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ALfA e.V. Magazin – LebensForum | 75 3/2005

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Nr. <strong>75</strong> | 3. Quartal <strong>2005</strong> | ISSN 0945-4586 | Einzelpreis 3,<strong>–</strong> €<br />

B 42890<br />

LEBENSFORUM<br />

Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (<strong>ALfA</strong>)<br />

Europa<br />

Eizellen werden<br />

zur Handelsware<br />

Medizin<br />

Ethisch fährt besser:<br />

Adulte Stammzellen<br />

Gesellschaft<br />

Kongress der<br />

<strong>ALfA</strong> in Fulda<br />

Heiko, heute 24 Jahre alt Ulf, heute 18 Jahre alt Mario, heute 15 Jahre alt Tanja, heute 22 Jahre alt Kerstin, heute 11 Jahre alt<br />

Susanne, heute 30 Jahre alt Sandra, heute 3 Jahre alt Christina, heute 16 Jahre alt Heiko, heute 24 Jahre alt Heiko, heute 24 Jahre alt<br />

Wir wurden abgetrieben!<br />

Heiko, heute 24 Jahre alt Heiko, heute 24 Jahre alt Anette, heute 8 Jahre alt Yvonne, heute 14 Jahre alt Lukas, heute 8 Monate alt<br />

Vor zehn Jahren wurde der § 218 zum vorläufig letzten Mal geändert. Die Bilanz: Mehr als 2,5 Millionen vorgeburtliche Kindstötungen.<br />

Peter, heute 17 Jahre alt Sonja, heute 12 Jahre alt Heinz, heute 23 Jahre alt Patrick, heute 3 Jahre alt Ruth, heute 27 Jahre alt<br />

Silke, heute 14 Jahre alt Thorsten, heute 18 Jahre alt Moritz, heute 5 Jahre alt Lisa, heute 15 Jahre alt Henning, heute 17 Jahre alt<br />

In Kooperation mit Ärzte für das Leben e.V. und Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen e.V. (TCLG)


INHALT<br />

LEBENSFORUM <strong>75</strong><br />

EDITORIAL<br />

Die Revolution frisst ihre Kinder 3<br />

Dr. med. Claudia Kaminski<br />

TITEL<br />

Ein Volk stirbt im Mutterleib 4<br />

Tobias B. Ottmar<br />

»Befruchtung ist Zufall« 9<br />

Interview mit Harry Walter<br />

AUSLAND<br />

Respekt vor dem Leben 11<br />

Stefan Rehder, M.A.<br />

EUROPA<br />

enschliche Embryonen und Vermeidung und Behandlung von Unfruchtbarkeit<br />

voranzutreiben noch den ich nichts sehen will, sehe ich auch<br />

Vorbild für Deutschland hinstelle: »Wenn<br />

12 - 15<br />

Eizellen als Handelsware? Im<br />

Dezember 2004 schreckten Forderungen nach einem Klonverbot und nichts«, kritisiert Liese die halbherzige<br />

dubiose Geschäfte zwischen Großbritannien<br />

und Rumänien die europäische Öfschung<br />

an menschlichen embryonalen rest, wo ihre Abgesandten keine Unregel-<br />

dem Ausschluss der Förderung von For-<br />

Kontrollmission der HFEA nach Bukafentlichkeit<br />

auf. Die von dem israelischen Stammzellen aus dem 7. EU- mäßigkeiten in der »Global Art«-Klinik<br />

Mediziner Ilya Barr betriebene Bukarester Forschungsrahmen-programm. Letzteres entdecken konnten <strong>–</strong> ganz im Gegensatz<br />

»Global Art«-Klinik <strong>–</strong> sie gehört mit der wollten die Koalitionsfraktionen im Deutschen<br />

Bundestag am Tag<br />

zur BBC und zu anderen Medien, die<br />

ebenfalls in Bukarest ansässigen Klinik<br />

»Global Med Rom« zu Barrs nach der Göttinger Rede<br />

»International Fertility Medical Center« von Bundeskanzler Gerhard<br />

mit Kunden in den USA, in Europa und Schröder wohl nicht mehr<br />

Asien und einer Muttergesellschaft auf mittragen, weshalb sie am<br />

den Jungferninseln <strong>–</strong> hatte auf britische 15. Juni in letzter Minute<br />

Bestellungen hin einen schwunghaften eine geänderte Vorlage in<br />

Handel mit Embryonen und Eizellen den federführenden Bun-<br />

aufgebaut: Junge Rumäninnen ließen sich destags-Gesundheits-<br />

ausschuss einbrachten, die<br />

gegen einen vergleichsweise geringen<br />

Geldbetrag <strong>–</strong> nach Medienberichten <strong>–</strong> dann auch vom Plenum<br />

insgesamt ca. 3000 Eizellen entnehmen, gebilligt wurde.<br />

die dann mit tiefgefroren aus Großbritannien<br />

importiertem Sperma künstlich befruchtet<br />

wurden. Die so erzeugten mehr Frage sei erlaubt: Woher<br />

Dabei liegt der Zusammenhang<br />

zwischen Eizellhandel<br />

und Stammzellforschung<br />

auf der Hand:<br />

»Wenn ich nichts sehen will,<br />

Eizellen sind der Rohstoff<br />

für die Technik des Klonens,<br />

deren Zulassung auch<br />

sehe ich auch nichts.«<br />

Der EU-Abgeordneter Peter Liese (CDU)<br />

in Deutschland Gerhard<br />

Schröder in Göttingen das<br />

Wort geredet hatte. Die<br />

als 1000 Embryonen wurden wiederum sollen die vielen Eizellen<br />

tiefgefroren und mit mutmaßlich erheblichem<br />

Gewinn an die Besteller im Ver-<br />

Klonversuche benötigt<br />

kommen, die für weitere<br />

einigten Königreich geliefert. Dieser werden? Diesen Zusammenhang<br />

sieht auch die<br />

Skandal rief das Europäische Parlament<br />

auf den Plan, das am 10. März <strong>2005</strong> eine Europaabgeordnete Hiltrud<br />

Entschließung verabschiedete, in der es Breyer (Grüne), Mitinitiatorin<br />

der Entschließung des<br />

Europaabgeordnete Hiltrud Breyer, Grüne<br />

»jeglichen Handel mit menschlichen Körpern<br />

und Teilen davon« verurteilte und Europäischen Parlaments. Nach ihrer nach zwei Tagen Recherche schon mehrere<br />

Frauen gefunden hatten, die Opfer<br />

daran erinnerte, dass die Mitgliedstaaten Meinung diene der aktuelle Konflikt um<br />

gemäß Art. 12 Abs. 1 der EU-Gewebe- die EU-Finanzierung »verbrauchender« der zweifelhaften Geschäfte geworden<br />

Richtlinie 2004/23/EG »danach zu streben<br />

haben, freiwillige und unentgeltliche extrem geringen Anteils am Gesamtbetrag Misstrauen gegenüber der britischen Be-<br />

Embryonenforschung angesichts deren waren. Breyer nennt folglich auch das<br />

Spenden von Geweben und Zellen <strong>–</strong> für das 6. Forschungs-Rahmenprogramm<br />

bezifferte ihn der zuständige den Erfolg der Resolution des Europäihörde<br />

HFEA als wichtigen Grund für<br />

sicherzustellen«. Weiterhin gab das Europäische<br />

Parlament seiner Auffassung<br />

schen Parlaments, denn in dem »Global<br />

Ausdruck, dass die Aktivitäten der »Global<br />

Art«-Skandal habe die HFEA versagt<br />

Art«-Klinik in Rumänien und ähnlicher<br />

und den Import der Embryonen nach<br />

Eizellen: heiß begehrt<br />

Einrichtungen »als gewerbliche Tätigkeit »Einer der größten Skandale<br />

Großbritannien ausdrücklich gebilligt.<br />

betrachtet werden können und daher<br />

inakzeptabel sind«. Inzwischen schloss des neuen Jahrtausends.«<br />

Grund genug also für die britische<br />

Menschliches Erbgut ist in Gestalt von Ei- und Samenzellen zur internationalen<br />

sich auch der Deutsche Bundestag in einer Die slowakische EU-Abgeordnete Anna Záborská Pro-Life-Organisation »Comment on<br />

am 30. Juni <strong>2005</strong> verabschiedeten Entschließung<br />

diesen Forderungen des Eu-<br />

(www.corethics.org), sich auf einer<br />

Reproductive Ethics«<br />

Handelsware geworden. Vor allem Frauen aus Osteuropa drohen Opfer der neuen<br />

»biotechnologischen Sklaverei« zu werden. Grund genug für die britische Pro-Life-<br />

ropäischen Parlaments an und verlangte Forschungskommissar Janez Potocnik Konferenz im Europäischen Parlament<br />

gleichfalls ein Verbot des Handels mit auf 0,0002 Prozent <strong>–</strong> dazu, in allen Mitgliedstaaten<br />

die Tür zur Forschung an Thema »Eizellhandel und die Ausbeutung<br />

in Brüssel mit dem überaus brisanten<br />

Organisation »CORE« sich auf einer Konferenz mit dem brisanten Thema »Eizellhandel<br />

Eizellen. Den weitergehenden anderen<br />

und die Ausbeutung von Frauen« zu befassen.<br />

Forderungen des Europäischen Parlaments<br />

in seiner Resolution vom 10. März Kollege Peter Liese (EVP-ED) verweist nehmer aus ganz Europa, darunter Ver-<br />

embryonalen Stammzellen zu öffnen. Ihr von Frauen« zu befassen. Etwa 60 Teil-<br />

Von Assessor iur. Christian Poplutz<br />

<strong>2005</strong> mochte sich der Bundestag indes auf das Versagen der britischen Behörde treter von Frauen- und Pro-Lifenicht<br />

anschließen, weder der Forderung, HFEA (Human Fertility and Embryology Organisationen ebenso wie Angehörige<br />

die Entwicklung von Alternativen zur Authority), welche Schröder immer als der EU-Organe, kamen zu der Veranstal-<br />

12 <strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong><br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 13<br />

Ei- und Samenzellen sind zu internationalen Handelswaren geworden.<br />

M<br />

ARCHIV<br />

EUROPA<br />

Eizellen: heiß begehrt 12<br />

Assessor iur. Christian Poplutz<br />

MEDIZIN<br />

Die Zukunft gehört adulten Stammzellen 16<br />

Matthias Lochner<br />

4 - 8<br />

Immer mehr Frauen treiben<br />

ihre Kinder ab, doch die<br />

Politiker wollen den § 218<br />

nicht anfassen.<br />

MITTEILUNGEN DES BUNDESVORSTANDS<br />

BDV künftig in Fulda 21<br />

Cornelia Kaminski<br />

GESELLSCHAFT<br />

»Heute ihr, morgen wir?« 22<br />

Cornelia Kaminski<br />

»Vorsicht Falle!« 25<br />

Stefan Rehder, M.A.<br />

BÜCHERFORUM 30<br />

KURZ VOR SCHLUSS 32<br />

LESERFORUM 34<br />

IMPRESSUM 35<br />

LETZTE SEITE 36<br />

2<br />

Politiker wie Gerhard Schröder<br />

fordern für Deutschland die<br />

Forschung an Embryonen. Dabei<br />

wird das Potenzial adulter<br />

Stammzellen völlig unterschätzt.<br />

16 - 20<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong><br />

REHDER MEDIENAGENTUR


EDITORIAL<br />

9 -10<br />

Harry Walter managte Anfang der 70er Jahre die<br />

so genannte »Pro-218-Kampagne«. <strong>LebensForum</strong><br />

sprach mit ihm über die Kampagne.<br />

25 - 29<br />

GESELLSCHAFT<br />

Die Reproduktionsmedizin fordert von Staat und Gesellschaft die Beseitigung von »Nebenwirkungen«,<br />

die es ohne sie gar nicht gäbe. Kritische Anmerkungen zu der Diskussionsveranstaltung »Kinderwunsch<br />

in der Krise« der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Ende Juni in Berlin, auf<br />

der eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes gefordert wurde.<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

I<br />

mmer mehr Menschen leiden<br />

ernsthaft unter Kinderlosigkeit. In<br />

der Mehrzahl der Fälle sind die<br />

Ursachen dafür jedoch keineswegs pathologischer,<br />

sondern vielmehr sozialer Natur.<br />

Nicht zuletzt ein als »modern« apostrophierter<br />

Lebensstil sorgt heute dafür,<br />

dass die Zahl derer, die kinderlos bleiben,<br />

weiter zunimmt. Denn viele Paare warten<br />

mit der Verwirklichung eines »vorläufig«<br />

zurückgestellten Kinderwunsches de facto<br />

so lange, bis es dafür auf natürlichem<br />

Wege zu spät ist. Immer häufiger fallen<br />

auf diese Weise die »fruchtbaren Jahre«<br />

vieler Frauen einer linear verlaufenden<br />

»Vorsicht Falle!«<br />

Lebensplanung zum Opfer, bei der die<br />

gleichzeitig erfolgende Ausbildung beider<br />

Partner und der Einstieg in die jeweiligen<br />

beruflichen Karrieren im Vordergrund<br />

stehen. So hat sich die Zahl der Frauen,<br />

die erst nach dem 30. Lebensjahr ihren<br />

Kinderwunsch verwirklichen wollen, in<br />

den letzten zehn Jahren verdoppelt. Mehr<br />

als 10 Prozent der neugeborenen Kinder<br />

haben bereits heute eine Mutter, die bei<br />

der Geburt älter als 35 Jahre ist; Tendenz<br />

steigend.<br />

Dass eine solche Lebensplanung nicht<br />

ausschließlich von dem Wunsch nach<br />

»Selbstverwirklichung« gespeist wird,<br />

sondern etwa auch durch die Angst vor<br />

»Verarmung« <strong>–</strong> bei Frauen vor allem<br />

aufgrund der gravierenden Benachteiligung<br />

Erziehungsarbeit leistender gegenüber<br />

Erwerbsarbeit leistender Frauen bei<br />

der Altervorsorge sowie bei Männern,<br />

die im Falle einer Scheidung für erstere<br />

naturgemäß umfänglicher zur Kasse gebeten<br />

werden <strong>–</strong> begünstigt wird, sei der<br />

Vollständigkeit halber erwähnt, kann aber<br />

nicht näher behandelt werden.<br />

Wichtig ist hier die Tatsache, dass sich<br />

die Reproduktionsmedizin mit ihrem<br />

Angebot, Kinder im Labor zu erzeugen,<br />

heute keineswegs mehr nur an die über-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 25<br />

Kritische Anmerkungen zu der DGGG-Veranstaltung<br />

»Kinderwunsch in der Krise« Ende<br />

Juni in Berlin.<br />

WWW.TOGETHERFORLIFE.CA<br />

Die Revolution<br />

frisst ihre Kinder<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

vor zehn Jahren hat der Gesetzgeber<br />

zum letzten Mal Hand an den Paragrafen<br />

218 gelegt. Das Ziel: Die Zahl der vorgeburtlichen<br />

Kindstötungen spürbar zu<br />

verringern. Das Ergebnis: Mehr als 2,5<br />

Millionen Abtreibungen binnen nur eines<br />

Jahrzehnts. Das entspricht der Einwohnerzahl<br />

eines ganzen Bundeslandes von<br />

der Größe Sachsen-Anhalts.<br />

Sicher ist das »demografische« nicht<br />

das stärkste Argument, das sich gegen<br />

Abtreibung anführen lässt. Aber es müsste<br />

jenen zu denken geben, die trotz erdrückender<br />

Fakten immer noch nicht akzeptieren<br />

wollen, dass Menschen mit der<br />

Verschmelzung von<br />

Ei- und Samenzelle<br />

entstehen und ihr<br />

Leben daher auch ab<br />

diesem Zeitpunkt geschützt<br />

werden muss.<br />

Dass der Gesetzgeber<br />

sich seit Jahren<br />

weigert, diesen Schutz<br />

wirksam zu gestalten, hat weit reichende<br />

Folgen, wie Tobias-B. Ottmar in der<br />

Titelgeschichte dieser Ausgabe aufzeigt<br />

(vgl. S. 4ff.). Weite Teile der Bevölkerung<br />

besitzen überhaupt kein Unrechtsbewusstsein<br />

mehr. Der mangelhafte Schutz,<br />

den ungeborene Kinder hier und anderswo<br />

erfahren, hat Konsequenzen, die weit<br />

über den Mutterleib hinausreichen und<br />

betrifft ungeborene wie geborene Menschen<br />

gleichermaßen. Wie Christian Poplutz<br />

(vgl. S. 12ff.) offen legt, drohen vor<br />

allem Frauen aus Osteuropa Opfer einer<br />

»biotechnologischen Sklaverei« zu werden.<br />

Angesichts des biomedizinischen<br />

Wettrüstens sind Eizellen zu einem knappen<br />

Gut geworden, das von Stammzellund<br />

Klonforschern sowie von Reproduktionsmedizinern<br />

heiß begehrt wird. Schon<br />

jetzt hat die Ausbeutung von Frauen als<br />

Eizell-Lieferantinnen bedrohliche Ausmaße<br />

angenommen. Und dies, obwohl<br />

die ethisch unbedenkliche Forschung mit<br />

adulten Stammzellen, für die weder Embryonen<br />

noch Eizellen benötigt werden,<br />

»Frauen werden Opfer einer<br />

biotechnologischen Sklaverei.«<br />

der embryonalen<br />

Stammzellforschung<br />

auch medizinisch überlegen<br />

ist. Wie Matthias<br />

Lochner zeigt (vgl. S.<br />

16ff.), werden adulte<br />

Stammzellen nicht nur<br />

auf verschiedenen Gebieten<br />

der Medizin bereits<br />

erfolgreich eingesetzt.<br />

Auch für die Bekämpfung<br />

bislang unheilbarer<br />

Krankheiten<br />

scheinen sie deutlich geeigneter zu sein,<br />

als embryonale Stammzellen, die dazu<br />

neigen, Tumore auszubilden.<br />

Wie die embryonale Stammzellforschung<br />

gebiert auch die künstliche Befruchtung<br />

Probleme, die es ohne sie nicht<br />

gäbe. Am dramatischsten zeigt sich dies<br />

beim Fetozid, der bei »Übererfolg« als<br />

»Therapie« zur »Reduktion von Mehrlingsschwangerschaften«<br />

betrachtet wird.<br />

Hinter diesem Fachchinesisch verbirgt<br />

sich nichts anderes<br />

als die Tötung eines<br />

Drillings oder auch<br />

Zwillings im Laufe<br />

der Schwangerschaft.<br />

Als Lebensrechtler<br />

begrüßen wir, dass<br />

sich die Deutsche<br />

Gesellschaft für Gynäkologie<br />

und Geburtshilfe (DGGG)<br />

diesem Problem nun stellt. Doch hat die<br />

»Lösung«, welche der DGGG vorschwebt,<br />

gleiche mehrere »Haken«. Ohne<br />

»Produktion« so genannter überzähliger<br />

Embryonen und ihrer anschließenden<br />

Selektion sowie einer Aufweichung des<br />

Embryonenschutzes ist sie nicht zu haben,<br />

wie der daher mit »Vorsicht Falle« treffend<br />

überschriebene Beitrag von Stefan<br />

Rehder zeigt (vgl. S. 25ff.).<br />

Dass <strong>LebensForum</strong> auch Erfreuliches<br />

nicht verschweigt, belegt in dieser Ausgabe<br />

nicht nur Cornelia Kaminski, die<br />

ausführlich über den 1. Lebensrechtskongress<br />

der <strong>ALfA</strong> in Fulda berichtet. Eine<br />

nicht nur interessante, sondern auch frohe<br />

Lektüre wünscht daher<br />

Ihre<br />

Claudia Kaminski<br />

Bundesvorsitzende der <strong>ALfA</strong> und<br />

des Bundesverbandes Lebensrecht<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 3


TITEL<br />

Ein Volk stirbt im<br />

Mutterleib<br />

Vor zehn Jahren legte der Gesetzgeber zum letzten Mal Hand an den Paragrafen 218. Die Folgen sind<br />

katastrophal: Statt die Zahl der vorgeburtlichen Kindstötungen zu verringern, treiben Frauen immer<br />

häufiger ab. In weiten Teilen der Bevölkerung schwindet zudem das Bewusstsein, dass Abtreibung ein<br />

schweres Unrecht darstellt. Doch trotz des offenkundigen Scheiterns der Reform wollen nur wenige<br />

