rot-graue blätter - Schriftleitung

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1 rot-graue blätter internetschrift der pfadfinderschaft grauer reiter 014 Mit dieser Ausgabe gibt es eine Übersicht über die Steppenvölker. U. a. Herkunft, Geschichte. Ihr erfahrt einiges über Kimerer, Skyten, Assyrer, Meder, Perser, Parther, Sarmaten, Goten, Hunnen, Mongolen, die Hiung-Nu, Awaren, Chasaren und Bulgaren.

1<br />

<strong>rot</strong>-<strong>graue</strong> <strong>blätter</strong><br />

internetschrift der<br />

pfadfinderschaft <strong>graue</strong>r reiter<br />

014<br />

Mit dieser Ausgabe gibt es eine Übersicht<br />

über die Steppenvölker. U. a. Herkunft,<br />

Geschichte. Ihr erfahrt einiges über Kimerer,<br />

Skyten, Assyrer, Meder, Perser, Parther, Sarmaten,<br />

Goten, Hunnen, Mongolen, die<br />

Hiung-Nu, Awaren, Chasaren und Bulgaren.


ot-<strong>graue</strong> <strong>blätter</strong><br />

heft nummer vierzehn


Inhalt<br />

Vorwort 5<br />

Die Steppenreiter 6<br />

Allgemeines 9<br />

Die Awaren 22<br />

Die Hunnen 23<br />

Die Mongolen 28<br />

Die Ungarn 33<br />

Die Türken 35<br />

Die Sarazenen 42<br />

Die Skythen 44


Vorwort<br />

Lieber Leser! Nun liegt die Nummer 014 der <strong>rot</strong>-<strong>graue</strong>n <strong>blätter</strong> vor. Auch<br />

diesmal geht es um das Steppenlager. Es sollen einige Steppenvölker vorgestellt<br />

werden, die die Geschichte entscheidend mitgeprägt haben.<br />

Natürlich erhebt auch diese Ausgabe keinen Anspruch auf erschöpfende<br />

Inhalte. Sie sollen einfach nur einem ersten Überblick dienen – und helfen,<br />

die Thematik „Steppenlager“ ein wenig aufzubereiten.<br />

Nachdem nun in relativ kurzer Zeit fünfzehn Hefte vorliegen (die Nummer<br />

015 ist bereits veröffentlicht), wird es die <strong>Schriftleitung</strong> ein wenig langsamer<br />

angehen. Die Spanienfahrt steht an, Bastion und GRAUE-REITER-Hefte<br />

sind noch zu machen. Deshalb wird es vor dem Winter wahrscheinlich<br />

kein Heft mehr geben. Doch ich glaube, ein Anfang ist gemacht. Die Internetschrift<br />

hat Anklang gefunden, daran kann man anknüpfen . . .<br />

– die <strong>Schriftleitung</strong> –


Die Steppenreiter<br />

Die Steppe ist das Gebiet Innerasiens, das sich von 20° bis zum 120° Längengrad<br />

erstreckt. Die vorherrschende Kulturen waren nomadischen<br />

Ursprungs, welche im Laufe der Menschheitsgeschichte sich immer wieder<br />

in großen Völkerwanderungen bis nach Europa ausbreiteten. Ihr Fortbewegungsmittel<br />

war das Pferd, ihre Kriegstechnik, das berittene Bogenschießen.<br />

Vom Pferde mit dem Bogen schießen, ist gewissermaßen die älteste und<br />

erfolgreichste Kunst des Bogenschießens der Menschheitsgeschichte, was<br />

die Erfolge der verschiedensten Steppenreiter über die seßhafte Bevölkerung<br />

zeigen. Ganz gleich, ob es die Skyten, die Hunnen, Tartaren oder<br />

der verheerende Sturm der Mongolen war, die dahinrasenden berittenen<br />

Bogenschützen beherrschten eine Kriegskunst, der selbst der schwer<br />

gepanzerte europäische Ritter nichts entgegenzusetzen hatte. Unsere heute<br />

noch christliche Angst vor dem Islam kommt von der berittenen leichten<br />

Reiterei der Osmanen, den Akinci, die bei Gefechten stets die erste Feindberührung<br />

hatten und die nie Gefangene machten. Zu ihrer Standardausrüstung<br />

gehörte der berühmte osmanische Kompositbogen, dessen mit<br />

ihm abgeschossene Pfeile selbst dickste Panzerungen durchstießen.<br />

6


GESCHICHTE DER BERITTENEN BOGENSCHÜTZEN<br />

1. Der Steigbügel kam mit den Skythen und Samartern im 1.Jhd n.Chr.<br />

nach Westen. Und die Goten errangen große Erfolge mit ihrer Reiterei<br />

gegen die Römer, sie hatten auf ihren ausgedehnten Reisen in russische<br />

Gebiete Kontakt mit den östlichen Reitervölkern. Erst 590 nChr. schrieb<br />

Kaiser Maurikios I über die Kriegskunst der Goten und den Wert des<br />

Steigbügels.<br />

2. Die Hunnen: Ihre Pferde konnten ohne Unterbrechung 20 Kilometer<br />

galoppieren und 120 Kilometerritte pro Tag stellten für sie keine<br />

Schwierigkeit dar. Ihre überlegene Reitkunst, schnelle Attacken mit<br />

gewandtem Rückzug, sowie Wolken von Pfeilen, die sie vom Pferderücken<br />

im gestrecktem Galopp abschossen, waren selbst gotischen Reitern<br />

zuviel.<br />

3. Belisar, Offizier der byzantinischen, kaiserlichen Reitschule, beeinflusst<br />

von der gotischen schweren Reiterei, bildete 520 einen Eliteverband in<br />

der schweren Reiterei aus, bewaffnet mit Wurfpfeilen, Bogen und Lanzen.<br />

Da man zum Bogenschießen beide Hände braucht, hielten sich<br />

die Reiter mit Steigbügeln in ihren großen bequemen Sätteln. Ihre Pferde<br />

mussten Sie mit den Knien dirigieren. Belisar gelang im Laufe seines<br />

kriegerischen Lebens mithilfe der neuen Reitertechniken aus den asiatischen<br />

Steppen große Erfolge gegen die auf Rom anstürmenden Vandalen<br />

und Goten.<br />

4. Im beginnenden Mittelalter stürmten nun arabisch, muslimische Nomadenstämme<br />

von Südosten gegen Byzanz an. Sie hatten dabei große<br />

Erfolge mit ihren schnellen, wendigen berittenen Bogenschützen und<br />

Lanzenträgern, die Kettenhemden, Helme und Beinschienen trugen. Bei<br />

Yarmuk besiegten sie entscheidend die Truppen von Heraklios und hatten<br />

damit die Tür ins Byzantinische Reich aufgestoßen und eroberten in<br />

schneller Folge Nordafrika bis Spanien und Mitte des 11. Jahrhunderts<br />

unter den Seldschuken dann ganz Kleinasien.<br />

5. Herausragend sind die Leistungen der Franken unter Karl dem Großen,<br />

er führte in seinem Reich ununterbrochen Krieg gegen die Langobarden,<br />

die Sachsen, Sarazenen in Spanien, die Serben, die Awaren, die<br />

Byzantiner in Süditalien, die Briten, die Friesen und gegen das Herzogtum<br />

Benevent. Mit der Schaffung der schweren Kavallerie und damit<br />

des Ritterwesens, hatte er große Erfolge gegen die leichte Reiterei der<br />

Sarazenen und barbarischen Ostvölker, so daß diese Strategie zum<br />

siegversprechenden Mittel für lange Zeit in Europa wurde.<br />

7


6. War Karl der Große noch ein echter Glaubenskämpfer, so lassen sich<br />

die Kreuzzüge des Mittelalters eher als egoistische Unternehmungen<br />

beschreiben, gekennzeichnet durch Heuchelei und Zynismus. Salahuddin<br />

Ajubi, ein frommer Muslim, fähiger Herrscher und Stratege gelang<br />

es dann 1187 den Kreuzfahrern unter Guy des Lusignan bei Hattin<br />

den entscheidenden Schlag zu versetzen und aus dem Vorderen Orient<br />

zu vertreiben. Dabei waren es wiederum die leichte Reiterei der Sarazenen,<br />

die unaufhörlich die Truppen der Kreuzfahrer mit Pfeilen<br />

beschossen, wobei Salahuddin geschickt jeder Schlacht auswich. 70<br />

mit Pfeilen beladene Kamele versorgten dabei die berittenen Bogenschützen<br />

und demoralisierten so die Truppen von Guy. Nach der<br />

Schlacht fiel den Muslimen das echte Kreuz Christi in die Hände.<br />

7. Ein schwerer Schlag für die islamischen Länder war der Einfall der<br />

Mongolen, der in Westeuropa nur an dessen östlichsten Rand bemerkt<br />

wurde. Dschingis Khan und seine Nachfolger verstanden es hervorragend<br />

mit gewaltigen, straff organisierten Reiterhorden von bis zu<br />

200.000 Reitern und der Fluchttaktik die Muslime zu besiegen. So<br />

täuschten die Mongolen einen Angriff vor, flohen dann, sogar über<br />

mehrere Tage, bis sie dann die sich in Auflösung begriffenen Verfolger<br />

in einen Hinterhalt lockten. Geschützt durch Kettenhemd und darunter<br />

liegender schwerer Seidenkleidung war ihre Hauptwaffe der Bogen.<br />

Zudem brachten sie aus China das Schwarzpulver und gewaltige Belagerungsmaschinen<br />

mit nach Westen.<br />

8. Die Osmanen führten die Technik der berittenen Bogenschützen dann<br />

zur Blüte. Sowohl die Spahis, die osmanische Elitekavallerie, als auch<br />

die Acini, die sogenannte leichte Reiterei, führten den osmanischen<br />

Kompositebogen, mit dem außerordentliche Schußweiten von bis zu<br />

900 und mehr Metern ereicht wurden. Dieser kurze, zusammengesetzte<br />

Bogen übertraf und übertrifft auch heute noch mit seinen Schußweiten<br />

alle damals und heute gebräuchlichen Bögen. Erst mit dem Aufkommen<br />

der Schußwaffen verlor der Bogen immer mehr an Bedeutung.<br />

Unter den osmanischen Offizieren galt der Bogen lange, obwohl im<br />

Laufe der Zeit zur Gänze durch Musketen und Gewehre ersetzt, noch<br />

als Ehrenwaffe, so wie in Europa der Säbel.<br />

9. Nur noch in Japan gibt es bis heute eine 800 Jahre alte Tradition der<br />

berittenen Bogenschützen, des Yabusame. In Ungarn gibt es seit nunmehr<br />

20 Jahren ein Revival der alten Kunst des berittenen Bogenschießens<br />

unter den Magyaren.<br />

8


Allgemeines<br />

In den Steppenregionen zwischen Don und dem Gelben Meer ermöglicht<br />

der Übergang zur verstärkten Viehzucht/Viehhaltung von Schaf und Pferd<br />

einen wirtschaftlichen Aufschwung. Eine gezielte Pferdezucht entsteht.<br />

Nomadenvölker formieren sich und stehen in ständigem Kampf um Weidegebiete.<br />

Wanderhirten folgen den Pferdeherden.<br />

Im ersten Jahrtausend v. Z. wird die Pferdezucht dominierender Zweig. Für<br />

die Steppenvölker wird das Pferd zur ökonomische Grundlage. Der Pferdenomadismus<br />

im Steppenland ist entstanden. Hieraus erwächst ihre<br />

geschichtliche Rolle als mobile Reitervölker für etwa 2000 Jahre.<br />

Nomadenstämme beeinflussen zeitweilig äußerst nachhaltig die Gebiete<br />

Chinas, Vorderasiens und Europas. Zwischen 1000 v. Z. und 1500 u. Z.<br />

werden viele Länder von Kriegszügen der Nomadenheere heimgesucht.<br />

Der Reiternomadismus manifestiert sich in der ersten Reiterwanderung sie<br />

bringt die Dorer nach Griechenland, die Caldäer nach Mesopotamien,<br />

die Meder und Perser nach Iran, die Arier nach Indien, die Phryger,<br />

Myser und Bithynier nach Kleinasien, die Aramäer nach Syrien, die Israeliten<br />

nach Palästina, die Philster an die palästinische Küste und führt<br />

schließlich zum Angriff der Seevölker auf Ägypten. Der Pferdenomadismus<br />

entfaltet sich im offensiven Reiterkriegertum. Als Pferdenomaden formieren<br />

sich zuerst indoeuropäische Völker, wie Kimerer, Skythen und Sarmaten,<br />

dann Turkvölker, denen die Mongolen folgen.<br />

KIMERER UND SKYTEN<br />

Sie sind die ersten Reiterkrieger der Geschichte. Es sind verwandte ostiranische<br />

