOLDIG<br />
Essenzen aus acht Blüten aus der<br />
ganzen Welt vermischen sich in<br />
diesem regenerierenden Elixier.<br />
Glättet Falten und duftet himmlisch.<br />
Darphin, »Essential Oil Elixier –<br />
8-Flower Nectar Oil«, 15 ml, € 126<br />
6<br />
GOLDMARIE<br />
Entschlackende und entgiftende Tonerdemaske<br />
»Detoxing Amazon Clay<br />
Mask« von Shamanic auftragen und<br />
nach dem Abwaschen den Anblick<br />
der erfrischten und leicht gebräunten<br />
Haut genießen. 38 g, € 39<br />
8 |<br />
7<br />
GOLDSCHÖN<br />
Schützt mit Hyaluronsäuren Nacht<br />
für Nacht vor Feuchtigkeitsverlust<br />
und lässt die Haut morgens<br />
taufrisch aussehen. »Moonlit<br />
Meadows Moisturizer« von<br />
Bynacht, 50 ml, € 140,<br />
über niche-beauty.com<br />
8<br />
GOLDEN GOAL<br />
Schmeckt auch der Haut gut:<br />
Das »Imperial Serum« aus der<br />
Anti-Aging-Linie »Caviar Power«<br />
strafft und festigt. Von Klapp<br />
Cosmetics, 40 ml, um € 102<br />
9<br />
GOLDEN EYE<br />
Das sehr leichte Fluid »Glacial<br />
Radiance« repariert sonnen- und<br />
UV-geschädigte Haut. Pigmentstörungen<br />
werden aufgehellt und<br />
der Teint wird wieder ebenmäßig.<br />
Von der neuen deutschen Beautymarke<br />
ten.twelve. 30 ml, € 129<br />
6 |<br />
10<br />
GOLDESEL<br />
Stress ade! Die Nachtcreme »Le<br />
Lift Crème de nuit« von Chanel<br />
beruhigt die Haut von den Strapazen<br />
des Tages mit natürlichen<br />
Inhaltsstoffen und optimiert die<br />
Zellerneuerung. 50 ml, € 125<br />
9 |<br />
7 |<br />
10 |<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
53
WELLNESS<br />
Océano Hotel Health Spa Teneriffa<br />
54
Die heilende<br />
KRAFT DES MEERES<br />
Das Rauschen der Wellen ist allgegenwärtig und mein<br />
Begleiter für die nächsten Tage. Im Océano Hotel Health Spa<br />
im Norden Teneriffas, der größten kanarischen Insel, liegt schon<br />
der Einwochenplan der Thalassotherapie für <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>-<br />
Autorin Simone Sever bereit. Ein Selbstversuch.<br />
herbst <strong>2020</strong> <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
55
WELLNESS<br />
Wenn die Sonne am Abend im<br />
Atlantischen Ozean vor der<br />
Nordküste Teneriffas versinkt,<br />
ist der Leuchtturm Faro de la<br />
Punta Hidalgo ein echter Place<br />
to be, dann färbt das sanfte<br />
Sonnenlicht den 50 Meter<br />
hohen weißen futuristischen<br />
Betonquader mal rosa, mal<br />
orange … und immer<br />
einzigartig.<br />
56
DER FARO DE LA PUNTA DEL HIDALGO,<br />
DER EHER WIE EINE FUTURISTISCHE<br />
KIRCHE AUS STAR WARS ANMUTET,<br />
RAGT IN DIE HÖHE.<br />
Eigentlich weiß ich nur, dass Thalasso irgendwas mit Meer<br />
bedeutet. Wikipedia verrät: »Thalasso bezeichnet die Behandlung<br />
von Krankheiten mit kaltem oder erwärmtem<br />
Meerwasser, Meeresluft, Sonne, Algen, Schlick und Sand.«<br />
Das Meer als unerschöpfliche Energiequelle überzeugt mich<br />
schon jetzt in meinem Designzimmer 309 in der dritten Etage des<br />
Hotels. Meine bodentiefen Glastüren zum Balkon mit gläserner Begrenzung<br />
geben den unverbauten Blick auf die pulsierenden Elemente<br />
des Atlantiks frei. Selbst heute, bei leichtem Wind, brechen sich die<br />
atlantischen Wogen hörbar mit voller Kraft am Lavagestein direkt unter<br />
mir. Ich muss ausspannen, will – muss – etwas für mich tun, mir<br />
Zeit und Erholung gönnen. Das Océano, welches in den 1970er-Jahren<br />
als weiße Burg am spanischen Strand gebaut wurde, unterzog sich im<br />
Jahr 2019 einer Schönheitskur. Jünger, strahlender, formschöner hat<br />
es sich jetzt positioniert. Das Haus am Meer setzt sich spielerisch mit<br />
Licht und Schatten in Szene und strahlt so hell wie nie zuvor. Das<br />
könnte ich auch gebrauchen. Mein 7-Tage-Plan wartet.<br />
SALZ AUF MEINER HAUT<br />
Die Sonne ist bereits aufgegangen, vor dem Frühstück steht Workout<br />
mit leichten Stretching- und Entspannungsübungen auf dem Programm<br />
– freiwillig! Der Wind fegt inzwischen deutlich angestrengter<br />
über das Wasser, ich kann das Salz auf meinen Lippen beinahe spüren.<br />
Beim Salzölpeeling nach dem Frühstück fühle ich mich ein bisschen<br />
wie ein gepökelter Salzhering und schlafe bei der anschließenden Relaxmassage<br />
bereits nach wenigen Minuten ein. Rauf aufs Zimmer, fix<br />
umziehen für einen kleinen leichten Snack am Mittag. Ein persönliches<br />
Gespräch mit dem Arzt, ein Kaffee am Nachmittag … immer in<br />
Bewegung bleiben.<br />
Auch Anfang des Jahres hat die Sonne wärmende Kraft, die Liegen am<br />
neu platzierten, jetzt dem Meer zugestreckten Pool erlauben Glückseligkeit.<br />
Direkt vor dem Hotelgelände, nur einige Stufen und Schritte<br />
zur Wasserkante, liegt das Piscina Natural, ein öffentliches und recht<br />
erfrischendes atlantisches Naturbecken. Es kostet viel Überwindung,<br />
sich einzulassen, doch nach ein paar kraftvollen Schwimmzügen<br />
kommt die Körperwärme langsam zurück. Im kuscheligen Océano-Bademantel<br />
sind es nur wenige Schritte zurück zu meiner Hotelgartenliege.<br />
Streut mir das Sandmännchen plötzlich Müdigkeit in die Augen<br />
oder ist es das Meerwasser, das erste Wirkung zeigt? Zum leichten<br />
Dinner im neu renovierten Restaurant La Marea des Océano Hotel<br />
Health Spa sitzt es sich stilvoll in modernen Möbeln und dezenten<br />
Farbwelten. Einzige farbintensive Pracht sind die Gerichte wie etwa<br />
mein bestellter Salat Océano mit Shrimps, Avocado, Roter Bete und<br />
Papaya – die übrigens tatsächlich hier auf der Insel wachsen –, die das<br />
zuvorkommende Restaurantpersonal am Tisch serviert.<br />
Der Sound der Wellen, den ich als Luxusgut verstehe, wiegt mich<br />
bereits am frühen Abend bei geöffneter Balkontür in den tiefen Schlaf<br />
und singt mir zum Sonnenaufgang ein Lied.<br />
DER STRESS DER ENTSPANNUNG<br />
Geschmackvoll:<br />
Wiederverwendbare<br />
Wasserflaschen finden<br />
die Gäste auf den<br />
Zimmern im Océano<br />
Hotel Health Spa.<br />
Robin wartet auf der anderen Straßenseite im COHM, im Center of<br />
Healthy Motion, auf mich. Er ist mein Personal Trainer für die nächsten<br />
50 Minuten und zeigt mir Übungen, die ich in meinen Tagesablauf<br />
einbauen kann. Er erklärt, wie ich Wände zum Dehnen meiner nicht<br />
vorhandenen Muskeln nutze, wie ich »in Schwung« komme. Ganz<br />
sanft, meinem derzeitigen sportlichen Aktionslevel, der eher unterschwellig<br />
ist, entsprechend. Kein Überfordern, kein Belächeln. Nach<br />
meiner ersten Stunde mit ihm fühle ich mich schon mindestens wie<br />
Simone Biles, die erfolgreiche Olympionikin, und das nicht nur des<br />
gemeinsamen Vornamens wegen.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
57
WELLNESS<br />
EINE FARBINTENSIVE<br />
PRACHT, DER SALAT<br />
OCÉANO MIT SHRIMPS,<br />
AVOCADO, ROTER BETE<br />
UND PAPAYA.<br />
DIE VOLLE PACKUNG<br />
Mein Luxuskörper bekommt eine Algenpackung. Ich sehe aus wie Fiona<br />
– Shreks Liebste. Der »Duft« ist jedoch für mein Trüffelnäschen eine<br />
kleine Herausforderung. Die Kraft des Meeres wickelt mich wie einen<br />
Wrap in Frischhaltefolie und meine Wasserliege verschluckt mich, als<br />
würde sie jeden, den sie in die Fänge bekommt, »sous-vide« kochen<br />
wollen. Tatsächlich hinkt der Vergleich gar nicht so sehr, denn meine<br />
Haut fühlt sich nach der Behandlung und der entschlackenden Dusche<br />
mindestens wie schonend gegarter Schweinebauch an.<br />
Am Nachmittag katapultieren mich die warmen und weichen Hände<br />
meiner Therapeutin so schnell in den totalen Relaxmodus, dass<br />
ich derart entspannt bin und beim Umdrehen auf den Rücken erstens<br />
kaum weiß, wo ich mich gerade befinde, und dann auch noch fast von<br />
der Liege plumpse.<br />
DER WEG IST DAS ZIEL<br />
Wirklich viel ablenkende Abwechslung gibt es hier im hohen Norden<br />
der Insel Teneriffa nicht, die meisten Touristen bevorzugen den Süden<br />
mit Strand und Sonne. In Punta del Hidalgo dominiert das schroffe,<br />
schwarze Lavagestein. Manchmal weht es kräftig. Der Wind ist bereits<br />
auf dem Weg, sagt der Wetterfrosch. Zeit für einen Spaziergang.<br />
Die Küstenlinie ist hier und da mit Ferienbettenburgen der 70er-Jahre<br />
geschmückt. Überbleibsel, die einst für Modernität standen und noch<br />
heute einen spannenden Kontrast zum schwarzen Lavagestein bilden.<br />
Das Océano Hotel Health Spa hat den Sprung ins Heute geschafft. Mit<br />
einer aufwendigen Restaurierung und einigen einschneidenden Umgestaltungen<br />
macht es jetzt seinem Thema Gesundheit und Erneuerung<br />
als Jungbrunnen alle Ehre.<br />
Die Wellen sind heute größer als am ersten Tag. Plötzlich ragt<br />
der Faro de la Punta del Hidalgo, ein weißer Leuchtturm, der eher<br />
wie eine futuristische Kirche aus Star Wars anmutet, vor mir in den<br />
wolkenlosen Himmel. Seine außergewöhnliche Form soll an Basaltsäulen,<br />
wie sie auf der vulkanischen Insel im Orotava-Tal auf der<br />
nördlichen Mitte Teneriffas vorkommen, erinnern. Sein strahlendes<br />
Weiß steht im direkten Kontrast zu den dunklen Bergen des Anaga-<br />
Gebirges im Hinterland. Die Landschaft wird eintöniger, Geröllwege,<br />
die Wände der Bananenplantagen mit Wandmalereien von Außerirdischen<br />
verschönert. Astronauten, Affen, Yoda … Bizarre Felsformationen<br />
in Schwarz dazu der teils azurblaue Atlantik mit weißen Wellenkronen.<br />
Die Kraft des Meeres scheint hier endlos und das meditative<br />
Rauschen und Brechen des Wassers beamt mich in meine Gedankenwelt,<br />
in der ich die Zeit vergesse. Die Sonne ist bald schon auf dem<br />
Weg in die Nacht, noch strahlt sie und hüllt alles in ihr weiches Licht.<br />
Der Leuchtturm im Abendlicht ist noch einmal so schön. Ich kann den<br />
Teide, Spaniens höchsten Berg, sehen. Er ist gerade einmal nicht in<br />
Nebel eingehüllt. Zeit für mein Dinner.<br />
PALMEN MIT STURMFRISUR<br />
Der Wind, der die Insel über den Atlantik in der Nacht erreicht hat,<br />
lässt die Wellen donnern und Gischt spritzend an Land rollen. Irgendwann<br />
mitten in der Nacht musste ich die Balkontür schließen. Die<br />
himmelhohen Palmen im Hotelgarten tragen Sturmfrisur, der Pool ist<br />
aufgebracht und glitzert im Morgenlicht mit Tausenden von kleinen<br />
Wellen. Der Naturpool wird immer und immer wieder von riesigen<br />
Wellen überrollt.<br />
Während draußen die Meeresgewalten mir den Zugang zum Wasser<br />
unmöglich machen, steht für mich Aquafitness im 34 Grad Celsius<br />
warmen Thalasso-Pool, ein Meerwasserwannenbad mit Hydromassage<br />
und Ocean-Balancing, auf dem Programm. Alles findet im<br />
Spa statt. Am überraschendsten ist die Aquafitness, die richtig Spaß<br />
macht. Alles so schön leicht. Ich bin außerdem deutlich jünger als<br />
meine Mitturner, fühle mich geradezu wie ein Küken. Easy gymnastics<br />
also. Aber dann ist die Stunde vorbei. Raus aus dem Wasser, halbwegs<br />
sportlich elegant will ich den Pool verlassen und erlebe, wie ich vom<br />
Schwebezustand zurück in die erdangezogene Realität komme. Eben<br />
noch Wassernixe, jetzt Seeelefant. Wasser kann so viel!<br />
INFO<br />
Océano Hotel Health Spa Preis im DZ Superior pro Nacht für<br />
zwei Pers. ab € 202 inkl. Halbpension Balance. Eine Woche<br />
Behandlungspaket OCÉANO Weight Control inkl. Thalassoanwendungen<br />
ab € 1.060 excl. Unterkunft. www.oceano.de<br />
Fotos: Océano Hotel Health Spa (4), Simone Sever (4), Illustration: Kapreski/shutterstock.com, Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
58 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
Zimmer und Suiten mit Aussicht: Den Atlantik und das<br />
Piscina Natural haben die Gäste aus jedem der 96 Zimmer<br />
und Suiten des Océano Hotel Health Spa im Blick.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
59
WELLNESS<br />
text Marie Tysiak<br />
Thermalvergnügen<br />
IN DER TOSKANA<br />
Dort, wo seit Jahrtausenden heißes<br />
Quellwasser aus dem Erdinneren strömt, lädt das<br />
Traditionshotel »Terme di Saturnia« ein, den Körper zu<br />
verwöhnen. Nicht nur die Wärme und Wohligkeit des<br />
Thermalwassers bringt heilende Energien, natürlich<br />
darf eine gehörige Portion Dolce Vita nicht fehlen.<br />
Schwebezustand: Im<br />
Hotel Terme di Saturnia<br />
in der Toskana gleitet<br />
man entspannt durch<br />
den Tag – im Spa und in<br />
den nahen Wasserfällen<br />
Cascate del Mulino.<br />
60
Terme di Saturnia<br />
Natural Spa & Golf Resort Toskana<br />
Es ist noch früh. Die ersten Sonnenstrahlen<br />
blitzen hinter dem Hügel<br />
hervor, auf dem die alte Mittelalterstadt<br />
Saturnia mit ihrem historischen<br />
Kirchturm der Chiesa di Santa<br />
Maria Maddalena, gerahmt von stattlichen<br />
Zypressen, thront. Ich gleite aus meinem<br />
kuscheligen Bademantel und den Latschen<br />
hinein in das dampfende Wasser. Es glitzert<br />
türkis, ich kann den steinigen Untergrund<br />
sehen, so klar ist es. Eine Poolnudel<br />
unter meine Knie, eine weitere hinter<br />
den Kopf, und so treibe ich, die Augen<br />
geschlossen, durch den toskanischen Morgen.<br />
Das heiße Wasser verpasst mir glatt<br />
eine Gänsehaut, so schön wärmt es mich<br />
durch.<br />
Der Schwefelgeruch kitzelt in meiner<br />
Nase. In 200 Metern Tiefe sammelt sich<br />
an den Hängen des Monte Amiata Regenwasser<br />
und mischt sich mit Schwefel<br />
und anderen Mineralien. Hier, etwa 30<br />
Kilometer entfernt, sprudeln pro Sekunde<br />
500 Liter des heilenden Thermalwassers<br />
aus der Erde. Schon seit drei Jahrtausenden<br />
wissen die Menschen um die heilende<br />
Wirkung dieses stets 37,5 Grad Celsius<br />
heißen Bads und strömen nach Saturnia.<br />
EIN SCHWEFELDRINK<br />
VERTREIBT GELENKSCHMERZ<br />
Auch das Hotel »Terme di Saturnia« hat Tradition.<br />
Seit über 100 Jahren hat der herrschaftliche<br />
Naturstein-Travertin-Bau für<br />
Erholungsuchende seine Pforten geöffnet,<br />
letztes Jahr wurden die 130 klassischen<br />
Zimmer umfangreich renoviert. Hier trifft<br />
Marmor auf goldene Wasserhähne, Fischgrätenparkett<br />
hinter historischen Schiebetüren<br />
auf klassisch geschwungene Bettenrücken.<br />
Das Luxushotel liegt idyllisch zwischen<br />
den seichten Hügeln dieser versteckten<br />
Ecke der Toskana. Der gigantische Pool,<br />
der direkt von dem natürlichen Schwefelwasser<br />
gespeist wird, ist nur den Hotelgästen<br />
vorbehalten. Das beliebte Fotomotiv<br />
der Toskana, die Wasserfälle Cascate<br />
del Mulino, wohin das Wasser von hier aus<br />
fließt, wird hingegen vermutlich jetzt schon<br />
von Besuchern überrannt.<br />
Doch so kommt es, dass ich hier noch<br />
völlig allein in dem heißen Wasser des Hotelpools<br />
schwebe und gar nicht gemerkt<br />
habe, wie, noch in meinen schlaftrunkenen<br />
Gedanken versunken, mein Zeh nun<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
61
WELLNESS<br />
ES HANDELT SICH NICHT<br />
UM EINEN GEWÖHNLICHEN<br />
WELLNESSBEREICH.<br />
auf der anderen Seite des Beckens anstößt. Ich öffne die Augen. Die<br />
Sonne ist ein Stückchen höher am tiefblauen Frühlingshimmel geklettert.<br />
Zeit, in den Tag zu starten. So ein heißes Refugium, das den<br />
Körper in sofortige und absolute Entspannung versetzt, das hätte ich<br />
gerne zu Hause. Eine wahre Wohltat für meinen jungen, doch von Rückenschmerzen<br />
geplagten Körper. Bevor ich unter die Dusche hüpfe,<br />
genehmige ich mir noch zwei Gläser des schwefelhaltigen Wassers aus<br />
dem dafür vorgesehenen Brunnen im Park. Es kostet reichlich Überwindung<br />
– aber es soll unsagbare Kräfte bringen, Krankheiten und<br />
Gelenkschmerzen vorbeugen! Was macht man nicht alles für die Gesundheit.<br />
Ich schlucke brav das stinkende Wasser hinunter.<br />
SCHLAG UM SCHLAG ZUM GOLFPROFI<br />
Nach einem herzhaften Frühstück mit reichlich italienischem Dolce<br />
Vita – frischer Prosciutto di Parma, bester Espresso, mindestens zwanzig<br />
verschiedene Käsesorten – im schönen Innenhof stehe ich kurze Zeit<br />
später gestriegelt am Golfplatz. Golfmanager Procolo Sabbatino hat sich<br />
für heute Vormittag ein ganz schönes Meisterwerk vorgenommen: mir<br />
das Golfspielen beibringen. Ich weiß nichts übers Golfen. Aber hier, auf<br />
diesem legendären Platz – von Ronald Fream entworfen, 18 Löcher, 72<br />
Par und 6.316 Meter lang – mit eigener Golfschule, in der wunderschönen<br />
hügeligen Landschaft der Maremma, soll sich das ändern.<br />
Dieser Platz biete ein paar schöne Löcher zum Üben, betont der<br />
Golf Manager, als wir uns im Golfkart zu Loch 1 aufmachen. Außerdem,<br />
so Sabbatino, sei sein Sohn zu einem erfolgreichen Golfspieler<br />
aufgestrebt. Sein Einfluss und Training sollten also Früchte tragen.<br />
Und tatsächlich: Nach zwei Stunden Golfkartdüsen über den Platz –<br />
was mir besonders viel Freude bereitet hat – und vielen Fehlschlägen<br />
schaffe ich einen erstaunlich guten Abschlag, auf den ich sogar ein<br />
wenig stolz bin.<br />
NACH DEM SPORT KOMMT DIE ENTSPANNUNG<br />
Am Golfklub wird anschließend aufgetischt. Der Picknickkorb, den<br />
Sabbatino aus seinem »Kofferraum« zaubert, ist reich gefüllt – und<br />
natürlich darf auch eine Flasche des besten Bianco di Pitigliano nicht<br />