Politiker daran noch einmal etwas ändern.<br />

Von Tobias-B. Ottmar<br />

Mehr als 30 Jahre ist es her, dass<br />

Abtreibung in Deutschland<br />

unter bestimmten Bedingungen<br />

straffrei gestellt wurde. Vor zehn<br />

Jahren, am 29. Juni 1995, verabschiedete<br />

der Deutsche Bundestag die bislang letzte<br />

Änderung am Paragrafen 218: Damals<br />

beschlossen die Parlamentarier das<br />

»Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz«,<br />

das am 1. Oktober desselben<br />

Jahres in Kraft treten sollte. Die seitherige<br />

Bilanz ist erschreckend: Allein<br />

nach Angaben des Statistischen Bundesamtes<br />

in Wiesbaden wurden seit 1995 in<br />

der Bundesrepublik rund 1,3 Millionen<br />

Kinder abgetrieben. Das Bundesinstitut<br />

für Bevölkerungsforschung (BiB) geht<br />

dagegen von höheren Zahlen aus. Nach<br />

Einschätzung des BiB werden von der<br />

offiziellen Statistik nur rund 60 Prozent<br />

der tatsächlich durchgeführten Abtreibungen<br />

erfasst. Demnach hätte Deutschland<br />

bereits für die Jahre von 1995 bis<br />

2004 de facto mehr als zwei Millionen<br />

4<br />

Kinder durch Abtreibungen verloren.<br />

Dabei sollten sämtliche Änderungen des<br />

Paragrafen 218 eigentlich den Lebensschutz<br />

verbessern und die Abtreibungen<br />

verringern. Doch das Gegenteil ist geschehen.<br />

Der Osnabrücker Sozialwissenschaftler<br />

Manfred Spieker kommt nach<br />

eingehenden Untersuchungen der Mängel<br />

bei der Erfassung von vorgeburtlichen<br />

Kindstötungen gar zu dem Schluss, dass<br />

»seit der faktischen Freigabe der Abtreibung«<br />

im Jahr 1974 »rund acht Millionen<br />

Kinder getötet« wurden (vgl. <strong>LebensForum</strong><br />

Nr. 70).<br />

Damit nicht genug: Heute werden fast<br />

90 Prozent der Abtreibungen aus Steuergeldern<br />

finanziert <strong>–</strong> im Jahr sind das mehr<br />

als vierzig Millionen Euro (vgl. Lebens-<br />

Forum Nr. 68). Geld, mit dem zum Beispiel<br />

das Kindergeld jeden Monat für<br />

mehr als 20.000 Kinder um 150 Euro<br />

erhöht werden könnte.<br />

Laut einer von dem <strong>Magazin</strong> »chrismon«<br />

in Auftrag gegebenen repräsentativen<br />

EMNID-Umfrage vom Juni dieses<br />

Jahres glauben 49 Prozent der Bundesbürger,<br />

die in Deutschland geltende Gesetze<br />

erlaubten Abtreibungen bis zum<br />

dritten Monat ohne jede Einschränkung.<br />

Unter den 14- bis 29jährigen sitzen diesem<br />

Irrtum sogar 63 Prozent der Bundesbürger<br />

auf. Dagegen wussten nur 28 Prozent,<br />

dass Abtreibungen grundsätzlich<br />

gegen das Gesetz verstoßen, aber unter<br />

bestimmten Voraussetzungen nicht bestraft<br />

werden. »Die Ergebnisse zeigen<br />

unmissverständlich das Scheitern der<br />

Reform des § 218 von 1995 auf. Offensichtlich<br />

ist es dem Gesetzgeber nicht<br />

gelungen, mit diesem Gesetz einer Mehrheit<br />

der Bundesbürger zu vermitteln, dass<br />

die vorgeburtliche Kindstötung eine<br />

rechtswidrige Tat ist, auf deren Bestrafung<br />

der Gesetzgeber nach Beratung verzichtet«,<br />

kommentierte die Bundesvorsitzende<br />

der Aktion Lebensrecht für Alle<br />

(<strong>ALfA</strong>), Claudia Kaminski, die Umfrage.<br />

Sie forderte die im Bundestag vertretenen<br />

Parteien auf, nach Neuwahlen dafür zu<br />

sorgen, dass das neue Parlament unver-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


züglich die vom Bundesverfassungsgericht<br />

verfügte Nachbesserungspflicht in Angriff<br />

nimmt. Es könne nicht sein, dass die<br />

Parlamentarier weiter den offenkundigen<br />

Handlungsbedarf ignorieren, der sich<br />

angesichts unverändert hoher Abtreibungszahlen,<br />

eines flächendeckenden<br />

Netzes von Abtreibungseinrichtungen,<br />

der Finanzierung von Abtreibungen aus<br />

Steuergeldern über die Länderhaushalte<br />

sowie der so genannten »Kind als Schaden«-Rechtsprechung,<br />

aufgestaut habe.<br />

»Denn offensichtlich sind diese Regelungen<br />

und die aus ihnen resultierende<br />

Rechtsprechung der Grund dafür, dass<br />

das Unrechtsbewusstsein in weiten Teilen<br />

der Bevölkerung dramatisch geschwunden<br />

ist. Wer sich der Verfassung verpflichtet<br />

weiß, kann hier nicht mehr die Hände in<br />

den Schoß legen«, so Kaminski weiter.<br />

»Das war eine politische Provokation<br />

und kein persönliches Bekenntnis.«<br />

Alice Schwarzer zur Stern-Kampagne von 1971<br />

Die Historie des Paragrafen 218 reicht<br />

freilich weit hinter das Jahr 1995 zurück.<br />

Bereits im Mai 1871 wurde er im Reichsstrafgesetzbuch<br />

festgeschrieben. Allerdings<br />

sah der Paragraf bei einer Abtreibung<br />

eine <strong>–</strong> im Verhältnis zu heute <strong>–</strong><br />

drastische Strafe vor: »Eine Schwangere,<br />

welche vorsätzlich abtreibt oder im Mutterleib<br />

tötet, wird mit Zuchthaus bis zu<br />

fünf Jahren bestraft (...)«, hieß es dort.<br />

Trotz dieser klaren Regelung wurden<br />

Abtreibungen nach medizinischer Indikation<br />

spätestens ab der Jahrhundertwende<br />

nicht nur praktiziert, sondern auch<br />

toleriert. In der Weimarer Republik stand<br />

der Paragraf 218 ununterbrochen in der<br />

politischen Diskussion: KPD und SPD<br />

unternahmen mehrere Versuche das Gesetz<br />

ganz abzuschaffen oder zumindest<br />

eine Fristenregelung bis zum dritten Monat<br />

einzuführen. 1926 wurde unter dem<br />

Eindruck der sich verstärkenden Proteste<br />

die Bewertung der Abtreibung vom Verbrechen<br />

zum Vergehen abgestuft, was<br />

auch eine Milderung der Strafe bedeutete:<br />

Die Mindeststrafe betrug nur noch einen<br />

Tag, oftmals wurde auch ganz auf eine<br />

Freiheitsstrafe verzichtet und lediglich<br />

eine Geldstrafe verhängt. Im Jahr darauf<br />

legalisierte das Reichsgericht durch die<br />

Entscheidung in einem Präzedenzfall die<br />

Abtreibung nach medizinischer Indikation.<br />

Eine Abtreibung sei nicht rechtswidrig<br />

»wenn sie das einzige Mittel ist, um die<br />

Schwangere aus einer gegenwärtigen Gefahr<br />

des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung<br />

(...) zu befreien«,<br />

hieß es zur Begründung. Darüber hinaus<br />

gehende Beratungen über eine weitere<br />

Reform des Paragrafen 218 wurden 1932<br />

unterbrochen. Unter den Nationalsozialisten<br />

wurde diese Debatte zunächst auch<br />

nicht mehr weitergeführt. Der Grund:<br />

Die Nazis bewerteten Abtreibungen<br />

höchst unterschiedlich, nämlich danach,<br />

welcher Zweck sich mit ihren verfolgen<br />

ließe: So erlaubte etwa das Erbgesundheitsgesetz<br />

eine Abtreibung ausdrücklich<br />

»zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses«.<br />

Eine am 9. März 1943 erlassene<br />

Verordnung stellte dagegen die Abtreibung<br />

unter Strafe; der entsprechende<br />

Paragraf sah eine Gefängnis- oder sogar<br />

Zuchthausstrafe vor. Für den Fall, dass<br />

»der Täter dadurch die Lebenskraft des<br />

deutschen Volkes fortgesetzt beeinträchtigt<br />

(hat)«, wurde gar die Todesstrafe<br />

angedroht. Die Abtreibungsgesetzgebung<br />

der Nationalsozialisten war allerdings<br />

nicht auf den Lebensschutz ausgerichtet,<br />

sondern als Mittel zu Erlangung von<br />

eugenischen, rassistischen und bevölkerungspolitischen<br />

Ziele konzipiert.<br />

Aber auch nach Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges blieb die Abtreibungsgesetzgebung<br />

in den drei Westzonen diffus.<br />

Einheitlich war lediglich der Verzicht auf<br />

Strafe bei Abtreibungen nach medizinischer<br />

Indikation. Ansonsten galt in den<br />

meisten Bundesländern wieder der Paragraf<br />

218, so wie er vor der Schreckensherrschaft<br />

der Nazis bestanden hatte. In<br />

der Sowjetischen Besatzungszone wurde<br />

die Abtreibung sowohl nach medizinischer<br />

als auch kriminologischer Indikation straffrei<br />

gestellt. Die sächsischen, thüringischen<br />

und mecklenburgischen Gesetze<br />

gestatteten darüber hinaus eine Abtreibung<br />

nach sozialer Indikation. In den<br />

Westzonen spielte dagegen die kriminologische<br />

Indikation lange Zeit in der<br />

»Die Bilanz des Gesetzes ist ein<br />

trauriges Kapitel für unser Land.«<br />

Dorothea Dehn, KALEB e.V.<br />

ohnehin sehr ruhig gewordenen Diskussion<br />

praktisch keine Rolle <strong>–</strong> vorrangig,<br />

weil sie sich statistisch als irrelevant erwies.<br />

Erst gegen Ende der fünfziger und Anfang<br />

der sechziger Jahre rückte das Thema<br />

»Abtreibung« wieder stärker in das öffentliche<br />

Bewusstsein. Anlass war der<br />

Wunsch, die kriminologische Indikation<br />

in das Strafrecht der Bundesrepublik einzuführen.<br />

Nach knapp vierjähriger Debatte<br />

sprach sich die große Strafrechtskommission<br />

schließlich für eine solche<br />

Einführung aus.<br />

Unter dem Eindruck der 68er-<br />

Bewegung und verschiedener feministischer<br />

Organisationen wuchs gegen Ende<br />

der sechziger Jahre der Druck auf die<br />

Politik, den Paragrafen 218 zu ändern.<br />

Die Selbstbezichtigungskampagne 1971<br />

in der Illustrierten »Stern«, bei der 374<br />

Frauen öffentlich behaupteten eine (illegale)<br />

Abtreibung vorgenommen zu haben,<br />

sorgte für den Durchbruch. Initiiert wurde<br />

diese Kampagne allerdings nicht vom<br />

»Stern«, sondern von Angehörigen verschiedener<br />

Feministinnengruppen und<br />

Prominenten wie Alice Schwarzer. Die<br />

gab unlängst in einem Interview mit der<br />

»Weltwoche« zu, dass »einige« der 374<br />

Frauen und auch sie selbst, anders als auf<br />

dem »Stern«-Cover behauptet, nie abgetrieben<br />

haben. »Aber ich hätte es getan,<br />

wenn nötig« so Schwarzer, die die Kampagne<br />

heute als »politische Provokation«<br />

und nicht als »persönliches Bekenntnis«<br />

verstanden wissen will.<br />

Nahezu zeitgleich mit der sich nun in<br />

Westdeutschland verschärfenden Debatte<br />

wurde in der DDR 1972 eine Fristenre-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 5


TITEL<br />

gelung von zwölf Wochen verabschiedet.<br />

Und auch in Westdeutschland liefen die<br />

medienwirksamen Aktionen bis zur Verabschiedung<br />

des Gesetzes weiter <strong>–</strong> aus<br />

Sicht der Abtreibungsbefürworter mit<br />

Erfolg: Am 26. April 1974 beschloss der<br />

Deutsche Bundestag mit den Stimmen<br />

von SPD und FDP die Fristenregelung.<br />

Fast 200 Abgeordnete der Opposition<br />

und der CDU/CSU-regierten Bundesländer<br />

beantragten daraufhin beim Bundesverfassungsgericht<br />

ein Normenkontrollverfahren.<br />

Am 25. Februar 19<strong>75</strong><br />

entschied das höchste deutsche Gericht,<br />

dass die Fristenregelung verfassungswidrig<br />

sei. Fast ein Jahr später <strong>–</strong> am 12. Februar<br />

1976 <strong>–</strong> wurde stattdessen ein Indikationenentwurf<br />

der Koalitionsfraktionen verabschiedet,<br />

der eine sehr weit auslegbare<br />

Regelung und insgesamt vier verschiedene<br />

Indikationen vorsah.<br />

Im Einigungsvertrag von 1990 wurde<br />

der Gesetzgeber verpflichtet, spätestens<br />

bis Ende des Jahres 1992 eine Regelung<br />

zu treffen, die den Schutz vorgeburtlichen<br />

Lebens »besser gewährleistet, als dies in<br />

beiden Teilen Deutschlands derzeit der<br />

Fall ist«. So lange galt in den neuen Bundesländern<br />

die von der DDR 1972 verabschiedete<br />

Fristenregelung. Am 25. Juni<br />

1992 beschloss der Bundestag einen interfraktionellen<br />

Gruppenantrag, der im<br />

Kern eine Fristenregelung mit Beratungspflicht<br />

in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen<br />

vorsah. Gut zwei Wochen<br />

später <strong>–</strong> am 10. Juli <strong>–</strong> stimmte der Bundesrat<br />

dem so genannten »Schwangerenund<br />

Familienhilfeänderungsgesetz« zu.<br />

Aufgrund einer Normenkontrollklage<br />

stoppte das Bundesverfassungsgericht am<br />

4. August mit einer einstweiligen Anordnung<br />

das Inkrafttreten des Gesetzes. Im<br />

Mai 1993 erklärte der zweite Senat des<br />

Kein Mensch? Seit 1995 wurden in Deutschland geschätzte 2,5 Millionen Embryos abgetrieben.<br />

6<br />

Gerichts das Gesetz in wesentlichen Teilen<br />

für verfassungswidrig. Gut zwei Jahre<br />

dauerte es nun, bis das Parlament die<br />

geltenden gesetzlichen Regelungen verabschiedete:<br />

Am 29. Juni 1995 wurde die<br />

vorerst letzte Änderung am Paragrafen<br />

218 vorgenommen. Die bayrische Landesregierung<br />

scheiterte in Karlsruhe mit<br />

einem eigenen Gesetzesentwurf, der nur<br />

auf Landesebene gelten sollte.<br />

Seit der letzten Änderung des Paragrafen<br />

218 zählt Abtreibung zum Alltag von<br />

Kliniken und gynäkologischen Praxen.<br />

Während im einen Kreißsaal Kinder geboren<br />

werden, wird in dem nebenan<br />

gleichzeitig abgetrieben. Und das scheinbar<br />

ganz legal. Statt die Abtreibungszahlen<br />

durch das neue Gesetz zu reduzieren,<br />

stiegen sie in Relation zu den gebärfähigen<br />

Frauen deutlich an. Während sich nämlich<br />

die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter<br />

(15-45 Jahre) von 1996 bis 2003 um rund<br />

eine halbe Million verringert hat, stagnieren<br />

die offiziellen Abtreibungszahlen in<br />

Deutschland seit Jahren um die Marke<br />

von 130.000 (Vgl. <strong>LebensForum</strong> Nr. 72).<br />

Ein Umstand, der die Politiker eigentlich<br />

seit Jahren zum Handeln zwingen<br />

LIFE ISSUES INSTITUTE<br />

»Relativ gesehen haben die<br />

Abtreibungen zugenommen.«<br />

Hessens Wirtschaftsminister Alois Riehl (CDU)<br />

müsste. Doch weil nichts passiert, beklagen<br />

auch andere Lebensrechtsorganisationen<br />

noch ein Jahrzehnt nach der letzten<br />

Reform die geltende Abtreibungsgesetzgebung.<br />

»Die Bilanz des Gesetzes ist<br />

ein trauriges Kapitel für unser Land«, so<br />

die Vorsitzende der Lebensrechtsorganisation<br />

KALEB e.V., Dorothea Dehn. Die<br />

»Christdemokraten für das Leben«<br />

(CDL) halten die Reform des Paragrafen<br />

für eine »ethische und rechtliche Sackgasse«.<br />

»Die Wahrscheinlichkeit, dass<br />

eine Schwangerschaft mit Abtreibung<br />

endet, beträgt heute 10,6 Prozent«, rechnet<br />

deren Bundesvorsitzende Mechthild<br />

Löhr vor und fordert eine Verbesserung<br />

der sozialen und finanziellen Rahmenbedingungen<br />

für Eltern und Kinder. Walter<br />

Ramm, Vorsitzender der Organisation<br />

»Aktion Leben«, kritisierte den Paragrafen<br />

218 gar als Beschluss zur »Dezimierung<br />

des deutschen Volkes«.<br />

In den Reihen der Bundes- und Landespolitiker<br />

dominieren dagegen eher die<br />

leisen Töne: Die stellvertretende Vorsitzende<br />

der CDU/CSU-Bundestagsfraktion<br />

Maria Böhmer ließ <strong>LebensForum</strong><br />

wissen, dass man sich in der Union momentan<br />

»auf das Thema Spätabtreibungen<br />

konzentriert« und verwies dabei auf<br />

einen Antrag ihrer Fraktion aus dem<br />

letzten Jahr, der eine strengere Beratungsregelung<br />

für eine Abtreibung nach der<br />

22. Schwangerschaftswoche sowie eine<br />

Verbesserung der Rahmenbedingungen<br />

vorsah. »Wir haben viele Gespräche mit<br />

Rot-Grün geführt«, so Böhmer. Jedoch<br />

seien diese gescheitert, so dass der Antrag<br />

letztlich abgelehnt wurde. Ob sich die<br />

CDU/CSU-Fraktion im Falle eines<br />

Wahlsiegs bei einer eventuellen vorgezogenen<br />

Bundestagswahl für eine umfassende<br />

Überprüfung des Paragrafen 218 stark<br />

machen würde, müsse man »ausloten«.<br />

Bislang sei dies nicht diskutiert worden.<br />

Bei den Christdemokraten scheint man<br />

offenbar ängstlich darauf bedacht zu sein,<br />

die Thematik mit einem unbedachten<br />

Wort nicht neu aufzurollen. So wollte<br />

der neue Verkehrsminister in Nordrhein-<br />

Westfalen, Oliver Wittke (CDU), zu der<br />

Bilanz gegenüber <strong>LebensForum</strong> keine<br />

Stellungnahme abgeben. Und das, obwohl<br />

er als CDL-Mitglied eigentlich auch in<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