Stämme eines Volkes oder benachbarte Völker. Seit dem 8. Jh. v. Z.<br />

ziehen sie über den Kaukasus südwärts und bedrängen das Reich der<br />

Assyrer. Die Skythen überfallen die Kimerer und assimilieren sie. Gruppen<br />

beider Völker ziehen über den Kaukasus. Dabei zerschlagen sie den Staat<br />

Urartu in Armenien.(Königreich 1400–714 v. Z.)<br />

Zwischen 696 und 676 v. Z. geht unter ihren Angriffen auch das Phrygerreich<br />

unter. Im 6. Jh. v. Z. stoßen sie auch auf den Balkan vor (Gebiet des<br />

heutigen Rumänien) und dringen in das Mederreich ein.<br />

9


705 v. Z. liefern sie Assyrien (Neuassyrisches Reich 883–612 v. Z.) die<br />

erste Schlacht,das ebenfalls neben den Wagen, Reiterei aufbietet. Assurbanipal<br />

kann Assyrien nur dank seiner neu geschaffenen Reiterwaffe verteidigen.<br />

Im Bunde mit Babylon und den Medern besiegen sie 612 v. Z. das<br />

mächtige Assyrien und zerstören die Hauptstadt Ninive.<br />

Der Sieg über die assyrische Streitmacht ist der erste große Erfog der neuen<br />

Waffengattung. Im 7. Jh. v. Z. bedrohen sie mit ihren Raubzügen die<br />

altorientalischen Staaten und ganz Kleinasien. 633 v. Z. erfolgt sogar ein<br />

Vorstoß bis Ägypten. Gleichzeitig verbreiten sie das Pferd über Kleinasien<br />

sowie Südeuropa.<br />

Die Skythen beherrschen bis ins 4. Jh. v. Z. große Teile Kleinasiens, werden<br />

dann aber von den Sarmaten auf die Krim zurückgedrängt, wo ihr<br />

Staatswesen sich bis in das 2. Jh. u. Z. hält und erst von den Goten vernichtet<br />

wird. Die Reiterei kam wohl zuerst bei den Skythen in Gebrauch.<br />

Sie dürften damit das erste Reitervolk sein.<br />

Die Taktik der Reiterkrieger drückt der Kriegsführung den Stempel auf. Die<br />

Reiterei wird zum Rückrat der Heere. Die inzwischen erfundene Trense<br />

ermöglicht die zuverlässige Lenkung des Pferdes. Von den Skythen stammt<br />

die Taktik der verstellten Flucht. Ihre Bewaffnung besteht aus Bogen und<br />

Kurzschwert, teilweise auch Streitaxt. Sie waren wohl die ersten, die Sattel<br />

und Steigbügel verwendeten.<br />

Die Kerntruppen, zumindest eine privilegierte schicht bildet bereits schwere<br />

Reiterei, Bewaffnet mit Lanzen und zum Schutz bronzene Brustschilde.<br />

(Schuppenpanzer, Helm, Hose mit Eisenstreifen beschlagene Schilde.) Auf<br />

die nomadisierenden Skythen geht die griechische Kentaurendarstellung<br />

zurück. Der reitende Bogenschütze (Pferdebogner) ist schneller, wendiger<br />

und unberechenbarer als der Streitwagen. Sie fechten in aufgelöster Ordnung<br />

ohne sich in Handgemenge einzulassen.<br />

A: Steppenreiter a. d. Fürstengrab bei Kertsch, 4. Jh. v. Z. B: König Assurnarispal<br />

auf Löwenjagd (883–859 v. Z.) C: Assyrische Reiterei (9. Jh. v. Z.)<br />

10


ASSYRER, MEDER UND PERSER<br />

Seit dem 9. Jh. v. Z. war durch grausame Eroberungszüge Assyrien erneut<br />

zu einer Großmacht geworden. Die Geschichte der Assyrer ist ein einziger<br />

Kriegszug, nur von großen Raubjagden unterbrochen.<br />

Die Assyrer besitzen im 7. Jh. v. Z. ein Riesenreich vom Mittelmeer bis Persien.<br />

Ihre Streitmacht besteht aus Fußvolk, Pionieren, Kampfwagen und<br />

ganzen Abteilungen disziplinierter Kavallerie.<br />

Die Reiterei kommt etwa zur Zeit Sargons in Gebrauch. Die anfänglich<br />

wie Wagenpferde ausgerüsteten Pferde belegen, daß sich die Reiterei aus<br />

den Wagentruppen entwickelt hat. Die Reiter kennen noch keine Sättel.<br />

Ein zweiter unbewaffneter Reiter führt das Pferd des Bogenschützen. Dies<br />

sind aber keine echten Pferdebogner, vielmehr eine Art berittener Infanterie,<br />

die abgesessen kämpft.<br />

In der Folge kommt neben dem Pferdebogner auch der Speerwerfer zu<br />

Pferde auf. Lanzenreiter leiten ihr Pferd selbst. Die Hauptrolle fällt noch<br />

den Kampfwagen zu, besetzt mit Krieger, Rosslenker und oft noch einem<br />

Schildträger. Jeder Wagen besitzt 2 Köcher Pfeile, 1 Bogen, 1 Wurfspieß<br />

und 1 Streitaxt. Gefahren wird drei-, dann zweispännig.<br />

Zu Ende des 8. Jh.sind beide Reiterarten mit Panzerhemd und Lederbekleidung<br />

ausgerüstet. Um 681 v. Z. erhalten auch die Pferde eine Schutzbekleidung.<br />

Assurbanipal (669–627 v.Z.) ist der letzte bedeutende Herrscher Assyriens.<br />

Dem Ansturm der Skythen und Meder kann Assyrien nicht mehr<br />

widerstehen.<br />

836 v. Z. werden erstmals die Meder erwähnt, die unter Sargon<br />

(722–705 v. Z.) an Assyrien Pferde liefern. Sie waren seit 1500 in Iran<br />

(Land der Arier) eingewandert. Auch sie sind keine perfektionierten Pferdebogner,<br />

kämpfen aber beritten.625–585 v.Z. bilden sie ein Großreich,<br />

das von Syrien bis zum Hindus reicht. Nach der Vernichtung Assyriens<br />

beherrschen sie ganz Iran. In den ehemaligen Grenzen des assyrischen<br />

Reiches entsteht in wenigen Jahrzehnten zwischen Nil und Syrdaja durch<br />

den iranischen Stamm der Perser das Großreich Persien.<br />

Noch unter medischer Oberherrschaft regieren Kyros I.(640–600 v. Z.)<br />

und Kambyses (600–559 v. Z.) Der Perserkönig Kyros II.(559–528 v. Z.)<br />

aus der Dynastie der Achämiden vernichtet 550 v.Z. das Mederreich,<br />

11


erobert 539 v. Z. Babylon und 525 v.Z. Ägypten. Sein Nachfolger Kambyses<br />

II.(529–522 v. Z) gliedert Ägypten an.<br />

Unter Kyros II. entsteht per Gesetz die Reiterei, deren Wert er von den<br />

Medern kennenlernte. Mit 40 000 Reitern entsteht die stärkste Reiterei<br />

dieser Zeit. Pferd und Reiter tragen Harnische aus Leder oder Bronze. Die<br />

Reiter sind mit Lanzen bewaffnet, so daß eine Lanzenreiterei entsteht, die<br />

für das Nahgefecht ausgebildet ist. Diese schwere Reiterei wird zu einem<br />

wichtigen Teil der persischen Heere.<br />

Unter Dareios I.(521–486 v. Z.) kommt es zu 19 Schlachten.514–513 v.<br />

Z. ziehen die Perser gegen die Skythen. Ihre Streitwagen erweisen sich<br />

der Taktik des Scharmützels der skythischen Reiterei aber unterlegen. Sein<br />

Heer:10 000 Mann Fußvolk,1000 Reiter,1000 Hellebardiere und Sichelwagen.<br />

Das ist der letztmalige große Einsatz der überholten Streitwagen.<br />

Dareios organisiert das persische Weltreich. Er ist ein perfekter Reiter und<br />

Bogenschütze.<br />

Die Ohnmacht gegen die Skythen lenkt die Perser gegen die Griechen,<br />

gegen die sie von 490–449 v. Z. Kriege führen. Noch besitzen die Perser<br />

kein ausgesprochenes Reiterheer. In der Schlacht gegen die Griechen bei<br />

Marathon 490 v. Z. stehen sich auf beiden Seiten jeweils 4–6000 Mann<br />

gegenüber, davon aber nur jeweils 500–800 Reiter. Die Reiterei ist eine<br />

Elitetruppe, rekrutiert aus dem Adel. Die Perser erleiden eine Niederlage<br />

bei Marathon.<br />

Als 480 v. Z. Xerxes in Griechenland einfällt, hat er in seiner Armee aber<br />

schon 80 000 Reiter, die bereits ganz nach den Grundsätzen der späteren<br />

Zeit zum Einsatz kommen. Neben der schweren Reiterei unterhalten<br />

die Perser auch leichte Reiterei, bewaffnet mit Pfeil und Bogen sowie<br />

Wurfspießen. Schließlich zerfällt das Reich im 5. Jh. v. Z.Den Todesstoß<br />

erhält das Achämenidenreich 331 v. Z. durch den Sieg der Makedonier<br />

bei Gaugamela.<br />

PARTHER UND SASSANIDEN<br />

Das aus Vorderasien (östl.des Kaspischen Meeres) kommende nordiranische<br />

Reitervolk der Parther bildet Mitte des 3. Jh. v. Z. ein großes<br />

Reich.138 v. Z. erobern sie Mesopotamien. Seit 54 v. Z. stehen sie im<br />

Kampf mit den Römern. Die Parther sind Verwandte der Skythen und Sarmaten,<br />

doch im Unterschied zu diesen Nomadenstämmen gelingt ihnen<br />

der Aufbau eines festgefügten Staates mit Städten.<br />

12


A: Amazone beim Parthischen Schuß auf verdeckte Flucht, um 500 v. Z.<br />

B: Sassanidisches Felsrelief eines Reiterkampfes. C: Odin auf Leipnir<br />

Der Reiterei verdanken sie ihre großen Erfolge gegen die Griechen, später<br />

die Römer. Sie haben in den Pferdebognern eine leichte Reiterei und<br />

daneben eine schwere, mit Stoßlanze und Schwert bewaffnet. Mithridates<br />

I.(171–138 v. Z.) errichtet nach zeitweiligem Verfall ein neues Großreich.155<br />

v. Z. wird Medien erobert und 141 v. Z. Mesopotamien. Unter<br />

den Parthern kämpfen auch skythische Reiterverbände.<br />

Ihre Taktik ist die Kombination von verstellter Flucht und Panzereiterei, wie<br />

der Erfolg im Jahre 53 v. Z. in der Schlacht bei Carrhai gegen die Römer<br />

unter Crassus beweist. Tausend Lastkamele sollen Pfeilmunition für den<br />

ununterbrochenen Pfeilhagel herangeschleppt haben. Erst im 3.Jh.treten<br />

nach einer fast 500jährigen Herrschaft die Sassaniden ihr Erbe an.<br />

Mit dem ersten Herrscher der Sassaniden beginnt 224 die Erneuerung des<br />

persischen Reiches. Die Schlagkraft der neupersischen Armee beruht auf<br />

der modernsten Waffe des Jhts., der gepanzerten schweren Reiterei.<br />

260 erfechten die Sassaniden unter König Shapur (Schapur, 241–271)<br />

einen glänzenden Sieg über ein römisches Heer unter Valerian ,wobei<br />

60 000 Mann vernichtet sein sollen. Die Sassaniden-Dynastie existiert bis<br />

ins 7. Jh.<br />

SARMATEN UND GOTEN<br />

Als Sarmaten vereinigen sich verschiedene Nomadenstämme Zentralasiens.<br />

Sie treten im 6. Jh. in die Geschichte, als sie sich im asiatischen<br />

Raum westwärts bewegen. Sie stehen in ständiger Auseinandersetzung<br />

mit Rom und das mit wechselndem Erfolg. Auch sie haben neben dem<br />

Bogner eine schwere Reiterei.<br />

Bei ihnen kämpfen auch die Frauen. Ende des 1. Jh. v. Z. dringen sie bis<br />

zur Donau vor. Erst im Jahre 175 kann Marcus Aurelius sie bezwingen.<br />

Sie finden ihr geschichtliches Ende im 3. Jh.,als sie von den Hunnen im<br />

13<br />

13


Dongebiet überrannt werden. Die Römer lernen von den Sarmaten die<br />

Wirksamkeit der Reiterwaffe kennen und gliedern ihren Legionen fremde<br />

Truppen als Auxiliar-Reiter bei.<br />

Im nördlichen Schwarzmeergebiet treffen die Sarmaten auf Germanen,<br />

besonders Goten, die von den baltischen Gestaden hierher gelangt waren<br />

und zwischen den sarmatischen Kräften ihr Reich errichtet hatten. Diese<br />

Nachbarschaft prägt die Goten grundsätzlich. Sie werden Reiterkrieger<br />

und die Reiterei wird Kern ihrer Streitmacht, besonders die schwere Reiterei.<br />

