DGL-Mitteilungen I/2004 - Weißensee-Verlag GbR
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Seite 47<br />
<strong>DGL</strong>-<strong>Mitteilungen</strong> I/<strong>2004</strong><br />
ökologischen Ausprägung dieser Fließgewässer. Mit der ausführlichen Charakterisierung der verschiedenen<br />
Gewässertypen in mehrseitigen „Steckbriefen“ wird ein wichtiger Brückenschlag in<br />
Richtung Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie vollzogen, für die solche Informationen über<br />
die naturnahen „Referenzbedingungen“ unerlässlich sind.<br />
Die reich illustrierten Steckbriefe bieten Profile, Übersichts- und Detailaufnahmen, geologische und<br />
morphologische Kenndaten sowie physiko-chemische Leitwerte des Wassers und Beschreibungen<br />
Fauna und Flora der Gewässer. Ein kurzer Atlas der Gewässerumfeld-Typen wird ebenfalls bereitgestellt<br />
- gerade im Tiefland interessant, wo die Verzahnung von Gewässer und Aue am größten<br />
ist.<br />
Wer mehr Hintergrundinformationen über die glaziale und postglaziale Entwicklung der noch recht<br />
jungen Tieflandbäche und ihre Eigenheiten sucht, wird in dem lehrbuchartigen, einführenden Teil<br />
fündig. Dieser enthält ausführliche Beiträge zur geologischen Genese und Flussgeschichte einschließlich<br />
Informationen zu anthropogenen Veränderungen von Gewässer und Aue, was im Hinblick<br />
auf Maßnahmen zur Strukturverbesserung von besonderer Bedeutung ist (Autor: U.<br />
Koenzen).<br />
Auch Spezialthemen wie die Rolle des Bibers in naturnahen Tieflandbächen (Autor: D. Hering), die<br />
natürliche Fischfauna (Autor: Chr. Frenz) sowie Ausführungen zu den Themenkreisen Bewaldung<br />
und Totholz (Autor: D. Hering) tragen zur aktuellen Diskussion bei.<br />
Für den Wissenschaftler mag am Rande interessant sein, dass in diesem Buch erstmals die Gewässertypisierung,<br />
– die ihre Wurzeln bereits in der Seenklassifizierung vor 100 Jahren hat und<br />
heute ein wichtiges Hilfsmittel der leitbildorientierten Gewässerbewirtschaftung ist –, als eigenständige<br />
limnologische Fachdisziplin vorgestellt wird, wenn auch in den begrenzten Möglichkeiten der<br />
Darstellung in einem allgemein geschriebenen Fachbuch. Für den Praktiker, der mit Umsetzung<br />
der Wasserrahmenrichtlinie befasst ist, finden sich Erläuterungen und weiterführende Hinweise zu<br />
allen notwendigen Arbeitsmaterialien (Referenzgewässer, Kartendarstellungen der Fließgewässerlandschaften<br />
und –typen u.a.).<br />
Das Bildmaterial ist durchweg von guter Qualität und führt zu einer höheren Wertschätzung dieser<br />
recht verkannten Gewässertypen, die im naturnahen Zustand eine beeindruckende Vielfalt besitzen<br />
können – von moorigen Gewässern über den „klassischen“ Sandbach bis hin zu mittelgebirgsartigen<br />
Bächen in steilen Kerbtälern. Eine Bilanz des Zerstörungsgrades der meisten dieser<br />
Typen wird ebenfalls gegeben und zeigt die Dringlichkeit, gut erhaltene Gewässer des Tieflandes<br />
besonders zu schützen und zu entwickeln. Es ist zu loben, dass die Autoren den Mut haben, auch<br />
noch nicht endgültig abgeschlossene Materialien aus der aktuellen Diskussion wie die neuen<br />
typspezifischen Bewertungsverfahren vorzustellen.<br />
Für weitergehende Studien ist das ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis nützlich. Eine<br />
gezielte Suche nach speziellen Aspekten bzw. bestimmten Gewässern wird durch ein detailliertes<br />
Stichwortverzeichnis ermöglicht. Ein Glossar wäre allerdings eine einem Handbuch angemessene<br />
Ergänzung gewesen.<br />
Zu bemängeln bleibt – neben dem hohen Preis von 98,00 Euro -, dass das Handbuch sich vorwiegend<br />
auf die kleinen bis mittelgroßen Fließgewässer konzentriert: Flüsse und Ströme werden nicht<br />
abgehandelt, hier besteht weiterhin ein Wissensdefizit. Für den Anwender wäre es wünschenswert,<br />
ein solches Werk fortzuschreiben unter Einbeziehung aller deutschen Fließgewässer bis hin<br />
zu den alpinen Gewässern und den großen Strömen, um so für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie<br />
ein Standardwerk für den Teil biologische Grundlagen zu erhalten.<br />
Vergleicht man abschließend diese Neuerscheinung mit dem 1998 bei Parey erschienenen Buch<br />
„Fließgewässer- und Talraumtypen des Norddeutschen Tieflandes“ von Dietmar Mehl und Volker<br />
Thiele, so fällt als erstes auf, dass im neuen „Handbuch ...“ tatsächlich ganz Norddeutschland behandelt<br />
wird, während im Buch von Mehl und Thiele lediglich die Gewässer Mecklenburg-Vorpommerns<br />
vorgestellt werden. Ein weiterer Unterschied ist, dass es im neuen Werk gelungen ist,<br />
die Vielfalt der Tiefland-Fließgewässer zu 12 gut unterscheidbaren Typen zusammenzufassen, die<br />
auch küstennahe Gewässer einschließen, während von Mehl und Thiele alleine für Mecklenburg-