der Öffentlichkeit für den Lebensschutz<br />

eintreten sollte.<br />

Dass es auch anders geht, beweist sein<br />

Amtskollege aus Hessen. Wirtschaftsminister<br />

Alois Rhiel (CDU), ebenfalls Mitglied<br />

der christlich-demokratischen Lebensschutzinitiative,<br />

lässt keinen Zweifel<br />

daran, dass die vergangenen zehn Jahre<br />

seit der letzten Änderung des Paragrafen<br />

218 »keine Erfolgsbilanz für den Lebensschutz«<br />

seien. Er verwies darauf, dass<br />

zwar die »Zahl der jungen Männer und<br />

Frauen im Familiengründungsalter stetig<br />

gesunken ist«, die statistisch erfassten<br />

Abtreibungszahlen aber fast gleich hoch<br />

geblieben seien. »Relativ gesehen haben<br />

die Abtreibungen (...) zugenommen und<br />

nicht, wie in den neunziger Jahren erhofft,<br />

abgenommen«, so der ehemalige Fuldaer<br />

Oberbürgermeister.<br />

Rhiel forderte ein Umdenken der Politik:<br />

»Wir müssen es jungen Männern<br />

und Frauen erleichtern, ›Ja‹ zu sagen zu<br />

einem eigenen Kind, insbesondere in<br />

Konfliktlagen.« Dies gelinge aber nur<br />

mit einer finanziellen, strukturellen und<br />

emotionalen Entlastung. »Wir müssen<br />

Frauen jeden Alters, unabhängig davon,<br />

ob sie erwerbstätig sind oder nicht, ausdrücklich<br />

mehr Respekt und Wertschätzung<br />

für ihre Leistung und Verantwortung<br />

als Mütter entgegenbringen. Dies ist Teil<br />

einer anzustrebenden kinderfreundlichen<br />

›Kultur des Lebens‹«, so der überzeugte<br />

Katholik. Mit solch klaren Positionen<br />

»Das Gesetz ist eindeutig,<br />

eine Klarstellung unnötig.«<br />

Christa Nickels, Bündnis 90/Die Grünen<br />

scheint der Wirtschaftsminister jedoch<br />

eine Ausnahmeerscheinung in der politischen<br />

Szene zu sein. Die grüne Bundestagsabgeordnete<br />

Christa Nickels, die auf<br />

dem Feld der Embryonenforschung ganz<br />

ähnliche Positionen vertritt wie die Lebensrechtsbewegung,<br />

wollte sich zu der<br />

Zehn-Jahres-Bilanz ebenfalls nicht äußern.<br />

Allerdings wurde auch von ihrem Büro<br />

auf die Thematik der Spätabtreibungen<br />

verwiesen. Im Hinblick auf eine geforderte<br />

Änderung der medizinischen Indikationsregelung<br />

im Paragrafen 218 heißt es<br />

in einem Brief an verschiedene katholische<br />

Organisationen: »Das Gesetz ist hier<br />

eindeutig formuliert, eine Klarstellung<br />

des gesetzgeberischen Willens unnötig.«<br />

Während die CDU/CSU-Fraktion in<br />

ihrem Gesetzesentwurf eine Beratungspflicht<br />

vorschlug und für eine Bedenkzeit<br />

von mindestens drei Tagen plädierte,<br />

befürworteten die Grünen nur ein Beratungsangebot.<br />

Die Vorsitzende der Stiftung »Ja zum<br />

Leben«, Johanna Gräfin von Westphalen,<br />

nahm Anfang Juli den achten Geburtstag<br />

des »Tim« genannten Oldenburger Babys,<br />

das am 5. Juli seine eigene Abtreibung<br />

überlebte, zum Anlass, ein vollständiges<br />

Verbot von Spätabtreibungen zu fordern.<br />

250.000 gesammelte Unterschriften zeigten,<br />

dass die Bevölkerung hier einen dringenden<br />

Handlungsbedarf sehe. Verschiedene<br />

Fachleute gehen davon aus, dass<br />

bereits heute bis zu 95 Prozent aller Kinder,<br />

bei denen wie bei Tim das Down-<br />

Syndrom diagnostiziert werde, abgetrieben<br />

werden. Nicht selten auch erst kurz<br />

vor der Geburt. Doch nicht einmal in<br />

diesem Punkt gelangten die Fraktionen<br />

zu einem Konsens. Das zeigt klar und<br />

deutlich, wie tief die Gräben verlaufen.<br />

Wenn selbst in der Frage der Verminderung<br />

der Spätabtreibungen keine Einigkeit<br />

erzielt werden kann, dann wohl noch<br />

weniger, wenn es darum geht, die Abtreibungsproblematik<br />

als Gesamtes neu zu<br />

thematisieren.<br />

Einig sind sich die Politiker lediglich<br />

in der Forderung, die Rahmenbedingungen<br />

zu verändern. So hält es etwa Nickels<br />

für besonders wichtig, »dass wir uns verstärkt<br />

um Rahmenbedingungen bemühen<br />

müssen, die das Leben mit einem behinderten<br />

Kind ermöglichen und den Eltern<br />

die Entscheidung für das Kind erleichtern.«<br />

Nach Ansicht des CSU-Bundestagsabgeordneten<br />

Norbert Geis steht<br />

sowohl für seine Fraktion als auch für die<br />

SPD die Familie im Zentrum der Politik.<br />

1.050<br />

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Geburten und Sterbefälle<br />

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Geburten<br />

OHNE Abtreibung<br />

<strong>75</strong>0<br />

700<br />

Geburten<br />

1990<br />

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 7


TITEL<br />

Auffällig sei jedoch, so Geis, dass bei der<br />

SPD »die Ehe als bevorzugte Voraussetzung<br />

für die Familie keine Rolle mehr<br />

spielt«. In einem auf dem Bundesparteitag<br />

in Nürnberg verabschiedeten Leitantrag<br />

der Sozialdemokraten heißt es: »Ein<br />

modernes Familienverständnis respektiert<br />

die Vielfalt der Familienformen. Familien<br />

sind: Kinder und ihre verheirateten und<br />

unverheirateten Eltern, Kinder und ihre<br />

alleinerziehenden Mütter oder Väter,<br />

Kinder und ihre Adoptiv-, Stief- oder<br />

Pflegeeltern, Kinder mit Eltern binationaler<br />

und ausländischer Herkunft.« Bei<br />

einem solch diffusen und weitflächigen<br />

Familienbild scheint eine gezielte Verbesserung<br />

der Rahmenbedingungen schwierig.<br />

Doch die Regierungsparteien zeigen<br />

sich wenig einsichtig: Auf der Prioritätenliste<br />

steht der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen<br />

ganz oben, wenn es darum<br />

geht, familienpolitisch etwas zu verändern.<br />

Dass mit der Vorfahrt für Betreuung<br />

statt für Erziehung wirklich familienfreundliche<br />

Politik zu machen ist oder<br />

sich gar die Abtreibungen reduzieren<br />

lassen, darf bezweifelt werden. Doch auch<br />

wer die Hoffnung in Sachen Familienpolitik<br />

allzu sehr auf die Union setzt, wird<br />

möglicherweise enttäuscht werden: Denn<br />

selbst die Union, die sich gerne als »die<br />

Familienpartei« bezeichnet, ist in der<br />

Frage der Familienpolitik gespalten.<br />

Während konservative Politiker wie Geis<br />

Wert darauf legen, auch den Wunsch<br />

vieler Eltern(-teile) zu berücksichtigen,<br />

»Wir müssen bei Gesetzen<br />

einen Familien-TÜV einführen.«<br />

Bayerns Sozialministerin Christa Stewens (CSU)<br />

die ihre Kinder selbst erziehen wollen,<br />

forcieren eher liberalere CDU-Akteure<br />

wie die hessische Sozialministerin Silke<br />

Lautenschläger ebenfalls den Ausbau von<br />

Kinderhorten, -tagesstätten und Ganztagsschulen<br />

als wichtigstes familienpolitisches<br />

Instrument. Zudem scheint man<br />

sich auch in den Kreisen der Christdemokraten<br />

nicht darüber im Klaren zu sein,<br />

was eine geplante Mehrwertsteuererhöhung<br />

im Falle eines CDU-Wahlsiegs für<br />

die Familien bedeuten würde. Folgerichtig<br />

ist im Hinblick auf dieses Vorhaben<br />

die Kritik des stellvertretenden SPD-<br />

Fraktionsvorsitzenden Joachim Poß, der<br />

betonte, dass durch eine solche Erhöhung<br />

»in jedem Fall kinderreiche Familien, die<br />

ihren Konsum nicht einschränken<br />

8<br />

könnten«, belastet würden. Für Geis ist<br />

gerade die wirtschaftliche Benachteiligung<br />

der Familien ein Grund, dass in der Gesellschaft<br />

der Wunsch steigt, »das eigene<br />

Leben zumindest eine Zeit lang ohne<br />

familiäre Bindung zu gestalten.« Ungeplante<br />

oder gar ungewollte Schwangerschaften<br />

zu akzeptieren, wird so gesehen<br />

vielen sicher nicht leichter gemacht. Zwar<br />

will die Union im Falle einer Machtübernahme<br />

Familien steuerlich entlasten, doch<br />

ob diese Entlastung eine Erhöhung der<br />

Lebenshaltungskosten ausgleichen würde,<br />

ist noch unklar.<br />

Die bayerische Familienministerin<br />

Christa Stewens (CSU) sprach sich in<br />

einem Interview mit dem Deutschlandradio<br />

immerhin für einen »Familien-<br />

TÜV« aus. Bei allen Gesetzgebungen<br />

solle man diese vorher daraufhin abklopfen,<br />

ob sie familien- und kinderverträglich<br />

seien. Im Hinblick auf die geplante Mehrwertsteuererhöhung<br />

plädierte sie dafür,<br />

»wesentlich höhere Steuerfreibeträge«<br />

für die Familien einzuführen. Eine Politik,<br />

die den Familien erst das Geld auf der<br />

einen Seite wegnehme, um es ihnen dann<br />

auf der anderen Seite als Familienleistungsausgleich<br />

wiederzugeben, lehnt<br />

Stewens ab. Doch die Mutter von sechs<br />

Kindern scheint auch in den Unionsreihen<br />

mit ihrer Position eher eine Minderheit<br />

zu vertreten. Immer noch sieht es so aus,<br />

als ob Familienpolitik in den Parteien als<br />

nebensächlich betrachtet wird, denn als<br />

ein auch in wirtschaftlicher Hinsicht wichtiger<br />

Politikbereich.<br />

Ob eine Verbesserung der wirtschaftlichen<br />

Situation von Familien bereits<br />

ausreicht die Abtreibungen zu senken,<br />

darf bezweifelt werden. Aber wer fordert,<br />

zunächst müssten die Rahmenbedingungen<br />

verändert werden, müsste wenigstens<br />

hier konsequenten Gestaltungswillen an<br />

den Tag legen. Doch auch davon ist die<br />

Politik in Deutschland derzeit weit entfernt.<br />

Der Grund: Viel zu viele betrachten<br />

die vorgeburtliche Kindstötung längst<br />

insgeheim als ein selbstverständliches<br />

Recht. Dies wird selbst in der Sprache<br />

deutlich, die sich spätestens seit der Verabschiedung<br />

der letzten Gesetzesänderung<br />

1995 noch einmal gewandelt hat:<br />

So wird heute üblicherweise die Abtreibung<br />

als „Schwangerschaftsabbruch“ bezeichnet<br />

und die rechtswidrige Tötung<br />

eines Kindes kaschiert, in dem sie auf die<br />

Änderung des körperlichen Zustands der<br />

Frau reduziert wird. Ferner wird von im<br />

Mutterleib heranwachsenden Menschen<br />

als vom »werdenden Leben« gesprochen,<br />

einem ebenso abstrakten wie unsinnigen<br />

Sprachgebilde. Dazu hat nicht zuletzt die<br />

ARCHIV<br />

Finanzierung der Abtreibungen durch<br />

den Staat beigetragen. Da die Allgemeinheit<br />

nirgendwo sonst die bei der Durchführung<br />

eines Vergehens entstehenden<br />

Kosten übernimmt, wird Abtreibung heute<br />

von vielen als staatlich geförderte Methode<br />

zur Verhütung verstanden, denn<br />

als eine Vernichtung eines Menschen.<br />

Die Folge: Abtreibung ist heute die dritthäufigste<br />

Todesursache, auch wenn die<br />

offizielle Statistik dies nicht anerkennt.<br />

»Das Volk stirbt nicht auf der<br />

Straße, sondern im Mutterleib.«<br />

Jeden Tag werden in Deutschland mehr<br />

als doppelt so viele Kinder abgetrieben<br />

als in einem ganzen Jahr im Straßenverkehr<br />

umkommen. Unser Volk stirbt nicht<br />

auf der Straße, sondern im Mutterleib.<br />

Keine Frage, eine derart traurige Zehn-<br />

Jahres-Bilanz vermag zu deprimieren.<br />

Ein Grund zur Aufgabe ist sie aber nicht.<br />

Tag für Tag werden durch den selbstlosen<br />

Einsatz von Lebensrechtlern viele Menschenleben<br />

gerettet, entscheiden sich<br />

Frauen gegen die Tötung ihres Kindes,<br />

wandeln sich Abtreibungsbefürworter<br />

durch Aufklärung in -gegner, werden<br />

Menschen plötzlich nachdenklich. Grund<br />

genug also, sich trotz der ernüchternden<br />

Zahlen weiterhin ohne Unterlass für den<br />

Lebensschutz einzusetzen. Der Kampf<br />

für das Lebensrecht eines jeden ungeborenen<br />

Kindes muss weitergehen. Das sind<br />

wir den unschuldigen und wehrlosen<br />

Kindern schuldig.<br />

IM PORTRAIT<br />

Tobias-Benjamin Ottmar<br />

Der Autor, Jahrgang 1985, studiert an<br />

der FH Gelsenkirchen Journalismus /<br />

Technik-Kommunikation. Neben dem<br />

Studium und der<br />

journalistischen<br />

Tätigkeit für verschiedene<br />

Zeitungen<br />

und <strong>Magazin</strong>e<br />

engagiert er sich in<br />

der »Jugend für das<br />

Leben«, der Jugendorganisation der<br />

Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>), den<br />

»Christdemokraten für das Leben« (CDL)<br />

und anderen Organisationen für das<br />

Lebensrecht.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


»Befruchtung ist Zufall«<br />

Harry Walter (76) gilt als Begründer der Politik-Beratung in Deutschland. Als Wahlkampfmanager<br />

von Willy Brandt, Helmut Schmidt, Johannes Rau und anderen hat er jahrzehntelang erheblichen<br />

Einfluss auf Vermarktung und Gestaltung von Politik besessen. Was kaum einer weiß: Walter managte<br />

Anfang der 70er Jahre auch die so genannte »Pro-218-Kampagne«. Für <strong>LebensForum</strong> sprach Tobias-<br />

B. Ottmar mit ihm über die Hintergründe dieser Kampagne, ethische Bedenken und darüber, was er<br />

heute über Abtreibung denkt.<br />

<strong>LebensForum</strong>: Sie gelten als der Organisator<br />

der Pro-218-Kampagne. Was waren die Gründe für<br />

diese Aktion?<br />

Walter: Wir waren damals in einer<br />

Situation, in der eine soziale Ungerechtigkeit<br />

vorherrschte. Schwangere Mädchen,<br />

die sich eine Fahrt in die Niederlande<br />

zu einer Abtreibungsklinik nicht<br />

leisten konnten, mussten in Hinterhofkliniken<br />

abtreiben. Das bedeutete oft eine<br />

große Gefahr für Leib und Leben. Einige<br />

Sozialdemokraten traten nach der Veröffentlichung<br />

der Stern-Titelgeschichte:<br />

»Ich habe abgetrieben« an mich heran,<br />

weil sie diese soziale Ungerechtigkeit<br />

beseitigen wollten.<br />

Wie groß war Ihre persönliche Motivation?<br />

ARCHIV<br />

Zuerst haben wir uns darüber informiert,<br />

wie viele schwangere Frauen in<br />

einer sozialen Notlage waren. Wir bekamen<br />

Zahlen von rund 500.000 genannt,<br />

obwohl dies sicher eine willkürliche Zahl<br />

war. Dann fanden wir Leute, die bestimmte<br />

Zielgruppen ansprechen sollten: Eine<br />

Hebamme wies öffentlich auf das Problem<br />

der illegalen Abtreibungen hin, die oft<br />

zur Unfruchtbarkeit führten. Sie bezeichnete<br />

diesen Umstand als »Zerstörung von<br />

Volkstum«. Eine Gewerkschaftsfrau mit<br />

drei Kindern, die selber nie abgetrieben<br />

hätte, setzte sich auch dafür ein und forderte:<br />

»Man sollte endlich eine vernünftige<br />

Regelung finden!« Schließlich fanden<br />

wir einen Pfarrer der öffentlich sagte,<br />

Welche Reaktionen bekamen Sie für Ihre Kampagne<br />

aus den eigenen Reihen?<br />

Für mich war die Kampagne eine Herzensangelegenheit.<br />

Wir lebten in einer<br />

Zeit, in der Kondome und Pille selten<br />

benutzt wurden. Junge Mädchen waren<br />

gefährdet. Ich empfand es als Sauerei,<br />

dass Geld in diesem Punkt entscheiden<br />

sollte. Der Stern-Artikel war somit ein<br />

guter Aufhänger für uns. So haben wir<br />

die Pro-218-Kampagne gestartet.<br />

Wie sind Sie vorgegangen?<br />

Harry Walter: »Ich muss zugeben, dass ich nicht konsequent bin. Aber man kann nicht immer konsequent sein.«<br />

dass er im Grunde immer gegen Abtreibung<br />

gewesen sei, doch die erschreckenden<br />

Zahlen hätten ihn nachdenklich gemacht.<br />

Inwieweit haben Sie dabei mit organisierten<br />

Feministinnen wie Alice Schwarzer und anderen<br />

zusammengearbeitet?<br />

Ich habe überhaupt nicht mit anderen<br />

Gruppen zusammengearbeitet. Mit der<br />

Person Alice Schwarzer habe ich heute<br />

noch Probleme. Sie redet mir zu viel von<br />

Emanzipation. Echte emanzipierte Frauen<br />

haben es gar nicht nötig darüber zu reden.<br />

Mir kam und kommt es so vor, dass Menschen<br />

wie Schwarzer eher gegen sich<br />

selbst kämpfen als gegen die generelle<br />

Ungleichbehandlung.<br />

Es gab einige Sozialdemokraten die<br />

dagegen waren wie zum Beispiel Willy<br />

Brandt, Dr. Jochen Vogel, Herbert Wehner,<br />

Erhard Eppler und andere. Willy<br />

Brandt, der selbst als uneheliches Kind<br />

zur Welt kam, meinte, dass es ihn bei<br />

einer solchen Abtreibungsregelung, wie<br />

wir sie forderten, »vielleicht gar nicht<br />

gegeben« hätte. Aber trotz der vielen<br />

Gegner habe ich weitergemacht und mir<br />

Prominente gesucht, die mich dabei unterstützen<br />

wie etwa die Schauspieler Vivi<br />

Bach und Dietmar Schönherr sowie einige<br />

Ärzte.<br />

Woher hatten Sie das Geld für die Kampagne?<br />

Wir hatten nicht viel Geld für die<br />

Kampagne, umgerechnet etwa 800.000<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 9


