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pfalz-magazin Herbst 2020 Jahrgang 12 Ausg. 56

Alles erfahren aus der Pfalz, wenn es um Genuss, Wein, Kultur und Reisen geht!

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Die zwei<br />

Embryos<br />

Im Bauch einer schwangeren Frau waren einmal zwei Embryos. Einer davon<br />

ist der kleine Gläubige und der andere der kleine Zweifler. Sie unterhalten sich.<br />

Der kleine Zweifler fragt: „Glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?“<br />

„Ja, klar,“ meint der Gläubige, „natürlich gibt es das. Unser Leben hier ist nur dazu<br />

gedacht, dass wir wachsen und uns auf das Leben nach der Geburt vorbereiten, damit<br />

wir dann stark genug sind für das, was uns erwartet.“<br />

Darauf der Zweifler: „Blödsinn, das gibt es doch nicht, wie soll denn das überhaupt<br />

aussehen, ein Leben nach der Geburt?“<br />

„Das weiß ich leider auch nicht so genau. Aber es wird sicher viel heller als hier sein.<br />

Und vielleicht werden wir sogar herumlaufen und mit dem Mund essen!“<br />

„So ein Quatsch!“ bricht es aus dem Zweifler heraus, „Herumlaufen – das geht doch<br />

gar nicht. Und mit dem Mund essen – so eine absurde Idee. Es gibt doch die<br />

Nabelschnur, die uns ernährt. Außerdem geht das gar nicht, dass es ein Leben nach<br />

der Geburt gibt, weil die Nabelschnur ja schon jetzt viel zu kurz ist!“<br />

Der Gläubige denkt nach.<br />

„Doch, es geht bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders.“<br />

Der kleine Zweifler meint spöttisch: „Soso. Beweise mir doch mal, dass das geht!<br />

Es ist noch nie einer zurückgekommen von ‚nach der Geburt‘. Mit der Geburt<br />

ist das Leben zu Ende. Basta. Und das Leben ist eine einzige Quälerei<br />

— Und dunkel!“<br />

„Auch wenn ich nicht so genau weiß, wie das Leben nach der Geburt genau<br />

aussieht, jedenfalls werden wir dann unsere Mutter sehen.“ Der Gläubige hat<br />

glänzende Augen.<br />

Der Zweifler wird lauter: „Mutter?!? Du glaubst noch an eine Mutter?<br />

Wo ist sie denn bitte?“<br />

„Na hier, überall um uns herum,“ ruft der Gläubige aus. „wir sind<br />

und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.“<br />

Der kleine Zweifler: „Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie<br />

was gemerkt, also gibt es sie auch nicht!“<br />

Kurze Pause.<br />

Dann meint der Gläubige kleinlaut: „Manchmal, wenn wir ganz still sind,<br />

kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt.<br />

Ich glaube auf jeden Fall, dass unser eigentliches Leben erst dann beginnt!“<br />

Nach Henri J. M. Nouwen, holländischer Theologe, Psychologe und Schriftsteller, 1932–1996

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