fehlen, schließlich sind wir in Italien. Dazu gibt es Brot mit Olivenöl<br />
des hoteleigenen Hains, eine Tarte mit gegrilltem Gemüse. Es folgt<br />
ein Stück Mandarinenkuchen. Hach, das Genießen kann in Italien so<br />
einfach sein. Und wenn jede Golfsession so endet, habe ich meinen<br />
neuen Sport gefunden.<br />
Mehr noch als für seinen Golfkurs hat sich das Hotel einen Namen<br />
als Spa-Destination gemacht. Dass es den Titel »Best Medical Spa« in<br />
Italien gewonnen hat, verrät: Es handelt sich nicht um einen gewöhnlichen<br />
Wellnessbereich. Auch hier steht die naturheilende Wirkung des<br />
Thermalwassers im Mittelpunkt. Die Spa-Produkte werden aus den<br />
schwefelhaltigen Feststoffen des Quellwassers hergestellt. Wer mag,<br />
bekommt eine ordentliche Schlammpackung davon ins Gesicht, oder<br />
gleich auf den ganzen Körper. Darüber hinaus werden auch Schönheistbehandlungen<br />
von Botox bis Laserhaarentfernung angeboten.<br />
Ich widme mich diesem Wochenende aber gänzlich meinem Rücken.<br />
Und so fühle ich mich nach einer Saturnia Deep Massage revitalisiert<br />
und wie in Watte gebauscht. Ganz ungewohnt, nämlich mal nicht im<br />
Bademantel, schlendere ich hinunter in die offene Showküche im Speisesaal<br />
der Terme di Saturnia. Hier treffe ich Roberto Rossi zum Kochkurs,<br />
der bereits fleißig dabei ist, Zutaten zu schnippeln – mit einer<br />
absurden Geschwindigkeit! Ihm gehört das Restaurant Il Silene ganz<br />
in der Nähe – und er hat das Konzept für das hauseigene Restaurant<br />
1919 maßgeblich mitgestaltet. Für seine Kochkünste hat er 2014 den<br />
Michelin-Stern bekommen. Der große Mann legt das Messer weg und<br />
schiebt nun mit seinen ebenso großen Händen feinsäuberlich Mehl zu<br />
einem großen Haufen zusammen.<br />
KEIN ITALIENBESUCH OHNE HAUSGEMACHTE PASTA<br />
Er grüßt mich, und dann geht es auch schon los. Wir machen Pasta.<br />
Und dann Trüffelrisotto. Aber immer nur kleine Portionen, »damit ich<br />
noch Platz fürs Abendessen später habe«. Wenn Rossi wüsste, wie viel<br />
ich von den italienischen Köstlichkeiten verdrücken kann! Er ist ein geselliger<br />
wie pragmatischer Genosse – und ein Glas Wein zum Abschluss<br />
darf natürlich auch nicht fehlen – die angebrochene Flasche Wein vom<br />
Risotto soll schließlich nicht verkommen, er schmunzelt. Willkommen<br />
in Italien, wo der Sinn fürs süße Leben dich durch den Tag begleitet.<br />
Zum Glück habe ich noch ausreichend Appetit und Platz für das<br />
spätere Abendessen im schlichten, aber schicken 1919 mit Blick auf<br />
den Pool. Es ist ein Gedicht! Zur Vorspeise wähle ich Polpo in hauseigenem<br />
Olivenöl. Die folgenden handgemachten Tortelli mit Ricotta<br />
und Spinat, garniert mit Trüffeln, zergehen im Mund. Als mein Hauptgang<br />
kommt, Wildschwein gleich hier aus Maremma, bin ich im siebten<br />
Himmel. Natürlich harmoniert die Weinbegleitung perfekt mit<br />
jedem Gang.<br />
Mein Blick schweift nach draußen zum dampfenden Becken. Ich<br />
mag den Gedanken, dass seit Jahrtausenden die Menschen in diesen<br />
Kurort pilgern, um in den heilenden Quellen Kraft zu tanken. Aber<br />
zum wahren Wohlgefühl gehört eben auch eine gehörige Portion Dolce<br />
Vita – und das kann die Terme di Saturnia. Ich erhebe mein Glas<br />
und danke Saturn, der der Legende nach diese Quellen erschaffen hat.<br />
INFO<br />
Das Fünf-Sterne-Traditionshaus Terme di Saturnia Natural Spa<br />
& Golf Resort lädt mit seinem ausgezeichneten Spa,<br />
Restaurant 1919 und seinem 18-Loch-Golfkurs in den Kurort<br />
Saturnia ein. Der 37,5 Grad heiße Außenpool des Hotels wird<br />
direkt von der Thermalquelle gespeist. Das Hotel verfügt über<br />
130 Zimmer, eine Übernachtung im DZ kostet ca. E 290.<br />
Mehr Infos finden Sie unter www.termedisaturnia.it/de<br />
Fotos: Terme di Saturnia (3), Jarno Cobbaert, aaltair/Shutterstock.com, JUDr. Martin Kovacs/Shutterstock.com; Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
62<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
Vorhang auf für ein entspanntes<br />
Dolce Vita! Ob<br />
in den modernen Zimmern<br />
oder im Außenpool, der dank<br />
Thermalquelle mit 37,5 Grad<br />
Celsius wohlig warm ist.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
63
WELLNESS<br />
text<br />
Jennifer Latuperisa-Andresen<br />
Erholung auf der<br />
UNVOLLENDETEN INSEL<br />
64
The Retreat at Blue Lagoon Island<br />
Europas jüngste Insel, Island, wirkt oftmals<br />
wie ein fremder Planet. Und genau dort, wo Wasserdampf<br />
aus der Erde steigt und Elemente ihre Kräfte messen, steht<br />
ein Wellnesshotel, das genauso einzigartig ist wie das Land<br />
selbst. The Retreat ist ein Spa-Hotel-Tempel, in dem Wohlsein<br />
auf Design trifft. Und das muss einem ja gefallen.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
65
WELLNESS<br />
Wer schon mal mit einem Urlaub in Island geliebäugelt<br />
hat, weiß sicherlich von der Blauen Lagune. Nein, es<br />
ist nicht die kitschige Hollywoodproduktion gemeint,<br />
mit der Brooke Shields in den 1980er-Jahren Karriere<br />
machte, sondern das dampfende Freibad auf der Halbinsel Reykjanes.<br />
Es ist womöglich das berühmteste Bad der Welt. Selbst Touristen,<br />
die nur für ein Stunden-Stopover hier im Norden zwischenlanden, lassen<br />
sich mit Bussen zu dem warmen Becken fahren, dem zusätzlich<br />
auch noch eine heilende Wirkung nachgesagt wird.<br />
Auch wir möchten dorthin. Es ist Winter, und so kommt uns der<br />
Dampf, der über dem schneebedeckten Boden aufsteigt, vor wie das<br />
Tor zu einer Zauberwelt. Diese Magie wird von den Lichtverhältnissen<br />
Islands im Winter nur unterstrichen. Wir befinden uns sozusagen<br />
im Lichtblick, in den vier Stunden Mittagssonne, die ein Foto ohne<br />
Blitz erlauben. Die Blaue Lagune hat etwas Magisches. Ganz klar. Die<br />
knallblaue Farbe einerseits, der wabernde Dampf andererseits und<br />
eine Aura, die tatsächlich auf einer anderen Ebene, nennen wir sie<br />
Metaebene, berührt. Auch wenn man nicht an Elfen glaubt, so wie die<br />
Isländer es tun.<br />
Man merkt es, wir kommen also schon verliebt in diesem Wellnesshotel<br />
an, das so beeindruckend ist, dass meine isländische Bekannte mir neidvolle<br />
Nachrichten schreibt, weil sie unbedingt auch einmal dort ein<br />
Wochenende verbringen will. »The Retreat«, so schreibt mir Alexandra,<br />
»ist THE PLACE in Island. Hier möchte man an kalten Wintertagen<br />
sein.« Ich vermute, sie übertreibt, doch möchte diese Annahme bereits<br />
beim Betreten der Lobby revidieren.<br />
Um ehrlich zu sein, fehlen mir die Worte, eben diese Situation und<br />
Atmosphäre zu beschreiben, in die wir mit Daunenjacke und Ohrenschützer<br />
hineinplatzen, fast so, als würde man sich ungebührend in<br />
einem Tempel benehmen. Die Wände um uns herum sind aus nacktem<br />
66<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
ES IST EIN SKANDINAVISCHES<br />
»SCHÖN« AUS DESIGNKLASSIKERN<br />
UND GERADEN LINIEN.<br />
Fotos: The Retreat at Blue Lagoon Iceland (2), Jennifer Latuperisa-Andresen,<br />
helgalaufephotos, Jamie Orlando Smith; Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
Klare Linien bestimmen<br />
die Architektur innen wie<br />
außen. Dagegen ist die<br />
wilde, unzähmbare Landschaft<br />
vor dem Fenster ein<br />
spannender Kontrast.<br />
So spannend, dass man<br />
sich gleich gegen das<br />
TV-Gerät auf dem Zimmer<br />
entschieden hat.<br />
67
WELLNESS<br />
Wer suchet, der findet. Das vermutlich<br />
regenerierende Wasser der Lagune wurde bei<br />
Entwicklungsarbeiten an einem nahe gelegenen<br />
geothermischen Kraftwerk entdeckt.<br />
Beton oder eben aus Glas. Dann wiederum geben sie eine Sicht preis,<br />
die so zauberhaft anders erscheint, dass sie einen gleich in eine neue<br />
Welt versetzt. Schneekristalle landen auf den Fensterscheiben und<br />
schmelzen dahin. Damit versinnbildlichen sie unsere Gefühle. Mein<br />
Gott, ist das schön hier.<br />
Und Schönheit ist relativ. Das hiesige »Schön« muss man auch<br />
mögen. Es ist ein skandinavisches »Schön« aus Designklassikern und<br />
geraden Linien. Es ist ein Ton in Ton mit der Natur. Eine korrespondierende<br />
Ergänzung zum Außen ist das Innen. Allerdings mit viel<br />
Purismus und wenig Prunk. Aber dennoch edel. So edel, dass einem<br />
gleich klar wird: Hier schlürft man gerne Champagner. Aber nicht im<br />
Prada-Blüschen gekleidet, sondern im Bademantel. Kein Scherz.<br />
Egal zu welcher Tageszeit. Der Gast im The Retreat trägt Flausch.<br />
Und zwar ausgiebig gerne. Der Grund? Ganz einfach: Die Thermalbadlagune<br />
lockt immer und das dazugehörige Spa des Luxushotels ebenso.<br />
Dazu auf allerhöchstem Wellnessniveau. Für die Hotelgäste gibt<br />
es einen exklusiven Lagunenzutritt. Was wir zudem empfehlen können?<br />
Das Reinigungsritual und eine Floating Massage. Letzteres ist<br />
die Schwimmnudelversion der Schwerelosigkeit. Aber auch wenn es<br />
lustig klingt, es ist wunderbar. Dazu die knackige Kälte, die auf den<br />
Wangen kitzelt, während das heilende Wasser den Körper umgarnt.<br />
Wirklich wundervoll.<br />
Und dennoch geht es noch weltbewegender. Und damit meine ich<br />
nicht die durchgestylten Zimmer mit der kostenlosen Minibar und der<br />
atemberaubenden Aussicht auf die widerspenstige Natur Islands. Ich<br />
meine damit auch nicht die wunderbaren Beautyprodukte, auf Hotelzimmern<br />
gerne »Amenities« genannt, denn wer braucht schon Bulgari,<br />
wenn er Blue Lagoon haben kann? Ich meine auch nicht die kostenlosen<br />
Yogaklassen, die jeden Morgen stattfinden, und auch nicht den Nordlichterbalkon,<br />
der Ausblick auf die tanzenden Lichter gewährt. Ich spreche<br />
vom Genuss auf höchstem Niveau, serviert im Restaurant Moss.<br />
Dabei passiert beim Servieren auf dem Teller so viel fürs Auge,<br />
dass die Geschmacksknospen schon Polonaise tanzen, ohne auch nur<br />
einen Bissen genommen zu haben. Doch dann kommt’s. Die naturbelassene<br />
Jakobsmuschel trifft auf Granita vom Apfel, Pulver aus Skyr<br />
komplementieren den fangfrischen Lachs, und das Lamm wird am<br />
Tisch über Tannennadeln weitergeräuchert. Diese Küche ist einzigartig<br />
gut. Unsere Prognose: Der Michelin-Stern wird kommen. Und das<br />
wäre doch ein toller Grund, um zurückzukehren: zur dampfenden Lagune<br />
auf der sprudelnden Insel zwischen den Welten.<br />
INFO<br />
The Retreat at Blue Lagoon Iceland<br />
Nordurljosavegur 11, 240 Grindavík, Iceland<br />
PACKAGE FÜR GENIESSER Zwei Nächte im DZ, inkl.<br />
Frühstück, unbegrenzte Nutzung des Spas und der Lagunen plus<br />
Vier-Gänge-Abendessen im Lava-Restaurant und ein Sieben-Gänge-Menü<br />
im Moss für je zwei Pers. Buchbar ab ca. E 2.020 für<br />
zwei Pers. www.bluelagoon.com/accommodation/retreat-hotel<br />
Unsere Reise-Tipps finden Sie unter auf.reise/island-tipps<br />
Hallo Gaumenschmeichler! Ein Besuch<br />
im Restaurant Moss vergisst der Gast<br />
nicht so schnell. Jeder Gang ist ein<br />
Erlebnis. Ach Quatsch, eine kleine<br />
Offenbarung!<br />
68<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
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Nachhaltiger Luxusurlaub – geht das?<br />
Luxushotel oder Bio-Bauernhof? Der Stanglwirt in Tirol ist beides. Mit viel Herzblut verwandelte<br />
Familie Hauser den traditionsreichen über 400 Jahre alten Gasthof in ein Fünf-Sterne-Bio- und<br />
Wellnessresort. Nachhaltiges Denken spielte dabei schon immer eine wichtige Rolle – selbst<br />
als das Thema noch nicht en vogue war.<br />
Fotos: Stanglwirt, Alexander Heil, Paul Dahan<br />
Ein Bio-Bauernhof mit integriertem Luxushotel – inmitten einer traumhaften<br />
Bergkulisse erwartet Urlauber im Stanglwirt einzigartiger Luxus mit<br />
diesem brillanten Twist. Was das Bio- und Wellnessresort so einzigartig<br />
macht, ist die Verbindung aus gemütlicher Tiroler Lebensart und luxuriösem<br />
Ambiente, der gelungene Mix aus Tradition und Moderne, Innovation<br />
und Historie.<br />
Vorreiterrolle in der nachhaltigen Hotellerie – Balthasar Hauser hat<br />
das Bio-Hotel aus Überzeugung mit natürlichen Materialien aus der Region<br />
gebaut. Das Ziel: seinen Stanglwirt bestmöglich in die Natur integrieren.<br />
Milchprodukte kommen größtenteils vom hauseigenen Bio-Bauernhof<br />
und das Wasser aus der Kaiserquelle, die auf dem Stanglwirt-Grund<br />
entspringt. Mit Pioniertaten wie begrünten Dächern (1976), der mit dem<br />
Innovationspreis ausgezeichneten Rindenheizung (1980), einer Wärmepumpenanlage,<br />
die nur mit der kalorischen Energie des Quellwassers<br />
die Wellnesswelten heizt (2014), und vielen weiteren richtungsweisenden<br />
Ideen stellte der Stanglwirt schon früh die Weichen für nachhaltiges<br />
Wirtschaften.<br />
Außergewöhnliches Wohlfühl-Ambiente – Auf exklusiven Komfort und Platz<br />
muss im Stanglwirt niemand verzichten: In den neu gestalteten, 12.000<br />
Quadratmeter großen Spa- und Wellnesswelten gibt es u. a. acht Saunen<br />
und Dampfbäder, Europas größtes hoteleigenes Solebad, ein 25-Meter-Sportschwimmbecken<br />
mit Omega-Zeitmessung, eine Wasserfallgrotte,<br />
einen Naturbadesee und eine Kinderwasserwelt mit 120-Meter-Rutsche<br />
und Pool-Kino. Im neuen »Kräuter Spa« stehen den Gästen neben dem<br />
preisgekrönten Massage- und Medical-Beauty-Programm auch Naturkosmetik-Behandlungen,<br />
teils aus dem eigenen Kräutergarten, zur Auswahl.<br />
Auch für sportliche Gäste gibt es ein vielfältiges Angebot: Im 500 Quadratmeter<br />
großen Fitnessgarten trainieren, Tennis auf einem der zahlreichen<br />
In- und Outdoorplätze spielen oder das private Lipizzanergestüt besuchen.<br />
INFO<br />
Bio- und Wellnessresort Stanglwirt, Kaiserweg 1, 6353 Going am<br />
Wilden Kaiser · Tel. 0043 (0) 5358 2000, www.stanglwirt.com<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
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69
GEHEN SIE MIT UNS<br />
AUF REISEN!<br />
<strong>Herbst</strong> <strong>2020</strong><br />
Lieblingshotels<br />
<strong>2020</strong><br />
Deutschland € 7,90 · Schweiz SFR 13,50 · Österreich € 9,00<br />
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(statt 63,20 Euro) plus Geschenk<br />
SEHNSUCHTS<br />
Orte<br />
RUNDREISE DEUTSCHE STÄDTE<br />
Bier-Interrail-Tour Hamburg<br />
Nova Scotia in Kanada und München<br />
Friesland<br />
neu entdecken<br />
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von Kanadas Vielfalt,<br />
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feiner Schachbrettoptik.<br />
70
<strong>Herbst</strong>liche Auszeit für alle Sinne<br />
im Hotel Therme Meran<br />
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Wenn die Natur in Rot- und Orangetönen zu leuchten beginnt, der Duft gerösteter Kastanien<br />
in der Luft liegt und sich die Weinlese dem Ende neigt, begrüßt das Vier-Sterne-Superior-Hotel Therme<br />
Meran seine Gäste zur besonders verlockenden herbstlichen Jahreszeit.<br />
Durch beste Innenstadtlage dient es als idealer Ausgangspunkt für Wanderungen<br />
in der Umgebung, Verkostungen von original Südtiroler Spezialitäten,<br />
jungem Wein und gerösteten Kastanien beim Törggelen.<br />
Nach einem herbstlichen Ausflug in die Berge oder einem Bummel<br />
durch das charmante Meran entspannen Gäste des Hotels Therme Meran<br />
auf der Sky-Spa-Terrasse bei einem einmaligen 360-Grad-Panorama,<br />
im neu gestalteten Garden Spa oder in den Bädern der angrenzenden<br />
Therme Meran, die bequem über den Bademanteltunnel erreichbar ist.<br />
Der 3.200 Quadratmeter große Rooftop-Wellnessbereich ist das Highlight<br />
des Hotels: Ob ein Bad unter freiem Himmel im beheizten 22 Meter<br />
langen Sole-Infinitypool nehmen oder in den Panorama-Saunen, im<br />
Dampfbad sowie bei einer ausgewählten Spa-Anwendung abschalten,<br />
die Meraner Bergwelt scheint stets zum Greifen nah. Kulinarisch ver-<br />
wöhnt Küchenchef Karlheinz Falk mit regionalen und internationalen<br />
Kreationen und bringt damit das Beste aus Südtirol und der Welt auf<br />
den Teller.<br />
Eine Übernachtung im Designzimmer des Hotels Therme Meran inklusive<br />
eines reichhaltigen Frühstücksbüffets und eines abwechslungsreichen<br />
Vier-Gänge-Menüs am Abend ist ab 172 Euro pro Person buchbar.<br />
Gäste haben zudem kostenlosen Zutritt zum neu gestalteten Garden Spa,<br />
zum Sky Spa sowie zu den Bädern der Therme Meran.<br />
INFO<br />
Hotel Therme Meran, Thermenplatz 1, 39012 Meran (BZ), Italien<br />
Tel. 0039 (0) 473 259000, www.hotelthermemeran.it<br />
Fotos: PR, www.guenterstandl.de<br />
herbst <strong>2020</strong>
DESIGN<br />
Design<br />
GOES ZEN<br />
Im Fünf-Sterne-Designhotel Perianth in Griechenlands<br />
Kapitale Athen fand <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>-Autorin<br />
Simone Sever das Stadthotel ihrer Interieurträume.<br />
72<br />
herbst <strong>2020</strong>
Perianth Hotel Athen<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
73
DESIGN<br />
Das graue Bauhausgebäude aus den 1930er-Jahren liegt mitten<br />
im historischen Herzen Athens. Hier, wo einst ein Blumenmarkt<br />
das Leben bunt gestaltete, ist die Stimmung immer<br />
noch trubelig, reihen sich heute Cafés an Restaurants,<br />