TITEL<br />

Euro. Es war eine richtige Betteltour.<br />

Das Geld kam durch Spenden zusammen,<br />

die wir sammelten. Ich bin heute noch<br />

in vielen Fällen aktiv, ohne dass ich dabei<br />

in erster Linie auf die Höhe meines Honorars<br />

schaue.<br />

Die von Ihnen erwähnte Stern-Veröffentlichung<br />

sorgte selbst bei Abtreibungsbefürwortern<br />

teilweise für Empörung. Wie gingen Sie damit um?<br />

PR für Abtreibung: Die Stern-Story von 1971.<br />

Nach und nach kam mehr Sensibilität<br />

in die Kampagne. Wir wollten das moralische<br />

Gewissen der Menschen ansprechen.<br />

Es ist uns gelungen, dass das Thema<br />

ernsthaft diskutiert wurde.<br />

Die ganze Kampagne stand im Übrigen<br />

nicht alleine, viele Aktionen liefen<br />

außen rum. Unsere »Pro-218-Kampagne«<br />

stand im Kontext zu den Mottos<br />

»Mehr Demokratie wagen« und »Auf zu<br />

neuen Ufern.« Es ging darum, den alten<br />

Mief abzuladen.<br />

Sie haben unter anderem auch eine Kampagne<br />

gegen das Robbenschlachten gemacht. Ist es nicht<br />

grotesk, auf der einen Seite für Robben zu kämpfen<br />

und auf der anderen Seite eine Kampagne für<br />

Abtreibung zu managen?<br />

Von der Logik her haben Sie Recht.<br />

Aber es gibt doch einen Unterschied. Ich<br />

bin Jäger und schieße auch Tiere tot.<br />

Dafür gibt es rationelle Begründungen,<br />

zum Beispiel das kranke Wild auszumerzen.<br />

Dennoch habe ich eine Ehrfurcht<br />

vor Pflanzen, Tieren und Menschen. Ich<br />

kaufe heute keine Schnittblumen mehr.<br />

Abtreibung ist eine schizophrene Angelegenheit.<br />

Das Leben ist vielschichtiger.<br />

Ich muss zugeben, dass ich nicht konsequent<br />

bin. Aber man kann nicht immer<br />

konsequent sein.<br />

10<br />

GRUNER + JAHR<br />

Viele Frauen leiden heute unter dem Post-<br />

Abortion-Syndrom. Ist das nicht ein Argument<br />

gegen die Abtreibung?<br />

Ich weiß, dass es Frauen gibt, die nach<br />

einer Abtreibung psychische Probleme<br />

haben. Aber ich muss auch abwägen, wie<br />

viele Frauen in diese Situation kommen<br />

und wie viele aktuell in einer Notlage<br />

sind. Ich würde auch sofort eine Kampagne<br />

machen: »Treib nicht ab, sondern<br />

leg das Kind in die Klappe (Babyklappe,<br />

Anm. d. Red.).«, wenn ich wüsste, dass<br />

dies den Frauen helfen würde. In manchen<br />

Fällen würde ich klar von einer Abtreibung<br />

abraten. In anderen Fällen aber<br />

eben nicht.<br />

Die Abtreibung hat auch gravierende Folgen<br />

für unsere demografische Entwicklung. Müsste<br />

man angesichts dieses Befundes nicht die geltenden<br />

Regelungen heute selbst dann überprüfen<br />

und gegebenenfalls ändern, wenn man nicht die<br />

Ansicht teilt, dass Abtreibung gegen die Menschenwürde<br />

verstößt?<br />

Ich betrachte nicht die Abtreibung,<br />

sondern Pille und Kondome als die eigentlichen<br />

Probleme für die demografische<br />

Entwicklung. Diese Verhütungsmittel<br />

verhindern schließlich potentielles<br />

Leben.<br />

Aber eine Abtreibung tötet Leben...<br />

Das stimmt. Allerdings muss man bedenken,<br />

dass die Schwangerschaft für<br />

viele junge Mädchen eine Leidenszeit ist.<br />

Ich bin der Ansicht, dass eine Befruchtung<br />

ein Zufall von einer Milliarde möglichen<br />

Zufällen ist. Daher würde ich diesem<br />

Zufall nicht eine solche Bedeutung beimessen.<br />

Noch einmal zurück zur demografischen Schieflage:<br />

Wo sehen sie die Gründe für die schwierige<br />

demografische Situation?<br />

Ich suche die Schuld bei der Politik,<br />

schließlich haben andere Länder mehr<br />

Kinder. Viele Frauen wollen heute lieber<br />

Karriere machen als Kinder kriegen. Das<br />

finde ich schlecht. Geld ist nicht alles.<br />

Ich war damals mit weniger Geld nicht<br />

weniger glücklich als heute. Im Gegenteil:<br />

Heute habe ich mehr Probleme als früher.<br />

In Haiti, einem der ärmsten Länder<br />

der Welt, habe ich lachende Menschen<br />

gesehen. Bei uns herrscht dagegen Depression.<br />

Unser Problem ist unsere Lebenseinstellung:<br />

Es dominiert eine Geilheit<br />

auf immer mehr Vermögen und<br />

Wohlstand. Dadurch haben wir in den<br />

letzten Jahren ein ganzes Bündel von<br />

ARCHIV<br />

Werten verloren. Warum gestalten wir<br />

unser Leben nicht so, dass wir besser<br />

miteinander auskommen? Warum gönnen<br />

wir den anderen nicht, was sie haben?<br />

Ich glaube, dass all dies Faktoren sind,<br />

die unsere Situation negativ beeinflussen.<br />

Und ich bin wirklich unglücklich darüber,<br />

dass wir so viele alte Leute haben und so<br />

wenig Kinder.<br />

Eine letzte Frage: Würden Sie heute noch einmal<br />

eine Kampagne für eine weitere Liberalisierung<br />

der Abtreibungsgesetzgebung machen?<br />

Ich bin auf keinen Fall für eine weitere<br />

Liberalisierung. Von daher würde ich<br />

auch nicht eine solche Kampagne unterstützen.<br />

Vielen Dank für das Gespräch.<br />

IM PORTRAIT<br />

Harry Walter<br />

Harry Walter wurde am 20. März 1929<br />

in Berlin geboren. Bereits sein Vater<br />

Alfred Walter war im Werbebereich als<br />

Direktor der Berliner<br />

Verkehrs-Reklame<br />

tätig. Die Mutter<br />

Ella Scholz kam<br />

aus einer SPD-Familie,<br />

ihr Vater war<br />

für die Sozialdemokraten<br />

Bürgermeister in Berlin-Neukölln.<br />

Mit 16 Jahren wird Harry Walter<br />

selber SPD-Mitglied. Nach dem Krieg<br />

macht er im Verlag seines Onkels Arno<br />

Scholz beim »TELEGRAF« eine Ausbildung,<br />

an die sich ein einjähriges Volontariat<br />

bei der Zeitschrift »ILLUS« anschließt.<br />

In der nachfolgenden Zeit reist<br />

er als freier Journalist durch Deutschland<br />

und schreibt in erster Linie politische<br />

Reportagen. 1959 beendet er sein Studium<br />

an der Werbefachschule. Im gleichen<br />

Jahr wechselt er endgültig vom<br />

Journalismus in die PR-Branche, arbeitet<br />

zunächst als Fotograf, dann als Creativ-<br />

Direktor bei verschiedenen Agenturen<br />

in Düsseldorf. Ende der sechziger Jahre<br />

übernimmt Walter die SPD-Werbeagentur<br />

»Are«. Von da an managt er die Bundestagswahlkämpfe<br />

von Willy Brandt,<br />

Bruno Kreisky und Helmut Schmidt sowie<br />

alle Landtagswahlkämpfe von Johannes<br />

Rau in NRW. Bis in die Mitte<br />

der neunziger Jahre managt Walter über<br />

80 Wahlkampagnen auf allen Ebenen<br />

im In- und Ausland. Heute lebt er in<br />

Krefeld und auf einer Ranch in Kanada<br />

B.C.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


A USLAND<br />

Respekt vor<br />

dem Leben<br />

Mit John Roberts hat Präsident Bush einen Richter für den Supreme<br />

Court der USA nominiert, den Abtreibungsbefürworter fürchten<br />

und der Lebensrechtler hoffen lässt.<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

John Roberts mit Präsident George W. Bush.<br />

Lebensrechtler in den Vereinigten<br />

Staaten haben sich erfreut über<br />

die Nominierung des 50 Jahre<br />

alten Harvard-Absolventen John Roberts<br />

für das Oberste Gericht durch US-<br />

Präsident Georg W. Bush gezeigt. »Wir<br />

begrüßen, dass Präsident Bush sein Wort<br />

gehalten hat und einen Richter ernannt<br />

hat, der das Recht auf Leben respektiert«,<br />

kommentierte etwa die Pro-Life-Organisation<br />

»Operation Rescue« Bushs Entscheidung.<br />

Die Personalie gilt als außerordentlich<br />

wichtig, da die Mitglieder des<br />

neunköpfigen Richtergremiums auf Lebenszeit<br />

bestellt werden. Mit seinen<br />

Grundsatzurteilen prägt der Supreme<br />

Court das Leben der US-Amerikaner<br />

über Generationen.<br />

Die Nominierung Roberts für das<br />

höchste Gericht der Vereinigten Staaten<br />

ist die erste seit elf Jahren. Sie wurde<br />

nötig, weil die liberale Richterin Sandra<br />

Day O’Connor am 1. Juli überraschend<br />

ihren Rücktritt angekündigt hatte. Die<br />

<strong>75</strong>jährige hatte in den letzten Jahren bei<br />

knappen Entscheidungen des Supreme<br />

Courts mehrfach den Ausschlag gegeben,<br />

so etwa im Jahr 2000, als es um die Frage<br />

der Teilgeburtsabtreibung ging, bei der<br />

die noch von Präsident Reagan ernannte<br />

O’Connor im Sinne der Abtreibungsbefürworter<br />

entschied.<br />

Der Senat muss Bushs Nominierung<br />

allerdings bestätigen. Dass er Bushs<br />

Wunsch folgt, gilt unter Experten jedoch<br />

als wahrscheinlich. Nicht nur, weil die<br />

Republikaner im Senat über eine ausreichende<br />

Mehrheit verfügen, sondern auch<br />

weil Bush zuvor den »Ratschlag« wichtiger<br />

Demokraten eingeholt haben soll.<br />

Der praktizierende Katholik Roberts<br />

gilt als einer der angesehensten Juristen<br />

des Landes und sei trotz seiner Brillanz<br />

als bescheidener und bodenständiger<br />

Mensch, heißt es bei Republikanern und<br />

Demokraten gleichermaßen. Nach dem<br />

Studium war er zunächst Mitarbeiter des<br />

heutigen Vorsitzenden Richters am Obersten<br />

Gericht, William Rehnquist. Ronald<br />

Reagan machte Roberts zum stellvertretenden<br />

Leiter der Rechtsabteilung des<br />

Weißen Hauses. 1986 trat Roberts in die<br />

renommierte Kanzlei Hogan & Hartson<br />

ein, wo er Millionen verdiente. Von 39<br />

»Wir begrüßen, dass Präsident Bush einen Richter<br />

ernannt hat, der das Recht auf Leben respektiert«<br />

Die zurückgetretene Richterin O´Connor (links).<br />

Fällen, die er vor dem Obersten Gericht<br />

verfocht, gewann er 25. Vor zwei Jahren<br />

hatte Präsident Bush Roberts an das Appellationsgericht<br />

berufen. Bush begründete<br />

die neuerliche Wahl Roberts nun<br />

mit den Worten: »Sein Intellekt, seine<br />

durchdachten Urteile und sein Anstand<br />

werden bewundert.« So weit gehen die<br />

Demokraten in offiziellen Stellungsnahmen<br />

nicht. Der Chef der Demokraten<br />

im Senat, Harry Reid, bescheinigte Roberts<br />

jedoch bereits eine »angemessene<br />

juristische Eignung«. Nur der im Präsidentschaftswahlkampf<br />

unterlege John<br />

Kerry ließ verlauten, die Nominierung<br />

Roberts werfe »ernste Fragen« auf. Als<br />

Anwalt kritisierte Roberts in einem Prozess,<br />

bei dem er die US-<br />

Regierung gegen die Abtreibungsorganisation<br />

»Planned Parenthood«<br />

vertrat, die durch das 1973<br />

erfolgte Urteil »Roe vs.<br />

Wade« geschaffene Abtreibungsgesetzgebung.<br />

»Es wurde falsch entschieden<br />

und sollte überstimmt werden«,<br />

schrieb Roberts damals.<br />

Erst Ende Februar hatte das Oberste<br />

Gericht den von den beiden ehemaligen<br />

Abtreibungsbefürworterinnen Norma<br />

McCorvey und Sandra Cano eingereichten<br />

Einspruch gegen das Grundsatzurteil<br />

zur Freigabe der Abtreibung ohne weiteren<br />

Kommentar abgewiesen. Die 1973<br />

erfolgreichen Klägerinnen Norma Mc-<br />

Corvey alias »Jane Roe« und Sandra Cano<br />

hatten ihre neuerliche Klage mit »neuen<br />

Einsichten« über die Wirkung und Folgen<br />

von Abtreibungen begründet. Die radikalen<br />

Abtreibungsbefürworter der Organisation<br />

»naral« werteten Roberts Ernennung<br />

denn auch als Beginn des »Krieges<br />

um den Supreme Court«. »Wenn Roberts<br />

wirklich ernannt wird, dann gibt es keinen<br />

Zweifel, dass er daran arbeiten wird, das<br />

Abtreibungsurteil Roe vs. Wade aufzuheben.«<br />

Wann der Senat die Befragung Roberts<br />

in Angriff nehmen wird, ist noch nicht<br />

bekannt. Präsident Bush äußerte unterdessen<br />

die Erwartung, dass das Gericht<br />

zu Beginn der neuen Sitzungsperiode am<br />

3. Oktober in neuer Zusammensetzung<br />

zusammentreten kann. Hätte Bush Erfolg,<br />

würde John Roberts, der mit einer Juristin<br />

verheiratet und Vater von zwei Kindern<br />

ist, der 109. Richter am Supreme Court<br />

der Vereinigten Staaten von Amerika.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 11


EUROPA<br />

Eizellen: heiß begehrt<br />

Menschliches Erbgut ist in Gestalt von Ei- und Samenzellen zur internationalen<br />

Handelsware geworden. Vor allem Frauen aus Osteuropa drohen Opfer einer neuen<br />

»biotechnologischen Sklaverei« zu werden. Grund genug für die britische Pro-Life-<br />

Organisation »CORE«, sich auf einer Brüsseler Konferenz mit dem brisanten Thema<br />

»Eizellhandel und die Ausbeutung von Frauen« zu befassen.<br />

Von Assessor iur. Christian Poplutz<br />

REHDER MEDIENAGENTUR<br />

12<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


Menschliche Embryonen und<br />

Eizellen als Handelsware? Im<br />

Dezember 2004 schreckten<br />

dubiose Geschäfte zwischen Großbritannien<br />

und Rumänien die europäische<br />

Öffentlichkeit auf. Die von dem israelischen<br />

Mediziner Ilya Barr betriebene<br />

Bukarester »Global Art«-Klinik <strong>–</strong> sie<br />

gehört mit der ebenfalls in Bukarest ansässigen<br />

Klinik »Global Med Rom« zu<br />

Barrs »International Fertility Medical<br />

Center« mit Kunden in den USA, in<br />

Europa und Asien und einer Muttergesellschaft<br />

auf den Jungferninseln <strong>–</strong> hatte<br />

auf britische Bestellungen hin einen<br />

schwunghaften Handel mit Embryonen<br />

und Eizellen aufgebaut: Junge Rumäninnen<br />

ließen sich nach Medienberichten gegen<br />

einen vergleichsweise geringen Geldbetrag<br />

insgesamt ca. 3.000 Eizellen entnehmen,<br />

die dann mit tiefgefroren aus<br />

Großbritannien importiertem Sperma<br />

»Wenn man nichts sehen will,<br />

sieht man auch nichts.«<br />

Der EU-Abgeordneter Dr. Peter Liese (CDU)<br />

künstlich befruchtet wurden. Die so erzeugten<br />

mehr als 1.000 Embryonen wurden<br />

wiederum tiefgefroren und mit mutmaßlich<br />

erheblichem Gewinn an die<br />

Besteller im Vereinigten Königreich geliefert.<br />

Dieser Skandal rief das Europäische<br />

Parlament auf den Plan, das am 10.<br />

März <strong>2005</strong> eine Entschließung verabschiedete,<br />

in der es »jeglichen Handel<br />

mit menschlichen Körpern und Teilen<br />

davon« verurteilte und daran erinnerte,<br />

dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 12<br />

Abs. 1 der EU-Gewebe-Richtlinie<br />

2004/23/EG »danach zu streben haben,<br />

freiwillige und unentgeltliche Spenden<br />

von Geweben und Zellen sicherzustellen«.<br />

Weiterhin gab das Europäische Parlament<br />

seiner Auffassung Ausdruck, dass die Aktivitäten<br />

der »Global Art«-Klinik in Rumänien<br />

und ähnlicher Einrichtungen »als<br />

gewerbliche Tätigkeit betrachtet werden<br />

können und daher inakzeptabel sind«.<br />

Inzwischen schloss sich auch der Deutsche<br />

Bundestag in einer am 30. Juni <strong>2005</strong><br />

verabschiedeten Entschließung diesen<br />

Forderungen des Europäischen Parlaments<br />

an und verlangte gleichfalls ein<br />

Verbot des Handels mit Eizellen. Den<br />

weitergehenden anderen Forderungen<br />

des Europäischen Parlaments in seiner<br />

Resolution vom 10. März <strong>2005</strong> mochte<br />

sich der Bundestag indes nicht anschließen,<br />

weder der Forderung, die Entwicklung<br />

von Alternativen zur Vermeidung<br />

und Behandlung von Unfruchtbarkeit<br />

voranzutreiben noch den Forderungen<br />

nach einem Klonverbot und dem Ausschluss<br />

der Förderung von Forschung an<br />

menschlichen embryonalen Stammzellen<br />

aus dem 7. EU-Forschungsrahmenprogramm.<br />

Letzteres wollten die Koalitionsfraktionen<br />

im Deutschen<br />

Bundestag am Tag<br />

nach der Göttinger Rede<br />

von Bundeskanzler Gerhard<br />

Schröder wohl nicht mehr<br />

mittragen, weshalb sie am<br />

15. Juni in letzter Minute<br />

eine geänderte Vorlage in<br />

den federführenden Bundestags-Gesundheitsausschuss<br />

einbrachten, die dann<br />

auch vom Plenum gebilligt<br />

wurde.<br />

Dabei liegt der Zusammenhang<br />

zwischen Eizellhandel<br />

und Stammzellforschung<br />

auf der Hand: Eizellen<br />

sind der Rohstoff für<br />

die Technik des Klonens,<br />

deren Zulassung auch in<br />

Deutschland Gerhard<br />

Schröder in Göttingen das<br />

Wort geredet hatte. Die<br />

Frage sei erlaubt: Woher<br />

sollen die vielen Eizellen<br />

kommen, die für weitere<br />

Klonversuche benötigt<br />

werden? Diesen Zusammenhang<br />

sieht auch die<br />

Europaabgeordnete Hiltrud<br />

Breyer (Grüne), Mitinitiatorin<br />

der Entschließung des<br />

Europäischen Parlaments. Nach ihrer<br />

Meinung diene der aktuelle Konflikt um<br />

die EU-Finanzierung »verbrauchender«<br />

Embryonenforschung angesichts deren<br />

extrem geringen Anteils am Gesamtbetrag<br />

<strong>–</strong> für das 6. Forschungs-Rahmenprogramm<br />

bezifferte ihn der zuständige<br />

»Einer der größten Skandale<br />

des neuen Jahrtausends.«<br />

Die slowakische EU-Abgeordnete Anna Záborská<br />

Forschungskommissar Janez Potočnik<br />

auf 0,0002 Prozent <strong>–</strong> dazu, in allen Mitgliedstaaten<br />

die Tür zur Forschung an<br />

embryonalen Stammzellen zu öffnen. Ihr<br />

Kollege Peter Liese (EVP-ED) verweist<br />

auf das Versagen der britischen Behörde<br />

HFEA (Human Fertility and Embryology<br />

Authority), welche Schröder immer als<br />

ARCHIV<br />

Vorbild für Deutschland hinstelle: »Wenn<br />

man nichts sehen will, sieht man auch<br />

nichts«, kritisiert Liese die halbherzige<br />

Kontrollmission der HFEA nach Bukarest,<br />

wo ihre Abgesandten keine Unregelmäßigkeiten<br />

in der »Global Art«-Klinik<br />

entdecken konnten <strong>–</strong> ganz im Gegensatz<br />

zur BBC und zu anderen Medien, die<br />

Europaabgeordnete Hiltrud Breyer, Grüne<br />

nach zwei Tagen Recherche schon mehrere<br />

Frauen gefunden hatten, die Opfer<br />

der zweifelhaften Geschäfte geworden<br />

waren. Breyer nennt folglich auch das<br />

Misstrauen gegenüber der britischen Behörde<br />

HFEA als wichtigen Grund für<br />

den Erfolg der Resolution des Europäischen<br />

Parlaments, denn in dem »Global<br />

Art«-Skandal habe die HFEA versagt und<br />

den Import der Embryonen nach Großbritannien<br />

ausdrücklich gebilligt.<br />

Grund genug also für die britische<br />

Pro-Life-Organisation »Comment on<br />

Reproductive Ethics« (www.corethics.org),<br />

sich auf einer Konferenz im Europäischen<br />

Parlament in Brüssel mit dem überaus<br />

brisanten Thema »Eizellhandel und die<br />

Ausbeutung von Frauen« zu befassen.<br />

Etwa 60 Teilnehmer aus ganz Europa,<br />

darunter Vertreter von Frauen- und Pro-<br />

Life-Organisationen ebenso wie Angehörige<br />

der EU-Organe, kamen zu der Veranstaltung<br />

unter der Schirmherrschaft<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 13


