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Lebenszeichen | 91 | Sommer 2011

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Zeitschrift für die Lebensbewegung<br />

Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)<br />

Nr. <strong>91</strong> · <strong>Sommer</strong> <strong>2011</strong><br />

Jedes Leben lohnt!<br />

Viele Frauen genießen die Schwangerschaft. Doch was tun, wenn die eigene Gesundheit gefährdet wird<br />

und Ärzte zur Abtreibung raten? Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht.<br />

Jeanne-Blandine wurde ganz natürlich geboren, wie ein<br />

normales Kind. Dabei war es höchst unwahrscheinlich, dass<br />

sie überhaupt das Licht der Welt erblicken würde. Zwei Monate<br />

lang entwickelte sie sich völlig normal. Dann verlor ich plötzlich<br />

zum ersten Mal Fruchtwasser. Ich glaubte, es komme zu<br />

einer Fehlgeburt. Der eilig gemachte Ultraschall zeigte jedoch<br />

Fortsetzung auf Seite 3


Editorial<br />

Liebe ALfA-Mitglieder,<br />

liebe Freunde des Lebensrechts!<br />

Mit dem, was Kardinal Walter Kasper den obersten<br />

Richtern in Deutschland kürzlich zu bedenken gab, dürfte<br />

er auch vielen Lebensrechtlern aus der Seele gesprochen<br />

haben. Der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates<br />

zur Förderung der Einheit der Christen wähnt Europa<br />

vor der Entscheidung, sich entweder »auf Grundlage<br />

seiner Tradition zusammenzuschließen« oder »sich selbst<br />

aufzulösen und sich zu zerstören«. Zur Disposition stehe,<br />

so Kasper beim diesjährigen Jahresempfang der Kirchen<br />

für die Bundesgerichte in Karlsruhe, nicht weniger als die<br />

»große europäische Idee von der unbedingten Würde des<br />

Menschen«. Immer mehr werde der Mensch, so Kaspar<br />

weiter, zur »Ware«, zur »Nummer« und zum »Objekt der<br />

Manipulation«. Als Beispiele führte er die Abtreibung,<br />

die Sterbehilfe sowie den Umgang mit Embryonen und<br />

Komapatienten an. Europa müsse »seine Seele wiederentdecken«<br />

und zu seiner Geschichte, Kultur und der darin<br />

begründeten Lebensart stehen, forderte Kasper. Daran<br />

entscheide sich, »ob Europa und unsere europäische Kultur<br />

Zukunft hat oder ob Europa in Eurasien oder Eurabien<br />

aufgeht«.<br />

Was Kasper auf ganz Europa bezog, gilt sicher auch für<br />

Deutschland. In einem Land, in dem die vorgeburtliche<br />

Tötung unschuldiger und wehrloser Kinder (Abtreibung)<br />

als »Frauenrecht« betrachtet wird, in dem Menschen mit<br />

genetisch bedingten Beeinträchtigungen im Frühstadium<br />

ihrer Entwicklung identifiziert und selektiert werden können<br />

sollen (Präimplantationsdiagnostik), in dem sich selbst<br />

Ärzte vor laufenden Fernsehkameras rühmen können,<br />

»150 bis 200« Patienten bei einem Suizid unter die Arme<br />

gegriffen zu haben, sind die Auflösungserscheinungen<br />

einer zivilisierten Gesellschaft unübersehbar geworden,<br />

zeichnet sich ein Rückfall<br />

in die Barbarei ab.<br />

In einer solchen Lage<br />

gibt es genau drei Möglichkeiten.<br />

Man kann, wie der<br />

Strauß in der Fabel, den<br />

Kopf in Sand stecken, um<br />

die Wirklichkeit nicht sehen<br />

zu müssen. Man kann die<br />

gegenwärtige Lage treffend<br />

analysieren, wortreich beklagen<br />

und zum Ergebnis<br />

kommen, so, wie die Dinge<br />

jetzt stünden, sei ohnehin<br />

alles zu spät. Man kann aber<br />

auch die Ärmel aufkrempeln<br />

und den Kampf gegen<br />

Dr. Claudia Kaminski<br />

einen Rückfall in die Barbarei aufnehmen. Furchtlos und<br />

fest entschlossen, Gleichgültigkeit mit Anteilnahme, Verzweiflung<br />

mit Hoffnung und Hass mit Liebe zu begegnen.<br />

Letzteres tut die ALfA in ihrer täglichen Aufklärungsund<br />

sozialen Arbeit. Und dabei stellen wir immer wieder<br />

fest, dass es auch ermutigende Zeichen gibt. Über einige<br />

berichten wir auch in diesem »<strong>Lebenszeichen</strong>«. Halten wir<br />

hier fest: So vergeblich, wie der Kampf um eine gerechte<br />

Gesetzgebung in Fragen des Lebensschutzes bisweilen<br />

scheinen mag, so hoffungsvoll gestaltet sich der Kampf um<br />

die Herzen, gerade bei jungen Menschen. Wo wir früher<br />

auf ideologische Mauern stießen, treffen wir längst auf<br />

echtes Interesse, Offenheit und Durst nach Wahrheit. Ein<br />

Boden, auf dem Großes gedeihen kann. Mit Ihrer Spende<br />

helfen Sie uns, ihn zu hegen und zu pflegen. Dafür schon<br />

jetzt ein herzliches Vergelt’s Gott.<br />

Ihre<br />

Claudia Kaminski<br />

Impressum<br />

Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e. V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