Aber auch der Typ des Pferdebogners wird übernommen. Die Goten<br />

gliedern auch alanische und hunnische Reiter in ihr Heer ein.<br />

378 entscheidet die geschlossene Masse der gotischen Reiterei den Sieg<br />

bei Adrianopel über die Römer. Ihr Vordringen versetzt die Griechen in<br />

Furcht und Schrecken. Das erfolgreiche Reiterkriegertum schafft ein neues<br />

Ideal.398 belagert Alarich sogar mit 80–100 000 Menschen Konstantinopel<br />

und plündert dann Griechenland.<br />

Die Bedeutung des Pferdes drückt sich bei den Germanen im ostgermanischen<br />

Raum in der Konzeption reitender Götter aus: Die Asen sitzen zu<br />

Pferd, ihr Führer Wotan, ursprünglich selbst pferdegestaltig, reitet den<br />

achtfüßigen, allen andern Pferden überlegenen Sleipner.(Leipnir)<br />

Die Stärke der Pferdenomaden ist unbekannt. Erhalten sind aber Aufzeichnungen<br />

der Reitervölker Ostasiens.<br />

HIUNG-NU (HSIUNG-NU,XIONGNU)<br />

Diese Stämme leben auf dem Gebiet der heutigen Mongolei. Sie treten in<br />

das Licht der Geschichte, als sie im 4. Jh. v. Z. das chinesische Hoheitsgebiet<br />

bedrohen. Sie erweisen sich den chinesischen Wagen- und Fußtruppen<br />

stets überlegen. Der chinesische Kaiser Wu-ling (325–298 v. Z.) entschließt<br />

sich deshalb zur Schaffung einer Reiterei aus bestehenden Wagentruppen.<br />

So können die Pferdebogner erfolgreicher abgewährt werden.<br />

Die Herrscher konkurrierender Königreiche im Norden Chinas hatten nach<br />

und nach einzelne Schutzwälle errichtet. Sie sollten die barbarischen Reitervölker<br />

aus den nördlich gelegenen Steppen daran hindern in ihr Land<br />

einzudringen. Diese Teilstücke werden ab dem 3. Jht. v. Z. miteinander zu<br />

einer großen Mauer verbunden. So entsteht aus bereits bestehenden Grenzwällen<br />

die „Große Mauer“ in ihrer ursprünglichen Form.(nicht zu verwechseln<br />

mit der Mauer, deren Reste noch heute existieren!) Ihr heutige<br />

Form erhält die Mauer aber im 15./16.Jh. unter der Ming-Dynastie.<br />

14


Um 220 v. Z. entsteht der erste geschlossene Verteidigungsgürtel unter<br />

dem Kaiser Qin Shi Huang (Qinshihuang oder Quin Shihuang (Regierungszeit<br />

221–210 v. Z.) Er mißt etwa 6000 km Länge.<br />

221–206 v. Z. entsteht mit dem Reich der Chin erstmals ein einheitliches<br />

chinesisches Kaiserreich.<br />

Die hölzernen Wagen sind nicht sehr gut erhalten, dafür aber die Wagenlenker<br />

und Pferde. Die Pferde des Grabes sind meist Rappen, die Rasse<br />

kommt noch heute in China und der Mongolei vor. Die Tonkrieger und -<br />

Reiter (6000–7000 Tonfiguren) stellen die Feldzüge dar.<br />

Eine 2. Grabung 1980 brachte Wagen und Pferde aus Bronze zutage mit<br />

einer Masse von 1,8 t und 1564 goldenen und silbernen Verzierungen,<br />

die sorgfältig restauriert wurden. Unter der Bezeichnung Nr.2 stehen sie<br />

seit 1983 in einem Museum.<br />

1974 wird bei der Stadt Siam das Grab des Kaisers Qinshihuang entdeckt.<br />

Darin befinden sich Nachbildungen von Kriegern, Pferden und<br />

Kriegswagen. Der Kaiser schlug mit solch einer Armee 220 v.Z.die Hunnen<br />

erfolgreich zurück und besiegte 221 v. Z. 6 Reiche. Er ist der Begründer<br />

des ersten Staates in der chin. Geschichte, der Quin-Dynastie<br />

(221–207 v.Z.).<br />

15


Um 209–174 v. Z. erreichen die Hiung ihre größte Machtentfaltung und<br />

175 v. Z. unterwerfen sie die Massagneten. Der HAN-Kaiser Wu-ti<br />

(141–87 v. Z.) reorganisiert die Reiterei. Neben dem Pferdebogner gibt<br />

es jetzt auch schwere Reiterei mit Stoßlanze und großem Hiebschwert.<br />

Diese Reiterei kann die Steppenreiter mehrfach bezwingen.<br />

110 v. Z setzen die Hiung im Kampf gegen China 90 000 Pferdebogner<br />

ein. Auf chines. Seite kommen 20000 Mann und 100 000 Pferde zum<br />

Einsatz. Selbst wenn die realen Zahlen bei einem Viertel liegen, welch<br />

eine Dimension!<br />

Unter Wu-ti werden 3000 Zuchtpferde aus Turkestan beschafft und systematisch<br />

Gestüte gegründet. Bis zum 7. Jh. unterhalten die Chinesen etwa<br />

750 000 Pferde in den nördlichen Steppen. Mit dem Pferd werden neue<br />

Gebiete erschlossen. Das chinesische Reich wird seit dem 1.Jh.zunehmend<br />

von den mit den Hiung verwandten Hunnen bedroht. Schließlich lassen<br />

die Angriffe nach und die Hunnen wenden sich westwärts. 220 zerfällt<br />

das HAN-Reich und es entstehen 3 unabhängige Staaten.<br />

In Nordchina entsteht die „Nördliche Wei Dynastie“. (385–439),die ganz<br />

Nordchina umfaßt. Im Süden gibt es 221–589 verschiedene südl.Dynastien.<br />

Nach Zerfall des Toba Reiches entsteht 581 wieder ein einheitliches<br />

Reich unter der Sui-Dynastie.(581–618). Von 618 bis 906 erreicht China<br />

eine neue Blütezeit unter der Tang-Dynastie, dann erneuter Zerfall.<br />

960–1279 wieder ein großes Reich unter der Song-Dynastie in Mittel- und<br />

Südchina.1126 Einfall der Chin in Nordchina, die es dann beherrschen.1270–80<br />

beide Reiche unter mongolischer Herrschaft unter dem<br />

Namen Yuan Dynastie.<br />

1345 erfolgt der Bau der Wolkenterrasse, eines Tunneltores mit Inschriften<br />

in Sanskrit, Tibetisch, Mongolisch, Uigurisch, Chinesisch und Tangutisch1368–1644<br />

zur Zeit der Ming-Dynastie ist die Mauer die massivste<br />

A: Grabungsarbeiten. B: 1980 geborgener Wagen, vergoldete Bronze, in<br />

ein Drittel der Lebensgröße<br />

16


Verteidigungsanlage der Welt. Von Nordosten dringen dann die Mandschuren<br />

in China ein und erobern 1644 Peking. Die Mandschu beginnen<br />

eine neue Dynastie.<br />

1957 erfolgt die Restaurierung eines Teils der Großen Mauer bei Badaling<br />

und 1985 Restaurierung der teilweise mehr als 10 m hohen und 5 m<br />

breiten Großen Mauer bei Mutianyu.1987 wird dieses Bauwerk von der<br />

UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.<br />

Schließlich erbringen Forschungen im Jahre 2000, daß die Mauer<br />

ursprünglich im Nordosten noch 500 km länger war und damit über 7200<br />

km Länge besaß.<br />

DIE HUNNEN KOMMEN NACH WESTEN<br />

Im 4.Jh. ziehen die sogenannten Schwarzen Hunnen westwärts in Richtung<br />

Südrußland. Sie fallen 373/5 in die osteuropäischen Steppen ein.<br />

Zuerst unterwerfen sie die Sarmaten.<br />

374 bedrängen sie die sarmatischen Alanen am Schwarzen Meer und<br />

375 stehen die Alanen an der Seite der Hunnen bei der Unterwerfung der<br />

germanischen Goten (beide sind Nomadenstämme) und bewirken so das<br />

Vordringen der Germanen in das Römische Reich.<br />

Die Goten waren schon im 2. Jh. aus dem Ostseeraum in diese Gebiete<br />

eingewandert. Hier spalten sie sich in Teilstämme. Die besiegten Ostgoten<br />

werden von den Hunnen zur Heeresfolge gezwungen. Das gleiche Schikksal<br />

erleiden wenig später auch die germanischen Gepiden.<br />

Der Teilstamm der Westgoten zieht in das heutige Bulgarien. Sieg der<br />

Westgoten über den römischen Kaiser Valens 378 in der Schlacht bei<br />

Adrianopel. Nach der Niederwerfung dieser Germanenstämme ziehen<br />

Der Hunnensturm rast über die romanischen und germanischen Völker<br />

17


die Hunnen (schwarze Hunnen) unter Balamir in Richtung Mitteleuropa.<br />

Bald tauchen sie im Donauraum auf, wo sie um 420 im heutigen Ungarn<br />

eine straffe Zentralmacht bilden.<br />

Ein anderer Teil der Hunnen (weiße Hunnen) zieht über den Kaukasus in<br />

Richtung der oströmischen Provinzen. Die Stadt Antochia wird bei diesem<br />

Raubzug geplündert.<br />

445 wird Attila (geboren 395 oder 396, erzogen am ital.Hof ) Großkhan.<br />

Lange ist er Bündnispartner der Römer gegen germanische Stämme.<br />

Er richtet seine Angriffe zunächst gegen die oströmischen Donauprovinzen.<br />

Thrakien wird 447 verwüstet. Byzanz wird tributpflichtig gegenüber<br />

den Hunnen.<br />

Nun wird Gallien sein Ziel.451 zieht er gegen die Rheinprovinzen. Vor<br />

Orleans trifft er auf die mit den Römern verbündeten Westgoten. In der<br />

anschließenden Schlacht auf den Katalaunischen Feldern wird er mit seinen<br />

40 000 Kriegern geschlagen. Neben Hunnen stehen an seiner Seite<br />

auch viele germanische Stämme, denn das Hunnenreich ist ein Vielvölkerstaat.<br />

Die Schlacht wird zu einem fürchterlichen Gemetzel vor allem der auf beiden<br />

Seiten stehenden germanischen Stämmen. Hunnen und Römer erleiden<br />

weit weniger Verluste. Die Römer unter Aetius verfolgen die abziehenden<br />

Hunnen nicht; die Germanenstämme sollen nicht zu mächtig werden.<br />

Die Hunnen sind perfekte Pferdebogner und führen eine leistungsfähige<br />

Bogenwaffe. Mit dem neuartigen Bogen können die Pfeile auch schwere<br />

Panzer durchschlagen. Ihr fremdländisches Aussehen erzeugt zudem eine<br />

große psychologische Wirkung. Neben dem Bogen führen die Krieger<br />

Hiebschwert, Hellebarde und lange Lanze.<br />

Auf römischer Seite zeichnet sich besonders die schwere Lanzenreiterei<br />

der Westgoten aus, die Vorbild der späteren Ritterreiterei sein werden.<br />

452 sind die Hunnen schon wieder auf Beutezug, diesmal in Italien. Beim<br />

Anmarsch auf Rom stellt sich ihnen Papst Leo I. Entgegen und erreicht<br />

deren Abzug. Sicher haben Seuchen und aus Byznz ausbleibende Tribute<br />

auch zum Rückzug geführt. Die Hunnen stellen über 800 Jahre einen<br />

machtpolitischen Faktor dar. Erst Attilas Tod bringt den Zerfall des Riesenreiches.<br />

Nach 15 Jahren ist das ganze Hunnenreich verschwunden<br />

18


AWAREN, BULGAREN, CHASAREN UND UNGARN<br />

Diese Nachbarn der Hunnen nehmen den gleichen Weg wie vor ihnen<br />

Kimerer, Skythen und Hunnen. Seit dem 4. Jh. folgen den Hunnen die Kök<br />

Turuck (die Blauen oder Himmlischen Türken) westwärts. Im 7. Jh. beherrschen<br />

sie ein Reich von der Mandschurei bis zu den Steppen westlich des<br />

Syr-Darja.Sie verschmelzen mit anderen türkischen und hunnischen Nomaden<br />

und tauchen schließlich als Awaren wieder auf. Sie lösen eine neue<br />

Welle von Wanderungen aus.<br />

Der 560 vom Schwarzmeergebiet einsetzende Ansturm zwingt die Langobarden<br />

568 nach Italien. Auch slawische Völker werden vertrieben und<br />

lassen sich in Osteuropa nieder.<br />

Die Awaren stoßen nach Schlesien und Thüringen vor. Schließlich werden<br />

sie in der Theißebene seßhaft. 561/2 greifen sie erstmals fränkisches<br />

Gebiet an.<br />

626–7 belagern sie Konstantinopel. Erst 796 ist ihre Macht gebrochen. In<br />

den Folgejahren erobern die Franken das Awarenreich vollends und eignen<br />

sich deren große Schätze an. Auf die Awaren geht der eiserne Steigbügel<br />

zurück. Seine Einführung ermöglicht die Verstärkung der Schutzpanzerung.<br />

Ausgrabungen in der Slovakei zeigen, daß gemäß ihrer Sitten, dem Reiter<br />

Roß und Rüstung mit ins Grab gegeben werden. (Siehe auch Allamannen<br />

Museum Ellwangen )<br />

Um 635 hatten sich die Bulgaren aus der Vorherrschaft der Awaren<br />

befreit. Asparuch zieht mit einer Völkerschaft aus dem Kubangebiet westwärts.<br />

