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AUTOINSIDE Ausgabe 9 – September 2020

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TECHNIK & UMWELT<br />

EcoDrive / «Smart Rider»<br />

«Der Garagist ist als<br />

Mobilitätsdienstleister gefragt»<br />

Assistenzsysteme machen Fahrzeuge sicherer und helfen, Treibstoff zu sparen. Nur: Viele Fahrer verzichten<br />

bewusst auf deren Hilfe, sehr zum Leidwesen der Beratungsstelle für Unfallverhütung. Hier sei auch der Garagist<br />

als Mobilitätsdienstleister gefragt, sagt Nadia Ingenhoff, Projektleiterin des BFU-Projekts «Smart Rider».<br />

Reinhard Kronenberg<br />

Gesundheitskosten und weniger Unfallschäden am Auto. Damit lässt<br />

sich Geld sparen. Erfreulicherweise gelten in Europa ab 2022 neue Mindestanforderungen<br />

bezüglich Fahrzeugsicherheit: Alle neu verkauften<br />

Autos müssen serienmässig mit Notbremsassistent, Spurhalteassistent,<br />

Aufmerksamkeitsassistent und intelligentem Geschwindigkeitsassistenten<br />

ausgestattet sein.<br />

Nadia Ingenhoff, Projektleiterin «Smart Rider». Quelle: BFU<br />

Assistenzsysteme in modernen Autos tragen nicht nur zur Sicherheit<br />

bei, sondern unterstützen die Autofahrerinnen und Autofahrer<br />

darin, Treibstoff zu sparen. Entscheidend aber bleibt der Mensch,<br />

weil er diese Systeme auch aktiv nutzen soll. Das tun aber nicht alle.<br />

Warum?<br />

Nadia Ingenhoff: Eine aktuelle Untersuchung der BFU zeigt, dass gewisse<br />

Systeme von Automobilistinnen und Automobilisten bewusst<br />

ausgeschaltet werden. Jede zehnte Person, deren Fahrzeug über einen<br />

Spurhalteassistenten verfügt, hat diesen noch gar nie eingeschaltet.<br />

Über mögliche Gründe kann nur spekuliert werden: Wahrscheinlich<br />

haben viele Lenker keine Zeit und Lust, sich intensiv mit der Technik<br />

ihres Autos auseinanderzusetzen. Oder sie haben aufgrund von Falschauslösungen<br />

der Assistenten schlechte Erfahrungen gemacht und damit<br />

das Vertrauen in die Technik verloren. Damit das Potenzial der Fahrerassistenzsysteme<br />

ausgeschöpft werden kann, muss man sich mit den<br />

Systemen auseinandersetzten und wissen, wie sie im Notfall reagieren.<br />

Früher waren Assistenzsysteme nur für die Luxusklasse verfügbar,<br />

heute sind sie oft auch in Fahrzeugen tieferer Klassen verbaut.<br />

Findet hier eine «Demokratisierung» der Sicherheit statt?<br />

Das kann man so sagen. Innovationen in der Autobranche werden immer<br />

erst in der Premiumklasse lanciert. Sobald die Entwicklungskosten<br />

für diese Systeme gedeckt sind, sinken die Produktionskosten. Damit<br />

ist der Weg frei, die Technik auch in weiteren Fahrzeugsegmenten<br />

einzuführen.<br />

Assistenzsysteme sind in vielen Modellen mit einem Aufpreis<br />

verbunden. Wie kann der Garagist argumentieren, dass die Kunden<br />

bereit sind, mehr fürs Auto zu bezahlen?<br />

Der Garagist wird immer mehr zum Mobilitätsdienstleister. Dazu gehört<br />

auch, den Kunden die Funktionsweise und den Nutzen von Fahrerassistenzsystemen<br />

zu erklären. Es ist nie falsch, in die Sicherheit zu<br />

investieren: Mehr Sicherheit bedeutet weniger Unfälle, also geringere<br />

Kann die Wirksamkeit von Assistenzsystemen bezogen auf die<br />

Zahl an Unfällen nachgewiesen werden? Besteht hier eine direkte<br />

Korrelation?<br />

Wie viele Unfälle sich theoretisch verhindern lassen, ist je nach Art des<br />

Fahrerassistenzsystems unterschiedlich. Wir von der BFU gehen davon<br />

aus, dass es beispielsweise 38 Prozent weniger Auffahrunfälle mit Verletzten<br />

gäbe, wäre jedes Auto mit einem Notbremsassistenten ausgestattet.<br />

Zum Geschwindigkeitsassistenten lässt sich sagen, dass es mit<br />

unterstützenden und warnenden Systemen 21 Prozent weniger Unfälle<br />

mit Todesfolge und 14 Prozent weniger Unfälle mit Schwerverletzten<br />

gäbe. Bei Geschwindigkeitsassistenten, die aktiv ins Tempomanagement<br />

eingreifen, ist das Sicherheitspotenzial sogar noch grösser: 46 Prozent<br />

der Unfälle mit Todesfolge und 34 Prozent der Unfälle mit Schwerverletzten<br />

könnten verhindert werden.<br />

Voraussetzung, dass die Käufer sich für ein Plus an Assistenzsystemen<br />

entscheiden und diese dann auch nutzen, ist, dass sie sich auch tatsächlich<br />

mit der neuen Technik auseinandersetzen. Die BFU will hier<br />

dazu beitragen. Wo liegen dabei die grössten Herausforderungen?<br />

2018 hat die BFU die Kampagne «Smart Rider» lanciert. Die Kampagnenwebsite<br />

bietet unabhängige Informationen zu den wichtigsten Fahrerassistenzsystemen<br />

und zeigt mit Animationen auf, wie diese funktionieren.<br />

Doch das reicht nicht. Damit Automobilisten die Systeme kaufen<br />

und auch nutzen, müssen sie die Möglichkeit haben, diese in einem<br />

geschützten Rahmen testen zu können. Deshalb wird die BFU im <strong>September</strong><br />

auf dem Flugplatz Interlaken im Rahmen der Kampagne «Smart<br />

Rider» gemeinsam mit Partnern erstmals einen «Testing Day» für Fahrerassistenzsysteme<br />

durchführen.<br />

Die Entwicklung von Assistenzsystemen mündet im autonomen<br />

Fahren, bei dem das Auto alles automatisch regelt und entscheidet.<br />

Geht es grundsätzlich darum, den «Unsicherheitsfaktor<br />

Mensch» auszuschalten?<br />

Der Mensch ist ganz klar ein Unsicherheitsfaktor und wird es wohl<br />

noch eine Weile bleiben. Die häufigsten Unfallursachen bei schwe-<br />

78 <strong>September</strong> <strong>2020</strong> | <strong>AUTOINSIDE</strong>

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