Blumenstände an Bars, hat sich das an der Außenfassade<br />
farblich zurückhaltende Perianth in die farbenfrohe Umgebung eingefügt.<br />
Das Perianth – Blütenhülle in der Bedeutung – ist als Hommage<br />
an Vergangenes, aber auch als Zeichen der Wiedergeburt Athens zu<br />
verstehen. Ein Klassiker der Zukunft, die bereits begonnen hat.<br />
Platz nehmen in den Lounges,<br />
die auf den Etagen<br />
zum Betrachten der Kunst<br />
einladen, die an fast jeder<br />
gerundeten Ecke hängt.<br />
Avantgardistisch: Die Themen-Suiten des Hotels<br />
treiben den Zeitsprung auf die Spitze. Bis ins<br />
Detail ausgeklügelt, widmen sie sich je einem<br />
Künstler oder einer Epoche. Diese Suite zeigt sich<br />
ganz in den Formen des russischen Bildhauers<br />
Alexander Archipenko.<br />
74
GÖTTLICHER IST NUR DIE<br />
AKROPOLIS, UND DIE HAT DAS<br />
PERIANTH FEST IM FOKUS.<br />
Fotos: PR/Design Hotels (4), Simone Sever (2); Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
Autorin Simone Sever hätte diesen formschönen<br />
Stuhl der griechischen Shootingstar-Architekten<br />
von K-Studio am liebsten in ihren Koffer gepackt.<br />
Die Straßen sind eng, der Blick vom Balkon der Hotel-Junior-Suite auf<br />
die Hausfront der anderen Seite misst keine fünf Meter. Auf dem Agia-<br />
Irini-Platz sind fast alle Außenplätze besetzt, beinahe ist das Klingen<br />
der Glaswürfel in den Cappuccini Freddi zu hören. Bereits morgens<br />
um elf hat das Thermometer die 30 Grad fest im Visier. Durch die<br />
dichte grüne Baumkrone sind unter wolkenlosem, griechisch blauem<br />
Himmel in gar nicht weiter Ferne die unverkennbaren und leuchtenden<br />
Säulen der Akropolis zu erspähen. Ein himmlischer Anblick. Die<br />
Farben der Perianth-Junior-Suite 205 sind mindestens genauso schön,<br />
wenn auch eher gedeckt. Pudrig graublau die samtenen Kissen, auf<br />
denen sich das Haupt von der Hitze des Tages ausruhen kann. Einen<br />
Hauch farbintensiver im Samt, steht kreisrund und formschön der<br />
Schreibtischstuhl im Sonnenstrahl. Der frei stehende Kleiderschrank<br />
aus warmem, handschmeichelndem Walnussholz schwebt über grau<br />
poliertem und von Bronze durchbrochenem Terrazzoboden, der den<br />
nackten Füßen im Sommer – ebenso wie die Klimaanlage – Linderung<br />
vom griechischen Sommer ermöglicht. Vor dem Pastell der Wände<br />
über marmornen Ablagen, die sich durch den Raum ziehen, leuchtet<br />
an gebogenen Messingschienen dezent und unaufdringlich das Lichtsystem<br />
und erscheint in seiner Ganzheit als eigenes Kunstobjekt. Kein<br />
Wunder, schließlich haben Griechenlands Shootingstar-Architekten<br />
von K-Studio, die unter anderem auch für das Restaurant Barbouni in<br />
Costa Navarino verantwortlich zeichneten, Hand angelegt.<br />
Im interpretierten neomodernen Stil der 1940er-Jahre hat K-Studio<br />
das Perianth zu einem Zen-Ort der Ruhe inmitten des Athener<br />
Trubels gestylt und das nicht nur wegen des Zen-Centers, das sich im<br />
ersten Stockwerk befindet und zu regelmäßigen Yoga- und Meditationstreffen<br />
lädt. 38 modern komponierte Zimmer inklusive einer Penthouse-Suite,<br />
die mit eigenem Pool verwöhnt. Göttlicher ist nur die<br />
Akropolis, und die hat das Perianth fest im Fokus.<br />
INFO<br />
Perianth Hotel www.perianthhotel.com<br />
Design Hotels Die Junior-Suite gibt es für etwa € 230 die Nacht<br />
inkl. Frühstück. Das Penthouse für € 880. www.designhotels.com<br />
Unsere Reise-Tipps finden Sie unter auf.reise/athen-tipps<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
75
DESIGN<br />
Boat&Co Amsterdam<br />
Wer es farbenfroh und<br />
total durchgestylt mag,<br />
der ist im Boat&Co<br />
richtig. Die Appartements<br />
sind Rückzugsort<br />
und Fenster zur Welt in<br />
einem. Hier hat man den<br />
Schiffsverkehr im Blick,<br />
die Yogatreibenden am<br />
Ufer oder einfach nur<br />
sein Buch.<br />
76
text<br />
Jennifer Latuperisa-Andresen<br />
Amsterdam<br />
FROHLOCKT<br />
Für viele Deutsche sicher noch eine<br />
Unbekannte: der Stadtteil Houthaven<br />
in Amsterdam. Doch hier hat ein neues<br />
Hotel eröffnet. Der Name? Boat&Co.<br />
Die Location? Direkt am Wasser. Und<br />
idealer Ausgangspunkt für eine tolle<br />
Zeit in einer wirklich coolen Stadt.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
77
DESIGN<br />
GANZ NACH DEM<br />
MOTTO: »BUNT IST<br />
BEZAUBERND«.<br />
Longstay-Hotels leiden, meiner Erfahrung nach, meist darunter,<br />
dass sie keinen Charakter haben. Meist sind sie so<br />
modern wie nötig, so gemütlich wie möglich und so konform<br />
eingerichtet, dass sie jeden ansprechen und dann doch<br />
wieder keinen. Bloß nicht zu viel Farbe, ohne Chichi in der<br />
Dekoration. Am besten unauffällig. Massenkonform. Doch Gott sei<br />
Dank, das Boat&Co ist anders. Und zwar grundlegend.<br />
Wer das neue Haus – Boat&Co – in Amsterdam betritt, ist zugleich<br />
in einem Film von Wes Anderson gelandet. Wes Anderson sagt Ihnen<br />
nichts? Dann lohnt es sich, den einen oder anderen Film nachzuholen.<br />
Die Ausstattung der Filme kann man jedoch an diesen Fotos des Hotels<br />
ein wenig ablesen. Sie verspricht Lebensfreude.<br />
Weiche Materialien vermischen sich mit erdigen Farben, während<br />
der architektonische Entwurf von Kollhoff & Pols lose auf dem ikonischen<br />
Stil der Amsterdamer Schule basiert. Große Backsteinfassaden<br />
wurden mit markanten Erkern kombiniert, während Dachgauben aus<br />
Stahl die Charakteristik der architektonischen Bewegung neu definieren.<br />
Um noch einmal zu Wes Anderson zurückzukehren: Seine Filme<br />
beweisen Mut zur Farbe. Und dieser Manier folgt auch das Boat&Co.<br />
Ganz nach dem Motto: »Bunt ist bezaubernd«.<br />
Die Wände sind gerne lachsfarben oder türkis. Das Telefon ist rosa,<br />
die Couch samtgrün und die Stühle sind gelb. Die Zimmerdecke ist Beton<br />
belassen und die Lampe aus Messing. Es mischt sich. Es vergnügt.<br />
Der Look ist also modern und mehr als auffällig, doch was auch<br />
gleich auffällt: An der Rezeption wird mit sehr viel Herz begrüßt. Das<br />
mag einerseits an der Situation liegen: Wer ein Hotel kurz vor einer<br />
Pandemie eröffnet, hat die schlimmsten Monate seiner Unternehmensgeschichte<br />
bereits hinter sich. Das ist weder gut fürs Geschäft<br />
noch für das junge Team, das sich natürlich ohne Gäste auch nur<br />
schlecht auf deren Anforderungen eingrooven kann.<br />
Doch das ist beim Empfang des Boat&Co schon mal ganz anders. So<br />
freundlich bin ich lange nicht willkommen geheißen worden, und<br />
ich muss sagen, mein Appartement mit Blick auf die IJ verbindet die<br />
Freiheit eines Zuhauses mit einer Designer-Inneneinrichtung und<br />
dem Komfort des Hotelservices. Ob eine Suite oder ein gemütliches<br />
Studio; alle Zimmer verfügen über eine voll ausgestattete Küche und<br />
komfortable Bereiche zum Arbeiten, Essen oder Entspannen. Genau<br />
wie zu Hause. Aber hier hat eben dieses Zuhause auf Zeit einen Wellness-Bereich<br />
im Erdgeschoss (den ich mir wegen der Hygienevorschriften<br />
nicht ansehen konnte), ein tolles Restaurant mit einladender<br />
Terrasse und die Möglichkeit an Yoga-Stunden teilzunehmen. Klingt<br />
frohlockend!<br />
Das Restaurant Vessel und seine Bar hatte ich ja bereits erwähnt.<br />
Chefkoch Ricardo van Ede und sein Team kreieren Gerichte, die Freude<br />
machen. Nicht zu sehr abgehoben, familienfreundlich und gleichzeitig<br />
richtig lecker. Ohne unnötigen Schnickschnack. Eine Artischocke<br />
als Vorspeise zum Zuzeln, Pavlova als Nachtisch und die besten<br />
Süßkartoffelpommes der westlichen Hemisphäre. Einfach köstlich.<br />
Auch wenn es kaum einer macht, es lohnt, sich die Zeit zu nehmen,<br />
einmal einen Blick in die umfassende Broschüre zu werfen, die in<br />
jedem Appartement ausliegt. Hier bekommt man nützliche Shoppingtipps,<br />
hat eine Liste an Sehenswertem in der Umgebung und weiß,<br />
welche Richtung man einschlagen sollte. Fahrräder werden selbstverständlich<br />
ebenfalls verliehen und die Radwege in Amsterdam sind<br />
wirklich ein Traum.<br />
Dank der zahlreichen Tipps des Hotels wird der Spaziergang Richtung<br />
Centraal zu einem Hipster-Shoppingerlebnis. Kleine süße Läden,<br />
frisch gerösteter Kaffee und niedliche Boutiquen reihen sich aneinander.<br />
Die 20 Gehminuten werden zum Einkaufsspaß.<br />
Wer mag, kann auch die Fähre nehmen, muss dann aber am Trendviertel<br />
NDSM einen Zwischenstopp einlegen, um umzusteigen. Und<br />
ja, es könnte sein, dass man dort hängen bleibt. Denn auch dort gibt<br />
es viel Kunst und Gastronomisches zu entdecken. Boat&Co liegt dementsprechend<br />
zwar nicht an einer Gracht, dafür aber voll im Trend.<br />
Fotos: PR/Boat&Co (7), Jennifer Latuperisa-Andresen (2), Rinke Dohmen; Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
INFO<br />
Boat&Co, Revaleiland 500, 1014 ZG Amsterdam, Niederlande,<br />
www.boatandco.nl<br />
Appartement inklusive Frühstück, plus 30-Euro-Gutschein für ein<br />
Essen im Vessel und Fahrräder ab E 159 die Nacht.<br />
78 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
Das Trendviertel NDSM Amsterdam ist ein<br />
wenig alternativ und gleichzeitig künstlerisch-innovativ.<br />
Das Beste: Es ist nur eine<br />
Fährfahrt vom Hotel entfernt und bietet<br />
abwechslungsreiche kulinarische Möglichkeiten.<br />
Dabei hat man dann wahlweise die<br />
Kunst oder das Wasser im Blick.<br />
Für den perfekten Sundowner muss man nicht lange suchen. Die Vessel<br />
Kitchen & Bar serviert Köstliches. Die Küche ist innovativ – und die Drinks<br />
sind sensationell lecker.<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
79
DESIGN<br />
text<br />
Jennifer Latuperisa-Andresen<br />
Moin Moin<br />
AUS DEM LEUCHTTURM<br />
Aus dem Büsumer Lighthouse Hotel & Spa blickt man<br />
weit hinaus auf die Nordsee. Oder eben auf das Watt.<br />
Je nach Uhrzeit. Aber ganz ehrlich, ob Wasser<br />
oder Watt, Hauptsache happy.<br />
80
Lighthouse Hotel & Spa Büsum<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
81
DESIGN<br />
Egal ob Bibliothek, Restaurant oder Wellnessbereich – das schnuckelige Büsumer Hotel hat einen wunderbaren Wohlfühlfaktor.<br />
Und zwar mit einer großen Portion Stil, Hipness und Lebensfreude.<br />
82
DIE ZIMMER SIND EIN ORT<br />
DER GLÜCKSELIGKEIT.<br />
Fotos: PR/Lighthouse Hotel & Spa (5), Jennifer Latuperisa-Andresen (3); Illustration: Kapreski/shutterstock.com<br />
Eine Begrüßung, die mir auch<br />
Köln manchmal rausrutscht. Mir fällt<br />
»Moinmoin«.<br />
auch auf, dass es immer mehr Menschen<br />
auf der Zunge liegt. Doch das Moin – um es einmal klarzustellen –<br />
gehört nicht allein dem Morgen, sondern passt in jede Tageszeit. Moin<br />
moin ist Synonym für »Hallo«, für »Schön, dich zu sehen« und für<br />
»Herzlich willkommen«. Die Trilogie an Bedeutung schwingt auch in<br />
der Begrüßung an der Rezeption mit. Zu der kurzen Einweisung in die<br />
verschiedenen Ebenen des Hauses wird ein Apfelpunsch gereicht. Hinter<br />
uns knistert der Kamin der Lobby. Ein Pärchen spielt am Hochtisch<br />
Schach, und es fühlt sich an, als würde man in einer Lodge zum Skiurlaub<br />
einchecken, dabei könnten die Berge kaum weiter entfernt sein.<br />
Aber der erste Eindruck täuscht. Nichts am Lighthouse Hotel<br />
ist wirklich alpin. Ganz im Gegenteil. Es ist eher ein durchgestylter<br />
Designertempel. Hier trifft Holz auf Glas, Industriechic auf Countrystyle.<br />
Urgemütlich lautet das Motto in diesem Hotel an der deutschen<br />
Nordseeküste.<br />
Das Hausensemble steht übrigens dort, wo einst das Gesundheitszentrum<br />
Vitamaris stand. Kurzum das Hallenbad des Ortes mit Blick<br />
aufs Meer. Das Lighthouse Hotel liegt heute dementsprechend neben<br />
dem echten Büsumer Leuchtturm. Der wiederum wird fast vom Hotelkomplex<br />
versteckt oder steht, seitdem es hier eher hip zugeht, etwas<br />
verloren am Museumshafen. Die Lage – keine Frage – ist klasse. Kein<br />
Hotel liegt so exzellent in Büsum wie dieses. Auf der einen Seite die<br />
Nordseepromenade, auf der anderen Seite der Hafen und der Beginn<br />
der Fußgänger-Einkaufszone.<br />
Wer Einsamkeit sucht, ist hier wohl falsch. Wer Trubel mag, dafür<br />
richtig. Und ich rede nicht vom Halligalli der Feierwütigen. Ich rede<br />
vom Leben. Von Fischbrötchen gegenüber, von Eisdielen und von kleinen<br />
Modegeschäften, die hauptsächlich Regenjacken in jeglicher Couleur<br />
anbieten. Sagen wir es so, Büsum ist keine pittoreske Schönheit.<br />
Und das Lighthouse steht ganz schön wuchtig am Platz und macht das<br />
Städtchen rein architektonisch nicht wirklich schöner.<br />
Aber es erfreut sich auch großer Beliebtheit. Und das nicht grundlos.<br />
Die Außenterrasse ist Sommer wie Winter (Heizpilzen und Decken<br />
sei Dank) ein himmlisches Plätzchen. Der Blick klebt geradezu<br />
am Horizont, während die Schickeria am Aperol und die echt coolen<br />
Charaktere am Landgang-Bierchen nippen. Mehr braucht es nicht, um<br />
glücklich zu sein. Doch Moment, meine Aufzählung fängt erst an.<br />
Großes Lob an das Spa. Endlich mal eine Wohlfühloase, die dieses Attribut<br />
auch tatsächlich ausstrahlt. Und umsetzt: beispielsweise mit den<br />
wunderbaren Massagen, die selbst einen noch so verkorksten Rücken<br />
entspannen. Und die Atmosphäre profitiert von der weitläufigen Architektur<br />
und dem hellen und dennoch sehr warmen Interieur. Der Gast im<br />
Bademantel fühlt sich hier wohl bei einer Tasse Grünem Tee und dem<br />
neuesten Klatsch aus der Bunten. Es ist ein ungezwungenes Wohlgefühl.<br />
Und das führt sich fort, beispielsweise in der niedlichen Bibliothek,<br />
in der es zahlreiche Bildbände gibt, die nicht nur zum Schmökern<br />
einladen, sondern gleich zum Zücken der Wunschliste, wo auf<br />
Erden man noch urlauben möchte. Natürlich wenn alles wieder geht.<br />
Und selbstverständlich sind die Zimmer auch ein Ort der Glückseligkeit.<br />
Denn die Gäste werden nicht nur modern, mit allerlei Schnickschnack<br />
beherbergt. Sie werden auch verwöhnt. Das Bett ist ein Traum,<br />
die überlange Bettdecke im Winter ein Geschenk und das Bad ist geräumig,<br />
mit tollen, nachhaltigen Amenities bestückt und die Dusche,<br />
ja, die würde ich gerne einpacken, oder zumindest daheim nachbauen.<br />
Und ja, ein cooles, durchdachtes Interieur gehört zum Markenzeichen<br />
der Heimathafen-Hotels. Zu dieser Marke gehört auch das legendäre<br />
Beach Motel beispielsweise in St. Peter Ording oder die Bretterbude<br />
in Heiligenhafen. Wer dort schon mal war, weiß, dass Suiten<br />
auch gerne von »Partnern« wie Jever oder Mini ausgestattet werden.<br />
Es mischt sich Surfer-Boho-Chic mit Landhausstil und das sieht in<br />
Kombination immer so gut aus, dass sich jede zweite Frau ihr Wohnzimmer<br />
exakt so einrichten möchte.<br />
Und ja, wer nach einem langen Spaziergang, oft an der windigen<br />
Nordsee, heimkehrt ins Hotel, der darf ruhig im Restaurant Landgang<br />
einkehren. Denn es schmeckt. Hier wird serviert, was der Norden hergibt.<br />
Und das ist reichhaltig. Selbst Eintopf zum Mittagstisch ist eine<br />
Wonne, aber Achtung – Kohl sollte man mögen, denn schließlich liegt<br />
Büsum in Dithmarschen und das ist sozusagen das Königreich des Kohls.<br />
Und auch wenn Büsum nicht der allerschönste Ort in Schleswig-Holstein<br />
ist, dann möchte man doch hierher zurück, denn irgendwie<br />
verliebt man sich schnell in den modernen, schicken Schuppen,<br />
der alle Wünsche im Handumdrehen und als Kinderspiel erfüllt. Ja,<br />
da ist Wiederkommen ein Leichtes. Auch weil hier alle willkommen<br />
geheißen werden. Also auch die Vierbeiner. Und deswegen sagen wir<br />
zum Abschied »Auf Wiedersehen« und nicht wie im Norden üblich nur<br />
schnöde »Tschüss«.<br />
INFO<br />
Lighthouse Hotel & Spa, Am Museumshafen 11, 25761 Büsum,<br />
Tel. 04834 9842-0, www.hotel-lighthouse.de<br />
DZ ab € 139 inkl. Frühstück und einer Minibar-Füllung<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
83
NEUE HOTELS<br />
text<br />
Ulrike Klaas<br />
Tauisch<br />
DIE SCHÖNSTEN<br />
NEUEN LUXUSHOTELS<br />
Sie sind urlaubsreif? Da haben wir ein paar<br />
brandneue Tipps für Sie. Von Bergblick bis<br />
Strandschönheit, von kunstvoll bis gediegen.<br />
In diesen neu eröffneten Hotels sollten Sie<br />
sich ein paar Nächte gönnen.<br />
84<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
Maslina Resort<br />
ALLEIN AUF WEITER FLUR:<br />
Camp Sarika by Amangiri, Utah, USA<br />
Platz, Weite, farbgewaltige Sonnenuntergänge, Lagerfeuerromantik<br />
und ein Sternenhimmel, der sprachlos macht. Über das Camp Sarika<br />
gibt es so viel zu erzählen, dass man gar nicht weiß, wo man beginnen<br />
soll. Zunächst einmal: Im Herzen des Navajo Nation Reservats gelegen<br />
und von fünf Nationalparks umgeben strotzt die Umgebung nur so vor<br />
rauer, wilder Naturschönheit. Umso schöner, dass man das Camp von<br />
oben betrachtet nicht ausmachen kann. Es passt sich wie ein Chamäleon<br />
der Natur inmitten der bizarren Tafelberge, Felsschlote und der<br />
rostroten Einsamkeit an. Nachhaltig versteht sich, so bestehen die Dächer<br />
