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GAMM Rundbrief 2007/Heft 1

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18<br />

Patente - fast eine<br />

Wissenschaft für sich !<br />

Persönliche Eindrücke aus<br />

einem Patentverfahren<br />

Andreas Griewank, Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Die Anhörung in der Einspruchsabteilung des Europäischen<br />

Patentamtes ist eigentlich öffentlich, aber außer<br />

den drei Patentprüfern und jeweils fünf Vertretern der beiden<br />

Streitparteien stellt sich niemand zu dem 9-Uhr-Termin<br />

ein. Dabei geht es um mehrere Millionen Euro und<br />

letztlich um das wirtschaftliche Überleben eines mittelständischen<br />

Unternehmens mit knapp tausend Arbeitnehmern.<br />

In den letzten Jahren hat sich die deutsche<br />

Maschinenbaufirma gegen den einzigen wesentlichen<br />

Konkurrenten auf dem Weltmarkt recht gut behauptet.<br />

Nun droht der amerikanische Marktführer sie mit einer<br />

Patentverletzungsklage in ernste Bedrängnis zu bringen<br />

oder gar vom Markt zu drängen, was praktisch ein globales<br />

Monopol zur Folge hätte.<br />

Die Branche gehört zur ‘Old Economy’, also dem, was<br />

manche moderne Wirtschaftslenker als ‘Alteisen’ belächeln<br />

und möglichst schnell zu Schrottpreisen entsorgen<br />

möchten. Und doch bewegt sich ohne die Produkte dieser<br />

Branche fast nichts, kein Schiff, keine Drehmaschine, kein<br />

Humvee. In diesem Bereich gab es an einigen deutschsprachigen<br />

Hochschulinstituten und Betrieben eine lange<br />

Tradition, die bis vor kurzem international führend war,<br />

ganz im Gegensatz zu den Verhältnissen etwa in der<br />

Mikroelektronik.<br />

Die Patentschrift<br />

Der Patentanspruch, um den es geht, wurde schon vor<br />

längerer Zeit in den USA anerkannt und soll nun auch<br />

zum europäischen Patent erhoben werden. Ich hatte<br />

gehört, daß die Kriterien der amerikanischen Patentbe-<br />

<strong>Rundbrief</strong> 1/<strong>2007</strong><br />

hörden nicht gerade streng sind, aber das vorliegende<br />

Dokument raubt mir ob seiner Mischung aus technischer<br />

Unzulänglichkeit und redundanter Trivialität dennoch die<br />

Sprache. Als Seminarausarbeitung wäre dieses Papier<br />

völlig unakzeptabel. Das folgende Originalzitat aus der<br />

Patentschrift sollte man umgehend für einen Münchhausen-Preis<br />

der rekursiven Unbestimmtheit nominieren.<br />

‘A desired surface modification is determined by defining<br />

a set of coefficients for each active setting and the function<br />

for each active setting is then determined based upon<br />

the respective coefficients for each active setting.’<br />

Ein mir persönlich bekannter Patentanwalt versicherte mir<br />

später, daß dieser Satz aus der Zusammenfassung für<br />

Eingeweihte Sinn mache und sein Stil für Patentschriften<br />

durchaus typisch sei. Den Vorsitzenden der Einspruchskammer<br />

scheint die äußerst zweifelhafte Qualität der<br />

Patentschrift nicht zu beunruhigen. Er blickt die meiste<br />

Zeit gelassen aus dem Fenster, während 'unser' Patentanwalt<br />

den Einspruch der Familienfirma im Detail begründet.<br />

Auch die Beisitzerin erweckt nicht gerade den Eindruck,<br />

als ob die vorliegende Problematik sie brennend interessiere.<br />

Man könnte sie sich gut als Hauptrollenbesetzung<br />

für eine Folgeshow ‘Ally Mac Beal im Patentamt’ vorstellen.<br />

Einzig der Beisitzer hört aufmerksam zu und scheint<br />

unseren Argumenten zu folgen. Keiner der drei stellt während<br />

der vierstündigen Sitzung auch nur eine einzige<br />

Frage. Vielleicht bleiben sie von technisch-mathematischen<br />

Erörterungen genau so verwirrt wie ich von der<br />

patentrechtlichen Rabulistik in Sachen ‘Hinreichende<br />

Offenbarung (Sufficient Disclosure)’ und ‘Erfindungshöhe<br />

(Inventive Step)’.

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