10.08.2020 Aufrufe

Polizei in Staat und Gesellschaft - Leseprobe

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren. In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

Dieses studienbegleitende Lehrbuch stellt die politikwissenschaftlichen und soziologischen Grundlagen für die Polizeiarbeit dar. Während die Politikwissenschaft Analysen bereitstellt, um die Polizei und ihr Handeln zu verstehen, bietet die Soziologie unverzichtbares Hintergrundwissen, um die Bedeutung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse für die Gewährung von Sicherheit und Ordnung zu erfassen und als Polizei hierauf zu reagieren.

In zehn Kapiteln beschreiben die Autorinnen und Autoren, die an polizeiausbildenden Hochschulen und Akademien lehren, die sozialwissenschaftlichen Fragestellungen mit stetem Bezug zur Rolle, Funktion und Organisation der Polizei sowie zu den politischen Bedingungen und Anforderungen an polizeiliches Handeln in Deutschland.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Politische Theorie<br />

2 Das politische System der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

Hermann Groß<br />

2.1 Politische Theorie<br />

E<strong>in</strong>e klassische E<strong>in</strong>teilung der Politikwissenschaft unterscheidet die Teilgebiete Politische Theorien,<br />

Politische Systemlehre, Politikfeldanalyse <strong>und</strong> Internationale Politik. Es mag daher<br />

verw<strong>und</strong>ern, dass vor e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem politischen System der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland e<strong>in</strong>e kurze E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Welt politischer Theorien <strong>und</strong> Ideologien<br />

erfolgen soll. Hält man sich aber vor Augen, dass alle politischen Systeme auf Werten, Überzeugungen<br />

<strong>und</strong> theoretischen Vorstellungen fußen, wird klar, dass zum Verständnis <strong>und</strong> zur<br />

Analyse politischer Systeme der „ideologische Unterbau“ immer mit bedacht werden muß.<br />

In der politischen Philosophie <strong>und</strong> Ideengeschichte f<strong>in</strong>den sich seit der griechischen Antike<br />

Überlegungen zu Gr<strong>und</strong>fragen politischen Handelns <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere Aussagen darüber,<br />

wie der Mensch politisch handeln solle. Anhand von Aristoteles wird dabei klar, dass die Beschreibung<br />

verschiedener politischer Systeme <strong>und</strong> Ordnungsmodelle e<strong>in</strong>e „uralte“ Methode<br />

der politischen Philosophie darstellt. Aristoteles (384–322 v. Chr.) geht dabei „modern“ vor<br />

<strong>und</strong> versucht 158 Verfassungen griechischer Stadtstaaten (polis) anhand von zwei Dimensionen<br />

zu charakterisieren. Er bildet dabei e<strong>in</strong>e quantitative Achse <strong>und</strong> schaut, ob e<strong>in</strong>e Person,<br />

mehrere Personen oder alle Bürger (im alten Griechenland nur Männer mit Bürgerrechten;<br />

ausgespart bleiben Frauen, Sklaven <strong>und</strong> Metöken, also Bewohner ohne Bürgerstatus) regieren.<br />

Auf e<strong>in</strong>er qualitativen Achse unterschiedet er zwischen „guten, geme<strong>in</strong>wohlorientierten“<br />

Verfassungen <strong>und</strong> Systemen <strong>und</strong> „schlechten, am Eigennutz orientierten“ Geme<strong>in</strong>wesen<br />

(Waschkuhn 1995, S. 240–242).<br />

Abb. 1: Systemtypologie nach Aristoteles<br />

qualitativ<br />

quantitativ<br />

Alle<strong>in</strong>herrschaft<br />

Herrschaft<br />

weniger/e<strong>in</strong>iger<br />

Herrschaft<br />

vieler/aller<br />

<strong>Leseprobe</strong><br />

geme<strong>in</strong>wohlorientiert Monarchie Aristokratie Politie<br />

am Eigennutz orientiert Autokratie Oligarchie Demokratie<br />

Die von Aristoteles positiv bewertete Herrschaft e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>zelnen heißt also Monarchie, ihre<br />

negative Variante Autokratie. Handelt es sich um e<strong>in</strong>e (kle<strong>in</strong>e) Gruppe von Herrschenden,<br />

wird das Begriffspaar Aristokratie/Oligarchie verwendet. Interessant ist nun die Begriffsbildung<br />

bei der Herrschaft vieler bzw. aller Bürger. Hier wird die negative Herrschaftsform<br />

als Demokratie bezeichnet! Als moderner Begriff hat die Demokratie aber e<strong>in</strong>en Siegeszug<br />

ohnegleichen angetreten. Im Vergleich zu heute hatte aber die athenische Demokratie <strong>in</strong><br />

ihrer Blütezeit e<strong>in</strong>e vollkommene direktdemokratische Ausprägung, die im modernen Verfassungsleben<br />

nicht mehr anzutreffen ist: Gesetze <strong>und</strong> öffentliche Positionen wurden von<br />

der Volksversammlung <strong>und</strong> über Losverfahren bestimmt, sodass es pr<strong>in</strong>zipiell allen Bürgern<br />

möglich war, offizielle Ämter (<strong>in</strong>klusive der Gerichtsbarkeit) zu bekleiden. Kaum e<strong>in</strong> <strong>Staat</strong><br />

verzichtet heute auf „Demokratie“, wenn es um e<strong>in</strong>e Selbstbeschreibung geht, selbst dann<br />

nicht, wenn es sich um e<strong>in</strong> autoritäres oder totalitäres System handelt (z.B. verwenden<br />

totalitär-sozialistische <strong>Staat</strong>en den Begriff „Volksdemokratie“ oder afrikanische Militärdikta-<br />

© VERLAG DEUTSCHE POLIZEILITERATUR GMBH Buchvertrieb, Hilden<br />

Frevel, Salzmann (Hrsg.) „<strong>Polizei</strong> <strong>in</strong> <strong>Staat</strong> <strong>und</strong> <strong>Gesellschaft</strong>“, 2. Auflage 2019<br />

ISBN 978-3-8011-0864-9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!