der zehn Zeltpavillons beispielsweise aus weichem Leinwandstoff<br />
aus recycelten Plastikflaschen. Das Camp ist der neue Außenposten<br />
des Amangiri, eines der Mutterhäuser der Luxushotelkette Aman, und<br />
verspricht noch mehr Privatsphäre und noch mehr Naturerlebnis. So<br />
erlesen wie die Gäste ist auch das Interieur der Luxuszelte: Maßgefertigte<br />
Möbel aus Nussbaumholz und Leder schaffen ein gediegenes,<br />
gemütliches Ambiente. Privater Pool, Feuerstelle und Teleskop finden<br />
sich im Außenbereich der jeweiligen Zelte. Und wenn man dann am<br />
Abend unter dem grandiosen Sternenhimmel sitzt, während das Lagerfeuer<br />
wärmt und heimelig knistert, wird man ganz ehrfürchtig,<br />
an einem so fantastischen und einzigartigen Ort urlauben zu dürfen.<br />
€ 2.500 pro Nacht. www.aman.com/resorts/amangiri/camp-sarika<br />
HOTEL ZUM WOHLFÜHLEN:<br />
Villa Copenhagen, Kopenhagen, Dänemark<br />
Ehrfürchtig spaziert man über den traumhaft schönen Fischgrätenboden,<br />
streicht über die weichen Stoffe der Möbel und bestaunt die den<br />
kompletten Lobbybereich überspannende Glaskuppel. Das Grandhotel<br />
Villa Copenhagen im Herzen der dänischen Hauptstadt mit seinen<br />
390 Zimmern ist so fotogen, dass die Gäste nach ihrem Besuch wahrscheinlich<br />
ein ganzes Fotoalbum zusammenstellen könnten. Schon<br />
von außen, denn das ehemalige Postamt ist ein imposantes Gebäude.<br />
Innen fasziniert der Mix aus authentischer nordischer Lässigkeit, historischen<br />
Elementen gepaart mit architektonischen Höhepunkten und<br />
einem urgemütlichen, stilvollen Ambiente. Man könnte Stunden verweilen<br />
und den Blick von der Dachterrasse auf die Stadt genießen oder<br />
sich im Spa entspannen. Doch irgendwann sollte man zumindest kurz<br />
die Luxusherberge verlassen. Allein wegen des Tivoli-Gartens direkt<br />
nebenan. DZ ab € 225 die Nacht. www.villacopenhagen.com<br />
HIER STEHT DIE ZEIT STILL:<br />
Maslina Resort, Hvar, Kroatien<br />
Es fällt leicht, im Maslina Resort den Alltag hinter sich zu lassen. Es<br />
ist diese Aussicht, diese himmlische Lage, die einen schon nach wenigen<br />
Minuten alles vergessen lässt. Das Maslina Resort auf der kroatischen<br />
Insel Hvar nahe der Hafenstadt Stari Grad liegt direkt an der<br />
malerischen Bucht von Maslinica – eingebettet zwischen Olivenhainen,<br />
denen das Resort auch seinen Namen verdankt. Nur 50 Zimmer<br />
und Suiten sowie drei Villen, vorwiegend eingerichtet mit regionalen<br />
Materialien wie Terrakotta, Holz, Stein und Kupfer, hält das Resort bereit<br />
– den Blick auf die Bucht von Maslinica und die vorgelagerten Inseln<br />
muss man auch hier nicht missen. Auch nicht von den Terrassen<br />
der beiden Restaurants, wo Pinien die Luft würzen und Gerichte mit<br />
regionalen Zutaten, teils aus dem eigenen Biostrandgarten, die Geschmackssinne<br />
verwöhnen. Schön hier! Ab € 240 das DZ pro Nacht.<br />
www.maslinaresort.com<br />
IM AUGE DES BETRACHTERS:<br />
Forestis, Dolomiten, Italien<br />
Von draußen vom Walde komm ich her, ich muss euch sagen, hier<br />
entspannt man sich sehr! Im Juli <strong>2020</strong> eröffnete das Hotel Forestis auf<br />
1.800 Metern Höhe, das zuerst einmal mit dem Offensichtlichen begeistert:<br />
einer Ruhe und Stille inmitten abgelegener Natur. Bewaldete<br />
Berge, wohin das Auge blickt. Am Horizont erheben sich die mächtigen<br />
schneebedeckten Kuppen der Dolomiten. Extrem zurückgenommen<br />
ist das Interieur der beiden Penthousesuiten, die sich jeweils<br />
auf 200 Quadratmetern und zwei Etagen erstrecken. Gedeckte helle<br />
Farben und viel Naturholz schaffen ein edles und gemütliches Ambiente.<br />
Absoluter Lieblingsplatz: der eigene Pool. Hier möchte man<br />
verweilen, bis einem Schwimmhäute wachsen, so grandios liegt einem<br />
die Bergwelt zu Füßen. Eben eine Wellnessauszeit auf höchstem Niveau.<br />
Nichts soll das Auge des Betrachters vom Eigentlichen ablenken:<br />
der Entspannung! Höchstens die köstliche Waldküche des hoteleigenen<br />
Restaurants. Zimmer ab € 250 p. P. die Nacht, Penthousesuite ab<br />
€ 750 p. P. (Nebensaison), inklusive Frühstück und Abendessen (ohne<br />
Getränke). www.forestis.it/de<br />
Forestis<br />
Villa Copenhagen<br />
herbst <strong>2020</strong> <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
85
NEUE HOTELS<br />
AUSTOBEN UND AUSRUHEN:<br />
Falkensteiner Hotel Kronplatz, Südtirol, Italien<br />
Wenn der Berg ruft, sollte man ins neue Falkensteiner Hotel Kronplatz<br />
einchecken. Das Hotel ist der ideale Ort für all jene, die Hummeln im<br />
Hintern haben. Hier kann man sich so richtig austoben: Skifahrer starten<br />
im Winter direkt von der benachbarten Talstation des Aktivberges<br />
Kronplatz auf die 119 Pistenkilometer. Und im Sommer brechen<br />
Wanderer zu Tagestouren auf und Mountainbiker stürzen sich Downhill-Strecken<br />
hinunter. Aber das Luxushotel ist auch der perfekte<br />
Rückzugsort zum Ausruhen. Seinen geschundenen Körper entspannt<br />
man bestens im Spa des Hauses oder auf den modernen, mit warmen<br />
Farben eingerichteten Zimmern, wo man sich sofort heimisch fühlt.<br />
Das Hotel begrüßt ausschließlich Erwachsene. Eine Nacht im DZ ab<br />
€ 349. www.falkensteiner.com/hotel-kronplatz<br />
DA IST WAS IM BUSCH:<br />
Mugie House, Kenia<br />
Das neue Luxuscamp der Governors’ Camp Collection ist ebenso einsam<br />
wie erlesen. Auf einem Hügel verteilen sich gerade einmal neun<br />
aus Stein gebaute Cottages. Es gibt ein Haupthaus mit einem sensationellen<br />
Infinitypool, wo die Gäste auch zu den Mahlzeiten hinkommen<br />
können, fünf Cottages für zwei Personen, ein Familiencottage und<br />
zwei Suiten mit Privatpool auf der Veranda. Die Cottages sind nicht nur<br />
komfortabel und stilvoll, sondern ihre maximal 18 Bewohner kommen<br />
den wilden Tieren Kenias ganz nah. Ob beim Dinner im Haupthaus,<br />
von wo aus man das Wasserloch bestens beobachten kann, von der<br />
Terrasse der Cottages oder bei den täglichen Game-Drives. Ab € 428 p.<br />
P. und Nacht, inklusive Verpflegung und Unternehmungen.<br />
www.governorscamp.com<br />
Room Mate Macarena<br />
Falkensteiner Hotel Kronplatz<br />
NACH ALLEN REGELN DER KUNST:<br />
Artist Hotel, Tel Aviv, Israel<br />
Mit Blick auf Kunst einchecken, mit Blick auf Kunst aufwachen und<br />
mit Blick auf Kunst die Gegend rund um das Artist Hotel erkunden: Im<br />
neuesten Prachtstück der israelischen Boutiquehotelgruppe Atlas Hotels,<br />
dem Artist Hotel in Tel Aviv, hat man stets die israelische Kunstszene<br />
im Blick. Werke junger, vielversprechender Künstler aus dem<br />
Land sowie der Doron Sebbag Art Collection zieren die öffentlichen<br />
Bereiche und die 56 Zimmer. Dabei fällt die Kunst dank des hellen,<br />
minimalistischen Designs besonders ins Auge. Die Lage des neuen<br />
Hotels ist ebenfalls ideal: Die gesamte Ben Yehuda Street, auf der auch<br />
das Artist Hotel liegt, ist gepflastert mit den prominentesten Kunstgalerien<br />
Israels. Weiterer netter Pluspunkt: Der Bugrashov Beach ist<br />
fußläufig erreichbar. DZ ab ca. € 185 inklusive Frühstück.<br />
www.atlas.co.il/artist-hotel-tel-aviv<br />
MITTENDRIN STATT NUR DABEI:<br />
Room Mate Macarena, Madrid, Spanien<br />
»Dieses Hotel bedeutet mir sehr viel, weil mein Vater mich immer<br />
zum Friseur im Erdgeschoss des Gebäudes gebracht hatte«, sagt Kike<br />
Sarasola, Präsident und Gründer der Room Mate Hotels, über seine<br />
neueste Eröffnung. Das Room Mate Macarena mit seinen 130 Zimmern<br />
befindet sich sehr zentral an einer der Hauptstraßen Madrids,<br />
der Calle Gran Vía, und zeigt sich im Inneren erfrischend bunt. Von<br />
der Lobby im neunten Stock, die mit überdimensionalen Blättern<br />
dekoriert ist, die an die großen Meister der Fallas-Figuren erinnern<br />
sollen, und mit ihrem hellen Holz einen schönen Kontrast zum dunkelgrünen<br />
Teppich bilden, der einem Moosteppich gleicht. Oder im<br />
angrenzenden Frühstücksraum, wo Hochreliefs aus eingelassenen<br />
Spiegeln die Wände bedecken. Auch in den Zimmern findet sich der<br />
arabeske Einfluss und das Spiel mit kontrastierenden Farben wieder.<br />
Doch das Haute-Couture-Design ist nur das Zweitschönste am Hotel.<br />
Das Schönste: Der Blick von der Dachterrasse auf Madrid. Die Stadt<br />
scheint den Besuchern zu Füßen zu liegen. € 108 pro Nacht fürs DZ.<br />
www.room-matehotels.com/de/macarena-gran-via/<br />
Illustration: Kapreski/shutterstock.com; Foto: Joe Flechter Photograpy (2), Nikola Radovani, Forestis, www.astridkbh.com, Falkensteiner Hotels, Ludovic Magnoux & Martin Mendez/We are Heroes SL/www.heroesagency.eu, Govenors Camp Collecction/Alisa Bowen, Darrit Goffen<br />
86 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
Artist Hotel<br />
Mugie House<br />
Avantgardistisch: Die Themen-Suiten des Hotels treiben den Zeitsprung<br />
auf die Spitze. Bis ins Detail ausgeklügelt, widmen sie sich je<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
DURCHGESTYLTE HOTELS SIND<br />
NICHT NUR RÜCKZUGSOASE,<br />
SONDERN AUCH INSPIRATION.<br />
UND ZWAR FÜR DIE HEIMISCHEN<br />
VIER WÄNDE. HIER EIN PAAR<br />
RÄUME, DEREN DESIGNELEMENTE<br />
WIR GERNE AUCH IN UNSEREM<br />
ZUHAUSE SEHEN WÜRDEN.<br />
DAS Daheim<br />
88<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
LIFESTYLE<br />
Foto: Apartment 7/Tiberio Sorvillo<br />
HOTEL<br />
LESEecke.<br />
Entdeckt haben wir die<br />
beiden Designklassiker im<br />
Apartment 7 in Südtirol.<br />
Und sofort war klar: Die<br />
möchten wir für die heimische<br />
Leseecke! »Gräshoppa<br />
Stehlampe« von Gubi in<br />
Schwarz, € 769,<br />
www.shop.gubi.com.<br />
Den »Hardoy Butterfl y<br />
Chair« gibt es bei Manufakturplus<br />
mit verschiedenen<br />
Bezügen zu kaufen – von<br />
Acryl bis Bio-Büffelleder,<br />
Preisspanne von € 585<br />
bis € 2.220,<br />
www.manufakturplus.de<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
89
PLATZhalter.<br />
Besonders Wohnobjekte<br />
machen ein Zuhause erst<br />
zu einem Zuhause. Wie<br />
die Stühle von The Masie,<br />
die unserem Zuhause<br />
zweifelsohne industriellen<br />
Schick einhauchen. »Stuhl<br />
Vechio industriell« aus der<br />
Copper Edition, um € 52,<br />
www.themasie.com/de.<br />
Inspiriert hat uns das Hotel<br />
Coco Barn nahe Biarritz.<br />
PLANSCHbecken.<br />
Wir waren einfach nur baff, als wir diesen Traum von einer Badewanne im Hotel La Maison Saarlouis erblickt haben.<br />
Daraufhin haben wir keine Kosten und Mühen gescheut, um herauszufi nden, wo es dieses fürstliche Planschbecken zu kaufen gibt:<br />
Badewanne »Admiral Copper Effect« der italienischen Marke Devon&Devon, um € 5.340, www.devon-devon.com<br />
90<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
LIFESTYLE<br />
LICHTkünstler.<br />
Gibt es ein Instagram-<br />
Zuhause? Ein Zuhause,<br />
wo jedes Eckchen schön<br />
ist? Ja! Vor allem, wenn<br />
handgemachte Holzleuchten<br />
wie die des<br />
finnischen Labels Secto<br />
Design alles in eine<br />
heimelige Atmosphäre<br />
tauchen – wie im Hotel<br />
Forsthofgut in Leogang.<br />
Verschiedene Größen<br />
und Designs sind beispielsweise<br />
über<br />
www.connox.de erhältlich.<br />
Hier kostet die<br />
große »Octo Pendelleuchte«<br />
in Walnuss<br />
oder Birke ab € 780<br />
(bei 54 Durchmesser).<br />
Fotos: Sven Paustian, Patricia Hendychova-Estanguet, Forsthofgut/Lorenz Marko 2016/Loewenzahn.at<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
91
LIEBLINGSplatz.<br />
Ein Ort, an dem man sich wirklich daheim fühlt: Auch Balkon und Terrasse verlangen nach Aufmerksamkeit.<br />
Der faltbare Loungesessel »Cuba Chair« von Carl Hansen ist ein Designklassiker und verschönert das<br />
Draußen – entdeckt im Maslina Resort in Hvar. Gurtgefl echt in Weiß, Schwarz oder naturfarben erhältlich.<br />
Um € 610. www.carlhansen.com<br />
WELLENreiter.<br />
Upgrade für Daheim!<br />
Schockverliebt waren wir<br />
im schönen Hotel New<br />
Wave auf Norderney,<br />
Stylische und farbenfrohe<br />
Designelemente wie die<br />
Balkonmöbel von fermob<br />
mussten wir unverzüglich<br />
auch für zu Hause recherchieren.<br />
Voilà: Kleines<br />
Tischchen/Fußhocker aus<br />
der Luxemburg Collection,<br />
€ 185, Sessel aus der<br />
Bellevie Collection, € 885,<br />
www.fermob.com.<br />
Fotos: Nikola Radovani, PR/Hotel New Wave<br />
92<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
frühling 2016
AKTIV EUROPA<br />
Angenehmen FLUG<br />
Über den Dingen zu schweben, kann ganz schön aufregend sein. Vor allem, wenn es dabei so<br />
rasant zugeht wie auf der Baumwipfelschwebebahn Harz. Mit zwölf bis 15 Stundenkilometer<br />
gleiten die Todesmutigen eine 1.000 Meter lange, kurvige Strecke vom Burgberg in das Kalte<br />
Tal. Mal sind die Baumwipfel zum Greifen nah, mal bereitet die freie Tiefe Herzklopfen. Und in<br />
der Ferne erhebt sich der höchste Berg des Harz, der Brocken. Die sechs Minuten vergehen<br />
sprichwörtlich wie im Flug. Wer noch mehr Höhenflug braucht, der erkundet noch den<br />
Baumwipfelpfad. www.baumwipfelpfad-harz.de<br />
AUS<br />
EINEM<br />
GUSS<br />
Es wiegt gerade einmal so<br />
viel wie zwei Wasserfl aschen,<br />
wird aus einem einzigen<br />
Stück Kohlefaser gefertigt und<br />
seinem Besitzer auf den Leib<br />
geschnitten. Der kalifornische<br />
Fahrradhersteller Superstrata<br />
hat das weltweit erste individualisierbare<br />
Unibody-Carbon-<br />
Bike auf den Markt gebracht.<br />
Das Superstrata Terra Bike<br />
kommt aus dem 3-D-Drucker.<br />
Dadurch ist der Carbonrahmen<br />
an Körpergröße, Gewicht, Armund<br />
Beinlänge, bevorzugte<br />
Sitzposition und gewünschte<br />
Steifi gkeit anpassbar –<br />
und kommt komplett ohne<br />
Schrauben und Kleben aus.<br />
Um € 2.800, auch als E-Bike<br />
erhältlich, um € 4.000,<br />
www.superstrata.bike<br />
Fotos: BaumSchwebeBahn Harz, Berghammer, PR/Superstrata (2)<br />
Stockemblem und Hut<br />
stehen dem Wanderer gut<br />
Einst waren sie der europäische Stempel im Reisepass. Die Stöcke früherer<br />
Generationen kamen nicht ohne aus. Stolz trug man sie wie eine Trophäe am<br />
Wanderstock: Stockembleme schienen lange Jahre aus der Mode gekommen.<br />
Nun wird das fast vergessene Stück europäischer Reisekultur wiedererweckt.<br />
Kein Wunder, denn die individuellen Motive von Berghammer sind einfach<br />
kultig. Wer mag, kann das Revival aktiv mitgestalten und auf der Homepage<br />
abstimmen, welches Ziel als Nächstes ein Motiv bekommt. Die Stockwappen<br />
kosten um € 5 bis € 7 pro Stück. www.derberghammer.com<br />
herbst <strong>2020</strong> 93<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
AKTIV EUROPA | Österreich<br />
fotos<br />
BMiriam Meyer & Martin Häußermann<br />
94<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
text<br />
BMartin Häußermann<br />
SATTELFEST<br />
MIT FAHRRAD UND FUSS DIE BERGWELT ÖSTERREICHS ERKUNDEN.<br />
REISEN <strong>EXCLUSIV</strong>-REPORTER MARTIN HÄUSSERMANN HAT E-BIKE UND<br />
WANDERN MITEINANDER KOMBINIERT ZU EINER AUSSICHTSREICHEN<br />
BIKE-AND-HIKE-TOUR IM KARWENDELGEBIRGE, DIE SICH<br />
WUNDERBAR FÜR EIN AKTIVWOCHENENDE EIGNET.<br />
95
»NEIN, NEIN,<br />
UNSERE BIKESTRECKE<br />
IST ECHT ENTSPANNT.«<br />
Ich bin früh dran. Die Straßen nach Scharnitz in Tirol waren frei, das<br />
eigene E-Mountainbike schnell aus dem Auto geladen und startklar<br />
gemacht. Da bleibt noch Zeit für einen Eiskaffee im Café Länd, direkt<br />
neben dem Wanderparkplatz, der auch ein Bikerparkplatz ist. Nach<br />
meiner Einschätzung – und der Zahl an Autos mit Fahrradträgern und<br />
Bullis – sind hier mindestens so viel Biker am Start wie Fußgänger.<br />
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich ist das Angebot<br />
an Wegen riesig groß.<br />
Hier kann man sich die Schuhe für eine kleine einstündige Rundwanderung<br />
oder auch für Mehrtagestouren schnüren. Eine vergleichbare<br />
Vielfalt finden auch die Bergradler vor. Vom Parkplatz aus lässt sich<br />
eine gemütliche Tour starten, die gut elf Kilometer lang ist. Der Anstieg<br />
von 360 Höhenmetern ist auch für mäßig trainierte Biker gut zu schaffen,<br />
mit einem E-Bike ohnehin. Scharnitz ist aber auch der Etappenort<br />
des Bike Trail Tirol. Der ist mit einer Strecke von rund 1.000 Kilometern<br />
und Aufstiegen von sage und schreibe 27.000 Höhenmetern der<br />
längste zusammenhängende Mountainbike-Rundkurs der Alpen. Hier<br />
startet auch die Etappe Nummer sieben, die bis zum Achensee führt –<br />
die sogenannte Karwendeldurchquerung. Luftlinie wären das ungefähr<br />
45 Kilometer, die Wegstrecke für diese Etappe wird mit 62 Kilometern<br />
angegeben. Ob man das wirklich in einem Tag schafft?<br />
Wie ich so sinniere, sehe ich auf einmal Tassilo, einen befreundeten<br />
Bergsportler, um die Ecke biegen. Er hat mich auf die Idee zu dieser<br />
Tour gebracht und ist mit ein paar weiteren Gleichgesinnten mit der<br />
Bahn angereist. Die sind, das muss ich zugeben, ökologisch korrekter<br />
unterwegs als ich. Immerhin sind wir Gäste eines Naturparks. Tatsächlich<br />
fährt vom Münchner Hauptbahnhof aus eine Regionalbahn nach<br />
Scharnitz, die auch Fahrräder mitnimmt. Das haben sich meine Mit<strong>reisen</strong>den<br />