Telefon 0821 / 51 20 31<br />

Telefax 0821 / 15 64 07<br />

Internet www.alfa-ev.de<br />

E-Mail lebenszeichen@alfa-ev.de<br />

Redaktion<br />

Monika = und Reinhold Eichinger<br />

Alexandra Linder, M.A.<br />

Dr. Claudia Kaminski (V.i.S.d.P.)<br />

Satz & Layout<br />

Rehder Medienagentur<br />

Aachen<br />

www.rehder-agentur.de<br />

Druck<br />

SDV Saarländische Druckerei und Verlag GmbH<br />

Saarwellingen; www.sdv-saar.de<br />

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier<br />

Erscheinungsweise<br />

vierteljährlich<br />

Der Bezug ist für Mitglieder im Beitrag<br />

enthalten. Spenden sind erwünscht und<br />

steuerlich absetzbar.<br />

Spendenkonten<br />

Postbank Niederlassung München<br />

BLZ 700 100 80<br />

Konto 24 22 44 800<br />

Augusta-Bank eG Raiffeisen-Volksbank Augsburg<br />

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Konto 504 0 990<br />

2 <strong>Lebenszeichen</strong> <strong>91</strong>


Fortsetzung von Seite 1<br />

ein vollkommen ausgebildetes kleines Baby. Ich verlangsame<br />

meine Aktivitäten und erwarte mit Ungeduld die echografischen<br />

Kontrollen. Die Blutungen hören zwar auf, jedoch hat sich ein<br />

enormes Hämatom gebildet. Dennoch wächst das Baby weiter.<br />

»Die Fruchtblase reißt, und unser Baby<br />

liegt erneut im Trockenen.«<br />

Im vierten Monat dann die nächste Katastrophe: die amniotischen<br />

Membranen halten der Reizung nicht mehr stand, die das<br />

Hämatom verursacht.<br />

Die Fruchtblase reißt,<br />

unser Baby liegt erneut<br />

im Trockenen. Die Gynäkologen<br />

sagen seinen<br />

baldigen Tod voraus<br />

und schlagen vor, es<br />

herauszunehmen. Sie<br />

betonen das Lungenrisiko<br />

für das Baby und<br />

die Infektions-Risiken<br />

durch den Bruch der<br />

Fruchtblase und fehlendes<br />

Wasser. Infektionen,<br />

die das Baby<br />

sterben lassen, aber<br />

auch Schäden bei der<br />

Mutter verursachen<br />

Jeanne-Blandine<br />

»Die Gynäkologen haben für unser Baby<br />

keine Hoffnung mehr.«<br />

könnten. Ich bleibe einige Tage im Krankenhaus und kehre<br />

dann nach Hause zurück, um das Leben wieder aufzunehmen<br />

und abzuwarten. Aber warten worauf? Auf ein Wunder?<br />

Auf das sicher scheinende Ende einer nicht enden wollenden<br />

Fehlgeburt? In diesen Wochen des Bangens und Hoffens gab<br />

es für uns nur eine Sicherheit: Wir sind uns einig, dass wir das<br />

Leben unseres Kindes nicht verkürzen dürfen. Wir holen sogar<br />

Auskünfte darüber ein, wie man ein Frühchen beerdigt.<br />

Der folgende Ultraschall ist jedoch erneut ‚gut’: das Fruchtwasser<br />

bildet sich nicht wieder, aber wir sehen ein Kind, das<br />

sich bewegt und wächst. Wir vereinbaren: Ich bleibe so viel<br />

wie möglich liegen und wir lassen eine sehr enge Überwachung<br />

infektiöser Symptome sowie eine noch genauere Überwachung<br />

des Babywachstums einrichten. Die Wochen vergehen, unser<br />