EUROPA<br />

Europaabgeordneter Dr. Peter Liese, CDU<br />

von sieben Europaabgeordneten, darunter<br />

den Christdemokratinnen Anna Záborská<br />

(Slowakei) und Maria Martens (Belgien),<br />

der schwedischen Sozialistin Eva-Britt<br />

Svensson und der deutschen Grünen Hiltrud<br />

Breyer.<br />

Anna Záborská, Ärztin und Vorsitzende<br />

des Ausschusses für die Rechte der Frau<br />

und die Gleichstellung der Geschlechter<br />

des Europäischen Parlaments, ging auf<br />

der Brüsseler Tagung mit den an Eizellspende<br />

und Embryonenhandel beteiligten<br />

Fortpflanzungsmedizinern und Behörden<br />

hart ins Gericht. Die Entnahme von Eizellen<br />

junger Frauen nach hormoneller<br />

Stimulation sei »einer der größten Skandale<br />

zu Beginn des neuen Jahrtausends«,<br />

ja »biotechnologische Sklaverei«. Diese<br />

jungen Frauen seien vor Aufnahme eines<br />

Studiums oder einer Berufstätigkeit besonders<br />

anfällig für das Versprechen vermeintlich<br />

leicht verdienten Geldes. Dabei<br />

berge die Entnahme von Eizellen sowohl<br />

»Geschichte, geschrieben mit<br />

dem Blut von Frauen.«<br />

Eric Simons, britischer IVF-Mediziner<br />

die Gefahr einer vorzeitigen Menopause<br />

als auch ein erhöhtes Eierstock- und<br />

Brustkrebsrisiko in sich. Schließlich seien<br />

Eizellen keine sich erneuernden Zellen,<br />

14<br />

sondern in ihrer Anzahl schon in der<br />

vorgeburtlichen Entwicklungsphase festgelegt.<br />

Infolgedessen sei eine solche Behandlung<br />

eine »Verstümmelung« junger<br />

Frauen, die sie um Jahre ihrer natürlichen<br />

Fruchtbarkeit beraube. Ihre Ausführungen<br />

zu diesen Langzeitfolgen ergänzte<br />

der slowakische Gynäkologe Ivan Wallenfels:<br />

Bis zu einem Drittel der Frauen,<br />

die sich einer hormonellen Stimulation<br />

zur Gewinnung mehrerer Eizellen <strong>–</strong> sei<br />

ARCHIV<br />

es zu künstlicher Befruchtung,<br />

sei es für Forschungszwecke<br />

<strong>–</strong> unterzögen, werde<br />

von dem Ovariellen Hyperstimulationssyndrom<br />

(OHSS) betroffen. Besonders<br />

anfällig seien junge<br />

Frauen. Bei einer von hundert<br />

Frauen trete das Syndrom<br />

in seiner schwersten<br />

Form auf, woraus sich<br />

schwere Erkrankungen bis<br />

hin zum Tod durch multiples<br />

Organversagen ergäben.<br />

Ein dramatisches Zeugnis<br />

dieser <strong>–</strong> so der britische<br />

IVF-Mediziner Eric Simons<br />

<strong>–</strong> »Geschichte, geschrieben<br />

mit dem Blut von<br />

Frauen« gab die Irin Angela<br />

Hickey. Ihre Tochter Jacqueline<br />

Rushton war 2003<br />

an OHSS verstorben, nachdem<br />

sie sich wegen ihres<br />

Kinderwunsches einer IVF-<br />

Behandlung unterzogen<br />

hatte. Die Ärzte hatten sie<br />

STICHWORT<br />

Eizellen: heiß begehrt<br />

Mehr Informationen im Internet:<br />

Zur Brüsseler Tagung:<br />

www.corethics.org<br />

Zur »Global Art«-Klinik:<br />

www.global-ivf.com<br />

Die EP-Resolution vom 10.3.<strong>2005</strong>:<br />

www.europarl.eu.int<br />

Dokument Nr. P6_TA-PROV(<strong>2005</strong>)0074<br />

hormonell überstimuliert und ihr 33 Eizellen<br />

entnommen, aus denen fünf Embryonen<br />

erzeugt wurden. Durch die<br />

Überstimulation kam es bei ihr zur Ansammlung<br />

von Gewebeflüssigkeit in der<br />

Bauchhöhle, schließlich zu Hirnschäden<br />

und einem tödlichen Nierenversagen.<br />

Frau Hickey berichtete von ca. 100 Fällen<br />

von OHSS in nur einer Klinik in den<br />

letzten fünf Jahren. Erst in diesem Frühjahr<br />

war <strong>–</strong> von den Medien weitgehend<br />

ignoriert <strong>–</strong> erneut eine Frau in Großbritannien<br />

an den Folgen einer solchen Behandlung<br />

verstorben. Hierzu ergänzte<br />

die CORE-Vorsitzende Josephine Quintavalle,<br />

wegen der zunehmend bekannt<br />

werdenden Gefahren seien immer weniger<br />

Frauen in Großbritannien zur Eizellspende<br />

bereit <strong>–</strong> trotz großer Werbekampagnen<br />

und trotz der Tatsache, dass<br />

manche Fortpflanzungskliniken denjenigen<br />

Frauen Rabatt bei der Durchführung<br />

von IVF oder bei einer Sterilisation gewährten,<br />

die einen Teil ihrer durch Überstimulation<br />

gewonnenen Eizellen zu Forschungszwecken<br />

freigäben. Infolgedessen<br />

gingen die Kliniken, unterstützt von der<br />

Nationalbehörde HFEA, zu der eingangs<br />

geschilderten Form von internationalen<br />

Geschäften mit Eizellen und Embryonen<br />

über und bereiteten auf diese Weise einer<br />

neuen Form des Kolonialismus in Osteuropa<br />

den Weg.<br />

Details zu der extremen Ausbeutung<br />

junger Frauen durch Fortpflanzungskliniken<br />

schilderte der Bukarester Rechtsanwalt<br />

George Mãgureanu. Er vertritt<br />

gegenwärtig zwei Arbeiterinnen im Alter<br />

von 19 und 23 Jahren, denen für die<br />

Spende von zwanzig Eizellen in der<br />

»Global Art«-Klinik in Bukarest einmalig<br />

250 US-Dollar gezahlt worden seien,<br />

etwas mehr als zwei Monatsgehälter. Über<br />

»Einmalig 250 US-Dollar<br />

für 20 Eizellen gezahlt.«<br />

Georg Mãgureanu, Rechtsanwalt<br />

die Gewinnspanne der Klinik könne man<br />

angesichts der Preise von mehreren Tausend<br />

Euro für eine IVF-Behandlung mit<br />

gespendeten Eizellen in den Empfängerländern<br />

nur Mutmaßungen anstellen. Die<br />

ungenügende Aufklärung der beiden wenig<br />

gebildeten Frauen über die Risiken<br />

der Behandlung sowie die einseitigen<br />

Vertragsbedingungen, darunter das Verbot<br />

der Konsultation anderer Ärzte und<br />

der rumänischen Behörden wie auch der<br />

Ausschluss der Haftung der Klinik, verstießen<br />

gravierend gegen rumänisches<br />

Recht. Bezeichnend sei, dass die Frauen<br />

die Verträge erst unmittelbar nach dem<br />

Eingriff unterzeichnet hätten und kurz<br />

danach aus der Klinik entlassen worden<br />

seien, ohne dass man in der Folgezeit auf<br />

ihre Anrufe wegen der dann eintretenden<br />

Nebenwirkungen reagiert habe. Die Kli-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


nik sei mit privatem Wachpersonal gesichert<br />

und nur nach Anmeldung zu betreten<br />

gewesen. Eine der Frauen leide immer<br />

noch unter OHSS. Die Behandlung der<br />

jungen Frauen sei von der hierauf nicht<br />

spezialisierten rumänischen Ärztin Ioana<br />

Ghionescu vorgenommen worden, gegen<br />

»Südkorea: ›Freiwillige‹ Spenden<br />

von Doktorandinnen.«<br />

»Wer kümmert sich schon<br />

um Europäisches Recht?«<br />

Guido Pennings, belgischer Bioethiker<br />

die mittlerweile in einem Disziplinarverfahren<br />

ein einjähriges Berufsverbot verhängt<br />

worden sei <strong>–</strong> minimal angesichts<br />

der schwerwiegenden Rechtsverstöße.<br />

Großes Erstaunen erregte Mãgureanu<br />

mit seiner Feststellung, die »Global Art«-<br />

Klinik in Bukarest habe im Mai angesichts<br />

der negativen Berichterstattung von selbst<br />

»vorläufig« den Betrieb eingestellt; sie<br />

sei <strong>–</strong> anders als von rumänischer Seite<br />

bisher behauptet <strong>–</strong> nicht etwa von den<br />

Behörden zwangsweise geschlossen worden.<br />

Mãgureanu zufolge verläuft das<br />

staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren<br />

in den beiden von ihm vertretenen Fällen<br />

sehr schleppend. Auch sei es nahezu unmöglich,<br />

in Rumänien einen Gutachter<br />

zu finden, der die Folgeleiden der jungen<br />

Frauen beurteilen wolle. Dabei hätten<br />

sich nach einem Talkshow-Auftritt einer<br />

der beiden Frauen zahlreiche Frauen mit<br />

ähnlichen Erfahrungen beim rumänischen<br />

Fernsehen gemeldet. Die britische Soziologin<br />

Hilary Rose machte auf einen weiteren<br />

Aspekt der Ausbeutung von Frauen<br />

im Geflecht von Eizellspende und Stammzellforschung<br />

aufmerksam: Die Forscher<br />

bei den jüngsten Klon-Experimenten in<br />

Südkorea hätten auf »freiwillig« gespendete<br />

Eizellen von jungen Doktorandinnen<br />

des Teams zurückgegriffen, was von der<br />

Öffentlichkeit kaum registriert worden<br />

sei. Frau Quintavalle (CORE) ergänzte,<br />

in Großbritannien gehe der Trend dahin,<br />

alles unter einem Dach anzusiedeln: Manche<br />

IVF-Kliniken unterhielten zugleich<br />

eigene Stammzellforschungseinrichtungen<br />

und besäßen zusätzlich <strong>–</strong> etwa in<br />

Newcastle <strong>–</strong> eine Lizenz zum Klonen.<br />

Wegen des hohen Bedarfs an frischen<br />

Eizellen für Klon-Experimente führe dies<br />

zu Interessenkonflikten, zugleich tue sich<br />

ein gigantischer Wachtstumsmarkt auf.<br />

Dass die Interessenten an diesem<br />

Markt nicht kampflos das Feld räumen<br />

würden, wurde noch auf der Brüsseler<br />

Tagung selbst deutlich: Als Hiltrud Breyer<br />

(Grüne), Vorsitzende der interfraktionellen<br />

Arbeitsgruppe Bioethik im Europäischen<br />

Parlament, entsprechend der Resolution<br />

des Europäischen Parlaments<br />

vom 10. März <strong>2005</strong> die Einstellung der<br />

EU-Finanzierung embryonaler Stammzellforschung<br />

forderte, kam erbitterter<br />

Protest von drei belgischen Wissenschaftlern<br />

aus dem Publikum von der Universität<br />

Gent und der Katholischen Universität<br />

Löwen. Der Genter Bioethiker Guido<br />

Pennings, zugleich Koordinator der<br />

Arbeitsgruppe Ethik und Recht bei der<br />

Europäischen Gesellschaft für Fortpflanzungsmedizin<br />

und Embryologie<br />

(ESHRE), warf ihr vor, sich mit ihren<br />

moralischen Ansprüchen hinter dem<br />

Recht zu verstecken. Er plädierte für eine<br />

in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche<br />

Zulässigkeit von Eizellspenden,<br />

Embryonenhandel, Stammzellforschung<br />

und Klonen. Pennings hatte erst<br />

Mitte Juni auf der ESHRE-Jahreskonferenz<br />

in Kopenhagen die Zulassung<br />

grenzüberschreitenden »Reproduktionstourismus«<br />

gefordert als »Sicherheitsventil«<br />

zur Bewahrung »friedlicher<br />

Koexistenz« unterschiedlicher Moralvorstellungen<br />

in Europa. Breyers Hinweis<br />

auf die am 7. April 2006 verbindlich in<br />

Kraft tretende EU-Gewebe-Richtlinie<br />

quittierte Pennings mit dem Ausruf »Wer<br />

kümmert sich schon um europäisches<br />

Recht?« Harte Auseinandersetzungen<br />

stehen Europa also bevor, zumal sich die<br />

zuständigen EU-Kommissare für Forschung<br />

und Gesundheit, der Slowene<br />

Janez Potočnik und der Zyprer Markos<br />

Kyprianou, bisher beharrlich weigern,<br />

eine eindeutige Position zur Eizellspende<br />

und zum Embryonenhandel zu beziehen.<br />

IM PORTRAIT<br />

Assessor iur. Christian Poplutz<br />

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter<br />

am Lehrstuhl<br />

für Völkerrecht der<br />

Universität Würzburg<br />

und schreibt<br />

daneben als freier<br />

Journalist über Bioethik<br />

und Rechtspolitik,<br />

u.a. für »Die Tagespost« und die<br />

»Frankfurter Allgemeine Zeitung«.<br />

KURZ & BÜNDIG<br />

Eizellen sind ein rares Gut<br />

Belgische Forscher haben menschliche Embryonen<br />

aus Eizellen geklont, die außerhalb<br />

des Körpers im Labor gereift sind. Das berichteten<br />

Wissenschaftler des Universitätsklinikums<br />

Gent auf einer Expertentagung in Kopenhagen.<br />

Bislang werden für das Klonen von<br />

Embryonen gespendete reife Eizellen genutzt,<br />

die jedoch schwer zu bekommen sind. »Der<br />

Zugang zu menschlichen Eizellen ist eines der<br />

großen Hindernisse für die Forschungen zum<br />

therapeutischen Klonen«, begründeten die<br />

Forscher die Experimente. »Wir sehen unsere<br />

Ergebnisse deshalb als wichtig an, weil sie<br />

biologisches Material leichter zugänglich<br />

machen.« Dem belgischen Forscherteam zufolge<br />

können unreife Eizellen, die für Fruchtbarkeitsbehandlungen<br />

nicht brauchbar sind,<br />

im Labor reifen und dann als Embryonen der<br />

Stammzellenforschung dienen. In den Laborversuchen<br />

der Forscher hätten sich die menschlichen<br />

Embryonen allerdings bisher nur bis zu<br />

einem Stadium von acht bis 16 Zellen entwickelt.<br />

Eine Entnahme von Stammzellen ist in<br />

diesem Stadium noch nicht möglich. reh<br />

Briten erforschen Keimzellenzucht<br />

Wissenschaftlern der University Sheffield ist<br />

es gelungen, der Schaffung von menschlichen<br />

Eizellen und Sperma aus Stammzellen einen<br />

Schritt näher zu kommen. Berichten zufolge<br />

analysierten die Wissenschaftler die Stammzellen<br />

von Embryos und wiesen nach, dass<br />

einige begannen, sich in Eizellen oder Sperma<br />

zu verwandeln und die genetische Signatur<br />

von primordialen Keimzellen entwickelten.<br />

Bei diesen Zellen handelt es sich um die<br />

Vorläufer von Eizellen und Sperma. Die Herausforderung<br />

sehen die Forscher jetzt darin,<br />

jene Zellen auszuwählen, die sich zu primordialen<br />

Keimzellen entwickeln. In einem weiteren<br />

Schritt sei dann zu erforschen, wie sie<br />

dazu angeregt werden können, sich in reife<br />

Eizellen und reifes Sperma zu entwickeln. reh<br />

Urteil: IVF nur begrenzt absetzbar<br />

Wer sich zum Zweck der Empfängnisverhütung<br />

sterilisieren lässt, kann die Kosten einer künstlichen<br />

Befruchtung später nicht steuerlich<br />

geltend machen. Das entschied der Bundesfinanzhof<br />

(BFH) in München (Az: III R 68/03).<br />

Künstliche Befruchtung nach einer freiwilligen,<br />

nicht medizinisch begründeten Sterilisation<br />

sei »keine krankheitsbedingte Heilbehandlung«,<br />

heißt es in der Begründung. Die Sterilisation<br />

wie auch die spätere Entscheidung<br />

für ein Kind gehörten vielmehr »zur frei gestaltbaren<br />

Lebensführung«. Die Kosten seien daher<br />

»vom Steuerpflichtigen selbst zu tragen und dürfen<br />

die Einkommensteuer nicht mindern«. reh<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 15


MEDIZIN<br />

REHDER MEDIENAGENTUR<br />

Die Zukunft gehört<br />

adulten Stammzellen<br />

Immer wieder fordern Wissenschaftler und Politiker, wie zuletzt Bundeskanzler Gerhard Schröder,<br />

in Deutschland die uneingeschränkte Forschung mit embryonalen Stammzellen zuzulassen. Dabei<br />

verschließen sie die Augen vor der ethisch unbedenklichen Alternative, der Forschung mit adulten<br />

Stammzellen: Zu Unrecht, wie der folgende Beitrag zeigt.<br />

Von Matthias Lochner<br />

Wir dürfen uns in der Bio- und<br />

Gentechnik nicht vom<br />

Fortschritt in der internationalen<br />

Forschung abkoppeln«, plädierte<br />

Bundeskanzler Gerhard Schröder kürzlich<br />

anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde<br />

der Georg-August-Universität<br />

Göttingen zum wiederholten Male für<br />

eine Lockerung des geltenden Embryonenschutzgesetzes.<br />

Solange das medizinische<br />

Potenzial der Stammzellenforschung<br />

16<br />

nicht ausgelotet sei und die Chance bestehe,<br />

Leiden zu lindern und bislang<br />

unheilbare Krankheiten bekämpfen zu<br />

können, gelte es diese zu nutzen, so Schröder.<br />

Dabei ließ der Kanzler erneut keinen<br />

Zweifel daran, dass er den geltenden<br />

Embryonenschutz als störend empfindet<br />

und die Möglichkeit des Imports embryonaler<br />

Stammzellen, die vor dem im<br />

Stammzellgesetz festgeschriebenen Stichtag<br />

etabliert wurden, für nicht ausreichend<br />

hält. »Mit dem Stammzellengesetz aus<br />

dem Jahr 2002 haben wir uns in Deutschland<br />

im europäischen und internationalen<br />

Vergleich auf die Seite der restriktiven<br />

Länder gestellt«, kritisierte der Kanzler<br />

das damals mit deutlicher Mehrheit im<br />

Bundestag verabschiedete Gesetz. Er sei<br />

davon überzeugt, dass Deutschland sich<br />

besonders im Lichte neuer Erkenntnisse,<br />

der Tendenz zu einer Liberalisierung der<br />

Forschung mit embryonalen Stammzellen<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