aber gespart und sich bei einem Sportgeschäft in der Nähe<br />
Leihräder besorgt, teils mit Elektrounterstützung, teils ohne.<br />
Tassilo fährt ausschließlich mit Muskelkraft, schließlich bezeichnet die<br />
Sportskanone Bikebergsteigen als ihr Hobby. Da packt der Sportler<br />
sein Rad, kurbelt den Berg hinauf, soweit es irgend geht, dann wird<br />
geschoben oder notfalls getragen, bis der Gipfel erreicht ist – um von<br />
dort dann wieder abzufahren. »Da wurden wir schon von manchen<br />
Bergwanderern ungläubig angeschaut«, erzählt der Wahlmünchner<br />
und grinst. Ich schaue ebenfalls ungläubig und frage vorsichtig, ob er<br />
das auch mit uns vorhat. Zwar ist mein Liteville dank Carbonrahmen<br />
nicht übermäßig schwer, aber rund 22 Kilogramm wären auch hier zu<br />
stemmen. Das will man keinen Berg hochtragen. Tassilo scheint meine<br />
Gedanken zu lesen, grinst noch ein bisschen breiter und beruhigt:<br />
»Nein, nein, unsere Bikestrecke ist echt entspannt.«<br />
Womit er tatsächlich recht hat. Mehr als das. Denn heute müssen<br />
wir nur das Karwendelhaus erreichen. Auf dem Wegweiser an unserem<br />
Startort lese ich: »Länge 17,9 km, Höhenmeter 850, Schwierigkeit:<br />
mittelschwierig.« Tatsächlich entpuppt sich unsere erste Etappe<br />
als schön ausgebauter Forstweg, der über weite Strecken dem fröhlich<br />
vor sich hinplätschernden Karwendelbach folgt und an diesen Abschnitten<br />
auch nur leicht ansteigt. Zu Fuß wäre das ein ziemlicher<br />
Hatsch, wie der Österreicher zu mühsamen, etwas eintönigen Wanderungen<br />
sagt. Deshalb bin ich froh, im Sattel zu sitzen. Mit dem Fahrrad<br />
hat man in diesem langen Streckenabschnitt – zumindest aufwärts<br />
– genau das richtige Tempo, um die Landschaft zu genießen, ohne dass<br />
es langweilig wird.<br />
Aber 850 Höhenmeter schafft man bei dieser Streckenlänge nicht<br />
allein mit leichten Anstiegen. An manchen Passagen bin ich sehr<br />
dankbar um den elektrischen Schub, der meine Muskelkraft wirkungsvoll<br />
ergänzt. Und zwar schon ziemlich kurz nach dem Start. Denn<br />
nachdem wir die Isarbrücke überquert haben, folgt ein kurzer, steiler<br />
Anstieg bis zum Brandlegg. Ein guter Ort für einen ersten Fotostopp,<br />
96 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
AKTIV EUROPA | Österreich<br />
Keine Gnade für die Wade! Bei den Anstiegen zum Karwendelhaus<br />
ist Autor Martin froh um sein E-Mountainbike – und<br />
dankbar für die tierische Ablenkung.<br />
Das Ziel immer vor Augen: Die erste Etappe bis zum Karwendelhaus bewältigt man<br />
auf zwei Rädern. Die Birkkarspitze ganz in der Ferne erklimmt man dann aber zu Fuß.<br />
sommer 2019<br />
97
AKTIV EUROPA | Österreich<br />
Steilvorlage: Das Schlauchkar, ein<br />
ewig lang scheinendes Geröllfeld,<br />
gilt es auf dem Weg zur Birkkarspitze<br />
zu überqueren, während sich die<br />
umgebenden Gipfel langsam<br />
aus dem Nebel schälen.<br />
98
»GEHT ZEITIG LOS,<br />
DAMIT IHR VOR DEM GROSSEN REGEN<br />
WIEDER ZURÜCK SEID.«<br />
schließlich sieht man hier in die benachbarten Täler. Nach rund zehn<br />
Kilometern entlang des Bachs folgt die nächste Rampe, bei der ich<br />
auf Unterstützungsstufe zwei hochschalte. So meistere ich auch die<br />
Serpentinen bis zur Hochalm, auf deren saftigen Wiesen Kühe weiden.<br />
Die interessieren sich nicht weiter für zweibeinige und zweirädrige<br />
Touristen. Auch das Kalb am Wegesrand interessiert sich mehr fürs<br />
Grünfutter, bis ich »Muuh« rufe. Zugegeben etwas albern für einen<br />
erwachsenen Menschen, aber da mein jüngerer Sohn nicht dabei ist,<br />
der das bei sich bietender Gelegenheit zur Belustigung anderer auch<br />
immer tut, muss ich selbst aktiv werden. Das Kalb dreht kurz den<br />
Kopf, schaut gelangweilt und frisst dann sofort weiter.<br />
Kurz danach erreiche ich den Hochalmsattel auf 1.803 Metern,<br />
der die Mühen für den letzten Anstieg mit einem wunderbaren Panoramablick<br />
belohnt. Anschließend rolle ich zum Karwendelhaus auf<br />
1.771 Metern, einer traditionellen Berghütte, die wie ein Adlerhorst<br />
über dem Karwendeltal thront. Noch scheint die Sonne auf der Terrasse<br />
mit Aussicht ins Tal und Blick auf die Westliche Karwendelspitze.<br />
Das erste Weizenbier schmeckt köstlich. Doch während wir trinken,<br />
ziehen dicke Wolken auf und bei einigen sind die Gläser noch nicht<br />
leer, da treiben uns die ersten Regentropfen ins Haus. Auch hier gelten<br />
in diesen Tagen Corona-Hygieneregeln. Wir tragen beim Weg durchs<br />
Haus Mundschutz und nutzen unsere eigenen mitgebrachten Schlafsäcke.<br />
Denn die sonst üblichen Decken werden derzeit nicht ausgegeben.<br />
Das Karwendelhaus ist zwar mehr als 110 Jahre alt, doch Ausstattung<br />
und Technik sind absolut zeitgemäß. So stammt der Strom für die<br />
Hütte aus einem eigenen Wasserkraftwerk. Schon bei der Ankunft ist<br />
mir beispielsweise die Bike-Servicestation aufgefallen, an der man die<br />
Reifen aufpumpen und E-Bikes an insgesamt fünf Steckdosen aufladen<br />
kann. Letzteres ist deshalb erwähnenswert, weil der Deutsche Alpenverein,<br />
zu dem auch die Karwendelhütte gehört, zu E-Mountainbikes<br />
– vorsichtig gesagt – ein eher distanziertes Verhältnis hat. Aber Hüttenwirt<br />
Andreas Ruech denkt da anders. Als gelernter IT-Spezialist ist<br />
er eher dem Fortschritt zugewandt als traditionsbewusste Bergsportler.<br />
So taucht er auch prompt mit dem Tablet auf, nachdem wir – je<br />
nach Gusto – unseren Schweinebraten oder Kaspressknödel vertilgt<br />
haben. Er gibt uns den Alpinwetterbericht für den folgenden Tag.<br />
Während er uns informiert, möchte man lieber nicht draußen sein.<br />
Nicht nur, dass es schüttet wie aus Kübeln, es zieht ein schweres Gewitter<br />
durch. Plötzlich wird es im Fenster taghell, unmittelbar kracht<br />
es buchstäblich donnernd. Wie wir am anderen Tag erfahren, hat der<br />
Blitz in die Antenne des Karwendelhauses, die aber einige Hundert<br />
Meter weiter steht, eingeschlagen. Das Internetsignal ist weg, das Telefon<br />
tot. Doch wir sind optimistisch für den zweiten Teil unserer Unternehmung.<br />
»Ihr habt ein Zeitfenster zwischen sieben Uhr früh und<br />
zwei Uhr Nachmittags, also geht zeitig los, damit ihr vor dem großen<br />
Regen wieder zurück seid«, sagt Andreas.<br />
Wir wollen am anderen Tag die Birkkarspitze erklimmen, mit<br />
2.749 Metern der höchste Gipfel des Karwendels. Nicht mit dem Fahrrad<br />
schiebend auf dem Rücken, wie Tassilo das gemacht hat, sondern<br />
ganz klassisch zu Fuß. Mit kleinem Gepäck, alles was wir nicht brauchen<br />
lassen wir in unserem Basislager zurück. So ähnlich wie bei ganz<br />
großen Expeditionen.<br />
Am anderen Morgen um sieben Uhr ist die Welt tatsächlich wieder<br />
in Ordnung. Der Regen hat den Staub von unseren Bikes gespült und<br />
sommer herbst <strong>2020</strong> 2019 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> 99
»OB EINE ABFAHRT<br />
AUF DEM KINDERRAD<br />
DIE BESSERE LÖSUNG<br />
GEWESEN WÄRE?«<br />
das Gewitter hatte tatsächlich reinigende Wirkung, denn die Sicht ist<br />
deutlich besser geworden. Ein stärkendes Frühstück soll die Energiespeicher<br />
nochmals aufladen, unser Bergführer Franz leistet uns Gesellschaft.<br />
Er war am frühen Morgen von Scharnitz mit dem E-Bike<br />
hochgefahren, ich würde sagen, er ist gebrettert, wenn ich höre, dass<br />
er erst kurz vor sechs losgefahren ist. Wir haben am Vortag zweieinviertel<br />
Stunden gebraucht, allerdings inklusive diverser Fotostopps.<br />
Vorsichtig frage ich, wie die Schwierigkeit unserer Bergtour denn<br />
einzuordnen ist: »Mit ein bisschen Kondition und Trittsicherheit<br />
schafft man das leicht«, sagt Franz. Und Hüttenwirt Andreas ergänzt:<br />
»Wer die kleine Kletterpassage gleich hinter dem Haus schafft, der<br />
kommt auch auf den Gipfel.« Schlüsselstelle nennen Alpinisten eine<br />
solche Passage. Direkt hinter dem Karwendelhaus geht es einen<br />
schmalen Pfad durch Lawinenverbauungen hinauf. Ich habe schon<br />
meine Wanderstöcke ausgepackt, um sie aber an der Schlüsselstelle in<br />
eine Hand zu nehmen. Denn hier empfiehlt es sich, immer eine Hand<br />
an den Drahtseilsicherungen zu haben, die in den Felsen eingelassen<br />
sind. Konzentration ist gefordert. Tritt suchen, am Seil festhalten und<br />
sich dann langsam, aber sicher über die großen Steinbrocken nach<br />
oben schieben. Danach geht es durch das Schlauchkar, ein ewig lang<br />
scheinendes Geröllfeld, nach oben. Auch wenn Franz vorher noch<br />
sagte, diese Tour könne ein geübter Bergwanderer auch allein gehen,<br />
bin ich ganz froh, dass hier einer die Spur legt und ich einfach hinterhergehen<br />
muss. Ich bin froh, dass alles trocken ist und sich auch<br />
die Altschneefelder, die hier bis in den Juli hinein liegen können, an<br />
ein paar schattige Ecken verzogen haben. Über den Schlauchkarsattel<br />
erreichen wir die Birkkarhütte.<br />
Wer nun Kaiserschmarrn oder ein frisches Bier erwartet, wird herb<br />
enttäuscht, diese relativ neue Hütte ist nichts als ein Schlechtwetterunterstand.<br />
Zwei Bänke, ein Tisch, das war’s. Ach ja: Ein Scherzkeks<br />
hat tatsächlich ein Kinderfahrrad hochgetragen und an der Hütte<br />
angekettet. Nach einer kurzen Trinkpause geht es los zum Gipfelsturm.<br />
Die Wanderstöcke bleiben in der Hütte. Die wären auf dem<br />
letzten Streckenabschnitt hinderlich. Denn jetzt ist tatsächlich ein<br />
bisschen Kraxelei angesagt. Da sollte man die Hände frei haben. Eine<br />
alpine Höchstleistung ist das zwar nicht, aber anstrengen muss man<br />
sich schon. Und Tassilo hatte sicher recht mit seinem Hinweis: »Mit<br />
Halbschuhen würde ich da nicht raufgehen.« Als Lohn für die Mühe<br />
wartet am Gipfel ein fantastischer Ausblick. Von den Hohen Tauern<br />
über die Ötztaler Alpen und bis ins Bayerische Voralpenland erstreckt<br />
sich das scheinbar endlose Panorama.<br />
Mit Blick auf das erwähnte Zeitfenster beschränken wir uns auf<br />
der höchsten Erhebung des Karwendelgebirges auf eine kurze Trinkund<br />
Vesperpause sowie ein coronagerechtes Gruppenfoto. Denn bisher<br />
haben wir mit dem Wetter mehr als Glück gehabt – und wollen<br />
dieses nicht herausfordern. Fünf Stunden nach unserem Start sind<br />
wir wieder am Karwendelhaus. Trotz der Wanderstöcke, die bergab<br />
ja wirkungsvoll bremsen und Druck von den Beinen nehmen, spüre<br />
ich unten meine brennenden Oberschenkel. Ob eine Abfahrt auf dem<br />
Kinderrad die bessere Lösung gewesen wäre?<br />
INFO<br />
ANREISE<br />
Mit der Bahn: ab München Hauptbahnhof mit der Regionalbahn<br />
nach Scharnitz; Fahrtdauer ca. zwei Stunden; Fahrradmitnahme<br />
möglich (kostet E 6 extra).<br />
E-BIKE-VERLEIH<br />
Wer ohne eigenes Mountainbike anreist, hat die Möglichkeit, sich<br />
in Seefeld eines zu leihen. Der Bike-Verleih ist im Zentrum von<br />
Seefeld, etwa fünf Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Im Verleih<br />
sind Mountainbikes (E 20 pro Tag) und E-Bikes (E 35 pro Tag) der<br />
Marke Cube. Von Seefeld zum Startpunkt der Tour in Scharnitz<br />
braucht man knapp eine Stunde (ca. 13 km). www.sport-norz.at<br />
Weitere Informationen www.seefeld.com<br />
100 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
AKTIV EUROPA | Österreich<br />
Gipfelglück: Am Gipflekreuz der<br />
Birkkarspitze – mit 2.749 Metern die<br />
höchste Erhebung des Karwendelgebirges<br />
– ist gute Laune angesagt.<br />
101
AKTIV EUROPA | Tschechien<br />
Auf dem Weg<br />
zur Quelle<br />
text & fotos<br />
BMarkus Grenz<br />
102<br />
herbst <strong>2020</strong>
Wer in Tschechiens Landesteil Böhmen dem Verlauf<br />
der Elbe folgt, der wird viele Entdeckungen machen. Das gut<br />
ausgebaute Bahnnetz ist wie prädestiniert für eine Reise<br />
(fast) bis ins Riesengebirge.<br />
Fließender Übergang: Im<br />
tschechischen Melnik treffen<br />
Elbe und Moldau aufeinander.<br />
Hier ist die Elbe nur ein kleiner<br />
Nebenfluss, sie mausert sich<br />
aber auf ihren 900 Kilometern<br />
bis zur Nordsee zu einem der<br />
größten Flüsse Europas.<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
103
»Ein Pilsener<br />
Urquell gefällig?<br />
Die Happy Hour<br />
hat begonnen.«<br />
... fragt mich die aufmerksame Kellnerin mit ihrem<br />
reizenden Akzent und zückt Block und Stift.<br />
Gerade haben wir die Grenze zwischen Deutschland<br />
und Tschechien passiert und ab jetzt ist die<br />
ganze Fahrt über Happy Hour. Damit sich auch die<br />
Tschechen das Angebot im Speisewagen des Zugs<br />
leisten können, werden die Preise beim Grenzübertritt<br />
einfach halbiert. »Den Lendenbraten mit<br />
den böhmischen Knödeln und eine Cola, bitte«,<br />
entscheide ich mich. Trotz Hochsommer kann ich<br />
der schweren tschechischen Küche in diesem stimmigen<br />
Ambiente nicht widerstehen. Aber an ein<br />
Bier traue ich mich bei gefühlten 40 Grad Außentemperatur<br />
noch nicht heran.<br />
Der Speisewagen macht seinem Namen alle<br />
Ehre: ein geräumiger Wagen, frische Tischdecken,<br />
freundliche Kellnerinnen, eine richtige Speisekarte,<br />
alles zum Wohlfühlen. Es ist zwar nicht der<br />
Orientexpress, aber immerhin wird hier noch richtig<br />
gekocht. »Das gibt es leider nur noch in den<br />
sechs Zügen, die täglich zwischen Prag und Berlin<br />
bzw. Hamburg unterwegs sind«, erzählt mir unsere<br />
Fremdenführerin Barbora Fajkusova zwischen<br />
zwei Happen ihres Schnitzels und wendet den<br />
Blick wieder den vorüberfließenden Landschaften<br />
der Böhmischen Schweiz zu, durch die sich zu<br />
unseren Füßen die Elbe ihren Weg bahnt. Dieses<br />
blaue Band wird mein roter Faden für die kommenden<br />
Tage – und zwar so lange, bis ich bis zu ihrer<br />
Quelle vorstoßen werde. Und ich finde, dass dieses<br />
sanfte, aber unaufhaltsame Gleiten im Zug und das<br />
beständige und zeitlose Fließen des Flusses ganz<br />
herrlich miteinander korrespondieren. Tschechien<br />
ist mit seinem dichten Schienennetz wie gemacht<br />
für nachhaltiges Reisen.<br />
Nachdem wir einmal die Bahn gewechselt haben,<br />
erreichen wir unser Ziel in der tschechischen<br />
Provinz, den 20.000-Seelen-Ort Melnik. Aufmerksam<br />
schlendern wir durch das Städtchen, das zu<br />
Zeiten des Kommunismus auch nicht viel anders<br />
ausgesehen haben wird. Ein süßes Örtchen, Kopfsteinpflaster<br />
und Glockenturm im Zentrum, die<br />
historischen Fassaden allerdings frisch getüncht.<br />
Drumherum drängeln sich eher gesichtslose<br />
Zweckbauten in unterschiedlichen Stadien der Erhaltung,<br />
etwas weiter außerhalb gruppieren sich<br />
die für Tschechien so typischen mäßig aufgeräumten<br />
Höfe von Betrieben, die umrahmt sind von »abgefressenen«<br />
Mäuerchen.<br />
Doch so ganz tief in der Provinz bin ich hier,<br />
rund 35 Kilometer nördlich von Prag, nicht gelandet.<br />
Und »bedeutungslos» ist dieses Melnik in<br />
Mittelböhmen schon gar nicht. Ich stehe auf der<br />
Terrasse von Schloss Melnik, an diesem klaren Tag<br />
zeichnen sich in der Ferne die Spitzen des Böhmischen<br />
Mittelgebirges ab und rund 70 Meter unter<br />
mir treffen die Wasserstraßen aufeinander. »Der<br />
Zusammenfluss von Elbe und Moldau ist ein zentraler<br />
Punkt des Elbeverlaufs in Tschechien«, kommentiert<br />
unsere Fremdenführerin Barbora. Ganz<br />
104 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
AKTIV EUROPA | Tschechien<br />
Alles böhmische Dörfer?<br />
Um genau zu sein, liegt das<br />
beschauliche, aber geschichtsträchtige<br />
Städtchen Melnik in<br />
Mittelböhmen. Oben auf dem<br />
Berg thront das Schloss.<br />
schmal, und fast hätte ich sie übersehen, fließt<br />
die Elbe, in Tschechien Labe genannt (»Fluss«),<br />
an meinem linken Bildrand vom Riesengebirge<br />
kommend als kleiner Nebenfluss in die Moldau,<br />
die fortan eben Elbe heißt, und wird in<br />
rund 900 Kilometern in die Nordsee münden.<br />
»Hier war immer ein Zentrum der Macht«,<br />
stellt Jiri Lobkowicz fest und lässt mit ein<br />
klein wenig Besitzerstolz die Augen über den<br />
Schlosshang wandern, der voller Weinreben ist.<br />
Niemand um uns herum würde in dem freundlich<br />
dreinblickenden und gemütlich fülligen<br />
Mann in Jeans und kurzärmeligem Hemd, das<br />
über den Hosenbund schlabbert, einen richtigen<br />
Prinzen und Schossherrn vermuten. Doch<br />
der unprätentiös auftretende Herr Anfang 60<br />
ist Nachkomme eines der seit 800 Jahren zentralen<br />
Adelsgeschlechter Tschechiens. Doch<br />
wie für so viele Adelige war das Europa des 20.<br />
Jahrhunderts ein gefährliches Pflaster. »Mein<br />
Vater flüchtete erst vor den Nazis nach Prag und<br />
dann vor den Kommunisten in die Schweiz«,<br />
erzählt uns Prinz Jiri Lobkowicz während der<br />
Schlossbesichtigung. Er selbst wurde im Land<br />
der Eidgenossen geboren und machte Karriere<br />
als Bankier in Städten wie Paris, London oder<br />
New York. Als nach der Samtenen Revolution<br />
und dem Ende des Kommunismus in der damaligen<br />
Tschechoslowakei unvorbelastete und<br />
qualifizierte Fachleute mit tschechischen Wurzeln<br />
heiß begehrt waren, kam er ins Land der<br />