Kind wächst weiter. Im sechsten Monat beweist ein Ultraschall,<br />

was wir befürchten mussten: Die Lungen unseres Babys entwickeln<br />

sich schlecht, worunter sein Herz leidet. Dennoch<br />

wächst es weiter. Zwei Wochen später muss ich wegen einer<br />

erneuten Blutung wieder ins Hospital. Man überweist uns an<br />

die Universitätsklinik. Dort verfeinert eine Magnetresonanz die<br />

Diagnose: das fehlende Fruchtwasser hat zu einer mangelhaften<br />

Ausreifung der Lungenflügel geführt.<br />

Die Gynäkologen haben für unser Baby keine Hoffnung<br />

mehr; die Neugeborenen-Kinderärzte schätzen seine Überlebenschancen<br />

selbst bei einer optimal verlaufenden Geburt auf<br />

etwa 50 Prozent: Wir planen einen Kaiserschnitt mit Begleitung<br />

durch intensiv-kinderärztliche Betreuung. Die Gynäkologen<br />

erwidern, dass ein Kaiserschnitt zu diesem Zeitpunkt ein zu<br />

großes Risiko für mich darstellt, im Verhältnis zu den tatsächlichen<br />

Aussichten unseres Kindes, zu überleben.<br />

Wir beschließen zu warten. Wir hoffen, dass unser Baby<br />

sich noch einen Monat klug verhalten wird. Aber nach einer<br />

Woche beschließt es, geboren zu werden. Alles ereignet sich<br />

sehr schnell. Gynäkologen und Kinderärzte werden von der<br />

Schnelligkeit des Fräuleins überrascht. Sie wird ganz normal<br />

ohne Kaiserschnitt geboren und überrascht alle, weil sie schreit<br />

und zu atmen versucht.<br />

Da nichts vorbereitet werden konnte, leistet die Hebamme die<br />

erste Versorgung. Das Spezialisten-Team trifft Minuten später<br />

ein. Jeanne-Blandine profitiert von der intensiven Pflege mit<br />

hoher Technik. Nach einigen Tagen kann sie bereits erstmals<br />

selbständig atmen. Nach und nach reduziert man die Sauerstoff-<br />

Unterstützung. Nach drei Wochen wird sie auf eine normale<br />

Kinder-Station eines nahe gelegenen Krankenhauses verlegt.<br />

Lebensretter: Moderne Säuglingsstationen<br />

Weitere drei Wochen später sind wir zu Hause mit Jeanne-<br />

Blandine, die ganz alleine atmet und auch sonst gut in Form ist.<br />

Diese Geschichte hätte sich ohne die Unterstützung zahlreicher<br />

Freunde und vieler weiterer Personen so nicht ereignet.<br />

Hilfen aller Art und Sympathie-Bekundungen haben uns erlaubt,<br />

den schweren Schicksalsschlag über die vielen Wochen<br />

auszuhalten, in denen wir täglich den Tod oder eine schwere<br />

Behinderung unseres Kindes fürchteten.<br />

Wir möchten besonders den Familien danken, die vor uns<br />

schwierige Schwangerschaften erlebt haben und die ihr Kind<br />

im Laufe eines zu kurzen Lebens begleitet haben oder die heute<br />

behinderte Kinder begleiten. Sie waren aufrichtende Vorbilder<br />

für uns. Ja, jedes Leben lohnt sich!<br />

Die Autorin ist der Redaktion bekannt.<br />

<strong>Lebenszeichen</strong> <strong>91</strong> 3


Präimplantationsdiagnostik<br />

und Hirntod<br />

Ohne Wahlen stand die diesjährige Bundesdelegiertenversammlung der Aktion Lebensrecht für Alle<br />