Er begründet das Donaubulgarische Reich, erobert weite Balkangebiete<br />

und bedroht mehrfach Byzanz. 681 wird im Friedensvertrag mit<br />

Byzanz das Bulgarenreich anerkannt.<br />

A: Reitergefecht des 10. Jhts., Russen verfolgen Bulgaren. B: Syrischer Panzerreiter<br />

mit Lanze. C: Angreifende Ungarn.<br />

19


Die Chasaren sind Mitte des 7. Jh. noch Vasallen der Westtürken,die an<br />

der Wolga siedeln.Nach Zerfall des westtürkischen Kaganats 766 erringen<br />

sie ihre Unabhängigkeit. Im 8.Jh. herrschen sie im Don-Wolga-Gebiet.<br />

Das Reich der Chasaren geht im 10. Jh.unter dem Druck der Petschenegen<br />

und Russen unter. Im 8.Jh. dringen die Petschenegen bis zur unteren<br />

Donau vor und verdrängen die Ungarn,die größtenteils in das Karpatenbecken<br />

wandern.<br />

Seit dem 9. Jh.löst ein anderes Reitervolk die Awaren ab – die Ungarn.Im<br />

7.Jh. Leben sie an der Wolga, wohin sie mit den Hunnen aus dem Osten<br />

gelangt waren.Ihre 7 Stämme gelangen um 800 unter die Herrschaft der<br />

Chasaren.Um 830 wandert die Masse der Ungarn bis zur Nordküste des<br />

Schwarzen Meeres.Bei der weiteren Westwanderung stoßen sie auf die<br />

Bulgaren. Von ihnen kopieren sie die berittene Leibgarde des Bulgarenkhans.<br />

894 treten sie als Verbündete Ostroms in die Geschichte.Doch bald werden<br />

die Reiterkrieger zu Gegnern,sie fallen in Bayern,Italien und Sachsen<br />

ein. Ihre eigenen Wohnstätten werden derweil von den Petschenegen verwüstet.<br />

Die Staaten in Mitteleuropa im 7. Jahrhundert<br />

20


895 erneuter Aufbruch unter Arpad. 897 erfolgt die Landnahme im heutigen<br />

Ungarn bei Assimilation der dort lebenden Awaren. Von hier unternehmen<br />

sie ein Jahrhundert ihre Raubzüge.<br />

907 und 910 besiegen sie ein deutsches Heer. 933 erleiden sie erstmals<br />

in der Schlacht bei Riade an der Unstrut eine Niederlage durch König<br />

Heinrich II. Erst 955 können sie auf dem Lechfeld bei Augsburg bezwungen<br />

werden.<br />

Ihre Schlagkraft ist die schnelle Reiterei. Um das Jahr 1000 werden auch<br />

die Ungarn seßhaft. Staatsbildung durch Stephan I.(Istvan) Damit endet<br />

die Epoche der Invasion asiatischer Reitervölker, die dauerhaft ihre Sitze<br />

nach Europa verlegen sollten.<br />

Zu den Reiterkriegern zählen noch die Araber und Mongolen sowie die<br />

Pferdebogner Afrikas,die Numider und Mauren. Numidische Reiterei trägt<br />

z.B. entscheidend zum Sieg der Römer über Karthago bei. Später sind<br />

maurische Reiter wichtiger Teil der römischen Heere.<br />

ZUSAMMENFASSUNG:<br />

Die reiterliche Verbindung zum Pferd und das Geschick, den Bogen zu<br />

spannen begründen die militärische Überlegenheit der zentralasiatischen<br />

Nomaden.<br />

Die Taktik der verstellten Flucht wird lange als Ausdruck Furcht gedeutet.<br />

Größte Bedeutung für die Durchsetzung von Disziplin und Gehorsam<br />

kommt den Führern zu.<br />

Neben dem Bogen kommen auch lange Lanze, Keule, Kriegsbeil,<br />

Schwert, Krummsäbel und Dolch zum Einsatz. Die Reiterkrieger entwickel<br />

auch den gepanzerten Reiter.<br />

Jagd dient dem reiterlichen Training. Frauen werden nur selten am Kriegsreiten<br />

beteiligt. Die Sauromatinnen, heißt es, durften allerdings erst heiraten,<br />

wenn sie einen Feind getötet hatten.<br />

In der Amazonensage der Griechen finden diese Leistungen asiatischer<br />

Frauen ihren Niederschlag.<br />

21


Die Awaren<br />

Die Awaren sind ein Volk in Dagestan und Aserbaidshan, das die kaukasische<br />

Sprache Awarisch spricht. Die Awaren sind ein anthropologisch<br />

stark gemischtes Volk, in dem sowohl mongolide als auch europide Typen<br />

vertreten sind. Sie lebten ursprünglich als Nomaden, wurden später<br />

jedoch sesshafte Viehzüchter und Ackerbauern.<br />

Die von den Türken bedrängten Awaren wanderten ab 552 n. Chr. nach<br />

Westen aus. 558 wurden sie Föderaten von Byzanz. An der Seite der<br />

Langobarden kämpften die Awaren 566 gegen die ungarischen Gepiden<br />

und besiedelten anschließen das Karpatenbecken. Nachdem die Langobarden<br />

558 nach Italien ausgewandert waren, übernahmen die Awaren<br />

die Alleinherrschaft Pannoniens. Ende des 6. Jahrhunderts erstreckte sich<br />

das Territorium der Awaren von der Wolga bis hin zur Ostsee. Sie forderten<br />

enorme Tributzahlungen vom Byzantinischen Reich. Während dieser<br />

Periode waren die Awaren unter ihrem Herrscher Baian Khan wahrscheinlich<br />

die stärkste Macht in Europa. Sie beeinflussten die Entwicklung weiter<br />

Teile des Kontinents, da sie einen Großteil der Westslawen in die Gebiete<br />

drängten, die sie seither besiedeln. Nach dem Tod Baians schwand die<br />

Macht der Westawaren durch Angriffe der Slawen und Bulgaren. 791<br />

und 803 wurden sie von Karl dem Großen endgültig geschlagen. Ethnisch<br />

gingen die Awaren in den Slawen und den später zugewanderten Magyaren<br />

auf.<br />

Über die Awarenstämme, die im Osten Europas geblieben waren, ist<br />

wenig bekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass sie die Vorfahren der heutigen<br />

Kaukasus-Awaren sind. Einer ihrer größten Krieger und Patriot ist<br />

Imam Schamil, der die Völker der Kaukasusregion im 19. Jahrhundert in<br />

ihrem Freiheitskampf gegen Russland anführte. Sein spiritueller Lehrer war<br />

der große Imam der Naqshibandiya Tarikat Sheik Jamaludin al Ghumuqi.<br />

22


Die Hunnen<br />

Die Hunnen, asiatisches Nomadenvolk, das während des 4. und 5. Jahrhunderts<br />

von den Kaspischen Steppen aus nach Westen vordrang. Die<br />

Feldzüge der Hunnen brachten sowohl das Oströmische als auch das<br />

Weströmische Reich an den Rand der Zerstörung und kulminierten in einer<br />

Serie von Kriegen unter Attila, dem berühmtesten aller Hunnenkönige. Auf<br />

dem Höhepunkt ihrer Macht absorbierten die Hunnen verschiedene andere<br />

Völker und übernahmen deren Eigenheiten, so dass sie in Europa<br />

zunehmend ihren spezifischen asiatischen Charakter verloren. Doch schon<br />

in ihrer voreuropäischen Ära war die Identität der Hunnen nicht eindeutig<br />

festzulegen, weder aufgrund ihrer physischen Erscheinung, noch nach<br />

ihrer ethnischen oder sprachlichen Besonderheiten. Übereinstimmend werden<br />

sie jedoch als angriffslustige, kraftvolle Nomaden auf relativ niedrigem<br />

kulturellen Niveau geschildert. Ihre Technik der Kriegsführung, insbesondere<br />

ihre Reiterei, war hoch entwickelt.<br />

Während der frühen Han-Dynastie (202 v. Chr. bis 9 n. Chr.) ist im Westen<br />

Chinas ein vermutlich mit den Hunnen verwandter Stamm, die Xiongnu,<br />

Das Hunnenreich 453 n. Chr. während seiner größten Ausdehnung<br />

23


ezeugt. Seine Macht schwand im 1. Jahrhundert v. Chr., und der Stamm<br />

zerfiel in zwei Gruppen. Die eine der beiden Gruppen wanderte nach<br />

Süden, die andere Gruppe orientierte sich in Richtung Westen und Nordwesten.<br />

Diese Gruppe sammelte sich zunächst am Aralsee, und in der<br />

zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. stießen sie unter ihrem Anführer<br />