Vorväter zurück. Er wurde Regierungsberater<br />
und Politiker, auch in der späteren Tschechischen<br />
Republik. Und er, bzw. seine Familie,<br />
bekam einen großen Teil des alten Besitzes zurück.<br />
»Es war sogar fast die Hälfte des Inventars<br />
erhalten geblieben«, berichtet der wiedereingesetzte<br />
Schlossherr beim Gang durch die Räume,<br />
die heute zum Teil als Museum dienen.<br />
Mittlerweile kämen rund 80.000 Besucher<br />
im Jahr ins Schloss Melnik. Viele steigen hinunter<br />
in den historischen Weinkeller. »Die<br />
Winzerei ist ein Hobby von mir«, übt sich Jiri<br />
Lobkowicz in Understatement. Denn was der<br />
»Hobby-Winzer« und hauptberufliche Wirtschaftsökonom<br />
da Jahr für Jahr seinen Reben<br />
abgewinnt, ist nicht weniger als eine Menge<br />
von 80.000 Litern. Schon nicht schlecht. Er<br />
kredenzt uns im acht Grad kühlen Gewölbe<br />
105
AKTIV EUROPA | Tschechien<br />
einen roten Ludmilla mit fruchtiger Note. Die heiliggesprochene Namensgeberin<br />
des Weines war im Schloss Melnik geboren worden, als<br />
dies noch eine Burg aus Holz war. Ludmilla hatte nicht nur die Christianisierung<br />
Böhmens getragen, sondern war auch Großmutter und<br />
Erzieherin des heiligen Wenzel, des Nationalpatrons der Tschechen.<br />
Jiri Lobkowicz erinnert an eine weitere Entwicklungslinie, die ihn mit<br />
der früheren Hausherrin verbindet – sie ist auch die Patronin der Winzer:<br />
»Die heilige Ludmilla hat den Weinbau in Böhmen nach Melnik<br />
gebracht. Danach hat es hier immer eine Winzerei gegeben. Ich führe<br />
also mit dem Weinbau eine lange Tradition fort.« Auch wenn sie mit<br />
ihrem Jahresausstoß im Vergleich zu den großen Anbaugebieten in<br />
Europa doch nicht viel mehr als einen Tropfen im Ozean darstellt.<br />
Oder alternativ eine Momentaufnahme im Fluss des großen Taktgebers<br />
dieser Region, der Elbe. Besser gesagt: In einem sehr kurzen<br />
Moment wäre die Jahresweinproduktion hier in der Elbe vorübergeflossen,<br />
etwas mehr als eine Zehntelsekunde bezogen auf die durchschnittliche<br />
Durchflussmenge von 711 Kubikmetern Wasser pro<br />
Sekunde im Flussbett. Daran muss ich denken, als mich das monotone<br />
Klackern des Zuges am folgenden Vormittag ein wenig schläfrig<br />
macht. Wir sind auf dem Weg nach Ostböhmen, immer entgegen der<br />
Fließrichtung, auf dem Weg zur Quelle. Unser nächster Stopp: Pardubitz,<br />
mit dem Auto rund 140 Kilometer von Melnik entfernt.<br />
Ein wunderschön restaurierter Ortskern mit eher mäßig interessanten<br />
Wohn- und Gewerbegebieten drumherum: Diesem Muster<br />
entspricht auch die Hauptstadt der gleichnamigen Region. Das wird<br />
mir klar, nachdem wir mit unseren Fahrrädern die für Pkw gesperrte<br />
Hauptstraße mit kommunistischem Flair hinter uns gelassen und das<br />
60 Meter hohe Grüne Tor mit großer Turmuhr im Renaissance-Stil<br />
durchfahren haben. Jetzt hoppeln wir über das Kopfsteinpflaster des<br />
Marktplatzes. Hinter der alten Stadtmauer liegt die Altstadt und die<br />
zeigt sich wie aus dem Ei gepellt. Doch wir lassen die gemütlichen<br />
Cafés hier hinter uns, »fliegen« vorbei am alten Rathaus, passieren die<br />
restaurierte Wasserburg »Schloss Pardubitz« und schenken auch der<br />
»Automatischen Mühle«, einer ehemaligen Industrieanlage, die heute<br />
ein kulturelles Zentrum ist, nur einen kurzen Blick. Unser Ziel ist das<br />
Wasser.<br />
Das funkelt auch schon einige Minuten später blau in der gleißenden<br />
Sonne. Da ist sie also wieder, die Begleiterin unserer Reise, die<br />
Elbe. Schon schlägt mein Herz ein bisschen höher, denn hier tobt das<br />
pralle Sommervergnügen. Wir passieren eine Brücke, von der sich die<br />
Jugend der Stadt ins Wasser wirft. Um sie herum zockeln zahlreiche<br />
Paddler durch die Fluten. Am Ufer fläzen sich die Sonnenanbeter auf<br />
Betonstufen. Hier zeigt der Elberadweg seine wahren Reize. Die Strecke<br />
lässt uns wie von selbst durch die Elbauen gleiten – 380 Kilometer<br />
führt einer der schönsten Radwanderwege Europas durch Tschechien.<br />
Wir nehmen heute nur insgesamt 20 Kilometer unter die Räder, unser<br />
Ziel ist ein beliebter Ausflugsort. Mit uns sind zahllose Radler und<br />
Rollschuhfahrer unterwegs. Immer wieder passieren wir Wassersportler<br />
und vergnügungssüchtiges Jungvolk, das den blendenden Sommer<br />
am und auf dem Wasser genießt. Dann biegen wir ab, entfernen uns<br />
wieder vom Fluss und fahren nach einer kurzen Strecke ein ins Reich<br />
der Lebkuchen.<br />
»Wir haben hier keinen Premierminister, sondern den Lebkuchenkönig«,<br />
begrüßt uns der »Zöllner« am Tor zum Lebkuchenmuseum und<br />
händigt uns tatsächlich einen kleinen Fantasiepass in Lebkuchenbraun<br />
aus. Ich muss ein wenig schmunzeln wegen des – in bester großväterlicher<br />
Märchenerzählermanier gehaltenen – Vortrages. Das Museum<br />
selbst setzt den Eindruck unterbrechungslos fort. Es wird auch Knusperhäuschen<br />
genannt und hat seine Heimat in einem ehemaligen Jägerschloss,<br />
einem geräumigen Fachwerkbau, gefunden, das von verschiedenen<br />
Lebkuchenbäckereien unterstützt und von zwei Familien<br />
betrieben wird. Die Produktion der süßen Kuchen ist ein wichtiger<br />
Wirtschaftsfaktor für die Region. Zusammen mit der nahen Burg »Kuneticka<br />
Hora«, in der es im Sommer neben einer tollen Aussicht auf<br />
das Umland ein Open-Air-Theater gibt, einem Pferdehof und Streichelzoo<br />
und einer Gastronomie, bildet dieses Knusperhäuschen ein<br />
Ausflugsensemble für die ganze Familie. Hänsel und Gretel jedenfalls,<br />
die als Figuren den Eintritt ins Museum markieren, hätten dieses mit<br />
Lebkuchen aller Art vollgestopfte Gebäude geliebt. Ich stecke mir als<br />
Proviant für den Rückweg noch einen dicken Kuchen in die Tasche.<br />
Denn für einen etwas aus der Form geratenen Radfahrer wie mich<br />
können die zehn Kilometer ganz schön lang werden.<br />
Und daran sollte ich sehr guttun, weiß ich einen Tag später, als<br />
ich doch ein wenig gerädert wieder im Zugabteil sitze, die Zwischenmahlzeit<br />
war mir sehr willkommen. Erneut hat mich die Schläfrigkeit<br />
gepackt, das Ziehen in den Beinen und das schmerzende Gesäß vermischen<br />
sich in meinem Kopf angenehm mit dem monotonen Klackern<br />
der Gleise. Doch schon bald werde ich unbarmherzig aus meinem Zustand<br />
gerissen, wir müssen umsteigen. Ins Riesengebirge zu kommen,<br />
erfordert mehr Logistik als gewohnt, noch zweimal wechseln wir den<br />
Riesenrad: Auf dem<br />
Schloss beeindrucken<br />
nicht nur stolze Pfaue,<br />
sondern auch der urige<br />
Weinkeller mit besonderen<br />
Tropfen.<br />
106<br />
herbst <strong>2020</strong>
USA | New York<br />
Spitzenlage: Unter<br />
dem Schloss fließt im<br />
Tal die Moldau in die<br />
Elbe und gedeiht der<br />
Wein, für den Melnik<br />
berühmt ist.<br />
Foto: Honza Kopta/Shutterstock.com<br />
Freiheit im Fokus. Doch Achtung,<br />
die Tickets zur Begehung der Statue<br />
of Liberty sind häufig schon Monate<br />
im Voraus ausverkauft. Deswegen<br />
unbedingt früh genug planen.<br />
»Ich führe mit dem Weinbau<br />
eine lange Tradition fort.«<br />
Schlossherr Jiri<br />
Lobkowicz zeigt stolz<br />
sein Anwesen, das für<br />
Besucher zugänglich ist.<br />
Die Familie Lobkowicz<br />
gehört zu einem der<br />
ältesten böhmischen<br />
Adelsgeschlechter.<br />
sommer 2019<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
107
AKTIV EUROPA | Tschechien<br />
Stillleben am Wegesrand und unverstellter<br />
Weitblick: die Wandertruppe auf ihrem Weg<br />
zu Spindlermühle, das oft als Perle des<br />
Riesengebirges beschrieben wird.<br />
Wo sich im Winter Hunderte Skifahrer im Riesengebirge die Pisten hinunterwerfen,<br />
herrscht im Sommer zum Glück nur für Schafe Hochbetrieb. Auch<br />
die Elbquelle hat man ganz für sich allein.<br />
108 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
»Die eigentliche Quelle<br />
befindet sich 200 Meter<br />
entfernt.«<br />
Zug und an der Endhaltestelle in Vrchlabi Labi (»Obere Elbe«) geht<br />
es mit dem Bus weiter. »Und, wieder fit, Markus?«, fragt mich unsere<br />
Fremdenführerin Barbora, der die Drahteseltour vom vergangenen<br />
Tag so gar nichts anhaben konnte, als wir unsere Unterkunft in der<br />
Ortschaft Spindleruv Mlyn (»Spindlermühle«) erreichen. Wir haben<br />
zwar nur rund 100 Kilometer von Pardubitz aus zurückgelegt, doch<br />
die Welt um uns herum ist eine andere geworden. Die flache Landschaft<br />
ist passé, wir sind nun auf rund 700 Metern Höhe.<br />
Zum Ausruhen ist wenig Zeit. »Na, alle bereit?«, begrüßt uns unser<br />
Bergführer Radek, ein kerniger Naturbursche mit Fließjacke, Dreitagebart<br />
und einer guten Portion Abenteuerlust, die ihm im leicht rot angebrannten<br />
Gesicht geschrieben steht. Während wir langsam unseren<br />
Aufstieg unter die Wanderschuhe nehmen, erwachen meine Lebensgeister<br />
wieder. Radeks sind schon längst hellwach. »Spindlermühle ist<br />
der bekannteste Ort für Touristen auf der tschechischen Seite des Riesengebirges«,<br />
erzählt er uns in ziemlich gutem Deutsch, während wir<br />
unseren Ausgangspunkt immer weiter hinter uns zurücklassen. Wie<br />
auch sonst auf meiner Reise durch Böhmen ist hier die deutsche Sprache<br />
weitverbreitet. Das heute oft Perle des Riesengebirges genannte<br />
Spindlermühle wurde im späten 18. Jahrhundert von Waldarbeitern<br />
gegründet, die aus dem benachbarten Schlesien kamen und das nötige<br />
Holz für den hiesigen Silberabbau liefern sollten. Den Namen entlehnte<br />
die Gemeinde tatsächlich der Mühle eines Herrn Spindler, die<br />
damals in der Mitte der Siedlung gestanden hatte, aber mittlerweile<br />
längst verschwunden ist. Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde<br />
das Örtchen mehr und mehr zum Touristenhotspot. Heutzutage kann<br />
sich die Einwohnerzahl im Winter schon mal verzehnfachen, der Ort<br />
verfügt über einige der besten Skipisten im Riesengebirge.<br />
Was mich betrifft, so ziehe ich die hügelige Landschaft im Sommer<br />
allemal vor. Längst ist mein Ziehen in den Beinen vergessen, um uns<br />
herum grünt und blüht es, als wollte uns die Natur zeigen, wie pralles<br />
Leben auszusehen hat. Wir marschieren entlang der polnisch-tschechischen<br />
Grenze, die mitten durch den Nationalpark führt. 600 Kilometer<br />
Wanderwege und 400 Kilometer für Radfahrer gibt es hier, das<br />
sorgt für Konjunktur auch in den schneearmen Monaten. »Aber man<br />
darf nie vergessen, dass man in den Bergen ist. Das Wetter kann sich<br />
schnell rapide ändern, und das mehrmals am Tag«, erläutert Radek, als<br />
wir uns nach rund zwei Stunden einen Zwischenstopp auf dem Weg<br />
zur Quelle gönnen und mit einer böhmischen Kartoffelsuppe stärken.<br />
Die letzte Etappe steht an.<br />
Immer höher winden wir uns die schmaler werdenden Wege hinauf,<br />
von Zeit zu Zeit fällt unser Blick auf die Elbe, die hier nicht viel mehr<br />
als ein ziemlich breiter Bach ist. Immer mal wieder löschen wir unseren<br />
Durst mit dem eiskalten klaren Wasser, das aus Quellen am<br />
Wegesrand heraussprudelt, und genießen den Ausblick, der mit seinen<br />
sanft abfallenden und ansteigenden Hängen, auf denen knorrige<br />
Fichten auf sattgrünen Wiesen wachsen, fast wie ein geschönter Tourismusprospekt<br />
daherkommt. Je länger wir aufsteigen, desto mehr ersetzen<br />
borstige Büsche die schlanken Bäume, wir nähern uns unserem<br />
Ziel auf 1.386 Metern Höhe.<br />
Und dann stehen wir davor! Auf einem Bergkamm auf der sogenannten<br />
»Labska louka« (Elbwiese) und von gerundeten Steinblöcken<br />
umgeben präsentiert sich die »pramen Labe«, die Elbquelle, fast wie<br />
ein kleiner Brunnen, der allerdings nur rund 40 Zentimeter tief ist.<br />
Auf dem Grund funkeln uns kleine silberfarbene Münzen entgegen,<br />
die unseren Vorgängern wohl Glück beim Abstieg und im weiteren<br />
Leben bescheren sollten. »Das ist hier aber nur die symbolische Elbquelle,<br />
die man für die Besucher angelegt hat. Die richtige befindet<br />
sich rund 200 Meter entfernt«, erläutert Radek und deutet auf das<br />
uns umgebende Torfmoor. Aus Gründen des Naturschutzes wollen die<br />
Parkbetreiber die Besucher aus dem, mit struppiger Wiese bewachsenen<br />
Moor heraushalten. »Da gibt es aber auch nicht viel zu sehen«,<br />
erläutert unser Führer, während ich die 26 Wappen betrachte, die auf<br />
einem Mäuerchen aufgemalt sind – die bedeutendsten Städte, durch<br />
die die Elbe auf ihrem Weg in die Nordsee fließt. Ich betrachte Adler<br />
und Löwen von Melnik, das weiße Pferd von Pardubitz und die stilisierten<br />
Fichten von Spindlermühle, lasse meine bisherige Reise Revue<br />
passieren. Am anderen Ende der Mauer befindet sich das goldene<br />
Schild mit Kugelbake, einem nautischen Zeichen, der Stadt Cuxhaven.<br />
Bis das Elbwasser dort angelangt ist und in die Nordsee fließen kann,<br />
wird es 1.094 Kilometer zurücklegen müssen. Diesen Elbetrip spare<br />
ich mir aber für das nächste Mal auf.<br />
INFO<br />
ANREISE<br />
Bahn: Sechsmal täglich kann man mit dem Eurocity (EC)<br />
von Hamburg bzw. Berlin nach Böhmen <strong>reisen</strong> (Infos unter<br />
czech-transport.com, www.cd.cz/de oder www.bahn.de). Alle<br />
Züge passieren auch Prag. Außerdem fährt die Deutsche Bahn<br />
mehrfach täglich von verschiedenen Bahnhöfen in Deutschland<br />
mit dem ICE nach Prag. Eine interessante Option ist das Elbe-Labe-<br />
Ticket, mit dem man mit der S-Bahn in Dresden starten kann und<br />
an verschiedenen Orten in Böhmen hält (www.vvo-online.de).<br />
Tschechische Zentrale für Tourismus - CzechTourism<br />
Wilhelmstraße 44, 10117 Berlin, Tel. + 49 30 204 4770<br />
berlin@czechtourism.com, www.visitczechrepublic.com<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
109
FAHR<br />
LIFESTYLE<br />
RAD<br />
Albert Einstein behauptete<br />
einst, ihm sei die Relativitätstheorie<br />
auf dem Fahrrad<br />
sitzend eingefallen.<br />
Genialität hat also auch<br />
auf dem Sattel Platz.<br />
Was man sonst noch<br />
zum erfolgreichen<br />
Radeln braucht,<br />
zeigen wir hier.<br />
1 |<br />
1<br />
Guter Rat ist teuer? Nicht in Sachen<br />
Sicherheit. Der Kopfschutz von<br />
Hövding zählt zum sichersten Equipment,<br />
das es gibt, und er wird als<br />
Kragen um den Hals getragen. Bei<br />
einem Sturz löst der Airbag innerhalb<br />
von einer Sekunde aus. Mit der App<br />
verbunden, gibt es zudem hilfreiche<br />
Features, wie die Benachrichtigung<br />
der hinterlegten Notfallnummer, mit<br />
Standortinfo bei einem Unfall oder<br />
den Überblick über gefahrene Kilometer.<br />
»Hövding 3«, um € 300<br />
2 |<br />
3 |<br />
4 |<br />
5 |<br />
6 |<br />
9 |<br />
Text & Produktion: Ulrike Klaas; Fotos PR (5), Alexander Crispin<br />
2<br />
Eat, sleep, bike!<br />
Der New-Balance-Sneaker<br />
kombiniert modernes Design<br />
mit 1970er-Jahre-Stil und<br />
sieht nicht nur im Straßenverkehr<br />
stylisch aus. »New<br />
Balance 327«, € 110<br />
3<br />
Das fünfte Rad am Wagen<br />
ist die Fahrradtasche im<br />
Kurierstil von Ortlieb ganz<br />
gewiss nicht, sondern sie ist<br />
unerlässlich auf dem Weg<br />
zur Arbeit (mit integriertem<br />
Laptopfach), zum Sport oder<br />
auch auf einer längeren Radtour.<br />
Robust, wasserdicht und<br />
mit extra Polster trägt er sich<br />
federleicht auf dem Rücken.<br />
Mit 17 l, 23 l und<br />
27 l erhältlich, ab € 90<br />
4<br />
Rad mal: Helm oder Faltwunder?<br />
Die Größe des<br />
Closca-Helmes lässt sich in<br />
nur einer Sekunde um fast die<br />
Hälfte reduzieren, indem man<br />
ihn einfach zusammenfaltet.<br />
So lässt er sich in Tasche oder<br />
Rucksack mühelos verstauen.<br />
Perfekt auf Reisen oder auch<br />
im Alltag. »Helmet Loop«,<br />
340 g (Größe M), € 70<br />
5<br />
Ein Rad schlagen könnte man<br />
vor Freude beim Anblick des<br />
E-Bikes Ella Cruise Hybrid.<br />
In leuchtendem Gelb und<br />
Retro-Look düst man mit der<br />
7-Gang-Nabenschaltung von<br />
Shimano und der Antriebstechnologie<br />
von Bosch entspannt<br />
durch die Stadt und<br />
schaltet mit hydraulischer<br />
Felgenbremse auch mal einen<br />
Gang runter. Farbe: yellow ’n’<br />
white, 24,9 kg, € 2.399<br />
6<br />
Mit Rad und Tat zur Seite:<br />
Mit der Jacke von Haglöfs ist<br />
Mann für alle Wetterbedingungen<br />
gewappnet. Atmungsaktiv,<br />
wasserdicht, leicht und<br />
mit jeder Menge Bewegungsfreiheit<br />
kann die nächste<br />
Mountainbike-Tour kommen.<br />
Und in Signalgelb ist man für<br />
jedermann sichtbar. »L.I.M<br />
Jacket Men«, € 250<br />
110<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
DEUTSCHLAND<br />
Fotos: »Katharina Grosse. It Wasn’t Us«, Ausstellungsansicht Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin, <strong>2020</strong>/Courtesy KÖNIG<br />
GALERIE, Berlin, London, Tokyo/Gagosian/Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien © Katharina Grosse/VG Bild-Kunst, Bonn<br />
<strong>2020</strong>/Foto: Jens Ziehe, SMG Mende © Stuttgart-Marketing, zaidi razak/Shutterstock.com<br />
BERLIN<br />
Im Rausch der Farben<br />
Ein raumgreifendes, multidimensionales Kunstwerk, das die Fantasie beflügelt. Ein aus Spray<br />