(ALfA) in Fulda ganz im Zeichen der Weiterbildung.<br />

Einmal im Jahr kommen die Delegierten der ALfA-Regionalverbände<br />

in Fulda zur Bundesdelegiertenversammlung (BDV)<br />

zusammen. Am 20./21. Mai war es wieder so weit. Da diesmal<br />

keine Wahlen anstanden, konzentrierten sich die Delegierten<br />

ganz auf ihre Weiterbildung. Denn den Auftakt gab niemand<br />

Professor Dr. med. Axel W. Bauer<br />

Geringeres als der Medizinhistoriker Axel W. Bauer. Bauer referierte<br />

über den »Streit um die Präimplantationsdiagnostik (PID)<br />

– Zum Stand der Diskussion in Politik und Ethik«. Ausgehend<br />

von dem 19<strong>91</strong> in Kraft getretenen Embryonenschutzgesetz,<br />

in dessen Konzeption als »Strafnebengesetz« Bauer eine der<br />

maßgeblichen Ursachen für jene »Regelungslücken« sieht, mit<br />

denen sich die Politik nun auseinandersetzen muss, kam der<br />

Heidelberger Professor schnell zu den Fragen, die Lebensrechtlern<br />

besonders am Herzen liegen. Der Gesundheit des<br />

Embryos diene die PID »sicher nicht«, erklärte der Professor.<br />

Zum einem könne der Embryo bei der Entnahme der für<br />

den Gentest benötigten Zellen »selbst irreparabel beschädigt<br />

werden«, zum anderen fehlten ihm »nach der Entnahme die<br />

besagten Zellen«. Dabei sei es »keineswegs sicher«, dass die<br />

Wegnahme dieser Zellen »in allen Fällen problemlos durch<br />

weitere Zellteilungen kompensiert« werden könne.<br />

Ferner gebe es bei jedem biomedizinischen Untersuchungsverfahren<br />

nicht nur richtige, sondern auch »falsch positive«<br />

und »falsch negative« Ergebnisse. Bei einem »falsch positiven«<br />

Resultat werde die zu testende Krankheit diagnostiziert, obwohl<br />

sie gar nicht vorhanden sei. Bei einem »falsch negativen«<br />

Ergebnis werde die »gesuchte Krankheitsanlage« hingegen<br />

übersehen, obwohl sie vorliege. »Falsch positive« Ergebnisse<br />

kämen immer dann zustande, wenn die angewendete Untersuchungsmethode<br />

eine hohe Sensitivität aufweise, also darauf<br />

angelegt sei, möglichst keine Krankheitsanlagen zu übersehen.<br />

»Ein Reproduktionsmediziner, der sich gegen die spätere<br />

Forderung zivilrechtlichen Schadenersatzes nach der Geburt<br />

eines von seinen Eltern so nicht erwünschten Kindes absichern<br />

will, täte also im eigenen Interesse gut daran, Embryonen mit<br />

einem positiven Testergebnis auf keinen Fall zu implantieren.«<br />

Denn der wegen eines »falsch positiven Untersuchungsresultats<br />

verworfene und deshalb nie geborene Mensch« könne sich weder<br />

»beklagen noch klagen«. Anders lägen die Dinge hingegen bei<br />

der Geburt eines Kindes, das aufgrund eines »falsch negativen«<br />

Gentests versehentlich implantiert worden sei. Hier drohten<br />

dem an der Zeugung beteiligten Mediziner ein »erheblicher<br />

finanzieller Schaden sowie eine Minderung seines Ansehens<br />

wegen mangelhafter fachlicher Expertise«.<br />

Dass die PID Spätabtreibungen verhindere, bezeichnete<br />

Bauer als »völlig spekulativ«. Viel wahrscheinlicher sei, dass<br />

durch die PID »die Bandbreite von ›Normalität‹, die in unserer<br />

Gesellschaft toleriert« werde, »deutlich schmaler« werde. Bauer<br />

selbst rechnet damit, dass die geduldeten »Abweichungen von<br />

der vermeintlichen Idealform« durch die PID immer geringer<br />

würden und eine Entwicklung anstießen, die sich in den<br />

weiteren Lebensstadien des Embryos fortsetze. »Denn ein<br />

Embryo, der nach einer PID erfolgreich in der Gebärmutter<br />

