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»Siehst du das, Thiago?«
Rosa pinnt das Ultraschallbild ihres ungeborenen
Sohnes an den Kühlschrank. »Nur noch vier
Monate. Ich kann es gar nicht erwarten.
« Thiago geht zu seiner Frau und umfasst sie,
wobei er aufpasst,sie nicht zu eng an sich zu ziehen
und ihre süße Kugel zuschützen. »Ich kann nicht
glauben, wie viel man schon erkennt auf dem Bild.
Er sieht aus wie die perfekte Mischung aus uns beiden.«
Rosa lächelt und beugt sich zu ihm hoch, um
ihn zu küssen, dochda ertönt die Stimme von Dallas.
»Fuego, du Sack, unser Flug geht gleich. Bist du
so weit?« Rosaatmet tief aus. »Der andere Thiago arbeitet
schon lange nicht mehrfür die Familia. Wieso
nennen sie dich immer noch Fuego?« Thiago lacht
und greift nach seiner Tasche. »Weil sich alle darangewöhnt
haben und das ist ja auch mein Name,
Rosa Fuego.« Sielächelt, als er sich zu ihr hinabbeugt
und einen Kuss auf ihre runde Kugel gibt. »Kann ich
nicht hierbleiben? Ich mag das Haus am Meer ja,
doch ich kann dort so schlecht schlafen.«
Thiago steckt sich seine Waffe ein. »Es ist momentan
sehr unruhig, und wenn wir Honduras
verlassen, seid ihr dort am sichersten.
Wir beeilen uns und dann gehen wir die Babysachen
besorgen, wie versprochen.« Er gibt Rosa
einen Kuss auf den Mund und geht aus
dem Haus, wo Dallas auf ihn wartet.
»Thiago.« Er wendet sich noch einmal um und
sieht direkt in Rosas schöne Augen. »Ich liebe
dich!« Sein Herz füllt sich mit Stolz, als er auf seine
schwangere Frau blickt, mit seinem Sohn unter ihrem
Herzen. Er will ihr sagen, dass er sie auch liebt,
da schlagen große Flammen aus dem Boden und
hüllen sie darin ein.
Er schreit auf, will zu ihr, doch er schafft es
nicht. »Rosa!« »Rosa!«
Völlig verschwitzt steht Thiago auf und schiebt
das weiße Laken von sich. Noch immer quält ihn
dieser Traum fast jede Nacht.
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Wütend geht er ins Bad. Diese Wut und diese
Enttäuschung wird niemals aus seinem Herzen
erlöschen. Jedes Mal, wenn er nach solch einem
Traum wach wird, kann er seine Trauer wieder in
jeder Faser seines Körpers spüren. Er hat Rosa
wieder in seinen Armen spüren können. Für wenige
Sekunden, doch das allein war es wert, danach
erneut durch diese Hölle der Erkenntnis zu gehen,
dass er das nur noch in seinen Träumen erleben
kann.
»Thiago, Malik ist zurück.« Thiago wäscht sich
das Gesicht. Er wird später duschen, erst einmal
muss er nachsehen, ob alles so geklappt hat, wie
er es geplant hat. Es ist das erste Mal, dass er einen
seiner Brüder alleine losgeschickt hat, Malik war
so weit.
Deswegen durchquert er ungeduldig nur in Boxershorts
den kleinen Wohnbereich seines Bruders
und schlägt den schweren weißen Stoff zurück, der
vor dem Eingang hängt, um Mücken und die Sonne
aus dem kleinen Steinhaus herauszuhalten, in
dem Thiago nun seit knapp zwei Jahren bei seinem
Bruder Elam lebt.
Sobald er auf den Hof tritt, werden die Hühner
aufgescheucht.
Malik steht grinsend da und hat eine Reisetasche
auf den Tisch gepackt. »Ich habe alles bekommen.
Nun haben wir alles verkauft.
Ich soll dich von Hektor grü.en und sobald du
neue Ware hast, kannst du dich melden.« Thiago
macht die Tasche auf, sie ist gefüllt mit Bargeld.
»Sehr gut.« Er legt sie zu den anderen zehn auf
die Ladefläche ihres Transporters und schließt
diese. Sie werden alles auf ihre Konten einzahlen.
»Das war die letzte Lieferung, die nächste werden
wir aus Honduras machen.« Malik und Elam
sehen ihn an. Einen Moment sagt keiner etwas. Es
ist so weit. Darauf hat er das gesamte letzte Jahr
hingearbeitet.
Am Anfang, als er hier ankam, war er nicht einmal
mehr in der Lage aufzustehen. Alles, sein gesamtes
Leben ist in Flammen aufgegangen.
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Er konnte nichts tun, nichts verhindern, und es
hat Wochen gedauert, bis Elam ihn so weit aufgebaut
hatte, dass er wieder vor die Tür gegangen ist.
Elam hat in Guetamala auf dem Bau gearbeitet.
Als Thiago damals zurück nach Honduras kam und
in die Familia von Raphael eingestiegen ist, haben
seine Brüder und seine Familie das nicht verstanden
oder akzeptiert. Sie haben den Kontakt zu ihm
abgebrochen, nur mit Elam hat er hin und wieder
gesprochen. Sein Vater wollte, dass seine Söhne ihr
Geld mit richtiger Arbeit verdienen,
er hat nicht einmal gewusst, was Thiago genau
macht, doch er hat es nicht akzeptiert. Er wollte
nichts davon wissen, wie das Leben in einer Familia
wirklich aussieht und hat auch seinen Brüdern
jeden Kontakt verboten.