und Kunststoff geschaffener Farbrausch, der die Besucher zunächst überfordert. Aber je länger<br />
man das begehbare Kunstwerk in der historischen Halle des Hamburger Bahnhofs – Museum<br />
für Gegenwartskunst – in Berlin betrachtet, um so mehr offenbart es sich. Oder auch nicht.<br />
Bilder verschwimmen, Farben gehen ineinander über. Die Künstlerin Katharina Grosse hat sich<br />
»aus dem Gebäude herausgemalt«. Ihre spektakuläre Ausstellung »It Wasn‘t Us«, die noch bis<br />
zum 10. Januar 2021 zu sehen sein wird, soll Raum und Zeit aufheben – und der Besucher soll<br />
Mitwirkender sein. Sich selbst eine Meinung bilden und ruhig irritiert werden.<br />
Sehr sehenswert für Alt und Jung. Eintritt kostet € 10, www.smb.museum<br />
STUTTGART Wo die Waldelefanten lebten<br />
Früher war das Betreten strengstens verboten. Schwere Maschinen mühten sich in den<br />
Steinbrüchen ab, den Naturstein Travertin abzubauen. Heute wird ausdrücklich darum<br />
gebeten, die ungewöhnliche Parkanlage zu besuchen. Zwischen grünen Wiesen, wild<br />
bewachsenen Abbruchkanten, Weinreben und nostalgisch erhaltenen Kranbahnen spazieren<br />
Besucher entlang der Industriegeschichte. Den Travertinpark im Stadtteil Hallschlag<br />
des Stuttgarter Stadtbezirks Bad Cannstatt sollte man sich nicht entgehen lassen.<br />
Allein wegen des herrlichen Blicks auf Bad Cannstatt und das Neckartal. Wer seinem<br />
Wissen über den Naturstein Travertin auch etwas über die urzeitliche Entwicklung<br />
Stuttgarts hinzufügen möchte, dem sei ein Besuch im staatlichen Museum für Naturkunde<br />
empfohlen. Dort sind auch Reste von Urmenschen, Waldelefanten und Fossilien,<br />
die im Travertinpark gefunden worden sind, ausgestellt. www.stuttgart-tourist.de<br />
MÖNCHEN-<br />
GLADBACH<br />
AB IN DIE<br />
GALAXY<br />
Fast erschreckt man sich,<br />
wie lebensgroß Lara Croft,<br />
Spiderman oder Darth Maul<br />
plötzlich vor einem stehen.<br />
Eine echte Überraschung ist<br />
die »Stars of the Galaxy«-Ausstellung<br />
in Mönchengladbach.<br />
Sehr liebevoll und mit großer<br />
Sammlerleidenschaft wurden<br />
hier die Stars der Galaxien<br />
versammelt und Szenen aus<br />
dem Star-Wars-Universum in<br />
zahlreichen Dioramen und<br />
Modellen gezeigt. Wer Zeit<br />
mitbringt, sollte auch an einer<br />
Führung teilnehmen. Eine sehr<br />
unterhaltsame Ausstellung,<br />
die sich auch für Nicht-<br />
Stars-Wars-Fans lohnt.<br />
www.starsofthegalaxy.de<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
111
DEUTSCHLAND | Hamburg<br />
Hamburg<br />
Musik,<br />
die Welt,<br />
ein Dorf<br />
112<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
Heimat. Hafen. Sehnsuchtsort.<br />
Die Hansestadt ist für <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>-<br />
Autorin Simone Sever mehr als nur ihr Zuhause.<br />
Für die gebürtige Hamburgerin spielt in<br />
»Hamburch« die Musik, die ihr Herz berührt.<br />
113
DEUTSCHLAND | Hamburg<br />
Schachzug: Wer sich vom »Schietwetter«<br />
abhalten lässt, Hamburg<br />
zu lieben, der ist selbst schuld!<br />
114<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
BBeim<br />
legendären Hans-Albers-Song »Das Herz von St. Pauli« stimmt<br />
sie am liebsten gleich mit ein – auch außerhalb des Millerntor-Stadions<br />
des FC St. Pauli. Heißt es »In Hamburg, da bin ich Zuhaus'«, werden<br />
ihre Augen vor lauter Lokalkolorit schon mal rot. Zum Sonnenuntergang<br />
am Elbufer, wenn die großen Pötte flussabwärts so manches Mal<br />
von Hamburg bis nach Haiti aufbrechen, hüpft ihr Herz besonders<br />
hoch, während Spotify ihre Hamburg-Playlist spielt. Die Welt scheint<br />
zum Greifen nah und das nicht nur viele Seemeilen von der Elbmündung<br />
entfernt hinter dem Horizont der sieben Weltmeere. »Der Hafen,<br />
die Lichter, die Sehnsucht begleiten das Schiff in die Ferne hinaus.«<br />
Die weite Welt ist auch mitten in Hamburg zu finden. »Hamburg. Hafenstadt.<br />
Weltmetropole«, sagen die Einen. »Hamburg. Kleinstadt mit<br />
Größenwahn und schlechtem Wetter«, murren Andere. Die Wahrheit<br />
unserer Autorin liegt mittenmang, also irgendwo dazwischen, denn<br />
für sie ist Hamburg von jedem ein bisschen: das Dorf, in dem sie die<br />
Nachbarschaft beim Einkauf trifft und bei einem Straßenschnack gern<br />
mal die Zeit vergisst, und die Welt, weil sie sich an fast jeder Ecke<br />
probieren und studieren lässt. Also: »Butter bei die Fische!«, meint<br />
die Hamburgerin, wenn es gilt, zur Sache zu kommen. »Wer sich vom<br />
Wetter davon abhalten lässt, sich Hals über Kopf in diese ›schönste<br />
Stadt der Welt‹ wie im Hamburger Understatement die knapp Zweimillionenstadt<br />
mit Alster und Elbe genannt wird, zu verlieben, der ist<br />
einfach selbst schuld!«<br />
Zugegeben, das Hamburger Schietwetter, das mit betongrauem<br />
Himmel, Niesel- oder Starkregen nicht allein an den <strong>Herbst</strong> gebunden<br />
ist, kann schon mal ein klitzekleines bisschen auf die Nerven gehen,<br />
zeigt es sich auch im Sommer feucht und verhangen. »Hamburg im<br />
Regen«, ein Schlager von Mary Roos, der seit 1974 in regelmäßigem<br />
Turnus Bestätigung findet. Dennoch, meiner Schönen im hohen Norden<br />
kann das nichts anhaben, denn diese, meine Stadt strahlt schließlich<br />
auch ohne Sonne und ganz ehrlich, Hamburg hat deutlich besseres<br />
Wetter, als häufig gejammert wird. Im Frühling erblüht die grünste<br />
Stadt der Bundesrepublik mit 14 Prozent Grün- und Erholungsflächen<br />
üppig und macht beinahe Stockholm Konkurrenz. An Japan erinnert<br />
im Mai seit 1968 (es sei denn, es wird Corona-bedingt abgesagt) das<br />
alljährlich stattfindende japanische Kirschblütenfest, das die 30-jährige<br />
Städtepartnerschaft mit Osaka feiert. Im goldenen Oktober kann<br />
es Hamburg locker mit dem Indian Summer der US-amerikanischen<br />
Ostküste aufnehmen, wenn sich die etwa 250.000 Bäume der grünen<br />
Metropole ins richtige Licht setzen.<br />
Denn er muss aus Hamburch sein …<br />
Im Blitzlicht erstrahlt seit der Eröffnung im Januar 2017 die Elbphilharmonie,<br />
das musikalische Wahrzeichen der Stadt, das im Vergleich<br />
internationaler Konzerthäuser mit ausgezeichneter Architektur wie<br />
etwa der Chinesischen Nationaloper in Peking oder dem Sydney Opera<br />
House mithalten kann. Mitten im Hafen überragt es nicht nur die ankommenden<br />
Luxusliner. An manchen Abenden steht neben den konzertanten<br />
Werken auch kostenloses Drama auf dem Programm, wenn<br />
beim Blick von der für Besucher kostenfreien Plaza der Sonnenuntergang<br />
schon mal besonders kitschig daherkommt. Wer je die feurigen<br />
Lichtspiele in den Wolken – ja, häufig sind da Wolken und das ist auch<br />
gut so! – über den Hafenkransilhouetten bestaunen durfte, der weiß,<br />
was Hamburger Drama ist, der kann sich doch nur schockverlieben in<br />
diese großartige Stadt. An einem dieser spektakulären Sonnenuntergänge,<br />
als einmal der Himmel in der gesamten Rotpalette zu brennen<br />
schien, wurde sogar mal die Feuerwehr gerufen. Das kann nur ein<br />
Zugereister gewesen sein, der die Schönheit nicht erkennen konnte …<br />
»Ein jeder … kann das nicht, denn er muss aus Hamburch sein.«<br />
Besonders intensiv leuchtet im Abendrot »Die rote Stadt«, wie Boris<br />
Meyn die Hamburger Speicherstadt in seinem historischen Kriminalroman,<br />
der im Jahr 1886 spielt, nennt. 2015 wird der weltweit größte<br />
zusammenhängende Hafenspeicherhauskomplex zum Unseco-Weltkulturerbe<br />
ernannt. Eine Barkassenfahrt durch diese Backsteinroman-<br />
Oldtimer gehören<br />
selbstverständlich<br />
zum Stadtbild Havannas.<br />
Gerade in der Autorestauration<br />
zeigen<br />
sich die Kubaner sehr<br />
kreativ. Und natürlich<br />
auch bei der Hundebekleidung.<br />
herbst <strong>2020</strong> 115<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
Aber mal ehrlich, wer braucht Berge,<br />
wenn der Hafen mitten in der Stadt liegt?<br />
Es gibt den Hamburger Berg<br />
und auch Bergedorf.<br />
Also zurück<br />
ans Wasser!<br />
Wenn du von Süden kommst,<br />
ist Hamburg direkt vor Grönland<br />
tik gehört zu Hamburg wie das Wasser, das unter den 2.500 Brücken<br />
fließt. Übrigens stellt Hamburg Venedig, was die Anzahl der Brücken<br />
angeht, damit deutlich in den Schatten. Noch mehr La-Serenissima-Feeling<br />
kommt bei einer Fahrt mit einer echten venezianischen<br />
Gondel auf. Hamburg macht auch das möglich. Alles schafft die Stadt<br />
an der Elbe aber auch nicht. Berge sind ziemlich unterrepräsentiert<br />
in der Hansestadt, wobei es den Hamburger Berg und auch Bergedorf<br />
gibt. Hamburgs herausragendste Landschaftserhebung, der Hasselbrack<br />
in den Harburger Bergen, ist zumindest 116 Meter hoch. Aber<br />
mal ehrlich, wer braucht Berge, wenn der Hafen mitten in der Stadt<br />
liegt? Also zurück ans Wasser! Mit einer Weltreise an nur einem Tag<br />
lockt das Miniatur Wunderland die ganze Familie in die immer größere<br />
Ausstellung und sie ist längst über alle Grenzen bekannt. Die<br />
länderübergreifende Kirmes, die im Juni <strong>2020</strong> neu eröffnete, ist der<br />
neueste Clou der Eisenbahnwelt. In Hamburg nennt man Kirmes übrigens<br />
Dom und das, weil auf dem Heiligengeistfeld bis zum Jahr 1805<br />
der Alte Mariendom stand. Mit derlei Wissen kann man übrigens den<br />
einen oder anderen Hamburger so richtig begeistern. Nichts liebt der<br />
Einheimische mehr als Besucher, die seine Stadt ehren!<br />
Ein paar Schritte weiter, wo einst Rinder und Schafe gehandelt wurden,<br />
liegt heute das kulinarische Einkaufsparadies des Schanzenviertels.<br />
In der Rindermarkthalle treffen sich zum Wochenendeinkauf<br />
nicht nur die Anwohner des Viertels. Von bio bis vegan, von Alkohol<br />
bis Schokolade, von Blumen bis Wagyu … zwischendurch ’ne Stulle<br />
von Brot & Stulle auf die Hand und los geht’s zur Shoppingtour durch<br />
die Schanze und durch das Karoviertel. Lustige, singende Flamingos,<br />
bunte Vögel als Anstecker oder Servietten mit freundlicher Message,<br />
also viel Buntes und Verspieltes, das man »dringend« benötigt, ist im<br />
Karolinenviertel vis-à-vis der Rindermarkthalle bei Snaps zu finden.<br />
Ähnlich bunt, wenngleich auch elegant und very sophisticated, sind<br />
die kleidenden Angebote bei Herrn von Eden, der mit seinen farbschönen<br />
Zweiteilern schon Jan Delay angezogen hat.<br />
Weiter Richtung Schanzenviertel in die Bartelstraße, wo im Minimarkt<br />
das Warenangebot eher minimalistisch und hygge ist: schwedische<br />
Wolldecken, dänische Designerkerzenleuchter … ein Blick in die<br />
Schaufenster ist immer auch Neuinspiration für zu Hause. Nur wenige<br />
Schritte entfernt sieht man von Mittwoch bis Samstag hin und wieder<br />
Das Fenster zur Welt:<br />
Containerschiffe-Gucken<br />
gehört in Hamburg<br />
zum Zeitvertreib.<br />
116<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
DEUTSCHLAND | Hamburg<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
117
Klingt nach »Island in the Sun« und fühlt sich<br />
genauso an, wenn die Füße im Elbsand stecken,<br />
die Sonne brennt, das Alsterwasser schmeckt<br />
und es plötzlich dunkel wird.<br />
118<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
DEUTSCHLAND | Hamburg<br />
Puristischers Ambiente, bester Flat White der Stadt. Im Tornquist wird Kaffee zur Kunst.<br />
Wo zu finden? Im Schanzenviertel!<br />
Menschenschlangen stehen. Warum? Ein Blumenladen verkauft ohne<br />
viel Schnickschnack, das, was die Lkws aus den Niederlanden nach<br />
Hamburg fahren konnten und was der kleine Laden schlucken kann.<br />
»Tulpen aus Amsterdam«, auch fürs Hotelzimmer. Immer mittwochs<br />
geht’s los, so lange, bis alle Blumen verkauft sind. Der halale Schlachter,<br />
der Obst- und Gemüsemann an der Ecke, die einheimischen türkischen<br />
Mütter, die man vom Spielplatz kennt, die Restaurants Lokmam<br />
und Pamukkale … Wenn die Temperaturen die 25 Grad Celsius überschreiten,<br />
ist dies genau die richtige Ecke für türkisches Lebensgefühl.<br />
Inschallah Hamburg, meine Perle!<br />
Wenn du von Norden kommst,<br />
liegt Hamburg in Afrika.<br />
Die Straße hoch thront Hamburgs beliebtester Störfaktor, das Autonome<br />
Zentrum Rote Flora, nur wenige Meter vom Transit, einer südostasiatischen<br />
Tapasbar entfernt, in der sich das mitteljunge und stylische<br />
Publikum unter roten Lampions vielversprechende Appetithappen wie<br />
»My Ex«, »Duck in Pyjamas«, »Almost Nude« servieren lässt. Im Transmontana<br />
auf der Piazza gegenüber verführen portugiesische Natas, diese<br />
köstlichen Blätterteigtörtchen mit Pudding lieben Touristen und Ansässige<br />
gleichermaßen. Das Bistro Carmagnole in der angrenzenden<br />
Juliusstraße kann französische Küche, Artischocken, Espresso-Martinis<br />
und noch viel mehr und manchmal kann es ganz schön schanzigschick<br />
wirken. Auf dem Weg Richtung Hafen wird es uriger, denn da<br />
liegt Schorsch, Hamburgs wohl berühmteste Currywurstbude. Im engen<br />
schlauchartigen Büdchen wird die Currywurst unbedingt scharf<br />
geordert, der Durst stilgerecht mit einem Astra oder einer Ananas-Anjola-Brause<br />
gelöscht. Extra scharf bestellen hier nur die ganz Harten,<br />
vielleicht ja die Tätowierer von »187 Ink«, dem Tattooshop um die<br />
Deutschrapper von »187 Straßenbande« und dem flächendeckend bemalten<br />
Gzuz. Kristoffer Klauß aka Gzuz, das steht für Ghetto-Zeug<br />
unzensiert, ist im Beginner-Song »Ahnma!« von Lokalmatador Jan Delay<br />
– der, der sich auch gern bei Herrn von Eden im Karoviertel einkleidet<br />
– neben den sympathischen Größen, dem legendären Fußballer<br />
der 1960er-Jahre und dem damals besten Mittelstürmer der Welt,<br />
Uwe Seeler, und dem deutschen Reggaemusiker Gentleman zu sehen.<br />
Bei warmem Wetter dröhnt seit dem Sommer 2016 »Was los, Digga,<br />
ahnma’«, diese Hamburg Hymne, gern durchs Viertel. 30 Jahre früher<br />
erkannte auch Bernd Begemann das Potenzial der Hafenstadt und<br />
brannte die Zeile »Unten am Fluss, unten am Hafen, wo die großen<br />
Schiffe schlafen« in so manch Hamburger Gedächtnis. Mit Blick auf<br />
die schlafenden Schiffe begrüßt das Salt & Silver Lateinamerika seine<br />
Gäste mit »Bienvenidos, liebe Freunde der lateinamerikanischen Geschmacksakrobatik«.<br />
Erst einen Pisco Sour, dann ein Menu del Mare<br />
mit Jakobsmuscheln, Leche de tigre, mit Schmorgurken-Tempura und<br />
Seeteufel … to die for!<br />
»Reeperbahn, du geile Meile«<br />
Zum Sterben schön und lecker sind auch die dreiteiligen Überraschungs-Flights,<br />
die im The Chug Club, einer Cocktailbar im Herzen<br />
St. Paulis, als flüssige Kunstwerke auf Basis von Tequila und Mezcal<br />
serviert werden und an Mexiko denken lassen. Das Motto: »Chug yourself!«<br />
Unbedingt den Thyme Machine mit Mezcal und Blaubeerwodka,<br />
die Buttermilch-Margarita mit Tequila Reposado und Agavensirup, den<br />
Catch me if you can, Death by Erdnuss, Give Peach a Chance … kosten.<br />
Dann mal Prost! »Auf der Reeperbahn nachts um halb eins …«<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
119
Hans Albers »Das Herz von St. Pauli«<br />
Lotto King Karl »Hamburg, meine Perle«<br />
Udo Lindenberg »Reeperbahn«<br />
Jan Delay, Beginner und Gzuz »Ahnma«<br />
Heidi Kabel »An de Eck steiht ’n Jung mit’n Tüddelband«<br />
»In Hamburg sagt man Tschüss«<br />
Mary Roos »Hamburg im Regen«<br />
und der kleine Hunger quält? Nichts ist irgendwie typischer St. Pauli<br />
und Schanze und Hamburch, als frühmorgens nach durchzechter<br />
Nacht ein klassisches Mettbrötchen oder eine echt große Portion Bauernfrühstück<br />
bei Erika’s Eck zu vertilgen. Hier, wo sich noch in den<br />
80er-Jahren die Zeitung lesenden Schlachter neben Nachtschwärmern<br />
der naheliegenden Clubszene zum Frühstück trafen, sieht man zwar<br />
heute keine blutbeschmierten Kittel mehr, die belegten Brötchen sind<br />
aber immer noch legendär. Der Kaffee kommt im Becher. Kaffee können<br />
Hamburger übrigens – und das auch schon seit mehr als 150 Jahren,<br />
wie zum Beispiel das Kaffee-Museum in der Speicherstadt wissen<br />
lässt. Viele Cafés servieren den dunklen Wachmacher inzwischen mit<br />
einer Menge Zusatzwissen und in wahrer Baristaqualität. Im Schanzenviertel<br />
liegen vis-à-vis gleich zwei Kaffeekönner. Das gemütliche<br />
Nachbarschaftscafé Kopiba punktet mit eigener Röstung. French<br />
Press, Latte, Espresso, Macchiato … you name it! Mit viel Liebe zum<br />
Detail wird jeder Kaffee wie ein Kunstwerk behandelt. Die selbst gebackenen<br />
und teils veganen Kuchen sind ebenfalls köstlich. Wer einen<br />
richtigen Wachmacher braucht, bestellt Deathpresso, der mit dem<br />
Untertitel »Schlafen kannste, wenn du tot bist« daherkommt. Auf der<br />
anderen Straßenseite im Tornqvist in deutlich reduziertem Ambiente<br />
ist auch das Kaffeeangebot überschaubarer. Man konzentriert sich auf<br />
Flat White, Handbrew und Shot. Weniger ist mehr und deswegen stehen<br />
auch nur zwei Bohnensorten zur Auswahl, die wechseln allerdings<br />
alle zwei Wochen. Dazu bekommt der, der fragt, eine Menge Wissen<br />
über die jeweilige Kaffeebohne, das Land und Kaffee im Allgemeinen.<br />