implantiert werden konnte, hätte ja nur die erste Hürde künftiger<br />

›Qualitäts-Checks‹ überlebt. Bis zur Geburt blieben dann immer<br />

noch rund 260 Tage, in denen Humangenetiker, Gynäkologen<br />

und werdende Eltern dem Embryo das (Über)-Leben schwer<br />

machen können«, so Bauer.<br />

4 <strong>Lebenszeichen</strong> <strong>91</strong>


Der Journalist und Sachbuchautor Stefan Rehder (»Grauzone<br />

Hirntod«) informierte die Delegierten über den Stand der Debatte<br />

bei der geplanten Novelle des Transplantationsgesetzes.<br />

Dabei beklagte der Bioethik-Experte, dass sich die Diskussion<br />

auf die Suche nach Wegen beschränke, wie sich die Zahl der<br />

Organspender vermehren lasse. Wissenschaftlich begründete<br />

Zweifel an der Behauptung, ein nach den Regeln der Kunst<br />

für hirntot erklärter Patient sei auch tatsächlich tot, würden<br />

hingegen ausgeblendet.<br />

Laut Rehder basiert die These, der Tod des Organs Gehirn<br />

könne mit dem Tod des Menschen gleichgesetzt werden, auf der<br />

Annahme, dass das Hirn der »große Integrator« sei, der die Teile<br />

des menschlichen Organismus zu einem Ganzen zusammenhalte.<br />

Falle es unwiderruflich aus, müsse der Organismus der Theorie<br />

nach in seine Teile zerfallen. Wie Rehder darlegte, zeigten jedoch<br />

neuere wissenschaftliche Ergebnisse, dass das Gehirn bei künstlich<br />

beatmeten und für hirntot erklärten Patienten gar nicht jene Rolle<br />

besitze, die ihm von den Anhängern des Hirntod-Konzeptes<br />

zugewiesen werde. In vielen Fällen werde die Integration, die<br />

bei »gesunden Menschen« tatsächlich das Hirn leiste, bei dessen<br />

Ausfall von Subsystemen des Körpers übernommen. Möglich sei<br />

dies, weil die Steuerung der Atmung, die bei gesunden Menschen<br />

vom Gehirn geleistet wird, bei Hirntoten durch den Respirator<br />

erfolge. Dabei fungiere der Respirator »ähnlich wie ein Herzschrittmacher«<br />

als »Prothese«. Diese erlaube es den Subsystemen<br />

in vielen Fällen, die verbleibende erforderliche Integrationsleistung<br />

gemeinsam zu stemmen. Hirntote müssten daher als »Sterbende«<br />

betrachtet werden, nicht aber als Tote.<br />

Der Journalist Stefan Rehder<br />

Sebastian Sander<br />

v ALfA mischt sich ein<br />

ALfA kommentiert Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages<br />

ALfA-Bundesvorsitzende Kaminski: »Würde des Menschen und Schutz des Lebens sind unteilbar.«<br />

»Der Gesetzgeber ist nicht der Ärzteschaft, sondern dem Grundgesetz<br />

verpflichtet. Und mit dem Grundgesetz ist nur ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik<br />

(PID) vereinbar.« Daran erinnerte die ALfA-Bundesvorsitzende<br />

Claudia Kaminski anlässlich der Beschlüsse des 114. Deutschen<br />

Ärztetages. Kaminski begrüßte, dass der Ärztetag bei der Änderung der<br />

Berufsordnung »unmissverständlich klargestellt hat, dass nicht nur die<br />

‚Tötung auf Verlangen’, sondern auch der ärztlich assistierte Suizid mit<br />

dem Arzt-Ethos unvereinbar sind«. Dass sich eine »erschreckend große<br />

Mehrheit« der Delegierten jedoch für eine begrenzte Zulassung der PID<br />

ausgesprochen habe, bezeichnete sie als »zutiefst bedauerlich« und<br />

»völlig inkonsequent«. »Die Würde des Menschen und der Schutz seines<br />

Lebens sind unteilbar. Auf ihre Achtung hat jeder Mensch gleiches Anrecht,<br />

unabhängig vom Stadium seiner Entwicklung oder dem Ausmaß<br />

körperlicher und geistiger Beeinträchtigungen«, so die Ärztin weiter.<br />

Anders als die Pränatale Diagnostik (PND), die – ungeachtet ihres Missbrauchs<br />