Balamir (Balamber) in das Territorium der Alanen an der Wolga vor und<br />

besiegten diese.<br />

375 eroberten die Hunnen das Gebiet der Ostgoten westlich der Wolga,<br />

besiegten die Westgoten und unterwarfen verschiedene andere germanische<br />

Stämme in Südosteuropa. Dieser Vorstoß der Hunnen hatte unter den<br />

germanischen Stämmen eine<br />

Fluchtbewegung ausgelöst, die in<br />

dieser Region den Beginn der Völkerwanderung<br />

markierte.<br />

Hunnischer Krieger, mit typischen<br />

kleinen Pferd und Kopfdeformation<br />

hervorgerufen durch Schädeldeformationen<br />

im Säuglingsalter. Schuppenpanzer,<br />

Kompositbogen und<br />

geradem Reiterschwert. Hunnen<br />

benutzten bereits Steigbügel. Im<br />

Gegensatz zu ihren römischen Gegnern.<br />

Mit ihren kleinen häßliche Pferden<br />

gelangen ihnen Truppenbewegungen<br />

von 80 km täglich. sie<br />

waren damit mehr als doppelt so<br />

schnell wie die Römer.<br />

24<br />

Um die Jahrhundertwende waren<br />

die Hunnen bereits bis zur Donau<br />

vorgestoßen. Unter ihrem Führer<br />

Ruga wurden die Hunnen zusammen<br />

mit den von ihnen unterworfenen<br />

germanischen Stämmen um<br />

425 Bundesgenossen des Römischen<br />

Reiches und erhielten immense<br />

Soldzahlungen von Rom.<br />

Rugas Nachfolger war sein Neffe<br />

Bleda, unter dem das Hunnenreich<br />

seine größte Ausdehnung hatte.<br />

Nachdem Attila seinen Bruder Bleda<br />

ermordet hatte, übernahm er<br />

die Alleinherrschaft. Er unternahm<br />

Vorstöße nach Byzanz, das ihn als<br />

gleichberechtigt anerkennen musste,<br />

nach Italien und nach Gallien.<br />

Dort wurde er 451 auf den Katalaunischen<br />

Feldern besiegt und<br />

zog sich in das Zentrum seines Reiches,<br />

die Theißebene, zurück.<br />

Nach Attilas Tod im Jahr 453 zerfiel<br />

das Reich rasch aufgrund von


Streitereien um die Nachfolge und vor allem durch eine vernichtende<br />

Niederlage gegen die Gepiden. Die Hunnen verschwanden aus Europa<br />

und gingen ab dem 6. Jahrhundert in verschiedenen anderen Völkerschaften<br />

auf (z. B. den Awaren und den Chasaren).<br />

Frankreich entstand aus den Wirren der durch die Hunnen ausgelösten<br />

Völkerwanderung. Nachdem diese durch die vereinten Kraefte der Roemer,<br />

Westgoten, Burgunder und Franken auf den Katalaunischen Feldern<br />

451 zum Rückzug gezwungen werden konnten, brachen fuer Europa turbulente<br />

Zeiten an. Die aus ihren Stammsitzen verdraengten Germanen<br />

fanden Geschmack am Wandern und Pluendern und fielen, wie vor ihnen<br />

die Hunnen, in ganz Europa ein. Bald darauf gruendeten sie die ersten<br />

Reiche, so die Westgoten in Toulouse (418, unter Koenig Wallia), welches<br />

bis auf das Frankenreich das bestaendigste Germanenreich war und erst<br />

711 durch die Araber unterworfen wurde).<br />

Hätten ihrs gewußt?<br />

Die Pocken wurden von den Hunnen nach Europa eingeschleppt.<br />

Nach ihrer Ausbreitung im 6ten Jahr hundert nach Christus hat dieses<br />

Virus hier minde stens vier Millionen Todesopfer gefordert. Auch die<br />

Auslöschung der Azteken und die starke Dezimierung der anderen<br />

Indianer Nordamerikas führt man im Anschluss an kriegerische Ereignisse<br />

letztlich auf Pockenepidemien zurück.<br />

25


HUNNENZUG<br />

(Börries Freiherr von Münchhausen)<br />

Finsterer Himmel, pfeifender Wind,<br />

wildöde Heide, der Regen rinnt,<br />

von fern ein Schein, wie ein brennendes Dorf,<br />

mattdüstrer Glanz auf den Lachen im Torf.<br />

Da plötzlich ein stampfendes, dumpfes Geroll,<br />

wie drohenden Wetters steigender Groll,<br />

und lauter und lauter erdröhnt die Erde<br />

vom stürmischen Nahn einer wilden Herde,<br />

Ein Hunnenschwarm mit laut jauchzendem Ruf!<br />

Dumpf donnert und poltert der Rosse Huf,<br />

es erbebt die Heide, der Schlamm spritzt auf<br />

an den dolchbangenen Sattelknauf.<br />

Ein köcherumrauschter, gewaltiger Schwarm,<br />

hell klirren die Spangen an Sattel und Arm.<br />

Das Haupt geneigt auf die struppige Mähne,<br />

die braune Faust an gespannter Sehne. –<br />

Durch den rauschenden Regen wild geht ihr Schrei,<br />

immer mehr, immer neue jagen herbei<br />

von der heimatlosen unzählbaren Schar,<br />

der der Sattel Wiege und Sterbebett war.<br />

Da endlich die letzten vom Völkerheer, –<br />

zerstampft und zertreten die Heide umher,<br />

ein letztes Wiehern im Winde, – als Spur<br />

auf dem schwarzen Schlamme ein Riemen nur. –<br />

Finsterer Himmel, pfeifender Wind,<br />

wildöde Heide, der Regen rinnt,<br />

von fern ein Schein, wie ein brennendes Dorf,<br />

und düsterer Glanz auf den Lachen im Torf.<br />

ATTILA, Beiname Gottesgeißel (um 406 bis 453), König der Hunnen (um<br />

433 bis 453), im Deutschen auch Etzel genannt: Über Attilas frühes Leben<br />

ist wenig bekannt, außer dass er der herrschenden Familie der Hunnen<br />

angehörte, einem asiatischen Nomadenvolk, das von den kaspischen<br />

Steppen kam und wiederholt in das Römische Reich einfiel. Bereits vor Atti-<br />

26


las Geburt hatten die Hunnen auf ihren Raubzügen gegen das Oströmische<br />

Reich die Donau erreicht und 432 so große Macht erlangt, dass Attilas<br />

Onkel, der Hunnenkönig Roas (oder Rugilas) von Rom einen hohen<br />

jährlichen Tribut einfordern konnte. Attila folgte seinem Onkel auf den<br />

Thron, den er jedoch zunächst mit seinem Bruder Bleda teilen musste, bis<br />

er ihn 445 ermordete. 447 marschierte er durch Illyrien und verwüstete<br />

das gesamte Gebiet zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer; die<br />

Unterworfenen zwang er zum Dienst in seinem Heer. Er besiegte den<br />

byzantinischen Kaiser Theodosius II.; Konstantinopel selbst blieb nur verschont,<br />

weil die Armee der Hunnen, die sich vor allem aus Reitertruppen<br />

zusammensetzte, nicht die Voraussetzungen für eine Belagerung mitbrachte.<br />

Theodosius musste jedoch einen Teil seines Gebiets südlich der Donau<br />

abtreten und Tribut sowie jährliche Unterstützungszahlungen leisten. Mit<br />

seinem Heer, in dem auch sehr viele Ostrogoten oder Ostgoten kämpften,<br />

fiel Attila 451 im Bund mit Gaiserich, dem König der Wandalen, in Gallien<br />

ein. Er traf dort auf den römischen Feldherrn Flavius Aetius, der ihn in<br />

der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (heute Châlons-sur-Marne in<br />

der Nähe von Troyes, Frankreich) besiegte.<br />

Es soll eine der schrecklichsten Schlachten des Altertums gewesen sein.<br />

Die Römer wurden unterstützt von den Wisigoten oder Westgoten unter<br />

ihrem König Theodoros I. (er regierte 419-451). Zeitgenössische<br />

Geschichtsschreiber geben die Verluste unter Attilas Truppen mit 200 000<br />

bis 300 000 Mann an, eine Zahl, die heute als stark übertrieben gilt.<br />

Aetius ließ die Hunnen abziehen, verfolgte sie jedoch bis an den Rhein.<br />

Teilweise von der Schlacht erholt, richtete Attila im folgenden Jahr seine<br />

Aufmerksamkeit auf Italien, wo er Aquilèia, Mailand, Padua und andere<br />

Städte verwüstete und gegen Rom vorrückte. Dieser Sachverhalt für sich<br />

genügt um festzustellen, daß es eine wirkliche Niederlage der Hunnen bei<br />

den Katalaunischen Feldern nicht gegeben haben kann! Weshalb es zu<br />

ihrem Abzug kam, bleibt im Dunkel der Geschichte verborgen. Rom entging<br />

der Vernichtung nur dank der Vermittlung von Papst Leo I., der den<br />

Hunnenkönig durch sein erhabenes Auftreten tief beeindruckt haben soll.<br />

453 rüstete Attila erneut zu einem Angriff auf Italien, starb jedoch, bevor<br />

er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte.<br />

Eine bemerkenswerte Folge von Attilas Einmarsch in Italien war, dass einige<br />

der bedrängten Völker, vor allem die Veneter im nordöstlichen Italien,<br />

auf den Inseln, in den Sumpfgebieten und den Lagunen der nördlichen<br />

Adria Zuflucht suchten und dort einen Staat gründeten, aus dem später die<br />

Republik Venedig hervorging.<br />

27


Die Mongolen<br />

DSCHINGIS KHAN UND DAS MONGOLISCHE REICH<br />

Der zweite Kaiser der Qingdynastie, Kangxi, über die Reitkünste seiner<br />

Vorfahren, der Mandschuren (aus den „Gesprächen mit den Söhnen“):<br />

Wenn die Mandschu und Mongolen im Norden auf die Jagd gehen, handeln<br />

sie mit unbeschreiblicher Geschicklichkeit. Dicht wie Sturmgewölk<br />

drängen sich die Jäger, und die berittenen Bogenschützen verschmelzen<br />

mit ihren Pferden; so fliegen sie dahin und erlegen mit Pfeilen das fliehende<br />

Wild. Ein guter Reiter weiß immer, aus welcher Richtung er sich dem<br />

Opfer nähern muss, und ein gut trainiertes Pferd versteht die Absichten seines<br />

Reiters, trabt voran oder hält sich seitlich, je nachdem, wie es am<br />

besten ist.<br />

DAS MONGOLISCHES REICH, DAS VON DEN MONGOLISCHEN KHANEN IM 13. UND<br />

14. JAHRHUNDERT BEHERRSCHTE GEBIET; ES UMFASSTE FAST GANZ WEST- UND OST-<br />

ASIEN UND WAR EINES DER GRÖßTEN REICHE IN DER GESCHICHTE.<br />

Das ursprüngliche Heimatland der Mongolen, im ostasiatischen Steppengürtel<br />

gelegen, grenzte im Osten an das Chingan-Gebirge, im Westen an<br />

die Gebirgszüge Altai und Tian Shan, im Norden an den Fluss Schilka<br />

und die Gebirgszüge um den Baikalsee und im Süden an Chinas Große<br />

Mauer (heute in etwa das Gebiet der<br />

chinesischen autonomen Region der<br />

Inneren Mongolei, der Mongolischen<br />

Volksrepublik und der südlichen Randgebiete<br />

Sibiriens). Der Norden des<br />

Reiches besteht überwiegend aus<br />

fruchtbaren Steppen und bewaldeten<br />

Gebirgen, der Süden aus ausgedehnten<br />

Weidegebieten, und den zentralen<br />

Gürtel nimmt die Wüste Gobi ein.<br />

Mit Ausnahme der nördlichsten Grenzen<br />

ist das Land hochgradig trocken.<br />

Mongolischer Reiter mit Bogen<br />

28<br />

Die typische Wirtschaftsform der mongolischen<br />

Stämme in diesem Gebiet<br />

war die Weidewirtschaft und Viehzucht;<br />

die wichtigsten Tiere waren-


Schafe und Pferde bzw. Kamele in den trockeneren Regionen. Daneben<br />

war die Jagd die Hauptbeschäftigung. Bestimmte Waren, wie z. B. Getreide,<br />

Textilien, Tee und Metalle, wurden durch Handel mit den benachbarten<br />

Ackerbauern Chinas erworben. Die Mongolen waren Nomaden, und<br />

ihre soziale Organisation war der Stammesverband. Kriege gegen andere<br />

Stämme waren regional begrenzt, und einzelne Krieger, die sich durch<br />

große Tapferkeit und Heldentaten hervortaten, konnten mühelos zu Führern<br />

aufsteigen. Gegenseitige persönliche Verpflichtungen zu Schutz und<br />

Loyalität, die sich vom Stammesführer über die untergeordneten Führer bis<br />

zum einzelnen Krieger fortsetzten, sicherten die politisch-militärische Hierarchie<br />

und den Zusammenhalt des Stammes.<br />

ERRICHTUNG DES REICHES DURCH DSCHINGIS KHAN<br />

Seine erste Blütezeit hatte das mongolische Reich im 13. Jahrhundert. Eine<br />

Versammlung mongolischer Stammesfürsten erhob 1206 den mächtigen<br />

Temüdschin, der zu dieser Zeit bereits fast die ganze Mongolei beherrschte,<br />

zu ihrem Führer mit dem Titel Dschingis Khan (ozeangleicher Herrscher)<br />

oder Groß-Khan. Dschingis Khan schuf ein schlagkräftiges Heer, das sich<br />

vor allem durch seine hervorragende Reiterei und seine Bogenschützen<br />

sowie durch die Fähigkeit seiner Führer auszeichnete. Der Khan selbst war<br />

ein brillanter Stratege und Taktiker. Das benachbarte nordchinesische<br />

Reich der Jin und die zentralasiatischen Staaten, alle militärisch schwach<br />

und in sich zerrissen, unterwarfen sich mehr oder weniger freiwillig den<br />

Mongolen auf ihren Eroberungszügen durch Asien, ebenso die arabischtürkische<br />

Welt des Mittleren Ostens. Dschingis Khans riesiges Reich<br />

erstreckte sich schließlich vom Ostchinesischen Meer bis zum Dnjepr und<br />

vom Persischen Golf praktisch bis zum Nordpolarmeer; Karakorum wurde<br />

zu seiner Hauptstadt. Es erreichte einen in der mongolischen Welt bislang<br />

beispiellosen Stand der Zentralisierung und Stärke. Grundlage der mongolischen<br />

Herrschaft war die Jasa, eine von Dschingis Khan veranlasste<br />

Sammlung verbindlicher Gesetze, sowie Organisation, Disziplin und<br />

Schlagkraft des Heeres.<br />

Nach Dschingis Khans Tod wurde sein Reich gemäß Stammessitte unter<br />

den Söhnen seiner Hauptfrau und ihren Erben aufgeteilt. Sein dritter Sohn,<br />

Ögödei, bekam das ostasiatische Khanat und übernahm als Dschingis<br />

Khans Nachfolger auch die Position des Groß-Khans. Sein Khanat umfasste<br />

die Äußere Mongolei, die Mandschurei, Korea, einen großen Teil Chinas,<br />

Tibet und die nördlichen Randgebiete des heutigen Indochina.<br />

Der nächste bedeutende Groß-Khan war Ögödeis Neffe Möngke. Zusammen<br />

mit seinem Bruder Kubilai vollendete er die Eroberung Chinas.<br />

29


DAS REICH DES KUBILAI KHAN<br />

1279 unterwarf Kubilai Khan, ein Enkel Dschingis Khans, die Sung-Dynastie<br />

in Südchina und brachte somit das ganze China unter seine Kontrolle;<br />

Peking wurde zu seiner neuen Hauptstadt. Dort begründete er in seiner<br />

Funktion als chinesischer Kaiser die Yuan-Dynastie (auch Yüan), blieb aber<br />

gleichzeitig auch Groß-Khan der Mongolen. Er verzichtete darauf, die<br />

Chinesen zu „mongolisieren“ und ihnen mongolische Herrschaftsstrukturen<br />

aufzuzwingen, sondern setzte das seit der Tang-Dynastie bestehende<br />

System fort. Chinesen blieben jedoch weitgehend vom politischen Leben<br />

ausgeschlossen und unterlagen sozialer und politischer Diskriminierung.<br />

Die Mongolen dagegen bewahrten ihre kulturelle Identität und ihre Vorrechte<br />

als die herrschende Klasse. Kubilais Versuche, die mongolische<br />

Herrschaft auf Japan und Java auszudehnen, erwiesen sich als verheerende<br />

Fehlschläge.<br />

Die mongolischen Kaiser nach Kubilai unterlagen dem dekadenten Leben<br />

des chinesischen Hofes und interessierten sich zunehmend für die abergläubischen<br />

