Stahlmarkt 07-08/2020
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Branche im Fokus<br />
Industrie & Technologie<br />
im Vorjahr verbuchten. Bei diesen zumeist<br />
schlüsselfertigen EPC-Projekten<br />
(Engineering, Procurement, Construction;<br />
Anm. d. Red.) spielen neben der<br />
Planung immer häufiger auch Bau,<br />
Betrieb und Wartung der Anlagen<br />
eine entscheidende Rolle.<br />
Die inländischen Bestellungen sind<br />
im vergangenen Jahr um zwei Prozent<br />
auf 3,6 Milliarden Euro gestiegen. Als<br />
besonders positiv stellt die AGAB die<br />
Entwicklung im Markt für Kraftwerke<br />
heraus, wo die Auftragseingänge erstmals<br />
seit 2014 wieder über der Milliarden-Euro-Marke<br />
notierten. Allerdings<br />
haben dort Großaufträge keine<br />
wesentliche Rolle gespielt, so der Verband.<br />
Vielmehr habe es sich in diesem<br />
Rahmen um Modernisierungsprojekte<br />
sowie Services gehandelt. »Dass sich<br />
dieser Aufschwung in den nächsten<br />
Jahren fortsetzen könnte, ist angesichts<br />
des absehbaren Endes der Kernenergie<br />
und der Kohleverstromung in<br />
Deutschland unwahrscheinlich«, prognostiziert<br />
Nowicki. Hingegen kamen<br />
über vier Fünftel der Bestellungen im<br />
vergangenen Jahr aus dem Ausland,<br />
das für das Geschäft im Großanlagenbau<br />
weiterhin eine große Bedeutung<br />
hat. 2019 lag die Exportquote wie im<br />
Vorjahr bei 81 Prozent, und das Auftragsniveau<br />
erreichte einen Wert von<br />
14,7 Milliarden Euro. Die USA sind der<br />
AGAB zufolge aufgrund mehrerer<br />
Großaufträge für metallurgische Anlagen<br />
der wichtigste Auslandsmarkt<br />
für die Branche: 1,5 Milliarden Euro<br />
spielten die Bestellungen aus dem<br />
Land ein.<br />
Starke Konkurrenz aus China<br />
Für die AGAB gilt der chinesische Anlagenbau<br />
branchenübergreifend als<br />
wichtigster Wettbewerber. 70 Prozent<br />
der VDMA-Großanlagenbauer<br />
zählen die Unternehmen der Volksrepublik<br />
zu ihren Hauptkonkurrenten.<br />
China unterliegt nicht den Beschlüssen<br />
der Organisation für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(OECD), zu dessen Mitgliedstaaten<br />
die entwickelten Industrieländer<br />
zählen – darunter auch Deutschland.<br />
Sie haben sich darauf geeinigt, bestimmte<br />
Mindeststandards bei öffentlich<br />
unterstützten Exportkrediten<br />
einzuhalten. Durch das Übereinkommen<br />
soll ein internationaler Subventionswettlauf<br />
zwischen den Ländern<br />
vermieden werden, bei dem sie der<br />
jeweiligen Exportwirtschaft Wettbewerbsvorteile<br />
durch die Gewährung<br />
von Exportkrediten verschaffen, die<br />
aus öffentlichen Mitteln subventioniert<br />
werden. China hingegen ist es<br />
laut AGAB dank seiner »weltweit<br />
Jürgen Nowicki, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft<br />
Großanlagenbau (AGAB)<br />
im Verband Deutscher Maschinen- und<br />
Anlagenbau (VDMA)<br />
größten staatlichen Exportförderung«<br />
gelungen, gezielt den<br />
OECD-Konsens zu unterbieten. Nun<br />
nehme das Land zunehmend Auslandsprojekte<br />
in den entwickelten<br />
Industrieländern ins Augenmerk – aus<br />
der Sicht des Fachverbandes ein unfairer<br />
Wettbewerbsvorteil.<br />
So hat sich die Wahrnehmung des<br />
gleichzeitig wichtigen Handelspartners<br />
im Maschinenbau gewandelt. Die<br />
bisher geduldeten Subventionsverzerrungen<br />
und der ungleiche Marktzugang<br />
seien nicht länger hinnehmbar,<br />
betont die AGAB. »China ist in vielen<br />
Bereichen schon lange kein Entwicklungsland<br />
mehr. Deshalb müssen für<br />
China die gleichen internationalen<br />
Handelsregeln wie für Deutschland<br />
oder die EU gelten«, fordert Ulrich<br />
Foto: Linde Engineering<br />
Ackermann, Leiter VDMA Außenwirtschaft.<br />
Vor diesem Hintergrund appelliert<br />
der Dachverband VDMA in einem<br />
Positionspapier an die deutschen und<br />
europäischen Institutionen, ihre handelspolitischen<br />
Instrumente zu überprüfen<br />
und den neuen Gegebenheiten<br />
anzupassen.<br />
Nachhaltige Produktion birgt<br />
Chancen<br />
Um in diesem herausfordernden<br />
Marktumfeld weiter bestehen zu<br />
können, setzt der Großanlagenbau<br />
auf ein breites Bündel technischer<br />
und planerischer Maßnahmen. Konkret,<br />
so die AGAB, arbeiten die Unternehmen<br />
daran, ihre Kompetenzen<br />
im Risiko- und Supply-Chain-Management<br />
sowie in der Finanzierung von<br />
Projekten zu stärken. Die Erschließung<br />
neuer Geschäftsfelder und<br />
Märkte werde ebenfalls mit Nachdruck<br />
forciert, betont der Fachverband.<br />
So setzt der Großanlagenbau<br />
verstärkt auf Technologien zur Einsparung<br />
von Energie und Treibhausgasen.<br />
»Die Branche ist mit ihrer umwelttechnischen<br />
Kompetenz ein<br />
Wegbereiter der Energiewende und<br />
ein zentraler Partner der Industrie bei<br />
der Erreichung globaler Klimaziele«,<br />
so Nowicki. Unter anderem entwickeln<br />
die Mitglieder des Fachverbandes<br />
Anlagen für eine CO 2<br />
-freie Energieerzeugung,<br />
Verfahren zum Recycling<br />
von Metallen oder Systeme zur<br />
Vermeidung von Emissionen.<br />
Darüber hinaus liefert die Branche<br />
Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff,<br />
die in der Energiewirtschaft der<br />
Zukunft als Stromspeicher und Energieträger<br />
eine zentrale Rolle spielen<br />
könnten. »Als Voraussetzung für die<br />
Etablierung eines solchen nachhaltigen<br />
Systems muss die Politik jedoch<br />
rasch verlässliche Rahmenbedingungen<br />
schaffen«, mahnt Nowicki zügiges<br />
Handeln an. Denn ohne die Nutzung<br />
erneuerbarer Energien kann der<br />
AGAB zufolge kein Sektor entscheidende<br />
Beiträge zum Klimaschutz erbringen.<br />
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