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Stahlmarkt 07-08/2020

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Seitenblick<br />

Menschen & Events<br />

Experten erwarten<br />

Insolvenzwelle<br />

Hinzu kommt: Zwischen dem Antrag<br />

und der Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens<br />

vergehen mitunter<br />

Wochen. Erst nach der Entscheidung<br />

des Gerichts über Eröffnung oder Abweisung<br />

eines Verfahrens gehen die<br />

entsprechenden Fälle in die Statistik<br />

ein. Diese Bearbeitungszeit hatte sich<br />

durch den teilweise eingeschränkten<br />

Betrieb der zuständigen Insolvenzgerichte<br />

zuletzt verlängert. Somit ist es<br />

keine Überraschung, dass sich die<br />

durch die Corona-Pandemie ausgelöste<br />

wirtschaftliche Krise bisher nicht<br />

in einem Anstieg der eröffneten Insolvenzverfahren<br />

niedergeschlagen<br />

hat.<br />

Wenn in diesen Wochen die Wirtschaft<br />

wieder hochfährt, kommt es<br />

zur Bewährungsprobe, insbesondere<br />

für Hilfeempfänger: Es muss sich zeigen,<br />

ob ihr Geschäftsmodell in der<br />

neuen Normalität tragfähig ist oder<br />

ob sie in der Lage sind, es an die nunmehr<br />

geltenden Gegebenheiten anzupassen.<br />

Manches Unternehmen,<br />

das sich zuletzt durch Liquiditätshilfen<br />

Luft verschafft hat, steckte bereits<br />

vor der Pandemie in Schwierigkeiten<br />

und wird nun, wenn es schlecht läuft,<br />

möglicherweise zeitverzögert die<br />

Tore schließen müssen. »Wir gehen<br />

davon aus, dass im Herbst eine Insolvenzwelle<br />

anrollen wird«, meint Volker<br />

Ulbricht, Hauptgeschäftsführer<br />

»Wenn in diesen Wochen<br />

die Wirtschaft wieder hochfährt,<br />

kommt es zur Bewährungsprobe,<br />

insbesondere<br />

für Hilfeempfänger: Es muss<br />

sich zeigen, ob ihr Geschäftsmodell<br />

in der neuen<br />

Normalität tragfähig<br />

ist.«<br />

des Verbandes der Vereine Creditreform.<br />

Das ist eine bedrohliche Aussicht<br />

auch für kerngesunde Unternehmen.<br />

Denn sie müssen fürchten, mit<br />

in den Abwärtssog zu geraten – indem<br />

sie mit Partnern Geschäfte machen,<br />

für die sie am Ende kein Geld<br />

erhalten. Welche Löcher das reißen<br />

kann, zeigt ein einfaches Beispiel: Ein<br />

Betrieb mit einer Umsatzrendite von<br />

vier Prozent, der eine Forderung in<br />

Höhe von 10 000 Euro abschreiben<br />

muss, benötigt einen Mehrumsatz von<br />

250 000 Euro, um diese Lücke zu füllen.<br />

Nur noch gegen Vorkasse zu liefern,<br />

um kein Risiko einzugehen, ist<br />

auch keine Lösung. »Das verlangsamt<br />

die Prozesse, bremst Lieferketten aus<br />

– und findet beim Kunden keine Akzeptanz«,<br />

betont Volker Ulbricht.<br />

Corona beschleunigt<br />

Veränderungsprozesse<br />

Der Königsweg lautet: für maximale<br />

Transparenz sorgen. Denn wer viel<br />

über seine Geschäftspartner weiß,<br />

kann das Ausfallrisiko vergleichsweise<br />

gut abschätzen und seine Prozesse<br />

entsprechend gestalten. Dienstleister<br />

wie Creditreform verzeichnen seit<br />

März eine verstärkte Nachfrage nach<br />

Auskunftsprodukten. Die Unternehmen<br />

erkennen, dass sie Prävention<br />

betreiben müssen - nicht nur mit Blick<br />

auf ihre Kunden, sondern auch hinsichtlich<br />

ihrer Lieferanten, denn deren<br />

Ausfall kann schnell einen Stopp<br />

der eigenen Produktion auslösen.<br />

Besonders gefragt sind Monitoring-Produkte,<br />

also Lösungen, die<br />

Unternehmen zeitnah über Veränderungen<br />

bei Kunden oder Lieferanten<br />

informieren, die sich unmittelbar auf<br />

die Zahlungsfähigkeit auswirken.<br />

Thomas Schulz, verantwortlich für<br />

Vertrieb und Wirtschaftsinformation<br />

bei Creditreform Dresden, rät Unternehmen,<br />

ihre Abläufe im Forderungsmanagement<br />

und in der Risikobewertung<br />

neu zu denken. Es<br />

sei gefährlich, wenn Betriebe aufgrund<br />

langjähriger Geschäftsbeziehungen<br />

darauf vertrauten, ihre Kunden<br />

gut zu kennen und keine weiteren<br />

Vorsichtsmaßnahmen ergriffen.<br />

»Die Corona-Krise beschleunigt viele<br />

Veränderungsprozesse. Was früher<br />

Jahre gedauert hätte, passiert nun<br />

innerhalb von Monaten. Deshalb ist<br />

es so wichtig, zusätzliche Informationen<br />

einzuholen und Abläufe anzupassen«,<br />

so Schulz. Er hat eine einfache<br />

Erklärung, warum dies vielen Unternehmen<br />

schwerfällt: »Nach neun<br />

Boom-Jahren ist der Blick für Risiken<br />

nicht mehr so scharf. Und viele junge<br />

Betriebe erleben gerade ihre erste<br />

Krise überhaupt. Sie verfügen über<br />

keine Erfahrungen auf diesem Feld.«<br />

Aktive Finanzkommunikation<br />

ist wichtig<br />

Viel Zeit zum Lernen gibt es nicht.<br />

Zunächst geht es vor allem darum,<br />

durch ein konsequentes Forderungsmanagement<br />

die Liquidität zu sichern.<br />

»Forderungen bezahlt zu bekommen,<br />

um eigene Verbindlichkeiten<br />

bedienen zu können, wird in den<br />

nächsten Wochen ein Wettlauf, den<br />

derjenige gewinnt, der als erstes startet«,<br />

meint Schulz.<br />

Um ihre finanzielle Stabilität zu<br />

wahren, sollten Unternehmen ihren<br />

Blick jedoch nicht auf Kunden und<br />

Lieferanten verengen. Wichtig ist<br />

auch eine aktive eigene Finanzkommunikation.<br />

Gerade jetzt sollte jeder<br />

Betrieb darauf achten, welche Informationen<br />

über ihn bei Auskunfteien<br />

gespeichert sind und prüfen, ob es<br />

Optimierungsmöglichkeiten gibt,<br />

etwa durch eine Zertifizierung der<br />

Bonität. Denn diese Angaben werden<br />

ihrerseits verstärkt von Geschäftspartnern,<br />

Banken und Kreditversicherern<br />

abgefragt.<br />

»Der Königsweg lautet:<br />

für maximale Transparenz<br />

sorgen. Denn wer viel<br />

über seine Geschäftspartner<br />

weiß, kann das Ausfallrisiko<br />

vergleichsweise<br />

gut abschätzen.«<br />

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<strong>07</strong>-<strong>08</strong> | <strong>2020</strong> 53

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