auf Dauer nicht entziehen könnte und<br />

fügte hinzu: »Wir wollen in Deutschland<br />

eine neue Kultur der Wissenschaft etablieren.<br />

Eine Kultur der Freiheit. Eine<br />

Kultur der Forschung ohne Fesseln, aber<br />

nicht ohne Grenzen.«<br />

Während Schröders Rede bei Politikern<br />

der Union, der SPD, den Grünen<br />

und der PDS sowie bei den Kirchen auf<br />

vehemente Ablehnung stieß, bewerteten<br />

die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

(DFG) und die FDP die darin enthaltenden<br />

Forderungen positiv.<br />

So sagte etwa DFG-Präsident Ernst-<br />

Ludwig Winnacker: »Die vor dem Stichtag<br />

1. Januar 2002 gewonnenen Stammzelllinien<br />

sind veraltet und verunreinigt.<br />

Wir geben bei der Arbeit mit diesen Linien<br />

gutes Steuergeld für veraltete Ausgangsmaterialien<br />

aus.« Wie Schröder<br />

forderte auch Winnacker eine Änderung<br />

des Stammzellgesetzes, um auch nach<br />

dem 1. Januar 2002 gewonnene Stammzelllinien<br />

nach Deutschland importieren<br />

zu dürfen. Abgeschafft werden müsse<br />

ferner die Strafbewehrung für deutsche<br />

Wissenschaftler, die in diesem Bereich<br />

arbeiten, da »sie ungerechtfertigterweise<br />

stigmatisiert und wissenschaftlichen<br />

Nachwuchs abschreckt«, so der DFG-<br />

Präsident weiter.<br />

Von den politischen Parteien stellte<br />

sich einzig die FDP geschlossen hinter<br />

Schröders Forderungen. So gab der FDP-<br />

Vorsitzende Guido Westerwelle in einem<br />

Interview mit der »Rheinischen Post« zu<br />

Protokoll: »Es ist besser, wir stellen die<br />

modernsten Medikamente her, als dass<br />

wir sie in fünf bis zehn Jahren teuer im<br />

Ausland einkaufen.« Nicht diejenigen,<br />

die gegen die Stammzellforschung angingen,<br />

hätten die Moral auf ihrer Seite,<br />

»Schröder fordert Embryonen für<br />

Forschungszwecke zu töten.«<br />

Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU)<br />

»sondern jene, die die Chancen nutzen<br />

wollen, Krankheiten besser zu bekämpfen«,<br />

behauptete Westerwelle. Die<br />

forschungspolitische Sprecherin der FDP-<br />

Bundestagsfraktion, Ulrike Flach, erinnerte<br />

daran, dass ihre Fraktion schon<br />

einen Gesetzesentwurf zur Lockerung<br />

des Stammzellimportgesetzes eingebracht<br />

habe und warf Schröder vor, dass er zwar<br />

immer wieder seine Forschungsfreundlichkeit<br />

betone, aber keine Initiative ergreife.<br />

»Trotz der Appelle des Bundeskanzlers<br />

und des Wirtschaftsministers<br />

WWW.BUND.DE<br />

»Unendlich viele und schwerwiegende<br />

ethische Bedenken.«<br />

PDS-Geschäftsführer Rolf Kutzmutz<br />

Wolfgang Clement zur Lockerung der<br />

Gesetzgebung bei der Stammzellenforschung<br />

ist in der Sache nichts passiert,«<br />

kritisierte Flach.<br />

Die Grünen hingegen reagierten ablehnend<br />

auf die Göttinger Rede. In einer<br />

Pressemitteilung der Fraktionsvorsitzenden<br />

Katrin Göring-Eckardt und des stellvertretenden<br />

Fraktionsvorsitzenden Reinhard<br />

Loske heißt es: »Menschenwürde<br />

und Menschenrechte haben Vorrang vor<br />

Forschungs- und Verwertungsinteressen<br />

Dritter.« Menschliche Zellen und Gewebe<br />

seien keine Waren. Eine Forschung<br />

Wolfgang Clement, SPD<br />

die Frauen zu Eizellproduzentinnen und<br />

Embryonen zum Rohstoff degradiere, sei<br />

ethisch nicht zu verantworten. »Mit uns<br />

wird es einen Richtungswechsel in der<br />

Biopolitik deshalb nicht geben«, ließen<br />

Göring-Eckart und Loske stellvertretend<br />

für die Partei verlauten. Diejenigen, die<br />

nur einseitig den technischen Fortschritt<br />

priesen, nicht aber die Konsequenzen zu<br />

Ende denken würden, machten es sich<br />

sehr einfach. »Vage Hoffnungen auf Fortschritte<br />

in der medizinischen Forschung<br />

dürfen nicht dazu führen, ethische Standards<br />

über Bord zu werfen und menschliches<br />

Leben zur Verfügungsmasse zu<br />

machen«, so die Grünen-Politiker weiter.<br />

»Embryonen enthalten alle genetischen<br />

Voraussetzungen, sich als Menschen<br />

zu entwickeln. Wer sie zu ›therapeutischen‹<br />

Zwecken ›nutzen‹ will, muss sie<br />

töten«, brachte der Bundesgeschäftsführers<br />

der PDS, Rolf Kutzmutz, die Sache<br />

auf den Punkt. Der Kanzler wisse so gut<br />

WWW.CDU-NRW.DE<br />

wie jeder, dass es nicht einen einzigen<br />

Beweis für die Wirksamkeit embryonaler<br />

Stammzellen als Therapeutika gebe.<br />

»Dafür gibt es unendlich viele und schwerwiegende<br />

ethische Bedenken«, so Kutzmutz<br />

weiter. Die Menschenwürde müsse<br />

viel schwerer wiegen als unhaltbare Heilsversprechen.<br />

»Hände weg vom Embryonenschutzgesetz«,<br />

lautete denn seine<br />

abschließende Forderung.<br />

Auch aus der Union gab es Kritik: In<br />

einem Interview mit der »Welt am<br />

Sonntag« lehnte der Ministerpräsident<br />

Nordrhein-Westfalens und frühere<br />

Bundesforschungsminister, Jürgen<br />

Rüttgers, den Vorstoß des Bundeskanzlers<br />

ebenfalls strikt ab. »Schröder fordert,<br />

menschliches Leben als Material zu benutzen<br />

und Embryonen für Forschungszwecke<br />

zu töten. Mit diesem Menschenbild<br />

lässt der Kanzler nicht nur die<br />

gesamte sittliche Tradition des Abendlandes<br />

hinter sich, sondern verstößt auch<br />

Jürgen Rüttgers, CDU<br />

gegen den Geist der Menschenrechte«,<br />

kritisierte der CDU-Politiker. Ob die<br />

embryonale Stammzellforschung medizinischen<br />

Nutzen bringe, sei längst noch<br />

nicht bewiesen. »Wir wissen aber um die<br />

großartigen Chancen der Bio- und Gentechnik,<br />

und wir sind entschlossen, sie zu<br />

fördern <strong>–</strong> vor allem aber in Form der<br />

Forschung an erwachsenen Stammzellen«,<br />

so Rüttgers weiter.<br />

Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz,<br />

Hans Langendörfer, machte<br />

deutlich, dass der Verweis des Bundeskanzlers<br />

auf mögliche Chancen embryonaler<br />

Stammzellforschung nicht darüber<br />

hinweg täuschen dürfe, dass dabei unverfügbare<br />

Grundwerte auf dem Spiel stünden,<br />

die einer Abwägung nicht zugänglich<br />

seien. »Unantastbare Menschenwürde<br />

und Lebensrecht kommen jedem Embryo<br />

vom Zeitpunkt der Befruchtung an zu«,<br />

so der Jesuit. »Gerade die jüngsten Klonexperimente<br />

aus Südkorea sollten uns<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 17


MEDIZIN<br />

eine Warnung sein, dass mit der embryonalen<br />

Stammzellforschung Dämme gebrochen<br />

und Wege beschritten werden,<br />

die ethisch nicht zu vertreten und mit<br />

dem christlichen Menschenbild in keiner<br />

Weise zu vereinbaren sind«, mahnte Langendörfer.<br />

»Adulte Stammzellen können<br />

erfolgreich eingesetzt werden.«<br />

Univ.-Prof. Dr. Hannes Strasser, Innsbruck<br />

18<br />

WWW:FDP-FRAKTION.DE<br />

Doch nicht nur Politiker und die Kirchen,<br />

sondern auch zahlreiche Wissenschaftler<br />

stimmen darin überein, dass<br />

Schröders Forderungen sowohl aus ethischen<br />

als auch aus forschungspolitischen<br />

Gründen untragbar sind.<br />

Deutlich wurde dies beispielsweise auf<br />

dem Symposium »Heilmittel Embryo«,<br />

das im März dieses Jahres vom Wiener<br />

»Institut für medizinische Anthropologie<br />

und Bioethik« (IMABE) an der Universität<br />

Innsbruck veranstaltet wurde. So<br />

legte etwa der Innsbrucker Urologe Hannes<br />

Strasser in einem Vortrag dar, dass<br />

die Hoffnung auf die Verwendbarkeit<br />

adulter Stammzellen keine Illusion sei.<br />

»Adulte Stammzellen können nach dem<br />

derzeitigen Stand wissenschaftlicher Forschungen<br />

therapeutisch erfolgreich eingesetzt<br />

werden«, betonte Strasser. Der<br />

Direktor des Instituts für Zellbiologie an<br />

der Universität Bonn, Volker Herzog,<br />

forderte auf dem Symposium gar, die<br />

Embryonenforschung auf tierische Embryonen<br />

zu beschränken. Da die Diskussion<br />

über die Verwendung menschlicher<br />

Embryonen keineswegs abgeschlossen<br />

sei, sollte sich die Wissenschaft ihrer<br />

ursprünglichen Fragestellung und ihrer<br />

ethischen Selbstbeschränkung besinnen.<br />

»Der Erkenntnisgewinn und damit die<br />

kulturelle Bedeutung für die Gesellschaft<br />

bleiben damit unangetastet«, betonte<br />

Herzog.<br />

Strasser und Herzog sind keineswegs<br />

allein. »Von der embryonalen zur adulten<br />

Stammzellforschung« lautet der lesenswerte<br />

Beitrag des Mediziners Hans Edgar<br />

Reis, der in der Reihe »Mönchengladbacher<br />

Gespräche« der Katholischen<br />

Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle<br />

(KSZ) in Mönchengladbach erschienen<br />

ist. Darin liefert der ehemalige Chefarzt<br />

für Innere Medizin am Krankenhaus St.<br />

Franziskus in Mönchengladbach nicht<br />

nur eindeutige Definitionen der verschiedenen<br />

Stammzellarten und erläutert deren<br />

Gewinnung, sondern zeigt auch die ethischen<br />

Probleme der embryonalen Stammzellforschung<br />

auf, wertet Daten zur Anwendung<br />

von Stammzellen beim Menschen<br />

aus und nennt Perspektiven für die<br />

weitere Anwendung von Stammzellen.<br />

Ausführlich illustriert Reis dabei die<br />

vielen Vorteile, die adulte Stammzellen<br />

gegenüber den embryonalen Stammzellen<br />

besitzen. So ist laut Reis die Gewinnung<br />

adulter Stammzellen aus dem Knochenmark,<br />

dem peripheren Blut oder dem<br />

Fettgewebe zum Beispiel sehr viel einfacher<br />

möglich als die Gewinnung embryonaler<br />

Stammzellen aus Embryonen, die<br />

dabei getötet werden.<br />

Vor allem aber besäßen adulte Stammzellen<br />

anders als embryonale Stammzellen<br />

keine gravierenden Nebenwirkungen.<br />

»Während das Nebenwirkungsprofil der<br />

adulten Stammzellen in nahezu 40jähriger<br />

Guido Westerwelle, FDP<br />

Anwendung an tausenden von Patienten<br />

klar kalkulierbar und im autologen Ansatz<br />

[Stammzellspender und -empfänger sind<br />

identisch, Anm. d. A.] fast nicht existent<br />

ist, verbietet sich zurzeit aufgrund der<br />

Nebenwirkungen die Anwendung von<br />

embryonalen Stammzellen beim Menschen.«<br />

Dies betreffe besonders die Gefahr<br />

von Abstoßungsreaktionen sowie die<br />

Nebenwirkungen der notwendigen Immunsuppression<br />

[durch Medikation herbeigeführte<br />

Unterdrückung des körpereigenen<br />

Immunsystems, Anm. d. A.] sowie<br />

»Der Erkenntnisgewinn<br />

bleibt unangetastet.«<br />

Univ-Prof. Dr. Volker Herzog, Bonn<br />

WWW.GOERING-ECKARDT.DE<br />

Karin Goering-Eckardt, Bündnis 90 / Die Grünen<br />

die unkontrollierte Gewebebildungen in<br />

anderen Zielorganen (Tumorbildung).<br />

Reis zufolge hat die Anwendung adulter<br />

Stammzellen in der Kardiologie bei Herzinfarkten,<br />

chronischer Herzinsuffizienz<br />

und im Rahmen von Bypassoperationen<br />

in der kurzen Zeit seit 2001 die gefahrlose<br />

Anwendung, die von Knochenmarktransplantationen<br />

her erwartet werden konnte,<br />

bestätigt: »Im Hinblick auf die Anwendung<br />

beim Menschen« dokumentierten<br />

»die Daten der letzten fünf Jahre eindeutige<br />

Vorteile für die adulten Stammzellen«.<br />

Dafür sprechen auch gerade die jüngsten<br />

Forschungserfolge, die mit sämtlichen<br />

der lang gehegten Vorurteile gegenüber<br />

adulten Stammzellen brechen. So<br />

lieferte ein Team aus Wissenschaftlern<br />

der Universitäten Aachen, Würzburg und<br />

Heidelberg unlängst den Nachweis, dass<br />

sich adulte Stammzellen entgegen bisherigen<br />

Zweifeln offensichtlich doch zu<br />

Zellen eines anderen Gewebes umwandeln<br />

lassen. Den Forschern gelang es,<br />

neurale Stammzellen so umzuprogrammieren,<br />

dass sich aus ihnen Blutzellen<br />

entwickelten. Die Rheinisch-Westfälische<br />

Technische Hochschule Aachen (RWTH)<br />

teilte im Februar dieses Jahres mit, dass<br />

mit besonderen Substanzen die Chromatinstruktur<br />

von neuralen Stammzellen<br />

aus dem Gehirn so beeinflusst werden<br />

könnte, dass sich aus ihnen Blutzellen<br />

entwickelten.<br />

Nur einen Monat später wurden diese<br />

Ergebnisse von US-Forschern untermauertet,<br />

denen es gelang, Insulin aus neuralen<br />

Stammzellen zu gewinnen. Mit ihnen<br />

sollen einmal Patienten behandelt werden,<br />

die an Typ-1-Diabetes leiden, an<br />

dem bereits Kinder und Jugendliche erkranken.<br />

Im April dieses Jahres berichteten<br />

die Wissenschaftler im Online-<br />

Fachmagazin »Plos Medicine«, dass sich<br />

nach der Behandlung mit einem komplexen<br />

Chemiecocktail die adulten Stammzellen<br />

aus dem Hirngewebe zu einem<br />

Insulin produzierenden Zellhaufen entwickelten.<br />

Normalerweise entwickeln sich<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


