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Polizei in Staat und Gesellschaft - Leseprobe

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren. In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren.

In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

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Regierung <strong>und</strong> M<strong>in</strong>isterialverwaltung<br />

verständigen müssen. Die Entscheidungen f<strong>in</strong>den damit <strong>in</strong> den Ländern statt <strong>und</strong> werden<br />

<strong>in</strong> Koalitionsgremien oder Kab<strong>in</strong>ettssitzungen getroffen. Im B<strong>und</strong>esrat selbst wird damit e<strong>in</strong><br />

quasi-imperatives Mandat ausgeübt. Können sich Koalitionspartner auf ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Haltung e<strong>in</strong>igen, wird zumeist Stimmenthaltung geübt, wie <strong>in</strong> Koalitionsvere<strong>in</strong>barungen<br />

zuvor festgelegt. E<strong>in</strong>e Enthaltung wirkt dabei wie e<strong>in</strong>e Ne<strong>in</strong>-Stimme. Zur Annahme von Gesetzen<br />

wird im Regelfall e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit der Stimmen (aktuell also 35 Stimmen) benötigt.<br />

Ausnahmen s<strong>in</strong>d parallel zum Verfahren im Deutschen B<strong>und</strong>estag Verfassungsänderungen<br />

oder die Wahl von Verfassungsrichtern, bei denen e<strong>in</strong>e 2/3-Mehrheit erforderlich ist.<br />

Die Arbeitsweise des B<strong>und</strong>esrates, der sich zur Vorbereitung von Entscheidungen wie der<br />

B<strong>und</strong>estag e<strong>in</strong>es Systems von ständigen Ausschüssen bedient, ist exekutiv-adm<strong>in</strong>istrativ<br />

ausgerichtet <strong>und</strong> wird von M<strong>in</strong>isterialbeamten der Länder, also nicht von den politischen<br />

Akteuren, geprägt. B<strong>und</strong>esratssitzungen, an denen Mitglieder der B<strong>und</strong>esregierung teilnehmen<br />

können, laufen im Vergleich zu Plenardebatten im B<strong>und</strong>estag relativ ruhig ab. Zwischenrufe<br />

oder politische „Flammenreden“ s<strong>in</strong>d weitgehend unbekannt.<br />

Entgegen den Intentionen der „Väter des Gr<strong>und</strong>gesetzes“, die mit dem B<strong>und</strong>esrat im S<strong>in</strong>ne<br />

der Gewaltenteilung e<strong>in</strong> <strong>in</strong>haltlich-sachorientiertes Gegenstück zum B<strong>und</strong>estag etablierten,<br />

hat sich der B<strong>und</strong>esrat aufgr<strong>und</strong> der Vielzahl an zustimmungspflichtigen Gesetzen,<br />

die ohne e<strong>in</strong>e Mehrheit im B<strong>und</strong>esrat nicht <strong>in</strong> Kraft treten können, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Zeiten<br />

unterschiedlicher parteipolitischer Mehrheiten, <strong>in</strong> B<strong>und</strong>estag <strong>und</strong> B<strong>und</strong>esrat zu e<strong>in</strong>em „politisierten“<br />

Organ entwickelt. Verfügt die (B<strong>und</strong>estags-)Opposition im B<strong>und</strong>esrat über e<strong>in</strong>e<br />

Mehrheit, kann sie dort versuchen, die Regierungsarbeit zu beh<strong>in</strong>dern oder weitgehende<br />

Zugeständnisse zu erzw<strong>in</strong>gen. Dieser Fall des „divided government“ spielt vor allem <strong>in</strong> Wahlkampfzeiten<br />

dann e<strong>in</strong>e große Rolle, wenn der Vermittlungsausschuss, der sich aus e<strong>in</strong>er<br />

gleichen Anzahl von Mitgliedern des B<strong>und</strong>estages <strong>und</strong> des B<strong>und</strong>esrates zusammensetzt, <strong>und</strong><br />

im Konfliktfall angerufen werden kann, auch zum medial <strong>in</strong>szenierten faktischen Entscheidungsorgan<br />

entwickelt, das über der Regierung <strong>und</strong> den Parlamentskammern „schwebt“<br />

(Rudzio 2019; Ismayr 2009, S. 526f.). 2<br />

2.5 Regierung <strong>und</strong> M<strong>in</strong>isterialverwaltung<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Im Gegensatz zu Parteien, Parlamenten, Interessengruppen <strong>und</strong> Wahlen ist die Exekutive<br />

Deutschlands weniger gut erforscht. Hält man sich aber die Schlüsselstellung der Regierung<br />

<strong>und</strong> der M<strong>in</strong>isterialverwaltung im politischen Prozess vor Augen, verw<strong>und</strong>ert diese Zurückhaltung.<br />

Zwischen Regierungshandeln auf der B<strong>und</strong>esebene <strong>und</strong> der Länderebene gibt es<br />

ke<strong>in</strong>e pr<strong>in</strong>zipiellen Unterschiede. Im Rahmen der föderalistischen Arbeitsteilung kompliziert<br />

aber e<strong>in</strong>e vertikale Politikverflechtung, die mit Kooperationszwängen verb<strong>und</strong>en ist, den<br />

Politikprozess. Je nach Politikfeld <strong>und</strong> Kompetenzverteilung zwischen B<strong>und</strong>, Ländern <strong>und</strong><br />

Kommunen ergeben sich dabei Unterschiede (Bogumil, Jann 2009; Hildebrandt, Wolf 2016).<br />

Im parlamentarischen Regierungssystem Deutschlands wird der B<strong>und</strong>eskanzler vom B<strong>und</strong>estag<br />

gewählt <strong>und</strong> kann vom Parlament jederzeit mithilfe e<strong>in</strong>es konstruktiven Misstrauensvotums<br />

(vor Ablauf der Legislaturperiode mit darauffolgenden B<strong>und</strong>estagswahlen) abgewählt<br />

werden. Zur Wahl ist e<strong>in</strong>e absolute Mehrheit der B<strong>und</strong>estagsmitglieder (<strong>in</strong> den<br />

ersten beiden Wahlgängen) notwendig, wobei der publizistische Begriff Kanzlermehrheit<br />

2 E<strong>in</strong>e ausgezeichnete Quelle mit detaillierten Informationen zur Parlaments- <strong>und</strong> Regierungsarbeit ist das Datenhandbuch<br />

zur Geschichte des Deutschen B<strong>und</strong>estages (https://www.b<strong>und</strong>estag.de/datenhandbuch).<br />

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb, Hilden<br />

Frevel, Salzmann (Hrsg.) „<strong>Polizei</strong> <strong>in</strong> <strong>Staat</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>“, 2. Auflage 2019<br />

ISBN 978-3-8011-0864-9

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