Bräuche des Lamaismus. Als Mitte des 14. Jahrhunderts die<br />

Überschwemmung des Gelben Flusses, eine Hungersnot in Nordchina<br />

sowie soziale Spannungen zu einer schweren Katastrophe führten, waren<br />

die mongolischen Herrscher nicht mehr in der Lage, dieser Herausforderung<br />

zu begegnen. 1368, als auch das ganze restliche asiatische Reich<br />

der Mongolen durch innere Differenzen zerrissen war, wurden die Groß-<br />

Khane in China von der einheimischen Ming-Dynastie gestürzt.<br />

Das Reich des Tschaghatai<br />

Bei der Teilung des Mongolenreiches nach Dschingis Khans Tod (1227)<br />

erhielt sein zweiter Sohn Tschaghatai das Khanat von Turkestan. Dieses<br />

Khanat umfasste die heutige chinesische autonome Region Sinkiang Uigur<br />

bis zum Aralsee und grenzte im Süden an Tibet und Kaschmir. Die westlichen<br />

Gebiete wurden überwiegend von sesshaften Muslimen bewohnt,<br />

die übrige Bevölkerung waren nomadisierende Mongolen. Das Khanat,<br />

eine strategisch wichtige und zentrale Region des asiatischen Mongolenreiches,<br />

wurde zum Brennpunkt politischer Rivalitäten unter den Nachkommen<br />

Dschingis Khans.<br />

Im 14. Jahrhundert nahm die Autorität der Khane von Turkestan über ihre<br />

muslimischen Untertanen gravierend ab. Nach 1370 fiel der westliche Teil<br />

des Khanats an das Reich des Timur-i Läng, eines mongolischen Führers,<br />

der nicht von Dschingis Khan abstammte. Die Herrschaft der Khane<br />

beschränkte sich danach auf den östlichen Teil des ursprünglichen Khanats.<br />

30


Das Reich des Il-Khan<br />

Bis 1231 hatten die mongolischen Heere Persien, Mesopotamien und Teile<br />

Kleinasiens überrannt. 1258 wurde Bagdad, der Sitz des Abbasiden-<br />

Kalifats, erobert. Das persische Khanat wurde von Hülägü, Enkel Dschingis<br />

Khans und Bruder Kubilais, begründet. Hülägü bezeichnete sich selbst<br />

als Il-Khan, und sein Reich umfasste den heutigen Iran, Ostirak, Westafghanistan<br />

und Turkmenistan. Unter Ghazan, der 1295 die Nachfolge Hülägüs<br />

antrat, wurden die Il-Khane vom Groß-Khan unabhängig und traten<br />

zum Islam über. Sie führten neue Steuersysteme ein, reformierten die Streitkräfte<br />

und bauten die Verkehrswege aus. Die iranische Kultur wurde gefördert<br />

und gleichzeitig mongolischen Einflüssen geöffnet; Türkisch, Persisch<br />

(Farsi) und Arabisch waren neben Mongolisch gleichberechtigte Sprachen.<br />

Die Herrschaft der späteren Khane war jedoch bereits geschwächt,<br />

und als der Khan Abu S’aid 1395 ohne männlichen Nachfolger starb,<br />

zerfiel das Khanat schließlich in kleine, überwiegend von Einheimischen<br />

beherrschte Staaten.<br />

Das Khanat der Goldenen Horde<br />

Während Ögödei und seine Nachfolger die Eroberung Ostasiens vollendeten,<br />

drangen Mongolen unter Batu Khan, einem Enkel Dschingis Khans,<br />

westwärts vor. 1237 plünderten sie die Städte um Wladimir und Susdal<br />

und 1240 sogar Kiew. Dann zogen sie weiter Richtung Westen, nach<br />

Polen, Böhmen, Ungarn und ins Donautal. Um 1241 hatte das Heer die<br />

adriatische Küste erreicht, bereit, Westeuropa anzugreifen. Lediglich der<br />

Tod des Groß-Khans Ögödei 1241 rettete das in sich zerstrittene und<br />

schlecht gerüstete Europa vor einer Katastrophe: Batu zog sich nach Südrussland<br />

zurück, um an der Wahl von Ögödeis Nachfolger teilzunehmen.<br />

Hier gründete er 1251 das Khanat der Goldenen Horde (auch Khanat<br />

Kiptschak).<br />

Die Goldene Horde beherrschte das heutige Südrussland bis Ende des 15.<br />

Jahrhunderts. Die Mongolen führten ein Herrschafts- und Steuersystem ein,<br />

das deutlich den Einfluss ihrer verwandten Groß-Khane in China zeigte.<br />

1380 besiegte der Großherzog von Moskau, Dmitri Donskoi, die Goldene<br />

Horde. Ihre endgültige Niederlage konnte kurzzeitig noch durch die<br />

Intervention Tamerlans abgewendet werden, der 1395 selbst die Herrschaft<br />

über die Goldene Horde an sich riss. Nach seinem Tod zerfiel sie in<br />

vier unabhängige Khanate: Astrachan, Kasan, Krim und Sibir, womit der<br />

Weg für den Aufstieg des Moskowiterreiches frei war. 1480 schüttelte<br />

Iwan III. Wassiljewitsch, Großherzog von Moskau, die mongolische Herrschaft<br />

über Südrussland endgültig ab, indem er einfach weitere Tributzahlungen<br />

an die Horde verweigerte.<br />

31


STÄRKEN UND SCHWÄCHEN DES<br />

MONGOLISCHEN REICHES<br />

Das mongolische Reich hat einen bedeutenden<br />

Beitrag zur Verständigung und Annäherung zwischen<br />

Ost- und Westasien sowie Europa geleistet.<br />

Ein gut organisiertes System von berittenen<br />

Kurieren verband ständig, quer durch die Steppen<br />

und Wüsten Zentralasiens, die Hauptstadt<br />

des Groß-Khans in China mit den weit entfernten<br />

Außenposten des Reiches. Die Handelswege<br />

Zentralasiens waren sicherer als je zuvor; infolgedessen<br />

nahm der Verkehr auf diesen Straßen<br />

beachtlich zu; Händler und Missionare zogen<br />

von West nach Ost und umgekehrt und transportierten<br />

neben vielem anderen auch Nachrichten.<br />

Einer dieser Reisenden, der venezianische Kaufmann<br />

Marco Polo, brachte dem Westen erstmals<br />

detaillierte Kenntnisse über China.<br />

Gute Verkehrswege und Verwandtschaftsbande<br />

erwiesen sich auf die Dauer als unzulänglich,<br />

um den zentrifugalen Kräften entgegenzuwirken,<br />

die das mongolische Reich auseinandertrieben.<br />

Früh tauchten religiöse Differenzen auf: Die mongolischen<br />

Herrscher in Westasien neigten eher<br />

zum Islam, in China bekannten sie sich zum<br />

Buddhismus oder Lamaismus. In der Politik hielten<br />

sich die Mongolen in China an die Lehren<br />

des Konfuzianismus, der die umfassende Autorität<br />

des Herrschers betonte; die Mongolen in<br />

Westasien verstrickten sich dagegen in eine eher<br />

diffuse Politik und in Kriege mit Osteuropa und<br />

dem Mittleren Osten. China, Russland und Persien<br />

hatten jeweils eigene Sprachen, Kulturen<br />

und Herrschaftssysteme, deren Einfluss und Wirkung<br />

sich die mongolische Oberschicht nicht entziehen<br />

konnte. Früher oder später kam es in<br />

allen von den Mongolen eroberten Gebieten zu<br />

einer Restauration der ursprünglichen, vormongolischen Verwaltungs- und<br />

Herrschaftsstrukturen, da sie der sesshaften Zivilisationsform der neuen<br />

Untertanen wesentlich besser entsprachen als die der nomadisierenden<br />

Mongolen.<br />

32


Die Ungarn<br />

In byzantinischen Quellen werden die Magyaren als Türken bezeichnet.<br />

Aus dem Staatshandbuch des Kaisers Konstantin VII. Porphyrogennetos<br />

erfahren wir, dass sie vor den nachdrängenden Petschenegen 889 ihre<br />

Wohnsitze in Lewedien (griechisch Lebedia) aufgeben mussten und nach<br />

Etelköz (eigentlich „Zwischenstromland“) an die untere Donau auswichen.<br />

892 verbündeten sie sich mit Arnulf von Kärnten, 894 ließen sie sich von<br />

Kaiser Leon VI. als Hilfstruppen gegen die Bulgaren anwerben. Zur Vergeltung<br />

hetzte der Bulgarenkhan Simeon die Petschenegen gegen sie auf,<br />

sodass sie teilweise überstürzt aus der südrussischen Steppenzone abziehen<br />

mussten.<br />

Unter ihrem militärischen Führer Árpád drangen die landflüchtigen Magyarenstämme<br />

in mehreren Zügen über die Karpatenpässe und entlang der<br />

33


Donau in das Pannonische Becken vor. Die magyarische Landnahme löste<br />

vorübergehend unter den Anrainern erhebliche Irritationen aus und verursachte<br />

weit reichende machtpolitische Umschichtungen. Die »Ungarnplage«<br />

weitete sich nach der Niederlage des lombardischen Heeres König<br />

Berengars I. 899 an der Brenta zu einer akuten Bedrohung der gesamten<br />

südöstlichen Grenzgebiete des Ostfränkischen Reiches aus. Seit 900 hatten<br />

die Magyaren ganz Pannonien fest in ihrer Hand. Das Großmährische<br />

Reich brach 906 unter ihrem Ansturm sehr rasch zusammen. Ein bayerisches<br />

Heer wurde 907 bei Preßburg vernichtend geschlagen, Markgraf<br />

Luitpold, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Freising und<br />

Säben sowie die Besten des bayerischen Adels fanden den Tod.<br />

Die magyarischen Steppenkrieger suchten in den folgenden Jahren auf<br />

ihren Streifzügen ganz Süddeutschland und Oberitalien heim und drangen<br />

westwärts bis über den Rhein vor. Selbst die byzantinischen Kaiser<br />

blieben seit dem überraschenden magyarischen Vorstoß im Jahre 934 vor<br />

weiteren Übergriffen der ehemaligen Verbündeten nicht verschont. Die<br />

Magyaren hatten sich inzwischen mit den Petschenegen verständigt. Auf<br />

gemeinsamen Streifzügen bedrohten sie mehrfach die Kaiserstadt am<br />

Bosporus und waren nur durch horrende Geldzahlungen zum Abzug zu<br />

bewegen.<br />

Den mobilen Steppenkriegern waren die schwerfälligen Aufgebote gepanzerter<br />

Ritter zunächst hilflos ausgeliefert. Nur mühsam formierte sich eine<br />

wirksame Gegenwehr gegen ihre fintenreiche Kriegstaktik. König Heinrich<br />

I. gelang es erstmals 933 bei Riade an der Unstrut (in der Nähe von Merseburg),<br />

das Schlachtfeld gegen die magyarischen Angreifer zu behaupten.<br />

Die Wende führte König Otto I. mit seinem hart erkämpften Sieg auf<br />

dem Lechfeld bei Augsburg am 10. August 955 herbei. Der Führer der<br />

Magyaren Bulcsu, der 948 den Frieden mit Byzanz erneuert hatte und in<br />

Konstantinopel getauft worden war,<br />

fiel in die Hand des Siegers und wurde<br />

hingerichtet. Unter dem Eindruck<br />

der verheerenden Niederlage ebbten<br />

die Ungarnzüge ab. Die Magyaren<br />

büßten ihre militärische Schlagkraft<br />

ein. Sie zogen sich auf ihren pannonischen<br />

Kernraum zurück und suchten<br />

sich mit ihren christlichen Nachbarn<br />

zu arrangieren.<br />

34<br />

links: ungarischer Ritter


Die Türken<br />

Sprach- und Völkergruppe im Südosten Europas (Türken), in Nord-, Mittelund<br />

Vorderasien (u.a. Aserbaidschaner, Baschkiren, Kirgisen, Kasachen,<br />

Tataren, Turkmenen, Uiguren, Usbeken); etwa 130 Mio.; zumeist Muslime.<br />

Die Urheimat der Turkvölker (erste Erwähnung des Namens „Türk“ im 6.<br />

Jahrhundert) lag in Zentralasien (Altairegion). Vom 6. bis 8. Jahrhundert<br />

bildeten die nomadischen Turkvölker Steppenimperien von der Mongolei<br />

bis zur Ukraine. Durch Wanderungen einzelner Stämme oder Stammesverbände<br />

dehnte sich ihr Siedlungsgebiet nach Westen aus, dabei wurden<br />

viele Nomaden unter iranischem Einfluss sesshaft. Im 11. Jahrhunderat<br />

drangen die türkischen Seldschuken nach Kleinasien vor, wo im 13. Jahrhundert<br />

das Osmanische Reich entstand. Besonders bekannt wurden auch<br />

die P<strong>rot</strong>obulgaren, die Chasaren und Polowzer (Kumanen)<br />

Die erste Erwähnung des Namens „Türke“ findet sich in China. Die nomaidisierenden<br />