Thiago hat Elam jeden Monat Geld geschickt,
erst als er vor zwei Jahren herkam, hat er erfahren,
dass Elam das auf einem Konto gesammelt hat. Sie
wollten nichts davon ausgeben. Auch da ist eine
beachtliche Summe zusammengekommen.
Als alles in Honduras, was er geliebt hat, in
Flammen aufging und er sich vor Schmerzen
kaum noch auf den Beinen halten konnte, kam Thiago
zu Elam. Auch sein Vater kam dann hin und
wieder und somit auch Malik, der noch bei seinem
Vater gelebt hat. Nach und nach haben sie wieder
zusammengefunden. Es gab ein sehr
starkes Band zwischen ihnen, die Jahre in Honduras,
die er
getrennt von ihnen gelebt hat, haben es nicht
zerreißen können.
Thiagos Mutter ist schon früh gestorben und
leider hat auch sein
Vater vor einigen Monaten im Schlaf einen
Herzinfarkt gehabt und
ist nicht mehr aufgewacht.
Heute ist Thiago froh und dankbar, dass sie am
Ende ein gutes
Verhältnis hatten.
Als er langsam wieder angefangen hat, klar denken
zu können und versucht hat, nach vorne zu
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schauen, wollte er alles hinter sich lassen und neu
beginnen. Er hat auch angefangen zu arbeiten, versucht,
ein normales Leben zu führen, doch schon
nach wenigen Monaten hat er gespürt, dass er das
nicht ist. Dass das nicht sein Leben ist. Er hat sich
an ein Leben in einer Familia gewöhnt.
Damals, als er angefangen hat, für Raphael zu
arbeiten, hat dieser immer gesagt, dass er es noch
nie erlebt hat, dass jemand so schnell, so gut in diesen
Sachen war. Er hat behauptet, Thiago sei dazu
geboren, eine Familia zu leiten und es ist ihm auch
sehr leicht gefallen, alles zu erlernen, was er wissen
musste. Das war nie Arbeit für ihn. Er hat all
das geliebt, den Zusammenhalt, die Geschäfte, das
Leben, die Partys … alles, und es hat ihm immer
gefehlt. Das Geld aus Honduras hat er noch immer
auf seinem Konto gehabt und nie angerührt. Mit
all dem anderen Geld, was Elam gespart hat und
was Thiago noch vom letzten Verkauf ihrer Waren
in Honduras bekommen hat, ist eine beachtliche
Summe zusammengekommen.
Je mehr er aber aus der Trauer herauskam, umso
mehr hat er Elam und Malik, seinen beiden jüngeren
Brüdern, von seinem alten Leben erzählt. Sie hatten
ganz falsche Vorstellungen, was er in Honduras
gemacht hat und auch sie beide haben ihre Heimat
immer vermisst. Er hat kaum mehr schlafen können,
bis er sich die Hälfte des Geldes genommen und einen
alten Geschäftspartner getroffen hat, von dem er
noch die Nummer hatte. Er hat Malik und Elam mitgenommen
und ihnen von Anfang an alles gezeigt.
Er hat den alten Lieferanten von Raphaels Familia
Waffen abgekauft und an die Familias hier
in Guatemala verkauft. Die Kontakte hatte er noch
und sie alle waren froh, ihn wiederzusehen und
wieder an gute Waffen heranzukommen. Seit ihre
Familia weg ist, gibt es einige Länder, die nur darauf
warten. Die Da Silvas beherrschen den größten
Teil Lateinamerikas, doch sie schaffen es nicht,
sich um alle Länder zu kümmern, und die Länder,
die früher unter Raphaels Macht standen, warten
nur darauf, dass es weitergeht.
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Bei jedem weiteren Treffen wurde Thiago immer
wieder gefragt, was nun sei, ob er wieder da ist
und weitermacht, und dann vor knapp zwei Monaten
hat Malik die Tasche mit dem Geld entgegengenommen.
Er hat gesagt, dass Thiago zurück ist, mit einer
neuen Familia, mit ihrer Familia und dass sie sich
melden, sobald sie zurück in ihrer Heimat sind.
Somit war es beschlossen.
Sie haben das Geld fast vervierfacht und er hat
seinen Brüdern alles beigebracht, was er gelernt
hat. Dallas, mit dem er bis heute ständig im Kontakt
stand, kam sie besuchen und war sofort dabei,
genau wie die anderen Männer, die all das damals
überlebt haben.
Er hat in Honduras den Auftrag zum Bau neuer
Häuser gegeben. Sie haben alles vorbereitet, um
ganz neu anzufangen.
Morgen geht ihr Flug zurück in ihre Heimat –
nach Honduras.
Als er seinen Brüdern nun in die Augen sieht,
weiß er, dass das, was auf sie zukommen, nicht
leicht wird. Es wird mit Sicherheit die schwerste
Aufgabe, vor der er je gestanden hat, doch sie werden
etwas ganz Neues beginnen.
Eine neue Familia gründen und etwas erschaffen,
was es noch nie zuvor gegeben hat.
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