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Polizei in Staat und Gesellschaft - Leseprobe

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren. In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren.

In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

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Das Politische System der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

nichts anderes bedeutet. Erst im dritten Wahlgang genügt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Mehrheit, wobei<br />

der B<strong>und</strong>espräsident dann den Kandidaten akzeptieren oder aber den B<strong>und</strong>estag auflösen<br />

kann. Da es sich um e<strong>in</strong>e geheime Wahl handelt, besteht die Gefahr, dass bei knappen Mehrheiten<br />

Abgeordnete die Chance nutzen als „Heckenschützen“ gegen ihre eigene Fraktion zu<br />

stimmen, ohne befürchten zu müssen, dass sie entdeckt werden. Die M<strong>in</strong>ister werden vom<br />

Parlament nicht e<strong>in</strong>zeln gewählt (<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen B<strong>und</strong>esländern ist dies aber der Fall), sondern<br />

auf Vorschlag des Kanzlers vom B<strong>und</strong>espräsidenten ernannt. Beim komplexen Prozess der<br />

Regierungsbildung muss der Kanzler Ansprüche aus se<strong>in</strong>er Partei <strong>und</strong> Fraktion sowie deren<br />

Flügeln austarieren. Im Fall von Koalitionsregierungen f<strong>in</strong>den vor der formellen Wahl des Regierungschefs<br />

Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern statt, <strong>in</strong> denen neben e<strong>in</strong>em<br />

<strong>in</strong>haltlichen Programm auch die Ressortverteilung festgelegt wird. Diese Koalitionsvere<strong>in</strong>barung<br />

(Koalitionsvertrag) ist zwar staatsrechtlich unverb<strong>in</strong>dlich, soll aber die Richtschnur<br />

für das Regierungshandeln bieten.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>e Inkompatibilität zwischen Parlamentsmandat <strong>und</strong> Regierungsamt. Tatsächlich<br />

verfügen die meisten Kanzler, M<strong>in</strong>isterpräsidenten, M<strong>in</strong>ister <strong>und</strong> Senatoren auch über e<strong>in</strong><br />

Parlamentsmandat mit allen Rechten <strong>und</strong> Pflichten. Als Parlamentarier s<strong>in</strong>d sie demnach<br />

wahlberechtigt <strong>und</strong> entscheiden als Kanzlerkandidat über sich selbst <strong>und</strong> später über alle<br />

Regierungs<strong>in</strong>itiativen. Deutsche Regierungsmitglieder müssen also ihr Mandat nicht wie <strong>in</strong><br />

anderen parlamentarischen Demokratien aufgeben oder ruhen lassen, es ist aber auch ke<strong>in</strong>e<br />

zw<strong>in</strong>gende Vorbed<strong>in</strong>gung wie <strong>in</strong> Großbritannien.<br />

Wesentliche formale Regierungspr<strong>in</strong>zipien legt Art. 65 GG fest, <strong>in</strong> dem die Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz<br />

des B<strong>und</strong>eskanzlers, das Ressortpr<strong>in</strong>zip <strong>und</strong> das (kollegiale) Kab<strong>in</strong>ettspr<strong>in</strong>zip formuliert<br />

s<strong>in</strong>d. Insbesondere die Richtl<strong>in</strong>ienkompetenz darf dabei nicht überschätzt werden, da<br />

die Macht <strong>und</strong> Autorität des B<strong>und</strong>eskanzlers mit ihr nicht erzwungen werden kann <strong>und</strong><br />

eher e<strong>in</strong> Indiz für schw<strong>in</strong>dende Macht <strong>und</strong> Erosionsprozesse der Regierung markiert, wenn<br />

sie denn e<strong>in</strong>gesetzt wird. Die Macht des Kanzlers hängt stärker von den (partei-)politischen<br />

Konstellationen, dem Zusammenhalt <strong>in</strong> der Koalition, dem Ansehen <strong>in</strong> der Öffentlichkeit <strong>und</strong><br />

nicht zuletzt von der Persönlichkeit des Kanzlers ab. Mit dem Ressortpr<strong>in</strong>zip ist die eigenverantwortliche<br />

Leitung e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>isteriums verknüpft, die am Amt <strong>und</strong> der Person des M<strong>in</strong>isters<br />

festgemacht wird. So ist zu begründen, dass e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>ister zurücktritt, wenn <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

Hause schwerwiegendes Fehlverhalten festgestellt wird, selbst wenn er persönlich nichts<br />

davon gewusst hat. Er trägt die „politische Verantwortung“. Das Kab<strong>in</strong>ettspr<strong>in</strong>zip betont<br />

die Verantwortung der gesamten Regierung, die Entscheidungen auch geme<strong>in</strong>sam (nach<br />

außen) zu vertreten hat. Die wöchentlich stattf<strong>in</strong>denden Kab<strong>in</strong>ettssitzungen können je nach<br />

Regierungsstil zwar auch für e<strong>in</strong>e offene politische Aussprache genutzt werden, es werden<br />

dort aber ke<strong>in</strong>e politischen Konflikte ausgetragen oder gar „Kampfabstimmungen“ abgehalten.<br />

Neben dem Kanzler mit se<strong>in</strong>er hervorgehobenen Funktion, die bei e<strong>in</strong>igen Kanzlern<br />

auch als „Kanzlerdemokratie“ mit präsidentiellen Zügen <strong>in</strong>terpretiert wurde, haben der<br />

Vizekanzler (meist der Außenm<strong>in</strong>ister), der regelmäßig von der zweiten Regierungspartei<br />

gestellt wird sowie der F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister <strong>und</strong> e<strong>in</strong>geschränkt der Justizm<strong>in</strong>ister e<strong>in</strong>e besondere<br />

Position, die sich aus ihrer Verantwortung für den Haushalt bzw. die Verfassung ableitet. So<br />

wird z.B. ausgeschlossen, dass sich Fachm<strong>in</strong>ister gegen den F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister verbünden, um<br />

ihre Haushaltsansätze auszuweiten (vgl. Hesse, Ellwe<strong>in</strong> 2012).<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb, Hilden<br />

Frevel, Salzmann (Hrsg.) „<strong>Polizei</strong> <strong>in</strong> <strong>Staat</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>“, 2. Auflage 2019<br />

ISBN 978-3-8011-0864-9

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