„T'u-küe“ ode „Tür-küt“ (die Mächtigen) – wie die Übertragung<br />

des chinesischen Schriftzeichens in deutsche Lautschrift bedeutet –<br />

sollen nach der Zerschlagung des mongolischen Schuschan-Reiches im<br />

Jahre 552 einen gemeinsamen Staat der Göktürken gebildet haben, des-<br />

35


sen Reichsgebiet vom Chingangebirge bis nach Transoxianien reichte.<br />

Nach dem Tode des Reichsgründers Bumin erhielten die beiden Söhne<br />

jeweils einen Reichsteil – das Khaganat der Osttürken (unter Muhan) und<br />

das Khagant der Westtürken (unter Istami). Die türkischen Stämme unterstanden<br />

– wie deren östlichen Rivalen, die Mongolen – jeweils einem<br />

Familienoberhaupt, dessen Urahn oft den Namen des Stammes bestimmte.<br />

Chazaren, Ghasnawieden, Karachaniden, Köktürken, Oghusen (nach<br />

dem Stammvater Ogus Khan), Turkmenen, Türken, Uiguren und Usbeken -<br />

alle diese türkischen Stämme gehören eigentlich einem gemeinsamen Volk<br />

an, und es ist kein Wunder, dass türkische Stämme bekannt ware, noch<br />

bevor der Name der Tu-küe in der Geschichtsschreibung genannt wurde.Die<br />

Stammheimat der (Alt-)Türken ist das mittelasiatische Gebiet zwischen<br />

dem Altai im Bereich der Mongolei, dem Tienschan östlich Kasachstan,<br />

Tibet und Chingan im Nordosten. Nach verschiedenen Wanderungen<br />

in Richtung Westen – bis zum Kaspischen Meer – gründeten türkische<br />

Nomadenstämme eine Reihe von losen Verbänden, die sich immer mehr<br />

zu staatlichen Strukturen entwickelten. Nach Abebben der Hunnenzüge<br />

und Verfall der Hunnen-Reiche im 5. und 6. Jhd. n. Chr. kam es zum Ausschwärmen<br />

einzelner alttürkischer Eroberergruppen, so daß nach und<br />

nach das Siedlungsgebiet im Osten bis an den Pazifik, im Norden bis ans<br />

Eismeer und im Westen bis nach Europa ausgeweitet wurde und sich im<br />

Laufe der Zeit die einzelnen Türkvölker herausbildeten.<br />

Tanzende Derwische<br />

36


Die älteste schriftliche Überlieferung einer Türksprache sind alttürkische<br />

Innschriften am oberen Jennisei und am Talas sowie die Orchon-Inschriften<br />

der Altaier, die zwischen 732 und 735 n. Chr. in einer runischen und auf<br />

dem syro-aramäischen Alphabet fußenden Schrift verfaßt wurden. In diesen<br />

Orchon-Schriften erfolgte die Aufzeichnungen der Heldentaten des<br />

ersten türkischen Reichsgründers der Tür-küt. Sprachlich bilden die verschiedenen<br />

Turksprachen noch immer eine relativ starke Einheit, die zwar<br />

aufgrund der weiten Ausdehnen und der Kontakte mit Nachbarvölkern<br />

zahlreiche Eigenheiten entwickelten, aber heute noch sprechen alle Turkvölker<br />

von der Türkei an der Grenze zu Europa bis nach Chinesisch-Turkestan<br />

eine gemeinsame Sprache, die eine Verständigung zwischen den<br />

Angehörigen der verschiedenen Völker möglich macht. Insoweit wäre es<br />

vielleicht sogar angebracht, von türkischen Dialekten anstatt von unterschiedlichen<br />

türkischen Sprachen auszugehen. Die Stärke der einzelnen<br />

Stämme und deren Siedlungsgebiet änderte sich allerdings sehr häufig.<br />

Heute unterscheidet man zwischen mehreren großen türkischen Dialekt-<br />

Gruppen, den Kipcak-Türken, den Oguz-Türken, den südsibirischen Türkstämmen<br />

der Altay (Oyrut), Hakas (Abakan) und Tuva (Sayan) sowie den<br />

ostsibrischen Jakuten, die sich selbst „Saha“ nennen.<br />

a) Die Sprache der Kipcak-Türken, historisch der Petschenen und Hazaren<br />

findet sich heute noch - nicht in den slavisierten Bulgaren, sondern beim<br />

Volk der Tschuwaschen, die in der Sowjetunion am Ufer der mittleren<br />

Wolga leben, sowie den bis Polen verstreut lebenden Karaim.<br />

Als weitere zeitgenössische Nachfolger dieser Kipcak-Türken werden<br />

die Tataren, die Baskurt (Baschkiren , Kazak (Kosaken und Kasachen),<br />

Kara Kalpak, Novay und Kirgisen betrachtet. Auch ein Zweig der<br />

Özbek (Usbeken) spricht den Kipcak-Dialekt. Es ist in diesem<br />

Zusammenhang nicht uninteressant, dass uralte kirgisische Sagen von<br />

der Urheimat der Kirgisen am Jenssei und dem Kampf gegen Chinesen<br />

und Kalmücken berichtet.<br />

b) Die Sprache der Oguz-Türken findet sich dagegen bis heute im Dialekt<br />

der Türkei-Türken (Osmanen) und der Türken Cyperns, in Aserbeidschan<br />

und der Türken des nördl. Iran (Azeri) u. d. Turkmenen. Das Ost-Türkisch<br />

der Uiguren und Usbeken gehört ebenfalls zu dieser Sprachgruppe.<br />

Rechnet man die Türken europäischer Staaten, von den Litauischen Tataren<br />

als historischen Nachfolgern der Petschenen bis zu den modernen<br />

Gastarbeitern Berlins, die türkische Sprachinseln auf dem Balkan, auf<br />

Zypern, in den Arabischen Nachbarländern und im Irak mit, so kommt<br />

37


man auf mindestens 145 Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die<br />

heute Türkisch sprechen.<br />

Der bekannte Turkologe Wilhelm Radloff drückte das 1866 so aus:<br />

„Vom Nordosten Afrikas bis zur Europäischen Türkei, vom südöstlichen Teil<br />

Rußlands über Kleinasien nach Turan und von dort nach Sibirien, bis zur<br />

Wüste Gobi hin leben Stämme, die die türkische Sprache sprechen. Auf<br />

der ganzen Welt ist keine Sprachfamilie über ein so weites Gebiet hinweg<br />

verbreitet wie das Türkische“.<br />

DIE SELDSCHUKEN<br />

Der Name der Seldschuken geht auf Seldschuk, einen turkmenischen, ogusischen<br />

Stammeshäuptling zurück, der um 970 mit seinen Gefolgsleuten<br />

zum Islam übergetreten war. Im 11. Jahrhundert rückten die Seldschuken<br />

zunächst nach Süden vor und eroberten den Iran. Vom abbasidischen<br />

Kalifen nach Bagdad eingeladen, besetzten sie 1055 unter Tughrul Beg<br />

die Stadt und wurden Schutzherrscher über die Kalifen. 1071 schlug Alp<br />

Arslan (1063–72), Tughruls Neffe, die Byzantiner bei Manzikert, und die<br />

Turkmenen konnten sich in Anatolien festsetzen. Etwa zur selben Zeit<br />

gerieten auch Syrien und<br />

Konya<br />

Palästina unter die Kontrolle<br />

der Seldschuken.<br />

Damit waren wesentliche<br />

Anstöße zu den Kreuzzügen<br />

gegeben, die jedoch<br />

die islamische Welt in<br />

Vorderasien nur am Rande<br />

betrafen.<br />

38<br />

Der Sultan Melikschah<br />

(1072–92), Sohn von<br />

Tughrul, sollte sich der<br />

Unterstützung durch Nisam<br />

al-Mulk (1018–92),<br />

einen der bedeutendsten<br />

Wesire in der islamischen<br />

Geschichte, erfreuen.<br />

Dieser wurde am<br />

Ende einer dreißigjährigen<br />

Amtszeit durch einen<br />

Assassinen ermordet. Die<br />

Assassinen („haschscha-


schun“, die „Benutzer von Haschisch“, daher auch frz. „assassin“, „Mörder“),<br />

eine extremistische schiitische Sekte, hatten sich unter dem Agitator<br />

Hasan as-Sabbah (gest. 1124) als terroristische Gruppe in den Bergen<br />

südlich des Kaspischen Meeres (Bergfestung Alamut) etabliert und wurden<br />

erst 1256 durch die Mongolen vernichtet.<br />

Nach dem Tode Melikschahs sollte das seldschukische Großreich rasch<br />

zerfallen. Zwar konnte Sultan Mohammed, ein Bruder Melikschahs, den<br />

Zersetzungserscheinungen noch Einhalt gebieten, doch sein Bruder Sandschar<br />

(1118–57) herrschte nur noch im Ostiran (Chorassan). In anderen<br />

Regionen Irans, in Syrien, dem Irak und Kleinasien bildeten sich Teilstaaten,<br />

die sich bekämpften. Von ihnen sollte das Reich der Rum-Seldschuken<br />

(„oströmische Seldschuken“) für Europa am wichtigsten werden. Unter<br />

Süleyman, dem Statthalter Alp Arslans, in Anatolien mit der Hauptstadt<br />

Konya gegründet, wurde es zur großen Gefahr einerseits für die Byzantiner,<br />

die 1176 bei Myriokephalon vernichtend geschlagen wurden, aber<br />

auch für die Kreuzfahrer, deren Landwege nach Palästina erheblich<br />

gestört wurden. Als Konstantinopel 1204 von den Kreuzrittern erobert<br />

wurde, schied es als Gegner für die Seldschuken aus, und Anatolien konnte<br />

vor allem unter Kai Kobad I. (1220–37) eine kurze Blüte auf wirtschaftlichem<br />

und sozialem Gebiet erleben.<br />

Das Ende des Reiches der Rum-Seldschuken kam durch den Vorstoß der<br />

Mongolen nach Kleinasien und die Niederlage am Kösedag 1243; die<br />

Seldschuken mussten sich unterwerfen und wurden Vasallen der Mongolen,<br />

die eine zunehmend straffere eigene Verwaltung einführten. Die seldschukische<br />

Dynastie ging 1308 mit dem Tode von Mesud II. zu Ende, während<br />

der Westen des Landes bereits in selbstständige Kleinfürstentümer<br />

zerfallen war. Aus einem von ihnen sollte das Osmanische Reich hervorgehen.<br />

DIE OSMANEN<br />

Der Traum des Osman (Es begann mit einem Traum): Osman war in<br />

die Tochter Edebalis verliebt. Edabali war ein Scheich aus Adana.<br />

Doch er verweigerte die Zustimmung zur Heirat. Als Osman bei ihm<br />

zu Gast war träumte er: „Aus Edebali wuchs der Mond hervor, der in<br />

die Brust Osmans, der neben ihm auf dem Boden lag, versank. Aus<br />

seinen Lenden wuchs ein Baum, dessen Schatten bis zum äußersten<br />

Gesichtskreis der drei Teile der Erde reichte. Der Kaukasus, der Atlas,<br />

der Taurus und der Hämus waren die vier Pfeiler der Welt. Die vier<br />

39


Flüsse: Tigris, Euphrat, Nil und Donau entsprangen aus diesen Bergen<br />

und umspülten die Wurzeln des Baumes. Die Flüsse und Meere waren<br />

von Schiffen bedeckt, auf den Feldern und in den Tälern gab es Städte,<br />

über deren Turmspitzen der Halbmond thronte. Die Blätter hatten<br />

die Form von Schwertern, die ein starker Wind gegen die Städte bog.<br />

Zuallererst gegen Konstantinopel. Es war wie ein Ring allumfassender<br />

Herrschaft, mit einem Diamanten geformt und er wollte sich diesen<br />

Ring an den Finger stecken.“ Dann erwachte er.<br />

Die Auslegung des Traumes besagte, den Nachkommen Osmans und seiner<br />

Frau (symbolisiert durch d. Vollmond), wäre die Kaiserwürde bestimmt.<br />

Nachdem Edebali den Traum hörte, gab er die Einwilligung zur Heirat.<br />

Osman wurde zum Gründer der Dynastie der Osmanen, der das neue<br />

Volk der Türken zum Kampf gegen das christliche Europa führte. Einen<br />

Kampf, der jahrhundertelang dauern sollte.<br />

Die Osmanen sind ein turkstämmiges Herrschergeschlecht (1300–1922)<br />

in der Nachfolge Osmans I. Ghasis. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts<br />

waren in Anatolien auf dem ehemaligen Gebiet des geschwächten byzantinischen<br />

