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Polizei in Staat und Gesellschaft - Leseprobe

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren. In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren.

In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

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Das Politische System der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Politikwissenschaftlich bedeutsam <strong>und</strong> für das Verständnis e<strong>in</strong>er modernen Gewaltenteilungslehre<br />

unverzichtbar ist die Unterscheidung zwischen dem parlamentarischen Regierungssystem<br />

(z.B. Deutschland oder Großbritannien) <strong>und</strong> dem präsidentiellen Regierungssystem<br />

(USA) (Hartmann 2011, S.13–44). Der amerikanische Präsident wird direkt vom<br />

Volk gewählt <strong>und</strong> hat damit e<strong>in</strong>e direkte Legitimation des Volkes. Er vere<strong>in</strong>t die Funktionen<br />

des <strong>Staat</strong>soberhauptes <strong>und</strong> des Regierungschefs <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Person <strong>und</strong> darf nicht dem<br />

Parlament (dem Kongress mit se<strong>in</strong>en beiden Kammern Senat <strong>und</strong> Repräsentantenhaus)<br />

angehören. Auch die von ihm berufenen Regierungsmitglieder gehören nicht der Legislative<br />

(dem Parlament) an. Somit ist im präsidentiellen Regierungssystem die klassische<br />

Variante der horizontalen Gewaltenteilung zwischen Legislative (Parlament), Exekutive<br />

(Regierung) <strong>und</strong> Judikative (Rechtssprechung) noch vorhanden, wie sie von Montesquieu<br />

(1689–1775) vorgeschlagen wurde. Im parlamentarischen Regierungssystem Deutschlands<br />

s<strong>in</strong>d die Funktion des <strong>Staat</strong>soberhauptes (B<strong>und</strong>espräsident) <strong>und</strong> des Regierungschefs (B<strong>und</strong>eskanzler)<br />

getrennt, direkte Legitimation aufgr<strong>und</strong> von Wahlen haben nur die Abgeordneten<br />

<strong>und</strong> damit der B<strong>und</strong>estag. Entscheidend für die Funktionslogik des parlamentarischen<br />

Regierungssystems ist aber die Abhängigkeit der Regierung vom Parlament: In Deutschland<br />

wählt der B<strong>und</strong>estag den B<strong>und</strong>eskanzler <strong>und</strong> kann ihn auch jederzeit abwählen, genauer<br />

mithilfe e<strong>in</strong>es konstruktiven Misstrauensvotums e<strong>in</strong>es anderen Kanzlers. Der Kanzler <strong>und</strong> die<br />

M<strong>in</strong>ister können selbst Parlamentarier se<strong>in</strong> <strong>und</strong> bleiben, es gibt also ke<strong>in</strong>e Unvere<strong>in</strong>barkeit<br />

(Inkompatibilität) von Regierungsamt <strong>und</strong> Parlamentsmandat. Damit s<strong>in</strong>d Legislative <strong>und</strong><br />

Exekutive mite<strong>in</strong>ander verschränkt. Die tatsächliche Trennl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Deutschland verläuft also<br />

nicht zwischen Parlament <strong>und</strong> Regierung, sondern zwischen parlamentarischer Mehrheit<br />

(also der/den Regierungsfraktionen) plus der B<strong>und</strong>esregierung auf der e<strong>in</strong>en Seite <strong>und</strong> der<br />

parlamentarischen Opposition auf der anderen Seite.<br />

2.3 Verfassung, B<strong>und</strong>esverfassungsgericht <strong>und</strong> <strong>Staat</strong>soberhaupt<br />

Die deutsche Verfassung (e<strong>in</strong>gebürgert hat sich die Bezeichnung „Gr<strong>und</strong>gesetz“, die bis zur<br />

deutschen Wiedervere<strong>in</strong>igung 1990 den provisorischen Charakter e<strong>in</strong>es geteilten Landes<br />

ausdrücken sollte, seitdem aber nur noch „aus alter Gewohnheit“ verwendet werden kann)<br />

steht wie alle Verfassungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er spezifischen Verfassungstradition <strong>und</strong> reflektiert damit<br />

geschichtliche Erfahrungen: Angeknüpft wurde im Parlamentarischen Rat, der das Gr<strong>und</strong>gesetz<br />

erarbeitete, an die Erfahrungen aus der (gescheiterten) Weimarer Republik. Der antitotalitäre<br />

Charakter der deutschen Verfassung reflektiert das Trauma der nationalsozialistischen<br />

Diktatur <strong>und</strong> des Zweiten Weltkrieges, während die Besatzungsmächte (im Westen<br />

die USA, Großbritannien <strong>und</strong> Frankreich) e<strong>in</strong>e stabile westliche Demokratie <strong>in</strong> Deutschland<br />

<strong>und</strong> spätestens ab 1946 auch e<strong>in</strong> „Bollwerk gegen den Kommunismus“ <strong>in</strong> der Sowjetunion<br />

<strong>und</strong> den <strong>in</strong> deren Machtbereich gefallenen osteuropäischen <strong>Staat</strong>en errichten wollten. Der<br />

staatliche Wiederaufbau erfolgte dabei von unten nach oben, zunächst auf kommunaler<br />

Ebene, dann mit der Errichtung der Länder (die älteste Landesverfassung stammt aus Hessen<br />

<strong>und</strong> wurde am 1. Dezember 1946 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Volksabstimmung verabschiedet) <strong>und</strong> erst 1949<br />

mit der Gründung der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland (Rudzio 2019, S 25–45).<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

Neben e<strong>in</strong>em Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Menschenrechtsteil, der an die neuzeitlich-bürgerliche Verfassungstradition<br />

anknüpft, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Art. 20 GG, dem <strong>Staat</strong>sorganisationsartikel, vier wesentliche<br />

Elemente benannt: Demokratie (Volkssouveränität), Sozialstaat, Föderalismus, Rechtsstaat.<br />

Die hervorgehobene Bedeutung dieses Artikels wird durch die Ewigkeitsklausel (Art. 79 Abs. 3)<br />

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb, Hilden<br />

Frevel, Salzmann (Hrsg.) „<strong>Polizei</strong> <strong>in</strong> <strong>Staat</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>“, 2. Auflage 2019<br />

ISBN 978-3-8011-0864-9

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