KEM Konstruktion Connected mobile Machines & Mobility (CMM) 2020
Trendthemen: Kongressmesse CMM, Connected Mobility, Cludtechnologie, autonomes Fahren, Testen in the Loop, Antriebe und Komponenten, Entwicklungstools und Produktion; KEM Perspektiven: Elektromobilität und Leichtbau; KEM Porträt: Nils Martens und Dr. Manfred Stefener, Freudenberg Sealing Technologies
Trendthemen: Kongressmesse CMM, Connected Mobility, Cludtechnologie, autonomes Fahren, Testen in the Loop, Antriebe und Komponenten, Entwicklungstools und Produktion; KEM Perspektiven: Elektromobilität und Leichtbau; KEM Porträt: Nils Martens und Dr. Manfred Stefener, Freudenberg Sealing Technologies
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SPEZIALAUFGABEN<br />
AUTOMATISIERUNG & SYSTEMMANAGEMENT<br />
Bild: Phoenix Contact<br />
Ein vorne an einem Waggon angebrachter Sensor erkennt das Unkraut und leitet die Information<br />
an die Steuerung weiter, die das Ventil des Heißwasserwagens punktgenau öffnet<br />
Bild: Phoenix Contact<br />
Die PLCnext-Steuerung AXC F 2152 verfügt über<br />
zwei Prozessorkerne, von denen einer nur die<br />
echtzeitkritischen Berechnungen vornimmt<br />
verarbeiten kann. So könnte das komplette 7600 km umfassende<br />
Schienennetz der SBB bezüglich Unkrautbewuchs abgebildet werden.<br />
„Denn den Heißwasserzug nur auf gut Glück irgendwo fahren<br />
zu lassen, ist natürlich nicht sehr effizient. Besser wäre es, bereits<br />
zu wissen, wo ein Einsatz notwendig ist“, erklärt Kowe. Bisher haben<br />
Mitarbeiter zu Fuß die Gleise unkrautfrei gehalten, was einerseits<br />
anstrengend und andererseits sehr zeitaufwändig ist: Die Gesamtlänge<br />
der Schweizer Schienen entspricht der Entfernung zwischen<br />
Berlin nach Peking.<br />
Der Zug jedoch kann mit bis zu 40 km/h fahren, was etwa 11 m/s<br />
entspricht. Daher müssen die Berechnungen in Echtzeit erfolgen<br />
und auf Millisekunden genau sein. Ein Fehler um ein bis zehn Millisekunden<br />
würde schon dafür sorgen, dass die Pflanze nicht getroffen<br />
wird. Zudem sollen die insgesamt 130.000 l Wasser in den beiden<br />
Tankwagen für möglichst lange Strecken reichen: Würden alle<br />
Ventile dauerhaft öffnen, wären die Vorräte nach rund 1,5 km geleert.<br />
Direkt an der Lok hängt der Wagen für die Technik, auf dem<br />
Frequenzumrichter, Pumpe und Wasserheizung in einem Container<br />
installiert sind, die Sensorik arbeitet an dessen Vorderseite. Bedingt<br />
durch die Ventilöffnungszeit müssen zwischen Sensorik und der ersten<br />
Düse mindestens 3,5 m liegen. Deshalb können die Ventile erst<br />
ab etwa der Mitte des Wagens sitzen. Den perfekten Zeitpunkt berechnet<br />
die Steuerung aus der Geschwindigkeit des Zuges sowie<br />
der Größe und der Position des Unkrautes.<br />
Daten in bestehende Infrastruktur einbinden<br />
Die Entscheidung für PLCnext als Plattform war vor allem der Möglichkeit<br />
geschuldet, den Zug sehr einfach in die bestehende datentechnische<br />
Infrastruktur einzubinden: „SPS-Programmierung können<br />
wir ja alle, aber die Serveranbindung über Hochsprachen lösen<br />
zu können, macht es uns hier sehr komfortabel und flexibel“, so Kowe.<br />
Derzeit ist der Zug datentechnisch noch autark, er soll jedoch<br />
ins Geoinformationssystem der SBB integriert werden. Die Daten<br />
über Unkrautpositionen sollen also in der vorhandenen Infrastruktur<br />
abgelegt werden. Welche Cloud dafür zum Einsatz kommt, ist noch<br />
nicht final geklärt: „Wir schauen gerade, ob wir das mit der unternehmenseigenen<br />
Proficloud realisieren, prinzipiell sind natürlich<br />
auch andere Cloudlösungen wie AWS, Google oder Azure möglich“,<br />
so Kowe. Die Kopplung ist aber nicht nur für die Einsatzplanung des<br />
Zuges notwendig, sondern ebenso für die Erfolgskontrolle: Denn<br />
die Wirksamkeit – die schlagartige Hitze lässt die Zellen platzen – ist<br />
immer erst nach einigen Tagen zu sehen, wenn die Pflanzen zu welken<br />
beginnen. Daher sollen später auch andere Züge oder Systeme<br />
mit Sensorik erkennen, wo noch was in welchem Zustand wächst.<br />
Vorteilhaft seien zudem die zwei Prozessorkerne, wodurch eine<br />
Lastenverteilung etabliert wurde: Ein Kern übernimmt lediglich die<br />
echtzeitkritischen Berechnungen, wodurch beispielsweise die Erkennung<br />
und Ventilsteuerung in etwa zwei Millisekunden erfolgen<br />
kann. Der andere Kern ist für alle weniger auf penible Reaktionszeiten<br />
ausgelegten Prozesse zuständig, beispielsweise das Heizen<br />
und die Temperaturüberwachung der Wasserwagen.<br />
Derzeit fahren auf dem Zug neben dem Lokführer noch ein Verantwortlicher<br />
und einen Techniker, der auch manuell eingreifen und<br />
so für den reibungslosen Betrieb der Wassersteuerung sorgen<br />
kann. „Es gibt aber bereits Überlegungen, ob man so einen Zug<br />
auch völlig autonom betreiben kann, denn auf der relativ kontrollierten<br />
Umgebung der Schiene ist das natürlich einfacher umzusetzen,<br />
als im Straßenverkehr“, sagt Kowe. Nach seiner Einschätzung habe<br />
der Spritzwasserzug im Vergleich zu anderen getesteten Verfahren<br />
wohl die höchsten Chancen, über den Prototyp hinaus realisiert zu<br />
werden. Verlaufen die Tests erfolgreich, geht das entwickelte Fahrzeug<br />
von der SBB meist an einen Dienstleister, der daraus dann eine<br />
marktreife Variante macht und auch den Betrieb übernimmt. Anfängliche<br />
Bedenken hinsichtlich der Gefahr für Tiere wie Eidechsen<br />
durch das heiße Wasser konnten inzwischen übrigens entkräftet<br />
werden: Die Vibrationen des Zuges eilen diesem voraus und verscheuchen<br />
die Fauna, bevor es der unerwünschten Flora an den<br />
Kragen geht.<br />
Mehr zum PLCnext-System von Phoenix Contact:<br />
hier.pro/sJ4lL<br />
K|E|M <strong>Konstruktion</strong> Sonderausgabe <strong>Connected</strong> <strong>mobile</strong> <strong>Machines</strong> & <strong>Mobility</strong> (<strong>CMM</strong>) <strong>2020</strong> 27