Bundeskanzler Gerhard Schröder, SPD<br />

diese Stammzellen zu Nervengewebe.<br />

Die Forscher um Seung Kim von der<br />

Universität Stanford injizierten die umgepolten<br />

Zellen in die Leber von Mäusen<br />

ein, wo das neue Gewebe mit steigender<br />

Glukose-Konzentration Insulin ausschüttete.<br />

Allerdings reiche die Menge des<br />

produzierten Insulins noch nicht für die<br />

Behandlung von Diabetes-Patienten aus,<br />

so Kim.<br />

Lange waren Forscher davon ausgegangen,<br />

dass neurale Stammzellen nur<br />

das entsprechende Hirngewebe ausbilden<br />

könnten. Die Arbeit untermauere jedoch,<br />

dass das Potential der Stammzellen aus<br />

dem Gehirn weiter größer als bisher angenommen<br />

sei, erläuterte Kim.<br />

Die Frage ist nun, ob sich auch Stammzellen<br />

aus dem Knochenmark, die mittlerweile<br />

schon routinemäßig zur Transplantation<br />

eingesetzt werden, zu anderen<br />

Zelltypen wie etwa Nervenzellen umprogrammieren<br />

lassen. Solche Zellen könnten<br />

dann zur Therapie von Nervenkrankheiten<br />

eingesetzt werden.<br />

Die Chancen dafür scheinen prinzipiell<br />

nicht schlecht zu sein: So gelang japanischen<br />

Forschern unlängst ein wichtiger<br />

Schritt auf dem Weg zur Heilung von<br />

Leberschäden. Im Tierversuch fanden<br />

sie heraus, dass Stammzellen aus dem<br />

Knochenmark in die kranke Leber wandern<br />

und Schäden verringern. Die Forscher<br />

um Isao Sakaida von der Yamaguchi<br />

Universität in Westjapan veröffentlichten<br />

ihre Studie im Dezember 2004 im Fachmagazin<br />

»Hepatology«. Nun hoffen die<br />

Forscher, mit einer neuen Methode Leberschäden<br />

wie etwa Leberzirrhose aufhalten<br />

oder sogar rückgängig machen zu<br />

können. Die Leberzirrhose oder so genannte<br />

Schrumpfleber ist eine nicht rückgängig<br />

zu machende Leberschädigung,<br />

welche die Funktionsfähigkeit der Leber<br />

massiv einschränkt und teilweise zu lebensbedrohlichen<br />

Komplikationen führen<br />

WWW.BUNDESKANZLER.DE<br />

»Wissenschaftliche Daten sprechen<br />

eindeutig für adulte Stammzellen.«<br />

Chefarzt Prof. Dr. Hans E. Reis, Mönchengladbach<br />

kann. Im Versuch hatten die<br />

Forscher Mäusen mit Leberfibrose,<br />

einer Vorstufe<br />

der Leberzirrhose, Stammzellen<br />

aus dem eigenen<br />

Knochenmark injiziert.<br />

Diese Stammzellen machten<br />

sie durch einen Marker<br />

sichtbar, so dass sie deren<br />

Weg durch den Körper<br />

verfolgen konnten. Nach<br />

acht Wochen stellten die<br />

Wissenschaftler fest, dass<br />

der Großteil der Zellen in<br />

die geschädigte Leber gewandert<br />

und der Anteil des<br />

geschädigten Lebergewebes<br />

deutlich gesunken war. Offensichtlich<br />

hatten sich die injizierten Stammzellen<br />

in Leberzellen gewandelt und ein Enzym<br />

produziert, welches das geschädigte Gewebe<br />

auflöste. Sakaida und seine Kollegen<br />

sind der Auffassung, die Methode könne<br />

auch beim Menschen funktionieren.<br />

Ein anderes Problem stellte bisher die<br />

Vermehrung von adulten Stammzellen<br />

dar. Hier scheint Wissenschaftlern des<br />

Children’s Hospital Pittsburgh jedoch<br />

ein Durchbruch gelungen zu sein. Die<br />

Forscher haben entdeckt, dass adulte und<br />

Nabelschnurblutstammzellen dieselbe<br />

Fähigkeit zur Multiplikation wie embryonale<br />

Stammzellen haben. Die Ergebnisse<br />

der Studie veröffentlichten die Forscher<br />

Ende Juni im Fachmagazin »Molecular<br />

Biology of the Cell«.<br />

Studienleiter Johnny Huard erklärte<br />

dazu: »In der Forschung ging man davon<br />

aus, dass postnatale Stammzellen schneller<br />

altern und viel früher sterben als embryonale<br />

Stammzellen. Doch unsere Forschungsergebnisse<br />

beweisen, dass dies<br />

nicht der Fall ist«.<br />

Bestätigt wurden diese Ergebnisse<br />

durch Forscher des McKnight Brain Institutes<br />

in Gainesville/Florida, denen es<br />

gelang, unter kontrollierten Bedingungen<br />

adulte Stammzellen im Labor zu duplizieren.<br />

Sie gewannen unreife, neurale<br />

Stammzellen aus dem Gehirn von Mäusen<br />

und verwendeten Chemikalien, um deren<br />

Wachstum herbeizuführen. Die Ergebnisse<br />

ihrer Studie publizierten die Wissenschaftler<br />

um Bjorn Scheffel in der<br />

Juni-Ausgabe des Fachmagazins »Pro-<br />

STICHWORT<br />

Stammzellen<br />

Als Stammzelle wird eine unreife Zelle<br />

bezeichnet, deren Entwicklung noch<br />

nicht festgelegt ist und die sich unbegrenzt<br />

vermehren sowie zu verschiedenen<br />

Organzellen differenzieren kann.<br />

Als totipotent werden jene Zellen bezeichnet,<br />

die sich bis zum 8-Zell-Stadium<br />

des Embryos entwickelt haben. Sie können<br />

sich unter Umständen jeweils zu<br />

einem weiteren Individuum entwickeln.<br />

Nach dem 8-Zell-Stadium können aus<br />

der inneren Zellmasse, der so genannten<br />

Blastozyste (Embryo im Bläschenstadium),<br />

pluripotente Stammzellen gewonnen<br />

werden, wobei der Embryo getötet<br />

wird. Diese Stammzellen können<br />

sich in über 200 verschiedene Zelltypen<br />

wandeln. Lange ist die Forschung davon<br />

ausgegangen, dass adulte Stammzellen<br />

monopotent, also nur zur Regeneration<br />

ihres Organs fähig sind. In den letzten<br />

Jahren haben jedoch mehrere Forschungsgruppen<br />

bewiesen, dass adulte<br />

Stammzellen auch multipotent sind,<br />

also zu unterschiedlichen Zelltypen differenzieren<br />

können.<br />

Embryonale Stammzellen werden<br />

aus so genannten verwaisten Embryonen,<br />

die bei einer künstlichen Befruchtung<br />

übrig bleiben, aus fünf bis neun<br />

Wochen alten abgetriebenen oder fehlgeborenen<br />

Föten oder durch das Forschungsklonen,<br />

das euphemistisch auch<br />

therapeutisches Klonen genannt wird,<br />

gewonnen. Alle drei Verfahren sind in<br />

Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz<br />

verboten.<br />

Adulte Stammzellen sind zeitlebens<br />

im Körper vorhanden und erfüllen tagtäglich<br />

die Aufgabe der Organregeneration,<br />

zum Beispiel bei der Heilung von<br />

Hautverletzungen oder Knochenbrüchen.<br />

Sie konnten bisher in mehr als 20 Geweben<br />

und Organen des Menschen<br />

nachgewiesen werden.<br />

ARCHIV<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 19


MEDIZIN<br />

ceedings of the National Academy of<br />

Sciences«. Die Forscher erhoffen sich,<br />

dank des neuen Verfahrens einmal unbegrenzt<br />

Gehirnzellen produzieren zu können.<br />

Bisher haben sie die neue Technik<br />

allerdings nur bei Tierzellen angewandt.<br />

Laut Scheffel könne diese Technik beim<br />

Menschen möglicherweise einmal Krankheiten<br />

wie Parkinson und Epilepsie heilen.<br />

»Die Fähigkeit einen speziellen Zelltyp<br />

zu regenerieren und ihn wieder am richtigen<br />

Platz einzusetzen, wäre ein wesentlicher<br />

Forschungsdurchbruch bei der<br />

Behandlung von neural bedingten Erkrankungen«,<br />

so Scheffel.<br />

Die Ergebnisse der fünf Forschungsgruppen<br />

machen deutlich, dass die vielfach<br />

verbreitete Meinung, adulte Stammzellen<br />

würden sich unzureichend vermehren<br />

und hätten ein stark beschränktes Differenzierungspotential,<br />

unzutreffend ist.<br />

Auch die Liste der jetzt schon über 20<br />

Organe und Gewebe, in denen adulte<br />

Stammzellen nachgewiesen werden konnten,<br />

wird immer länger. Zuletzt fanden<br />

Forscher Stammzellen im Auge und im<br />

Haarfollikel, einem kleinem Sack nahe<br />

der Haarwurzel.<br />

Als Beispiel für einen bereits seit Jahren<br />

erfolgreichen Einsatz von adulten Stammzellen<br />

gilt vor allem die Behandlung von<br />

Leukämie. Die Heilungschance für einen<br />

von Blutkrebs befallenen Patienten liegen<br />

vor allem Dank der adulten Stammzellen<br />

heute bei etwa 60 Prozent. Seit knapp 25<br />

Jahren werden Leukämie-Patienten mit<br />

Blutstammzellen behandelt und können<br />

dadurch in vielen Fällen auf die weitaus<br />

»Adulte Stammzellen sind reiner,<br />

günstiger und ungefährlicher.«<br />

20<br />

schwierigere Knochenmarktransplantation<br />

verzichten. Auch die Erholungszeit<br />

der Patienten konnte mithilfe der Behandlung<br />

mit adulten Stammzellen von etwa<br />

einem Monat auf zwölf Tage verringert<br />

werden, wodurch sich auch das Risiko<br />

medizinischer Komplikationen deutlich<br />

vermindert hat. Für die Zukunft versprechen<br />

sich Mediziner sogar noch höhere<br />

Heilungschancen.<br />

Aufgrund der bisherigen Erfolge im<br />

Einsatz von adulten Stammzellen und<br />

den jüngsten Forschungsergebnissen,<br />

scheint es denn auch mehr als gerechtfertigt,<br />

wenn Reis in seinem Beitrag den<br />

adulten Stammzellen ein großes Potenzial<br />

zuspricht: »Bei neurologischen Erkrankungen<br />

wie dem Morbus Parkinson zeigen<br />

Einzelfälle, dass die adulte Stammzelltherapie<br />

Perspektiven eröffnet. Ebenso<br />

scheint das Problem der frühen Herzinfarkttherapie<br />

durch adulte Stammzellen,<br />

wie die Daten mittels menschlichem Nabelschnurblut<br />

im Tierversuch zeigen, so<br />

weit zu sein, dass in nächster Zeit die<br />

Behandlung mit Knochenmarks- bzw.<br />

peripheren Stammzellen bei Hirninfarkten<br />

ethisch gerechtfertigt in die klinischen<br />

Studien gehen kann«, glaubt Reis.<br />

Da der Mediziner davon ausgeht, dass<br />

mindestens 50 Prozent der Bevölkerung<br />

im Verlauf des Lebens<br />

aufgrund von Krankheiten<br />

zu potentiellen<br />

Stammzellempfängern<br />

werden, plädiert er dafür,<br />

dass jeder Mensch<br />

seine eigenen Nabelschnurstammzellen<br />

durch Kyrokonservierung<br />

erhalten solle.<br />

»Sie sind von der Multipotenz<br />

und des Alterns<br />

her am günstigsten,<br />

von der Kontaminationsgefahr<br />

mit<br />

Infektionserregern am<br />

reinsten und auch vom<br />

Gehalt an möglichen<br />

Spontanmutationen am<br />

ungefährdetsten«, so<br />

Reis. Würden die Nabelschnurstammzellen<br />

nicht eingefroren, sollten alternativ, »im<br />

jugendlichen Alter Knochenmark oder<br />

periphere Stammzellen« eingefroren werden,<br />

»also zu einem Zeitpunkt, an dem<br />

noch wenig Infektionen und Mutationen<br />

an den Stammzellen abgelaufen und auch<br />

der Alterungsprozess noch nicht fortgeschritten<br />

ist.« Blieben diese beiden Möglichkeiten<br />

ungenutzt, so könnten immer<br />

noch die aus dem Knochenmark oder<br />

peripheren Blut gewonnenen Stammzellen,<br />

falls noch ausreichend vorhanden,<br />

genützt werden, und zwar in jedem Alter.<br />

Die Forscher, die mit embryonalen<br />

Stammzellen hantieren, mögen angesichts<br />

des Umstands, dass für ihre Gewinnung<br />

menschliche Embryonen getötet werden,<br />

derzeit mehr Aufmerksamkeit auf sich<br />

ziehen können, als jene, welche nur fachlich<br />

und nicht auch medial spektakuläre<br />

Ergebnisse erzielen. Und so lange sich<br />

die embryonale Stammzellforschung noch<br />

in den Kinderschuhen befindet, geben<br />

sich Investoren möglicherweise mit dem<br />

Medienrummel, der die embryonale<br />

Stammzellforschung aufgrund des mit<br />

ihr verbundenen Tabubruchs begleitet,<br />

auch zufrieden.<br />

DANIEL RENNEN<br />

ARCHIV<br />

Forscht erfolgreich mit adulten Stammzellen: Die RWTH Aachen.<br />

Doch irgendwann wollen auch die<br />

Investoren handfeste Ergebnisse sehen.<br />

Wenn daher die adulte Stammzellforschung<br />

weiter solche Fortschritte macht<br />

wie bisher, werden sich auch die Investoren<br />

neu orientieren. Wenn nicht aus ethischen<br />

Gründen, so doch wenigstens um<br />

Schadensersatzklagen zu vermeiden, die<br />

angesichts der Nebenwirkungen von embryonalen<br />

Stammzellen bei einem klinischen<br />

Einsatz sicher nicht lange auf sich<br />

warten lassen würden.<br />

So resümiert Reis denn auch, »dass<br />

sich die adulten Stammzellen in der Therapie<br />

seit nahezu 40 Jahren in der Knochenmarktransplantation<br />

nebenwirkungsarm<br />

bis nebenwirkungsfrei etabliert haben«.<br />

In der Kardiologie, der Orthopädie<br />

und der Neurologie seien sie dabei, sich<br />

entsprechend zu etablieren. Zwar werde<br />

die embryonale Stammzelle zur Erforschung<br />

der Embryonalentwicklung und<br />

der Steuerungsmechanismen der Zelldifferenzierung<br />

wissenschaftlich weiterhin<br />

nötig sein, doch gehöre die Zukunft den<br />

adulten Stammzellen.<br />

IM PORTRAIT<br />

Matthias Lochner<br />

Der Autor, Jahrgang 1984, studiert<br />

Deutsch und Geschichte für das Lehramt<br />

an Gymnasien und<br />

Gesamtschulen an<br />

der Universität zu<br />

Köln. Er ist seit<br />

2001 Mitglied der<br />

<strong>ALfA</strong>. Als freier<br />

Journalist publiziert<br />

er regelmäßig auch im <strong>LebensForum</strong>.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


MITTEILUNGEN DES BUNDESVORSTANDS<br />

BDV künftig in Fulda<br />

Die Verlegung der Bundesdelegiertenversammlung von Königswinter<br />

nach Fulda stieß bei den Delegierten der <strong>ALfA</strong> überwiegend auf<br />

positive Resonanz.<br />

Vom 10. bis 12. Juni <strong>2005</strong> fand<br />

die ordentliche Bundesdelegiertenversammlung<br />

der <strong>ALfA</strong><br />

erstmalig in Fulda statt. Der Vorstand<br />

hatte sich aus vielen Gründen entschlossen,<br />

vom Tagungsort Königswinter abzuweichen.<br />

Einer der Gründe war, mit einem<br />

zentraleren Standort in Deutschland<br />

nicht nur den neu hinzu gekommenen<br />

Regionalverbänden aus den östlichen<br />

Bundesländern, sondern auch den im<br />

Norden und Süden der Republik sowie<br />

den geladenen Referenten die Anreise zu<br />

erleichtern. Zudem war geplant, durch<br />

verstärkte Werbung vor Ort auch Aussenstehende<br />

für die Arbeit der <strong>ALfA</strong> zu interessieren<br />

und ihre Anliegen einer größeren<br />

Öffentlichkeit zugänglich zu<br />

machen.<br />

Von Cornelia Kaminski<br />

DANIEL RENNEN<br />

Beides ist gelungen: weit mehr Delegierte<br />

als bei den letzten Delegiertenversammlungen<br />

waren angereist, der weitaus<br />

überwiegende Teil empfand die Erreichbarkeit<br />

des Tagungsort als gut. Die Auftaktveranstaltung<br />

am Freitagabend und<br />

auch der Vortrag von Dr. Zöller am Samstagmorgen<br />

waren sehr gut besucht, der<br />

Tagungsraum, welcher 160 Personen fasst,<br />

voll besetzt. Die für den Freitagabend<br />

anberaumte Pressekonferenz wurde von<br />

einigen Journalisten genutzt, bereits am<br />

nächsten Tag erschienen ausführliche<br />

Berichte über die Podiumsdiskussion, in<br />

deren Verlauf engagiert und informativ<br />

diskutiert worden war (siehe Bericht in<br />

dieser Ausgabe S. 21ff.).<br />

Die ebenfalls weit überwiegenden positiven<br />

Reaktionen auf das Tagungshaus<br />

in Fulda bestärken uns in dem Vorhaben,<br />

auch im nächsten Jahr die Bundesdelegiertenversammlung<br />

wieder in Fulda stattfinden<br />

zu lassen. Über Thema und Programm<br />

werden wir an dieser Stelle frühzeitig<br />

informieren.<br />

AUSSERORDENTLICHE WAHLEN<br />

Im Verlauf der BDV kam es zu Umbesetzungen<br />

im Vorstand der <strong>ALfA</strong>: Hubert<br />

Hüppe ist von seinem Amt als zweiter<br />

stellvertretender Vorsitzender zurückgetreten.<br />

In dieses Amt wurde Cornelia<br />

Kaminski (RV Fulda) gewählt, die bisher<br />

Schriftführerin war. Als neuer Schriftführer<br />

wurde Reinhold Eichinger gewählt,<br />

der den Mitgliedern der <strong>ALfA</strong> aus seiner<br />

Zeit als Bundesschatzmeister in bester<br />

Erinnerung sein dürfte. In den erweiterten<br />

Bundesvorstand rückten Michael Frisch<br />

(RV Trier), Margrit Ottmar (RV Darmstadt)<br />

und Frau Dr. Prokropp-Hippen<br />

(RV Münster) nach.<br />

NEUGESTALTUNG VON MEDIEN<br />

Nachdem sowohl das Lebenszeichen<br />

als auch das <strong>LebensForum</strong> in diesem Jahr<br />

neu gestaltet wurden, steht nun als letztes<br />

Informationsorgan der <strong>ALfA</strong> die Homepage<br />

zur Überarbeitung an. Die entsprechenden<br />

Entwürfe liegen vor und sollen<br />

nun zügig umgesetzt werden.<br />

AUFTRITT AUF DEM WELTJUGENDTAG<br />

Die letzte große Herausforderung für<br />

die <strong>ALfA</strong> stellt in diesem Jahr der Weltjugendtag<br />

dar. Der Vorstand hat in die<br />

Vorbereitung der <strong>ALfA</strong>-Präsenz bei diesem<br />

Ereignis viel Arbeit investiert. Wir<br />

hoffen sehr darauf, junge Menschen für<br />

unser Anliegen begeistern zu können und<br />

berichten darüber in der nächsten Ausgabe<br />

des <strong>LebensForum</strong>.<br />

ZAHLREICHE DELEGIERTE<br />

Tagungsort für die kommenden Bundesdelegiertenversammlungen<br />

der <strong>ALfA</strong>: Die gut zu erreichende<br />

Stadt Fulda.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 21


GESELLSCHAFT<br />

REHDER MEDIENAGENTUR<br />

»Heute ihr, morgen wir ?«<br />

Prominente Referenten und zahlreich erschienene Zuhörer sorgten dafür, dass der 1. Lebensrechtkongress<br />

der »Aktion Lebensrecht für Alle« in Fulda ein Erfolg wurde. Thematisch ging es um den Schutz des<br />

Lebens am Anfang und am Ende.<br />

Von Cornelia Kaminski<br />

Herr Zöller, ich frage Sie jetzt<br />

mal ganz direkt: Warum soll<br />

ich als Lebensschützer die<br />

CDU wählen? Was wird Ihre Partei besser<br />

machen als Rot-Grün?« Mit dieser Frage<br />

hatte ein Diskussionsteilnehmer das Anliegen<br />

vieler <strong>ALfA</strong>-Mitglieder im Anschluss<br />

an den Vortrag von Wolfgang<br />

Zöller, der vor über hundert Zuhörern<br />

engagiert und pointiert vorgetragen wurde,<br />

auf den Punkt gebracht. Der gesundheitspolitische<br />

Sprecher der CDU/CSU-<br />

Fraktion im Bundestag war um eine Antwort<br />

nicht verlegen. Selbst <strong>ALfA</strong>-Mitglied<br />

und überzeugter Füßchenträger <strong>–</strong> mittlerweile<br />

prangt ein Exemplar an jedem<br />

22<br />

seiner Jackets, weil dies das Umstecken<br />

erspart <strong>–</strong> ließ keinen Zweifel daran, dass<br />

mit einer allein regierenden CDU in<br />

Lebensrechtsfragen einiges, mit einem<br />

Koalitionspartner FDP sehr viel weniger<br />

zu erreichen sei. Konkret nannte er dabei<br />

die Problematik der Spätabtreibungen <strong>–</strong><br />

hier hatte die CDU bereits in der Vergangenheit<br />

drei Versuche gestartet, diese<br />

gesetzlich zu verbieten, scheiterte aber<br />

jedesmal an der rot-grünen Mehrheit.<br />

Zwar äußerten die anwesenden Diskussionsteilnehmer<br />

Bedenken, ob die CDU<br />

tatsächlich an einer Intensivierung des<br />

Lebensschutzes in Deutschland interessiert<br />

sei (schließlich war Katharina Reiche,<br />

die zum Beispiel in Fragen der verbrauchenden<br />

Embryonenforschung eine für<br />

Lebensrechtler inakzeptable Position<br />

vertrat, Mitglied des Schattenkabinetts<br />

von Edmund Stoiber), doch dass dies<br />

ganz sicher nicht an Wolfgang Zöller<br />

liegen würde, darüber bestand keinerlei<br />

Zweifel. Für Aussagen wie »Ein Land,<br />

das 7 Millionen Abtreibungen protestlos<br />

hinnimmt, braucht sich nicht zu wundern,<br />

dass es nun zu wenig Kinder hat«, ist die<br />

<strong>ALfA</strong> ihm dankbar. Leute mit Kindern,<br />

so Zöller weiter, dürfen nicht finanziell<br />

schlechter dastehen als solche ohne. Diese<br />

könnten sich später nicht einfach ohne<br />

weiteres auf die Solidargemeinschaft jener<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