in der medizinischen Praxis – auch wichtige Erkenntnisse für<br />

eine der Gesundheit des Ungeborenen dienende Geburtsvorbereitung<br />

sowie der frühzeitigen Einleitung<br />

von Therapien dienen<br />

könne, sei die PID ein »reines<br />

Selektionswerkzeug«.<br />

Mit ihrem Beschluss zur PID<br />

entferne sich die Ärzteschaft immer<br />

weiter vom ursprünglichen<br />

Auftrag des Arztes, Krankheiten<br />

zu heilen und – wo dies<br />

unmöglich ist – Leid zu lindern<br />

und Trost zu spenden. Denn mit<br />

der PID können und sollen ungeborene<br />

Menschen mit genetisch Dr. Claudia Kaminski<br />

bedingten Beeinträchtigungen<br />

nicht therapiert, sondern bloß aufgespürt und ausselektiert werden. Eine<br />

derartige Auslese ist mit dem Arzt-Ethos jedoch genauso unvereinbar<br />

wie jede Form der Sterbehilfe«, so Kaminski.<br />

<strong>Lebenszeichen</strong> <strong>91</strong> 5


Bildung, Bildung, Bildung<br />

Die Aufklärungsarbeit der ALfA auf der Bildungsmesse didacta, die in diesem Jahr in Stuttgart stattfand,<br />

war ein voller Erfolg.<br />

Die Bildungsmesse didacta ist ein hervorragender Ort, um<br />

unser Anliegen – den Schutz des Lebens – an den Mann und<br />

die Frau zu bringen. Dank der frisch überarbeiteten ALfA-<br />

Unterrichtsmappe und anderer Materialien wie den Babymodellen<br />

und unseren Broschüren sind wir sogar berechtigt, auf<br />

der Messe auszustellen. Dabei kam auch der neue ALfA-Stand<br />

– ergänzt durch eine drei Meter lange Theke – zum Einsatz,<br />

die uns die Möglichkeit bot, gleichzeitig auf drei Seiten mit<br />

Menschen ins Gespräch zu kommen.<br />

voller Freude, manchmal gar mit echter Begeisterung; so gut<br />

wie immer aber mit Staunen über die Geschwindigkeit, mit der<br />

Betroffene bestätigen, dass »pro familia«<br />

eine Einbahnstraße in den Tod sei<br />

sich das Kind entwickelt. Erstaunen lösten bei uns dagegen die<br />

Antworten der Frauen und Mädchen aus, die wir regelmäßig<br />

das Alter des 10-Wochen-Babys (Maßstab 1:1) schätzen ließen,<br />

Zog viele Besucher an: Der ALfA-Stand auf der diesjährigen Bildungsmesse didacta in Stuttgart.<br />