Imperiums und des Reiches der Rum-Seldschuken zahlreiche Fürstentümer<br />

entstanden. Zu ihnen gehörte ein kleiner, von Osman I. (Regierungszeit<br />

1300–1324) gegründeter Staat in der nordwestlichen Provinz<br />

Bithynien. In der Folge konnten die Osmanen dank der günstigen Lage<br />

ihres Stammlandes und einer Reihe herausragender Herrscherpersönlichkeiten<br />

ihr Reich bis nach Europa und auf die turkmenischen Nachbarstämme<br />

ausdehnen. Auf dem Höhepunkt seiner Macht umfasste das Osmanische<br />

Reich weite Teile Nordafrikas, des Nahen Ostens, Russlands und des<br />

Baltikums. Die Osmanen regierten ab 1325 zunächst von Bursa, ab 1361<br />

von Edirne und ab Mitte des 15. Jahrhunderts schließlich von Konstantinopel<br />

(Istanbul) aus über ihr wachsendes Imperium, das eine Vielzahl von<br />

Völkern mit unterschiedlichen Sprachen, Kulturen und Religionen einschloss.<br />

Um stabilitätsgefährdende Rivalitäten innerhalb der Dynastie zu<br />

verhindern, ließen die osmanischen Herrscher ab dem 15. Jahrhundert bei<br />

Regierungsantritt eines neuen Sultans dessen Brüder ermorden. Dieses<br />

System wurde ab Beginn des 17. Jahrhunderts durch eine nach Alter der<br />

verschiedenen Nachkommen gestufte Rangfolge, das Seniorat, ersetzt.<br />

Nicht nur aus der eigenen Familie oder von ausländischen Feinden drohte<br />

den osmanischen Fürsten indessen Gefahr: Ab dem 16. Jahrhundert sahen<br />

sie sich zunehmend von den mit großen Machtbefugnissen ausgestatteten<br />

Großwesiren und Eunuchen kontrolliert. Die gezielt schlechte Ausbildung<br />

40


der Prinzen und ihre Beschränkung auf den engen Bereich des Palastes<br />

trugen zum Zerfall des Osmanischen Reiches bei.<br />

Janitscharen (türkisch yeniceri: neue Truppe), Elitetruppe des osmanischen<br />

Heeres, bestand seit etwa Mitte des 14. Jahrhunderts. Früher hatten die<br />

osmanischen Streitkräfte aus turkmenischen Stammesaufgeboten bestanden,<br />

die jeweils ihrem Stammesführer unterstanden; aber als sich die<br />

Osmanen zu einer Art Staat formierten, brauchte man eine Armee, die<br />

ausschließlich dem Sultan zur Treue verpflichtet war.<br />

Zunächst wurde die Truppe aus zum Islam übergetretenen christlichen<br />

Kriegsgefangenen gebildet; als Nächstes führte man die Knabenlese<br />

(devshirme) ein: Christliche Jungen mussten zum Islam übertreten, erhielten<br />

dann aber die beste militärische Ausbildung und wurden zur Elite der<br />

Armee. Der Tagesablauf der Janitscharen war durch eigene Gesetze geregelt,<br />

die ihnen den Kontakt mit der Zivilbevölkerung ebenso verboten wie<br />

die Heirat. Ihre Disziplin ließ sie zum Schrecken Europas werden. Ihre spirituelle<br />

Stärke bezogen Sie aus der Zugehörigkeit zum Bektashi-Orden.<br />

Aber mit der Zeit wurden die Richtlinien weniger hart, die Rekrutierung<br />

wurde lockerer (z. B. wurden auch Muslime aufgenommen), und wegen<br />

der Privilegien, die die Janitscharen genossen, wuchs ihre Zahl von 20<br />

000 im Jahr 1574 auf über 135 000 im Jahr 1826 an. Um ihren Sold<br />

aufzubessern, gingen die Janitscharen verschiedenen anderen Tätigkeiten<br />

nach und bauten gute Verbindungen zur Zivilbevölkerung auf, was ihre<br />

Treue zum Herrscher untergrub. Mit der Zeit wurden sie zu Königsmachern<br />

und Verbündeten der konservativen Kräfte, widersetzten sich allen<br />

Reformen und der Modernisierung der Armee. Das Ansehen der Janitscharen<br />

litt stark, als es ihnen nicht gelang, den griechischen Aufstand in<br />

den frühen zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts niederzuschlagen. Als<br />

die Janitscharen 1826 revoltierten, löste Sultan Mahmud II. im Zuge einer<br />

Heeresreform die Truppe gewaltsam auf.<br />

41


Die Sarazenen<br />

Der Name Sarazene meint ursprünglich die nomadischen Stämme, die<br />

sich in einem Gebiet vom heutigen Syrien bis Saudi Arabien ausbreiteten.<br />

In einem weiteren Sinn werden damit alle arabischen Stämme des Mittelalters<br />

bezeichnet. Diese Wüstennomaden erschienen plötzlich im siebten<br />

Jahrhundert und errichteten innerhalb anderthalb Jahrhunderte ein ausgebreitetes<br />

Reich. Ihre Eroberungen waren durch Ihren neuen Glauben und<br />

Ihre hohe Moral gekennzeichnet. Indem Sie den Lehren des Propheten<br />

Mohammed, Friede sei mit Ihm, folgten, beabsichtigten Sie die Religöse<br />

und Politische Landschaft der damals bekannten Erde zu verändern.<br />

Ab 613 predigte der Gesandte Gottes, Mohammed, Friede sei mit Ihm,<br />

eine neue Religion, den Islam. In seiner eigenen Heimatstadt Mekka wurde<br />

er verfolgt und floh nach Medina, der Beginn der muslimischen Zeitrechnung,<br />

errichtete dort eine starke Anhängerschaft und kehrte schließlich<br />

nach Mekka zurück und nahm es friedlich ein. Die wahrscheinlich einzige<br />

Eroberung der Menschheitsgeschichte, die ohne Blutvergiessen und<br />

ohne nachfolgender Plünderung stattgefunden hat. Nach seinem Tod im<br />

Jahre 632 wurden seine Lehren in den Hadithsammlungen und im heiligen<br />

Koran niedergeschrieben. Im Jahre 634 begannen die Muslime dann der<br />

Verbreitung des Islams und öffneten in der berühmten Schlacht von Yarmuk<br />

636 die Tore ins Byztanische Reich. Innerhalb von nur fünf Jahren überrannten<br />

sie ganz Ägypten, Palästina und Syrien. Besonders Ihre Toleranz<br />

Andersgläubigen gegenüber, den Juden und Christen erleichterte Ihre<br />

Feldzüge, da die dort ansäßigen Völker oft unter der Verfolgung der Byztantiner<br />

litten.<br />

In den folgenden 60 Jahren breitete sich dann der Islam im Norden Afrikas<br />

im Westen über ganz Persien aus, was neben Byzanz die zweite<br />

damalige Supermacht war. Im frühen achten Jahrhundert fielen Sarazenen<br />

aus Tanger in die iberische Halbinsel ein und eroberten das Königreich<br />

der Visigoten, das nach dem Fall von Rom dort errichtet wurde. In Asien<br />

eroberten sie nach und nach Kleinasien, scheiterten aber an den Befestigungsanlagen<br />

von Konstantinopel. Im Westen wurde ein Vortrupp von<br />

Karl Martell bei Poitier gestoppt, zu einer Schlacht soll es nach islamischen<br />

Quellen nie gekommen sein, wenn auch christliche dies für den<br />

Wendepunkt in ihrer Geschichte halten.<br />

42


Im Osten hingegen eroberten die Sarazenen Indien, die innerasiatischen<br />

Steppengebiete bis nach China. 750 hatten sie den Indus und das nördliche<br />

Indien eingenommen und erreichten über Zentralasien die westlichen<br />

Grenzen Chinas. Von Nord- und Ostafrika breitete sich der Islam bis nach<br />

Zentralafrika aus. Bis auf das heutige Spanien sind das die heutigen Kernländer<br />

der Muslime, in denen über 90 % der Bevölkerung dem Islam<br />

angehören.<br />

43


Die Skythen<br />

Die Skythen sind ein ostiranisches Nomadenvolk, das im 8. Jahrhundert v.<br />

Chr. von den mittelasiatischen Steppen in das Gebiet nördlich des Schwarzen<br />

Meeres zwischen den Karpaten und dem Don eingewandert und im<br />

6. Jahrhundert v. Chr. ins heutige Rumänien vorgestoßen ist. Man nimmt<br />

an, dass diese Stämme aus der Region um den Altai an der Grenze zu<br />

China in diese Gebiete zogen.<br />

Ihre Sprache war eine Form des Iranischen. Die Skythen hielten Pferde,<br />

Kühe und Schafe, lebten in Planwagen und waren für ihre Reitkunst sowie<br />

als Bogenschützen berühmt.<br />

Sie hatten früh eine reiche Kultur, die noch heute in prunkvollen Gräbern<br />

für skythische Könige und Adlige sowie in Handwerksgegenständen aus<br />

Bronze und Gold, die mit außergewöhnlicher technischer und künstlerischer<br />

Perfektion gefertigt waren, zu sehen ist.Anfang des 7. Jahrhunderts<br />

v. Chr. zogen die Skythen südlich des Kaspischen Meeres weiter und drangen<br />

in das Königreich Medien ein. Von dort wurden sie jedoch 625 v.<br />

Chr. von König Kyaxares vertrieben.<br />

Kurz nach der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. wurden die Skythen aus<br />

diesem Gebiet von den Sarmaten verdrängt. Im 2. Jahrhundert v. Chr.<br />

drangen skythische Stämme in das Parthische Reich südöstlich des Kaspischen<br />

Meeres ein. Um 130 v. Chr. zogen sie weiter nach Osten in das<br />

Königreich Baktrien im Gebiet des heutigen Afghanistan. Im 1. Jahrhundert<br />

v. Chr. drangen sie nach West- und Nordindien ein, wo sich noch<br />

Spuren aus den folgenden fünf Jahrhunderten erhalten haben.<br />

TRINKRITUALE DER SKYTHEN<br />

Das Trinken hatte bei den Skythen einen durchaus rituellen Hintergrund<br />

und bei gewissen sozialen Anlässen einen bedeutenden Stellenwert. So<br />

heißt es bei Herodot: „Alle Jahre einmal lässt jeder Häuptling in seinem<br />

Gau einen Mischkrug mit Wein bereiten, aus dem alle Skythen trinken, die<br />

schon einen Feind erschlagen haben. Die aber noch keinen Feind erschlagen<br />

haben, dürfen nicht mit davon trinken, sondern müssen ungeehrt<br />

dabeisitzen, und das ist für sie die größte Schande. Hat aber einer schon<br />

sehr viele Feinde erschlagen, so bekommt er sogar zwei Becher und trinkt<br />

aus beiden zugleich.“<br />

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IMPRESSUM<br />

<strong>rot</strong>-<strong>graue</strong> <strong>blätter</strong><br />

Heft Nr. 014<br />

Ausgabe im Oktober 2004<br />

Ausgabe nur als PDF für das Internet<br />

SCHRIFTLEITUNG UND BEZUG<br />

Quelle: Sämtliche Bilder und Texte sind aus dem Internet zusammengetragen. Adressen für Zuschriften an die <strong>Schriftleitung</strong>:<br />

Stephan Maria Sommer, Kanalstraße 12, 85049 Ingolstadt; E-Mail: schriftleitung@gmx.de, www.schriftleitung.org.<br />

HERSTELLUNG<br />

Schriften gesetzt in 7-Punkt Futura (Impressum) sowie 15.0/20.0-Punkt Futura Book. Überschriften und Pagina gesetzt in 15-Punkt, Futura<br />

Book. Nicht berücksichtigt: Titelblatt. Heftumfang 47 Seiten inkl. Schmutztitel und zwei Seiten Umschlag.<br />

URHEBERRECHT<br />

Die Urheberrechte liegen bei den Autoren. Nachdruck, auch auszugsweise, ist grundsätzlich nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Urhebers<br />

zulässig. Diesbezügliche Anfragen sind an die <strong>Schriftleitung</strong> zu richten, die gern vermittelt. Ein Anspruch auf Erteilung einer Abdruckgenehmigung,<br />

auch Auszugsweise, besteht nicht. Ob Verstöße gegen das Urheberrecht gerichtlich verfolgt werden sollen, liegt im<br />

Ermessen der Urheber.<br />

Das vorliegende Heft ist kein Druckerzeugnis im Sinne des Pressegesetzes.<br />

Es wurde als Typoskript für den internen Gebrauch hergestellt.

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