RESTAURANTPORTRAIT FABRICE SALVADOR UND DIE VERANTWORTUNGSVOLLE KÜCHE 104 Dieter Ebeling Gilles van den Abeele / Ramunas Astrauskas T E X T FOTOS Plötzlich ist alles anders. Wie so viele Gastronomen leidet auch Fabrice Salvador (43) unter der Corona- Pandemie, die nicht nur massiven wirtschaftlichen Schaden angerichtet hat, sondern auch die Frage aufgeworfen hat, wie die Branche in Zukunft aussehen wird. „Niemand weiß das wirklich“, sagt Fabrice Salvador. „Aber man muss seine Energie für etwas Gutes einsetzen und optimistisch sein. Ich kann mich mit den Kunden nicht dauernd über Covid-19 unterhalten.“ Im Herzen der Hauptstadt herrscht der Südfranzose seit November 2013 im exquisiten Hotel „Le Place d’Armes“ über drei Restaurants, die inzwischen zum festen kulinarischen Inventar des Platzes gehören. Da ist das „Café de Paris“ mit einer bestens sortierten Bar, Flammkuchen und rustikalen Schinken- und Käseplatten. Dann „Le Plëss“, die 2017 renovierte Rôtisserie mit einem Angebot von Côte de bœuf über Garnelen bis zum knusprigen Hähnchen mit Morchelsauce. Mit dem Begriff Bistronomie konnte Fabrice Salvador noch nie etwas anfangen: „Das ist, als ob man ein Steak bleu, aber ein bisschen durchgebraten haben möchte.“ Und natürlich gibt es da auch „La Cristallerie“, das kulinarische Aushängeschild des Hotels mit etwa zwanzig Plätzen. 2015 rückte es unter der Leitung von Fabrice Salvador in den Kreis der vom Guide Michelin besternten Restaurants auf, im Gault&Millau rangiert es bei 16,5 von 20 Punkten. Fabrice Salvador hatte schon zuvor im eigenen „Influence des Saveurs“ in Esch-sur-Alzette einen Stern erkocht. In der Cristallerie ist der Rahmen edel, die Küche erlesen. „Nicht wenige Hotelgäste besuchen alle drei Lokale“, sagt Fabrice Salvador. „Denn jedes hat seine eigene Atmosphäre, jedes hat seinen eigenen Preis. Eins ergänzt das andere.“ Könnte es sein, dass in den Zeiten nach Corona die Gewohnheiten der Gäste andere sind als zuvor? Dass Menschen sich beispielsweise nicht mehr gerne längere Zeit in einem Raum mit vielen anderen Menschen aufhalten? Das sei einer der Trends, die allerdings unabhängig von Corona seien, meint Fabrice Salvador. „Die langen Menüs werden weniger interessant.“ Am gefragtesten sei in der Cristallerie die Kombination von Vorspeise, Hauptgericht und Dessert: „Jeder entscheidet sich für das, was er möchte. Die Leute wollen sich eine Freude machen und etwas erleben. Aber es soll möglichst nicht länger als zwei Stunden dauern.“ Der Chef, dessen Liebe zu Asien gelegentlich auch im Menü anklingt, kauft am liebsten lokal und regional ein „Jeder entscheidet sich für das, was er möchte. Die Leute wollen sich eine Freude machen und etwas erleben. “ – abgesehen von jenen Waren, die es hierzulande einfach nicht gibt. Er ist überzeugt, dass es auch in Zukunft in Spitzenrestaurants Kaviar, Trüffel oder Hummer geben wird. „Aber die Prioritäten könnten sich in eine gute Richtung entwickeln“, sagt er. Schrittweise, behutsam und auf lange Sicht versuche er, auch etwas einfachere Produkte zu finden: „Natürlich sehen wir, wohin man sich bewegt.“ Beispielsweise arbeitet er jetzt mit einem Tiefseefisch namens Beryx: Der sei zwar „ein bisschen kompliziert zu bearbeiten“, schmecke aber vorzüglich. Er werde auch nicht oft gefangen, man müsse also auch mit diesem Meerestier sehr sorgfältig umgehen. „Ich bin sicher, dass man sich in gastronomischen Restaurants stärker an der Verfügbarkeit der Produkte orientieren wird.“ „Die Krise hat uns eher bestätigt“, sagt Fabrice Salvador. Bestätigt auf einem bereits vor der Corona-Pandemie eingeschlagenen Weg hin zu einer anspruchsvollen und verantwortungsvollen Küche. „Das ist nichts, was man in ein paar Monaten macht.“ Er lege Wert darauf, kompromisslos beim Einkauf zu sein: „Wir müssen darauf achten, bei den richtigen Produzenten zu kaufen: Ohne gute Produkte gibt es keine gute Küche.“ Er wolle nicht unbedingt im Januar Tomaten auf dem Tisch haben und auch Erdbeeren aus Argentinien brauche er nicht – wenn es doch zur rechten Zeit auch Erdbeeren aus der Provence gebe. Der Respekt der Jahreszeiten bedeute „ein bisschen mehr Verbindung zur Natur“. „Ich glaube, die Dinge bewegen sich langsam voran“, sagt Fabrice Salvador. Er könne sich durchaus einen Salat mit grünen Bohnen in der Spitzenküche vorstellen, „all diese Dinge, die heute als normal erscheinen“. Kaviar, Trüffel oder Hummer seien nicht unbedingt nötig. „Sehr einfache Produkte als Basis für gastronomische Gerichte – das ist absolut möglich“, sagt er. „Es liegt an uns, zu überlegen, was man machen kann. Unsere Organisation wird täglich in Frage gestellt.“ Dabei habe er vor allem ein Ziel: „Die Leute sollen sehen, dass die Qualität nicht nur die gleiche, sondern sogar noch eine etwas bessere ist.“ LA CRISTALLERIE 18 Place d’Armes — L-1136 Luxembourg Tel. +352 / 27 47 37 42 1 la-cristallerie.com <strong>KACHEN</strong> No.24 | HERBST 20
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