Besonders gefreut haben uns die positiven Rückmeldungen<br />

von Lehrkräften, die wir auf vorangegangen Messen kennen<br />

Besonders gefreut haben uns die positiven<br />

Rückmeldungen von Lehrkräften<br />

gelernt hatten. Sie berichteten, wie gerne sie unser Material<br />

im Unterricht einsetzten. Unverzichtbar seien besonders die<br />

Babymodelle. 3.500 wurden uns diesmal abgenommen, oft<br />

wenn diese den Entwicklungsstand des Kindes auf den 5., 6.<br />

oder gar auf den 7. Monat datierten. Für Staunen sorgte die<br />

Weitergabe der Information, dass der Mensch bereits zwischen<br />

dem 18. und 22. Tag ein voll ausgebildetes Herz besitzt, das<br />

selbst erzeugtes Blut durch die winzigen Gefäße pumpt.<br />

Eine Dame mittleren Alters erzählte, dass sie als Krankenschwester<br />

bei Abtreibungen assistieren musste. Sie wurde<br />

dadurch traumatisiert und gab ihren Beruf auf. Nach einer<br />

persönlichen Bekehrung arbeitet sie heute als Religionsleh-<br />

6 <strong>Lebenszeichen</strong> <strong>91</strong>


erin. Ein junges Mädchen nahm beeindruckt<br />

eines unserer Babymodelle in die Hand. Es war<br />

betroffen, als es hörte, dass in diesem Alter die<br />

meisten Kindstötungen stattfinden. Aber auch die<br />

anderen Materialien zeigten Wirkung. So traten<br />

etwa drei junge angehende Erzieherinnen nach<br />

dem Betrachten des Faltblattes »Leben oder Tod«<br />

an Ort und Stelle der ALfA bei.<br />

Auffällig häufig bestätigten Betroffene, dass<br />

»pro familia« eine Art »Einbahnstraße in den<br />

Tod« sei. Eine junge Frau etwa erzählte, dass sie<br />

im Studium schwanger wurde. Sie wandte sich<br />

an »pro familia«, um zu erfahren, welche Hilfen<br />

sie für sich und ihr Kind in Anspruch nehmen<br />

könne. Stattdessen sei sie dort auf die Möglichkeit<br />

der Abtreibung verwiesen worden, was sie völlig<br />

schockiert habe. Sie zeigte sich sehr beeindruckt<br />

Eine Biologie-Lehrerin schockte<br />

mit längst überholtem Wissen<br />

Viele Menschen mit Schwangerschaftskonflikt<br />

im Umfeld<br />

davon, dass wir uns für die ungeborenen Menschen<br />

einsetzen und auch die Behinderten schützen<br />

wollen, denn inzwischen arbeitet sie selbst mit<br />

behinderten Menschen.<br />

Aber es gab auch Schockierendes. So schockte<br />

uns eine etwa 50 Jahre alte Biologie-Lehrerin<br />

der Sekundarstufe II angesichts der Beugefalten<br />

bei unserem Babymodell (10-Wochen-Kind)<br />

mit der Aussage: »Da sind ja die Kiemenspalten<br />

zu sehen.« Auf unsere Frage, ob sie tatsächlich<br />

im Unterricht den Schülern von Kiemenspalten<br />

beim ungeborenen Kind erzähle, antwortet sie<br />

leicht verwundert: »Ja.« Das sei doch auch in den<br />

Lehrbüchern zu sehen. Nachdem wir erklärten,<br />

warum die Häckel´sche Theorie vom Durchlaufen<br />

tierischer Vorstufen im Mutterleib ein echter<br />

Jahrhundertirrtum gewesen sei, räumte sie ein, dass<br />

ihre Lehrbücher rund 30 Jahre alt seien.<br />

Immer wieder trafen wir auf Menschen, in<br />

deren Umfeld sich gerade jemand im Schwangerschaftskonflikt<br />

befand. Da spürten wir deutlich:<br />

Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und<br />

trotz einer extrem großen Zahl von Kontakten<br />

erlebten wir praktisch kaum ablehnende Reaktionen.<br />

Entmutigten Lebensrechtlern, die sich eine<br />

Erfrischungskur gönnen wollen, raten wir daher<br />

sich als Mitarbeiter für die nächste didacta im<br />

Februar 2012 in Hannover zu melden.<br />

v ALfA aktiv<br />

»Streetlife« in München<br />

Am ersten Wochenende im Juni wartete der ALfA-Regionalverband München bei<br />

bestem Wetter mit einem Infostand beim Streetlife-Festival auf. Das Festival ist<br />

eine Art Straßenfest in der Münchner Ludwigs- und Leopoldstraße. Dabei präsentieren<br />

sich soziale, ökologische und andere Initiativen sowie politische Parteien. Es<br />

gibt künstlerische und sportliche Darbietungen sowie zahlreiche Stände, an denen<br />

für das leibliche Wohl gesorgt wird. Entsprechend bunt ist das Publikum (rund<br />

250.000 Teilnehmer). Unser Stand war mit sieben Helfern gut besetzt und wurde<br />

die ganze Zeit über von Besuchern aller Altersgruppen sehr gut angenommen.<br />

Kleinere Kinder waren wieder ganz scharf auf unsere Embryonenmodelle. Auch<br />

Schülerinnen und Schüler haben sich sehr für unser Infomaterial interessiert, viele<br />

auch für den Kalender »Mensch von Anfang an« der Deutschen Bischofskonferenz.<br />

Ein Religionslehrer, der an diesem Tag sicher eher rein zufällig in München war,<br />

war ganz angetan von unserem vielfältigen Material und fuhr »reichlich bepackt«<br />

wieder nach Hause. Auch der Behindertenbeauftragte der Stadt München (Rollstuhlfahrer<br />

auf Grund der erblich bedingten Glasknochenkrankheit) kam zu unserem<br />

Stand und deckte sich mit Material ein. Gerade am Sonntag konnten wir mit einigen<br />