Wer viel weiß, hat viel zu erzählen, und das Hamburger Schanzenviertel<br />
kennt jede Menge Storys. Etwa die Geschichten der Hamburger<br />
Juden und von all den anderen, die von den Nazis deportiert und ermordet<br />
wurden, deren Namen in den Stolpersteinen von Gunter Demnig<br />
vor so manchem Haus nicht nur in diesem Viertel zu finden sind.<br />
Die Geschichte vom Schulterblatt eines Wals, das als Erkennungszeichen<br />
über einem Wirtshaus hing und der Hauptschlagader des heutigen<br />
Viertels seinen Namen verliehen hat. Und wem die Gehplatten<br />
mit »A I H« an der Schanzenstraße, dem Schulterblatt und der Piazza<br />
auffallen, dem sei erklärt, dass es sich hierbei um die Grenze von Altona<br />
und Hamburg handelt, die im 18. Jahrhundert hier verlief. Damals<br />
war Altona noch unter dänischer Regentschaft und lag »all to nah«<br />
(also allzu nah) an Hamburg.<br />
»In Hamburg sagt man Tschüss«<br />
Fehlt eigentlich nur noch Insel- oder Karibikfeeling, um die Weltreise<br />
in der schönsten Stadt der Welt rund zu machen. Wie das funktionieren<br />
soll? Man stelle sich das so vor: die nackten Füße im warmen Sand,<br />
dazu ein erfrischendes Getränk. Klingt nach Island in the Sun und<br />
fühlt sich genauso an, wenn die Füße im Elbsand stecken, die Sonne<br />
brennt, das Alsterwasser (so nennt man in Hamburg die Mischung<br />
aus Bier und Limonade) schmeckt und es plötzlich dunkel wird. Ein<br />
Containergigant hat sich vor die Sonne geschoben. Nur ein paar Meter<br />
von den nackten Füßen entfernt ragt das Riesenschiff bis fast in die<br />
Wolken. Der beste Platz für derartige Szenarien ist die Strandperle, die<br />
Mutter aller Hamburger Beachclubs. Aber auch Strandpauli, ein Beachclub,<br />
der sich mitten im Hafenpanorama platziert hat, bietet beste<br />
Aussichten. Kunterbuntes Mobiliar, chillige Musik und wieder kommt<br />
ein Schiff vorbei »Unten am Fluss, unten am Hafen …«, bis die großen<br />
Schiffe schlafen. Und wenn dann der Regen einsetzt, warten Hamburger<br />
auf besseres Wetter, »denn wir lassen uns die legendäre Stimmung<br />
nicht verderben.« Und so lange hören wir Hans, Lotto, Udo, Jan, Heidi,<br />
Mary und all die Lieder, die Hamburg mitten ins Herz treffen.<br />
INFO<br />
Mehr Infos zur Hansestadt unter Hamburg Tourism<br />
www.hamburg-tourism.de<br />
Unsere Reise-Tipps finden Sie unter auf.reise/hamburgtipps<br />
Fotos. Julia Solonina (3), Jennifer Latuperisa-Andresen (2), Robert Katzki, Tim Gerds, Vicky Hladynets, Simone Sever, Malte Dibbern<br />
120<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
DEUTSCHLAND | Hamburg<br />
Rampenlicht: Auf der Reeperbahn<br />
weisen Neonlichter<br />
Nachtschwärmern den Weg in<br />
die Etablissements. Auf dem<br />
Kiez ist schon immer mehr<br />
erlaubt gewesen als anderswo.<br />
sommer 2016<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
121
B text<br />
Marie Tysiak<br />
MÜNCHEN<br />
MAL ANDERS<br />
MÜNCHEN – DEUTSCHLANDS TRADITIONELLE<br />
LANDESHAUPTSTADT. DIESEN RUF WIRD DIE<br />
SCHÖNE BAYERISCHE METROPOLE EINFACH<br />
NICHT LOS. DABEI KANN MÜNCHEN WEIT MEHR<br />
ALS LEDERHOSEN, BREZEN UND OKTOBERFEST.<br />
DENN HIER IST AUCH EIN TREFFPUNKT DER<br />
KREATIVEN. WIR ZEIGEN EUCH BESONDERE<br />
ORTE UND ERLEBNISSE IN MÜNCHEN.<br />
122<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
DEUTSCHLAND | München<br />
Foto: _derManu_/Photocase<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
123
DEUTSCHLAND | München<br />
DAS NEUESTE PROJEKT DES<br />
LEBENDIGEN STADTQUARTIERS?<br />
DAS GRÖSSTE MOBILE<br />
RIESENRAD DER WELT.<br />
Kutter ahoi! Die »Alte Utting« ankert auf einer alten Zugbrücke in München-Sendling und ist nun eine angesagte Szene-Bar.<br />
124 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong> herbst <strong>2020</strong>
Flaschensammlung: Im<br />
Szeneviertel Haidhausen<br />
finden sich hippe Craftbeer-Brauereien<br />
wie das<br />
»Hopfenhäcker«.<br />
Fotos: Intrepix/shutterstock.com, Alte Utting, Nico Kaiser/Flickr, Sigi Müller/München Tourismus<br />
HAIDHAUSEN<br />
WO SICH ALLTAG UND KUNST TREFFEN<br />
SZENEVIERTEL MIT CRAFT-BEER-BRAUEREI<br />
Lange galt Haidhausen als Münchens Schmuddelviertel, doch das hat<br />
sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Die Altbauten im »Franzosenviertel«,<br />
wie Haidhausen aufgrund seiner französischen Straßennamen,<br />
breiten Boulevards und großen Plätze genannt wird, wurden<br />
renoviert. Cafés und kleine Shops haben sich eingenistet. An der Isar<br />
treten im alten Muffatwerk berühmte Künstler auf, das Müllersche<br />
Volksbad im Jugendstil gleich nebenan ist zweifelsohne Münchens<br />
schönstes Schwimmbad. Sicherlich hat der »Gasteig« als Kulturzentrum<br />
samt Philharmonie und Stadtbibliothek dazu beigetragen, dass<br />
man bei einer Fahrt mit der Straßenbahn durch Haidhausen an jeder<br />
Ecke aussteigen möchte. Unser persönlicher Tipp für Haidhausen: In<br />
der Weißenburger Straße hat sich Werner Schuegraf nach jahrelanger<br />
Tätigkeit als Brauer seinen Traum erfüllt: seine eigene Craftbeer-Brauerei<br />
»Hopfenhäcker«. Seit 2016 braut er seine sieben unterschiedlichen<br />
Kreationen im Hinterhof. Vorne, im Restaurant »Meisterstück«, werden<br />
rauchige Bratwurst und Rippchen mit hausgemachtem Senf und<br />
Brot serviert. Gerne werden auf Empfehlung des Hauses die einzelnen<br />
bayerischen Leckereien samt Bierbegleitung zum unkonventionellen,<br />
kreativen und unheimlich leckeren Mehr-Gänge-Menü.<br />
www.dasmeisterstueck.de, www.hopfenhaecker.de<br />
AUF DEN OLYMPIATURM<br />
AUSSICHT AUF MÜNCHEN<br />
Im Norden Münchens ragt auf dem ehemaligen Olympiagelände der<br />
fast 300 Meter hohe Fernsehturm in den Himmel. Mit einem Aufzug<br />
können Besucher auf die offene Aussichtsplattform auf 190 Metern<br />
fahren. Von dort oben blickt man auf den wunderschön angelegten<br />
Olympiapark und die Stadt dahinter. Auch das Olympische Dorf, in<br />
dem sich 1972 die tragisch endende Geiselnahme abspielte, ist gut erkennbar.<br />
Ein Pavillon im Park gedenkt der Opfer und zeigt den Tathergang.<br />
Wer möchte, kann im Olympiaturm im Drehrestaurant 181 mit<br />
Rundumblick auf München speisen und anschließend im Park oder auf<br />
einem Bötchen auf dem Olympiasee die Seele baumeln lassen.<br />
www.restaurant181.com<br />
WERKSVIERTEL MITTE<br />
SPIELWIESE FÜR KREATIVE<br />
KONZERTE, LOFTS, SHOPS & BARS<br />
Unmittelbar hinter Münchens Ostbahnhof errichtete 1949 die neu gegründete<br />
Firma Pfanni ihr Werk. In den orangefarbenen Industrieblöcken<br />
wurden küchenfertiges Kartoffelpüree und Knödel hergestellt,<br />
die in den 1960er-Jahren aus keinem Haushalt mehr wegzudenken<br />
waren. Als Pfanni 1996 seine Produktion nach Mecklenburg-Vorpommern<br />
verlegte, entstand im alten Werk ein berüchtigtes Partyareal.<br />
Doch seit 2017 hat sich eine Initiative des Brachgeländes angenommen.<br />
Im »Werksviertel-Mitte« sind seither Loftwohnungen<br />
und Künstlerateliers in die alten Baucontainer gezogen, lässige Rooftop-Bars<br />
laden ins »Container Collective« ein, Konzerte und Musicals<br />
füllen die ehemaligen Lagerhallen mit Leben. Ein Friseur extra für<br />
Kinder oder eigene Schafe auf dem Dach – im Werksviertel Mitte sind<br />
der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Das neueste Projekt des lebendigen<br />
Stadtquartiers? Das größte mobile Riesenrad der Welt. Bei<br />
einem Weißwurstfrühstück kann man hier aus 78 Metern München<br />
bestaunen. www.werksviertel-mitte.de<br />
GLOCKENBACHVIERTEL & GÄRTNERPLATZ<br />
PERFEKT FÜRS BAR-HOPPING<br />
SCHWULEN- & KNEIPENVIERTEL<br />
Das Glockenbachviertel ist Münchens bekanntestes Szeneviertel. Zu<br />
Recht. Die vielen sanierten Altbauten, unzählige Kneipen und Bars –<br />
das Viertel ist eines der schönsten (und teuersten!) Münchens, nicht<br />
nur auf das Nachtleben bezogen. Zu alteingesessenen Bars – wie<br />
z. B. der Dachterrasse des »Hotel Deutsche Eiche« – kommen immer<br />
wieder innovative Neueröffnungen hinzu. Auch die Rooftop-Bar des<br />
Hotels »The Flushing Meadows« hat sich schnell zum beliebten Treffpunkt<br />
im Viertel etabliert. Oft zählt man den schönen und geselligen<br />
Gärtnerplatz samt gleichnamigem Viertel zum Glockenbachviertel<br />
dazu, denn auch hier reihen sich schöne Bars, Shops und Cafés aneinander.<br />
Übrigens ist in diesen Stadtteilen auch die Schwulen- und<br />
Lesbenszene Münchens angesiedelt! www.deutsche-eiche.de,<br />
https://flushingmeadowshotel.com/bar<br />
Ein Herz für die Vielfalt:<br />
Im Glockenbachviertel<br />
zeigen die Ampeln<br />
schwule und lesbische<br />
Pärchen.<br />
herbst <strong>2020</strong>
BAHNWÄRTER THIEL CLUB + VERANSTALTUNGSLOCATION<br />
HIER WIRD’S LAUT UND BUNT<br />
126<br />
<strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong>
DEUTSCHLAND USA | New | München York<br />
Foto: Bahnwärter Thiel<br />
Bahnwärter Thiel ist der Inbegriff<br />
der alternativen Szene Münchens:<br />
Auf dem Gelände des ehemaligen<br />
Schlachthofs stapeln sich besprühte<br />
Schiffscontainer zu einem<br />
Eingang, dahinter versteckt sich<br />
eine ganz eigene Welt. Ein ausrangierter<br />
Eisenbahnwaggon wird zur<br />
Bar, die alten Container zu Münchens<br />
legendärstem Technoclub.<br />
Unter der shabby-silbernen Diskokugel<br />
trifft sich hier am Wochenende<br />
die junge Szene, einige<br />
wohnen in Campingwagen gleich<br />
dahinter. Das Kollektiv, das den<br />
Bahnwärter Thiel betreibt, veranstaltet<br />
auch Festivals, Konzerte<br />
und andere tolle Aktionen in der<br />
Stadt – ihr neuestes Projekt ist die<br />
Alte Utting, ein Ausflugsdampfer,<br />
der nun auf einer stillgelegten<br />
Zugbrücke seinen letzten Anker<br />
als coole Szenebar mit Liveveranstaltungen<br />
fand.<br />
www.bahnwaerterthiel.de,<br />
www.alte-utting.de<br />
herbst <strong>2020</strong><br />
127
WO NAHM DIE DEUTSCHE<br />
STREET-ART-SZENE IHREN ANFANG?<br />
NEIN, NICHT IN BERLIN.<br />
STREET-ART GRAFFITITOUR<br />
WAS MAN VON MÜNCHEN NIE GEDACHT HÄTTE<br />
Wo nahm die deutsche Street-Art-Szene ihren Anfang? Nein, nicht<br />
in Berlin. Auch wenn die Hauptstadt München längst die Show gestohlen<br />
hat – es war 1985 in Geltendorf in München, wo eine Gruppe<br />
Teenies nachts einen ganzen Zug besprühte und damit den Startpunkt<br />
der Street-Art-Szene in Deutschland setzte. Noch heute zieren Grafftis<br />
der Künstler von damals die Brücken und Hauswände Münchens,<br />
längst sind »Loomix« und seine Freunde zu Berühmtheiten in der<br />
weltweiten Street-Art-Szene geworden. Auch wenn nicht mehr so viele<br />
Brachflächen zur Verfügung stehen – an den berüchtigten »Halls of<br />
Fame« in der Dachauer Straße, unter der Donnersbergerbrücke, in Untergiesing<br />
unter der Brudermühlbrücke oder am Alten Viehhof an der<br />
Tumblinger Straße reihen sich die bunten Gemälde aneinander. Am<br />
besten schaut man sie sich mit jemandem an, der von Anfang an dabei<br />
war und sich bestens auskennt: Martin Arz. Leidenschaftlich erzählt<br />
der Buchautor und Künstler von der Street-Art-Szene in München, er<br />
kennt die berühmten Sprayer persönlich und weiß, wo ihre schönsten<br />
Werke zu finden sind. Ein toller, spannender und bunter Blick auf ein<br />
etwas anderes München.<br />
Buchbar ist eine Street-Art-Tour über München Safari.<br />
Martin Arz hat auch ein Buch zur Street-Art-Szene in München<br />
veröffentlicht: »Munich Walls«. www.muenchen-safari.de,<br />
hirschkaefer-verlag.de/munich-walls/<br />
KULTURDACHGARTEN + KINO, MOND & STERNE<br />
MÜNCHENS GRÜNE OASEN OUTDOOR-EVENTS<br />
München ist grün! Nicht nur an der Isar und im Englischen Garten,<br />
überall in der Stadt laden kleine und große Naturoasen zum Verweilen<br />
ein. Eine besonders schöne von ihnen ist der Kulturdachgarten. Seit<br />
2018 darf auf dem Dach des Alpina Parkhauses am Stachus zwischen<br />
viel Holz und Grün open air entspannt werden. Der Blick über München<br />
ist toll, das Essen köstlich. Es gibt außerdem einen Garten, der<br />
von jedermann bepflanzt werden darf. www.kulturdachgarten.de<br />
Auch im schönen Westpark lockt eine ganz besondere Location an<br />
den Westsee: das Freiluftkino »Kino, Mond & Sterne«. Internationale<br />
Foodtrucks, dahinter ein kreisrundes Treppenareal, auf dem des<br />
Abends die Kinobesucher ihre Picknickdecken und Campingstühle<br />
ausbreiten. Gezeigt werden Blockbuster und Independent-Filme und<br />
auch die tollen Filmtouren von Moving Adventures Medien mit Fokus<br />
auf Outdoorfilmen füllen im Frühling das Kino unter dem Sternenhimmel.<br />
www.kino-mond-sterne.de<br />
Das Schöne ist: Dank der Lage im Süden kann man in München auch<br />
prima im Frühling oder <strong>Herbst</strong> viel Zeit in den schönen Parks und<br />
Rooftop-Bars verbringen!<br />
TOLLWOOD–FESTIVALS KUNST- & THEATERFEST<br />
IMMER WAS ZU FEIERN<br />
München ist die Stadt der Festivals! Ein besonders schönes von ihnen<br />
ist das Tollwood-Festival – gleich zweimal im Jahr. Die Sommervariante<br />
findet im Olympiapark statt, im Winter werden auf der Theresienwiese<br />
für vier Wochen die Zelte zum Weihnachtsmarkt aufgeschlagen.<br />
Das Programm gestaltet sich bei beiden Festivals ähnlich<br />
und basiert auf drei Programmpunkten: Beim Markt der Ideen werden<br />
Projekte vorgestellt, Besucher zum Nachdenken und Mitmachen<br />
animiert. Es gibt z. B. fiktive Shops und Spiele, die auf Rassismus<br />
und andere Missstände in der Gesellschaft aufmerksam machen. Natürlich<br />
darf auch eine gute Gastronomie nicht fehlen – und die ist auf<br />
dem Tollwood-Festival ausschließlich biozertifiziert. Und zuletzt das<br />
Kulturprogramm, das aus Musik, Theater, bildender Kunst und allerlei<br />
Performances besteht. Von Jazzkonzerten bis zu Theatergruppen<br />
auf Stelzen ist alles vertreten. Ein tolles Festival! Viele Programmpunkte<br />
sind kostenfrei. www.tollwood.de<br />
»HEY MINGA«–TOUREN VW-BULLI-STADTTOUR<br />
OLDSCHOOL MIT DEN LOCALS UNTERWEGS<br />
Die Münchner nennen ihre Stadt gerne liebevoll »Minga«. Und die<br />
möchten sie Besuchern zeigen. Deswegen cruisen die jungen Guides<br />
von »Hey Minga« mit historischen VW-Bussen durch die Straßen und<br />
zeigen Touristen und Locals die schönsten Ecken abseits von Marienplatz<br />
und Co. Bei spannenden Informationen lernt man hier auch als<br />
Kenner von München noch ganz viel Neues über die Stadt. Start ist<br />
im Werksviertel Mitte, gestoppt wird am Bahnwärter Thiel oder z. B.<br />
in Untergiesing. www.heyminga-touren.com<br />
MUSEUM OF URBAN AND CONTEMPORARY ART<br />
Ende 2016 hat Deutschlands erstes Museum für Street-Art eröffnet –<br />
im Herzen der Münchner Innenstadt. Schon von außen weisen Wandmalereien<br />
den Weg zum Museum of Urban and Contemporary Art<br />
(kurz MUCA). Zugegeben, die privat initiierte Ausstellung ist (noch)<br />
vergleichsweise klein, aber für Street-Art-Fans gibt es ein paar echte<br />
Highlights. Zum Beispiel zeigte das Museum in seiner kurzen Historie<br />
schon jetzt die höchste Banksy-Dichte in Deutschland. Die Ausstellungen<br />
wechseln, die Website informiert über aktuelle und kommende<br />
Projekte. Auch in Workshops können sich Groß und Klein selbst<br />
kreativ austoben. Persönlicher Tipp: unbedingt im Museumsrestaurant<br />
vorbeischauen! www.muca.eu<br />
Fotos: Günter Lenz, Mekawy/shutterstock.com, Tod Seelie/MUCA, Marie Tysiak, HeyMinga<br />
128 <strong>reisen</strong> <strong>EXCLUSIV</strong><br />
herbst <strong>2020</strong>
DEUTSCHLAND | München<br />
Kreativ und bunt ist das<br />
erste Museum für Street-<br />
Art in Deutschland<br />
(MUCA).<br />
INFO Viele spannende Tipps und Informationen rund um München liefert München<br />
Tourismus unter: www.einfach-muenchen.de<br />
ÜBERNACHTEN<br />
Das Jams Hotel in Haidhausen hat nach umfangreichen Renovierungen<br />
wieder eröffnet – als Musikhotel. Stilvoll und modern eingerichtet, ist<br />
jedes Zimmer mit einem Schallplattenspieler ausgerüstet. LPs ausleihbar.<br />
DZ ab E 170 ohne Frühstück. www.jams-hotel.com<br />
Unsere Reise-Tipps finden Sie unter<br />
auf.reise/muenchen-tipps<br />
129
CHECK OUT<br />
Impressum<br />
Auf geht’s<br />
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Chefredakteurin<br />
Jennifer Latuperisa-Andresen<br />
Art Director<br />
Alessandro Riggio<br />
Redaktion<br />
Sinan Altinova, Ulrike Klaas,<br />
Linda Ruckes, Frank Störbrauck,<br />
Marie Tysiak<br />
Mitarbeiter dieser Ausgabe<br />
Jan Malte Andresen<br />
Thorsten Brönner<br />
Celina Fuhrmann<br />
Markus Grenz<br />
Martin Häußermann<br />
Ralf Johnen<br />
Simone Sever<br />
Ala Zander<br />
Anzeigenleitung<br />
Susanne Gorny, sg@ella-verlag.com<br />
Anzeigen<br />
Andrea Vogel, av@ella-verlag.com<br />
Marketing & Kooperationen<br />
Margot Cremer,<br />
mcremer@ella-verlag.com<br />
Korrekturen<br />
Bärbel Philipp, textperlen.de<br />
Dokumentation<br />
Sebastian Münter<br />
Titelbild Océano Hotel/ Intermar<br />
Marketing Management GmbH/<br />
Peter Aldag<br />
Druck Bonifatius, Paderborn<br />
Vertrieb<br />
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