Standbesuchern sehr lange und sehr persönliche Gespräche führen. So war<br />

unsere Aktion an diesem Wochenende ein voller Erfolg und wir freuen uns schon<br />

sehr auf unseren Stand beim nächsten Streetlife-Festival am 10./11. September!<br />

Antonia Egger, ALfA-Regionalverband München<br />

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Rosa Doose, Hanna Fritz, Simone Stanka und<br />

Eckhard Michaelis<br />

<strong>Lebenszeichen</strong> <strong>91</strong> 7


ARCHIV<br />

150 plus X<br />

Interruptio<br />

Die Anfang des Jahres verstorbene DDR-Schriftstellerin<br />

Eva Strittmatter hat eine Abtreibung lyrisch<br />

eindrucksvoll verarbeitet.<br />

Ich muss meine Trauer begraben<br />

Um das ungeborene Kind.<br />

Das werde ich niemals haben.<br />

Dämonen pfeifen im Wind<br />

Und flüstern im Regen und speien<br />

Mir gerade ins Gesicht.<br />

Und mag auch Gott mir verzeihen.<br />

Ich verzeihe mir nicht.<br />

Es hat mich angerufen,<br />

Es hat mich angefleht,<br />

Ich soll es kommen lassen.<br />

Ich habe mich weggedreht.<br />

Es gab mir kleine Zeichen:<br />

Eine Vision von Haar.<br />

Und zwei drei Vogellaute<br />

Eine Stimme von übers Jahr.<br />

Ich hätte es sehen können,<br />

hätte ich es sehen gewollt.<br />

Es war ja in mir entworfen.<br />

Ich aber habe gegrollt<br />

Über die Tage und Jahre,<br />

Die es mir nehmen wird,<br />

Und um meine grauen Haare,<br />

Die Krankheit. Und wahnwitzverwirrt,<br />

Hab ich mich darauf berufen,<br />

Ich sei zum Schreiben bestellt.<br />

Dabei war vielleicht diese Hoffnung<br />

Viel wichtiger für die Welt<br />

Als all meine Selbstverzweiflung<br />

Und die kleinen Siege in grün,<br />

Die ich dem Leben abringe<br />

Und den Dingen, die dauern und<br />

fliehn.<br />

Das Recht der Freiheit<br />

Hab ich für mich missbraucht.<br />

Und hab mich für immer gefesselt.<br />

In Tiefen bin ich getaucht,<br />

In Trauer bis zum Irrsinn.<br />

Es brodelt noch neben mir.<br />

Die unsühnbare Sünde<br />

Unterscheidet mich vom Tier.<br />

STERN<br />

So viele ehemaligen Patienten will der Berliner Urologe<br />

Uwe Christian Arnold bei einem Suizid unterstützt<br />

haben. In dem am 6. Juni in der ARD ausgestrahlten<br />

Beitrag »Grauzone Sterbehilfe« (»Report Mainz«, SWR)<br />

der TV-Journalisten Sebastian Bösel und Ulrich Neumann<br />

berichtet Arnold im Plauderton vor laufender<br />

Kamera, dass er in den letzten 15 Jahren »vielleicht<br />

150 bis 200« Patienten Beihilfe zum Suizid geleistet<br />

habe. Dass der Mediziner eine Zeit lang als stellvertretender<br />

Vorsitzender von »Dignitas Deutschland«<br />

agierte, verschwieg der Beitrag erstaunlicherweise.<br />

v Kurz gemeldet<br />

Vor vierzig Jahren<br />

»Wir haben abgetrieben.« So lautet die Schlagzeile,<br />

mit der am 6. Juni 1971 die Illustrierte<br />

»Stern« eine Kampagne zur Liberalisierung des<br />

Abtreibungsverbots lostrat. Im Rahmen der<br />

Aktion bekannten sich 374 Frauen, darunter Prominente<br />

wie Romy Schneider, Senta Berger und<br />

Carola Stern, öffentlich dazu, abgetrieben und<br />

gegen das damals geltende deutsche Strafrecht<br />

verstoßen zu haben. Viele der Frauen, darunter<br />

auch die Initiatorin der Kampagne, die Journalistin<br />

Alice Schwarzer, bekannten später jedoch,<br />

damals gelogen und in Wirklichkeit gar kein Kind<br />

abgetrieben zu haben. Schwarzer: »Aber das<br />

spielte keine Rolle, wir hätten es getan, wenn<br />

wir ungewollt schwanger gewesen wären.«

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