»Wir brauchen mehr<br />

Christen in der Politik.«<br />

Wolfgang Zöller, CSU-Politiker u. <strong>ALfA</strong>-Mitglied<br />

verlassen, die die Kinder bekommen haben.<br />

Unsere Gesellschaft müsse aktiv werden:<br />

»Es kann nicht sein, dass es in einer<br />

Großstadt leichter ist, eine Wohnung zu<br />

bekommen, wenn man sich ein Krokodil<br />

hält als wenn man Kinder hat,« formulierte<br />

Zöller, und machte damit eindrücklich<br />

klar, dass in Fragen der Kinderfreundlichkeit<br />

in Deutschland vieles schief läuft.<br />

So schlug er beispielsweise vor, den Beitragssatz<br />

in der Pflegeversicherung zwar<br />

um ein Prozent anzuheben, gleichzeitig<br />

jedoch jeder Familie 5 Euro Rabatt pro<br />

Kind zu gewähren. Schließlich ist davon<br />

auszugehen, dass Kinderlose im Alter mit<br />

einer sehr viel höheren Wahrscheinlichkeit<br />

auf fremde Hilfe und damit Leistungen<br />

aus der Pflegeversicherung angewiesen<br />

sein werden als jene, die im Alter auch<br />

mit der Hilfe ihrer eigenen Kinder <strong>–</strong> die<br />

zudem als Erwerbstätige in die Sozialkassen<br />

einzahlen <strong>–</strong> rechnen können.<br />

Ein Staat, der sich nicht auf Grundwerte<br />

bezieht <strong>–</strong> und ein solcher Grundwert<br />

ist die Achtung vor jeder Form<br />

menschlichen Lebens und der Familie<br />

als Keimzelle der Gesellschaft <strong>–</strong> fährt alle<br />

Systeme an die Wand. Werte müssen<br />

jedoch vorgelebt werden, eben auch von<br />

Politikern, forderte Zöller, und: »Wir<br />

brauchen mehr Christen in der Politik!«<br />

Für Wolfgang Zöller ist das Eintreten<br />

für christliche Werte auch im politischen<br />

Leben eine Selbstverständlichkeit <strong>–</strong> so<br />

erklärt er gern einem verdutzten Bundestagspräsidenten,<br />

dass seine Füßchenanstecker<br />

kein Ehrenabzeichen für »Langstrecken-Barfuß-Wanderungen«<br />

sind,<br />

sondern mit seinem Engagement für Ungeborene<br />

zu tun hat. Dass es schön wäre,<br />

wenn in politisch verantwortlichen Positionen<br />

mehr Menschen zu finden sind,<br />

die sich in ähnlich unerschrockener Weise<br />

zu ihren christlichen Grundsätzen bekennen,<br />

darin waren sich die Zuhörer am<br />

Samstagvormittag nach der zweiten großen<br />

Veranstaltung des 1. Fuldaer Lebenrechtskongresses<br />

einig.<br />

Am Abend zuvor hatten bereits Bischof<br />

Heinz Josef Algermissen, Wolfgang<br />

Aschenbrenner, Rainer Beckmann, Eugen<br />

Brysch und Rob Jonquiere engagiert über<br />

das Thema »Euthanasie: Heute ihr, morgen<br />

wir?« miteinander diskutiert. Durch<br />

die Diskussion führte Dr. Kai Witzel,<br />

Chirurg und ärztlicher Direktor des Helios<br />

St. Elisabeth Krankenhauses in Hünfeld.<br />

Bereits in seinem Eingangsstatement<br />

ließ Bischof Algermissen keinen Zweifel<br />

daran aufkommen, wo die katholische<br />

Kirche in dieser Debatte zu finden ist:<br />

»Nur Gott allein steht es zu, über Leben<br />

und Tod zu entscheiden.<br />

Die Befürworter<br />

der Euthanasie werden<br />

unter allen Umständen<br />

immer mit dem massiven<br />

Protest der katholischen<br />

Kirche rechnen<br />

müssen. Der Einsatz<br />

für das Lebensrecht<br />

und den Lebensschutz<br />

aller Menschen<br />

ist und bleibt<br />

unaufgebbarer Teil<br />

ihrer Überzeugung«,<br />

stellte der Bischof fest<br />

und erntete dafür reichen<br />

Applaus der Anwesenden.<br />

Wie notwendig<br />

dieser Einsatz<br />

ist, so Algermissen<br />

weiter, ergebe sich aus<br />

der Tatsache, dass<br />

»Nur Gott steht es zu über Leben<br />

und Tod zu entscheiden.«<br />

Fuldas Bischof Heinz Josef Algermissen<br />

beispielsweise der Europarat in Straßburg<br />

zum wiederholten Mal mit dem Euthanasiebericht<br />

des Schweizers Dick Marty<br />

befasst war, der eine Aufweichung der<br />

ablehnenden Haltung des Europarats zur<br />

Euthansie zum Ziel hat. Genau solche<br />

stets wiederkehrende Initiativen seien es<br />

jedoch, die die Unantastbarkeit menschlichen<br />

Lebens in seiner Anfangs- und<br />

Endphase erschüttern. Die ursprünglich<br />

hinter dem Begriff »Sterbehilfe« liegende<br />

Vorstellung, eine Hilfe im Sterben gewähren<br />

zu wollen, sei nämlich gar nicht<br />

gemeint: Intendiert sei vielmehr die aktive<br />

Tötung Schwerkranker und Pflegebedürftiger<br />

aus unterschiedlichen Beweggründen.<br />

Wer jedoch Sterbehilfe als Akt des<br />

Mitleids mit Langzeitkranken rechtfertigen<br />

wolle, verkenne den Sinn der allerletzten<br />

Phase menschlichen Lebens, die<br />

ebenso wie alle anderen Phasen von Gott<br />

gewollt, begleitet und gesegnet sei.<br />

ARCHIV<br />

Rainer Beckmann, Sachverständiger<br />

in der Enquete-Kommission »Ethik und<br />

Recht der modernen Medizin« des Deutschen<br />

Bundestags, legte eindrücklich dar,<br />

was die Debatte um Sterbehilfe in Gang<br />

hält: In Deutschland, so Beckmann, gäbe<br />

es immer mehr alte und kranke Menschen,<br />

die sich in unserer Leistungs- und Spaßgesellschaft<br />

an den Rand gedrängt fühlten<br />

und Angst vor Vereinsamung hätten. Der<br />

Erschienen in Fulda besonders zahlreich: Die Delegierten der <strong>ALfA</strong>.<br />

vielfach geäußerte Wunsch auf Behandlungsverzicht<br />

oder gar aktive Sterbehilfe<br />

sei daher häufig gar kein Ausdruck autonomer<br />

Selbstbestimmung, sondern maßgeblich<br />

verursacht durch Angst vor mangelnder<br />

Schmerzbekämpfung, vor<br />

Übertherapie, vor Einsamkeit und davor,<br />

anderen zur Last zu fallen. Sterben in<br />

Würde als sinnvolles Gegenkonzept zur<br />

Euthanasie sei am besten durch eine stärkere<br />

Förderung der Palliativmedizin und<br />

der Hospizbewegung zu erreichen. Das<br />

waren Worte, die vom Geschäftsführer<br />

der Deutschen Hospiz-Stiftung, Eugen<br />

Brysch, gern gehört wurden. Er rechnete<br />

vor, dass in der deutschen Pflegekasse<br />

bereits heute 820 Millionen Euro fehlen,<br />

die Zahl der Pflegebedürftigen sich bis<br />

2040 jedoch nahezu verdoppelt haben<br />

dürfte. Der Ruf nach einer einfachen<br />

Lösung, wie sie die Euthanasie darzustellen<br />

scheint, sei daher nicht weiter<br />

erstaunlich. Brysch forderte stattdessen<br />

eine Enttabuisierung von Tod und<br />

Sterben im gesellschaftlichen Diskurs.<br />

Tote und Sterbende benötigten die Akzeptanz<br />

und das Engagement der gesamten<br />

Gesellschaft. Um dies zu erreichen,<br />

seien gesundheitspolitische Rahmenbedingungen<br />

zu schaffen, die eine professionelle<br />

Begleitung Sterbender und<br />

Schwerstkranker ermöglichen. Eine solche<br />

Palliative Care, die neben Schmerztherapie<br />

auch seelsorgliche und psychosoziale<br />

Betreuung sowie qualifizierte<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 23


Pflege beinhalte, erführen derzeit lediglich<br />

zwei Prozent aller Betroffenen.<br />

Rob Jonquiere von der niederländischen<br />

Vereinigung für ein freiwilliges<br />

Lebensende (NVVE) zeigte sich überzeugt,<br />

dass in jedem Krankenhaus der<br />

Welt, in Deutschland genau wie in den<br />

Niederlanden, Euthanasie praktiziert werde,<br />

hier jedoch in einer Grauzone, in den<br />

»90 Prozent der Fälle werden<br />

nicht als Euthanasie deklariert.«<br />

Stand Rede und Antwort: Unions-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller (l.).<br />

Niederlanden hingegen offen und für<br />

jedermann nachprüfbar, wodurch eine<br />

besondere Sorgfalt der handelnden Ärzte<br />

sicher gestellt sei. Die von starkem Pragmatismus<br />

geprägte Rechtsprechung in<br />

den Niederlanden habe schließlich zur<br />

heute bestehenden gesetzlichen Regelung<br />

der Euthanasie geführt, die Jonquiere<br />

nachfolgend darstellte. Der euthanasierende<br />

Arzt in den Niederlanden muss<br />

demnach überzeugt sein, dass der Patient<br />

freiwillig und wohlüberlegt zu dem<br />

Schluss gekommen ist, dass er sterben<br />

will, er muss sicher sein, dass es sich um<br />

ein schweres, auswegloses Leiden handelt,<br />

er muss zudem festgestellt haben, dass es<br />

keine vertretbare andere Lösung gibt und<br />

einen weiteren unabhängigen Arzt konsultieren.<br />

Schließlich muss er die Euthanasie<br />

einer Prüfungskommission melden.<br />

Diese besondere Kontrolle und Transparenz<br />

sei, so Jonquiere, ein entscheidendes<br />

Kriterium für die Befürwortung einer<br />

Regelung der Euthanasie nach niederländischem<br />

Vorbild, die allerdings den etwa<br />

100.000 Mitgliedern der NVVE noch<br />

nicht weit genug geht:<br />

»Man hat kein Recht auf<br />

Euthanasie. Man hat das<br />

Recht, um Euthanasie zu<br />

bitten. Eine richtige<br />

Autonomie bedeutet jedoch:<br />

Ich will sterben und<br />

der Arzt ist nur ein Instrument«,<br />

so Jonquiere.<br />

Der Vorstellung, in<br />

den Niederlanden herrsche<br />

bezüglich der Euthanasie<br />

tatsächlich Transparenz<br />

und Kontrolle,<br />

widersprach jedoch der<br />

Kinderarzt Dr. Wolfgang<br />

Aschenbrenner mit<br />

deutlichen Worten. Seine<br />

Erfahrungen als Kinderarzt<br />

am Universitätskrankenhaus<br />

Nijmwegen<br />

in den Niederlanden<br />

hätten gezeigt, dass<br />

nur in den wenigsten Fällen ein ordnungsgemäßes<br />

Verfahren der Euthanasie vorausgeht.<br />

In mehr als 90 Prozent der Fälle<br />

wurde eine Euthanasie nicht als solche<br />

deklariert, hierzu zähle zum Beispiel der<br />

Abbruch der Nahrungszufuhr bei schwer<br />

kranken Säuglingen oder Frühgeborenen.<br />

Auch seien 100 fache Überdosen Morphium<br />

an Patienten, die man »aufgegeben«<br />

hatte, keine Ausnahme, sondern<br />

eher die Regel gewesen. Aschenbrenner<br />

konnte beobachten, dass dies Auswirkungen<br />

auf die Geisteshaltung der Menschen<br />

ARCHIV<br />

hatte. Eltern fragten<br />

verstärkt bei unerwartet<br />

kranken Neugeborenen<br />

nach Kindereuthanasie<br />

oder äußerten ihr Bedauern,<br />

dass nicht auf<br />

Grund einer vorgeburtlichen<br />

Diagnose eine<br />

Abtreibung durchgeführt<br />

werden konnte. Eltern,<br />

die sich für das Leben mit<br />

ihrem behinderten oder<br />

schwer kranken Kind<br />

entschieden haben, würden<br />

mit Vorwürfen konfrontiert,<br />

und Kinder, die<br />

schwer oder unheilbar<br />

erkrankt waren, hätten<br />

Angst, euthanasiert zu<br />

werden.<br />

Die Sorge, dass sich eine euthanasiefreundliche<br />

Stimmung auch in Deutschland<br />

rasch ausbreiten könnte, teilte<br />

Aschenbrenner in Fulda mit vielen Anwesenden.<br />

Bei seiner Rückkehr nach<br />

Deutschland habe er bereits bemerkt,<br />

dass sich hier ein Klima ausbreite, welches<br />

ein Überleben kranker oder behinderter<br />

Der Tod auf Rezept: Pure Fiktion, aber wie lange noch?<br />

ARCHIV<br />

»Ich will sterben und der<br />

Arzt ist nur ein Instrument.«<br />

Rob Jonquiere (NVVE)<br />

Kinder deutlich erschwere <strong>–</strong> eine Einschätzung,<br />

die Eugen Brysch für die von<br />

ihm vertretene Interessengruppe der<br />

Schwerstkranken und Sterbenden ebenfalls<br />

teilt.<br />

Der 1. Fuldaer Lebensrechtskongress<br />

der Aktion Lebensrecht für Alle sollte<br />

dazu dienen, die Debatte um die Art, wie<br />

mit kranken oder alten Menschen umgegangen<br />

werden muss, in die Gesellschaft<br />

hineinzutragen und zu einer begründeten,<br />

informierten Stellungnahme befähigen.<br />

Angesichts des hohen Niveaus, auf dem<br />

diskutiert wurde, der erfreulich großen<br />

Teilnehmerzahl und der Medienresonanz<br />

darf dies als gelungen gelten.<br />

IM PORTRAIT<br />

Cornelia Kaminski<br />

ist Mitglied im Bundesvorstand der Aktion<br />

Lebensrecht für<br />

Alle e.V. (<strong>ALfA</strong>) und<br />

hat gemeinsam mit<br />

anderen den 1. Lebenrechtskongress<br />

der <strong>ALfA</strong> in Fulda<br />

organisiert.<br />

Die Studienrätin ist verheiratet und<br />

Mutter von zwei Kindern.<br />

24<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


GESELLSCHAFT<br />

»Vorsicht Falle!«<br />

Die Reproduktionsmedizin fordert von Staat und Gesellschaft die Beseitigung von »Nebenwirkungen«,<br />

die es ohne sie gar nicht gäbe. Kritische Anmerkungen zu der Diskussionsveranstaltung »Kinderwunsch<br />

in der Krise« der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe Ende Juni in Berlin, auf<br />

der eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes gefordert wurde.<br />

Von Stefan Rehder, M.A.<br />

Immer mehr Menschen leiden<br />

ernsthaft unter Kinderlosigkeit. In<br />

der Mehrzahl der Fälle sind die<br />

Ursachen dafür jedoch keineswegs pathologischer,<br />

sondern vielmehr sozialer Natur.<br />

Nicht zuletzt ein als »modern« apostrophierter<br />

Lebensstil sorgt heute dafür,<br />

dass die Zahl derer, die kinderlos bleiben,<br />

weiter zunimmt. Denn viele Paare warten<br />

mit der Verwirklichung eines »vorläufig«<br />

zurückgestellten Kinderwunsches de facto<br />

so lange, bis es dafür auf natürlichem<br />

Wege zu spät ist. Immer häufiger fallen<br />

auf diese Weise die »fruchtbaren Jahre«<br />

vieler Frauen einer linear verlaufenden<br />

Lebensplanung zum Opfer, bei der die<br />

gleichzeitig erfolgende Ausbildung beider<br />

Partner und der Einstieg in die jeweiligen<br />

beruflichen Karrieren im Vordergrund<br />

stehen. So hat sich die Zahl der Frauen,<br />

die erst nach dem 30. Lebensjahr ihren<br />

Kinderwunsch verwirklichen wollen, in<br />

den letzten zehn Jahren verdoppelt. Mehr<br />

als 10 Prozent der neugeborenen Kinder<br />

haben bereits heute eine Mutter, die bei<br />

der Geburt älter als 35 Jahre ist; Tendenz<br />

steigend.<br />

Dass eine solche Lebensplanung nicht<br />

ausschließlich von dem Wunsch nach<br />

»Selbstverwirklichung« gespeist wird,<br />

sondern etwa auch durch die Angst vor<br />

»Verarmung« <strong>–</strong> bei Frauen vor allem<br />

aufgrund der gravierenden Benachteiligung<br />

Erziehungsarbeit leistender gegenüber<br />

Erwerbsarbeit leistender Frauen bei<br />

der Altervorsorge sowie bei Männern,<br />

die im Falle einer Scheidung für erstere<br />

naturgemäß umfänglicher zur Kasse gebeten<br />

werden <strong>–</strong> begünstigt wird, sei der<br />

Vollständigkeit halber erwähnt, kann aber<br />

nicht näher behandelt werden.<br />

Wichtig ist hier die Tatsache, dass sich<br />

die Reproduktionsmedizin mit ihrem<br />

Angebot, Kinder im Labor zu erzeugen,<br />

heute keineswegs mehr nur an die über-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 25


GESELLSCHAFT<br />

schaubar gebliebene Zahl derer wendet,<br />

die an primärer (angeborener) oder sekundärer<br />

(erworbener) Unfruchtbarkeit<br />

leiden, sondern zunehmend auch an die<br />

unüberschaubar werdende Gruppe derer,<br />

welche die über viele Jahre vorhandene<br />

Möglichkeit, auf natürlichem Wege Kinder<br />

zu bekommen, ungenutzt verstreichen<br />

ließen, beziehungsweise ihr durch den<br />

Einsatz empfängnisverhindernder Mittel<br />

erfolgreich entgegengewirkt haben.<br />

Es liegt auf der Hand, dass eine<br />

potentiell zunehmende Zielgruppe<br />

bei den Reproduktionsmedizinern<br />

für ein Anschwellen des aufgrund<br />

ihrer Tätigkeit ohnehin<br />

nicht sonderlich gering ausgeprägten<br />

Selbstbewusstseins<br />

führt. Nach Ansicht der<br />

Deutschen Gesellschaft für<br />

Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

(DGGG) zeigt der Anstieg<br />

der Be-<br />

hand-<br />

lungs-<br />

zahlen<br />

der letzten<br />

Jahre<br />

denn auch,<br />

dass die<br />

»Fortpflanzungsmedizin<br />

in<br />

Deutschland längst<br />

nicht mehr zur Behandlung<br />

einer Randgruppe unserer<br />

Gesellschaft dient«. Dabei können<br />

die bei der »Behandlung des Kindeswunsches«<br />

zum Einsatz kommenden<br />

26<br />

Techniken nicht gerade als effizient bezeichnet<br />

werden. Die so genannte »babytake-home«-Rate<br />

liegt selbst laut DGGG-<br />

Angaben nur<br />

bei rund 20<br />

Prozent<br />

für die<br />

In-<br />

trazyto-<br />

plasmatischen<br />

Spermieninjektion<br />

(ICSI), die<br />

vor allem bei<br />

Unfruchtbarkeit<br />

des Mannes zum<br />

Einsatz kommt.<br />

Für die in-vitro-<br />

Fertilisation beträgt<br />

die Erfolgsrate<br />

trotz einer<br />

inzwischen mehr<br />

als ein Vierteljahrhundert<br />

währenden<br />

Historie<br />

gerade einmal 18<br />

Prozent. Und bei<br />

der »Rücksetzung«<br />

zuvor kryokonservierter<br />

Eizellen<br />

im Vorkernstadium<br />

liegt<br />

die »baby-takehome«-Rate<br />

sogar<br />

nur bei zehn Prozent.<br />

In absoluten Zahlen: Den<br />

65.000 Kindern, die laut DGGG seit<br />

1998 in Deutschland nach assistierter<br />

Reproduktion geborenen wurden, stehen<br />

laut dem aktuellen IVF-Register 349.603<br />

Behandlungen gegenüber, die in den Jahren<br />

von 1997 bis 2003 durchgeführt wurden.<br />

Im Jahr 2002 machten die mit Hilfe<br />

der Fortpflanzungsmediziner nicht nur<br />

erzeugten, sondern auch geborenen<br />

Kinder laut DGGG 1,6<br />

Prozent aller Geburten aus.<br />

Dass für diesen geringen<br />

»Marktanteil« aus Sicht der<br />

Reproduktionsmediziner in<br />

erster Linie der Gesetzgeber<br />

verantwortlich zeichnet, wurde<br />

auf einer Diskussionsveranstaltung<br />

deutlich, welche die DGGG<br />

am 28. Juni unter dem Titel<br />

»Kinderwunsch in der Krise« in<br />

Berlin veranstaltete. Während laut<br />

dem Direktor der Universitäts-<br />

Frauenklinik Lübeck und Vizepräsidenten<br />

der DGGG, Klaus Diedrich,<br />

die Schwangerschaftsraten in<br />

Ländern wie Belgien, Frankreich<br />

und Schweden nach assistierter<br />

Reproduktion bei bis zu 40 Prozent<br />

liegen, habe sie in Deutschland 2003<br />

aufgrund der »Hürden des Embryonenschutzgesetzes«<br />

nur 29 Prozent<br />

betragen. Das Gesetz aus dem Jahr<br />

1991 verhindere, so Diedrich in<br />

Berlin, »dass die deutschen Patientinnen<br />

in gleichem Maße von dem<br />

Fortschritt in der Reproduktionsmedizin<br />

profitierten wie in anderen<br />

europäischen Staaten«. Dabei stört<br />

sich Diedrich, der obendrein auch<br />

zu den vehementesten Befürwortern<br />

der in Deutschland verbotenen<br />

Präimplantationsdiagnostik zählt,<br />

derzeit vor allem daran, dass in<br />

Deutschland »jeder Embryo, der im<br />

Labor kultiviert wird, auch transferiert<br />

werden muss und eine Auswahl<br />

verboten ist.«<br />

Nach Paragraf 1 Abs. 1 Nr. 4 des<br />

Embryonenschutzgesetzes (ESchG)<br />

wird mit »Freiheitsstrafe bis zu drei<br />

Jahren oder mit Geldstrafe bestraft,<br />

wer es unternimmt, mehr Eizellen<br />

einer Frau zu befruchten, als ihr<br />

innerhalb eines Zyklus übertragen<br />

werden sollen«. Auf diese Weise<br />

suchte der Gesetzgeber sicherzustellen,<br />

dass in deutschen Labors<br />

keine überzähligen Embryonen<br />

entstehen. Doch weil sich einerseits<br />

in zahlreichen Fällen keiner der<br />

künstlich erzeugten und in den<br />

Uterus der Mutter transferierten<br />

Embryonen auch in der Gebärmutter<br />

einnistet, es aber andererseits jedoch auch<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


nicht selten vorkommt, dass zwei oder<br />

gar alle drei Embryonen dort Wohnung<br />

nehmen, würden die Reproduktionsmediziner<br />

vor dem Transfer unter den erzeugten<br />

Embryonen liebend gerne selektieren<br />

dürfen. Denn sowohl der Misserfolg<br />

als auch der »Übererfolg« werden<br />

von den Reproduktionsmedizinern als<br />

»geschäftsschädigend« betrachtet. Da<br />

»Die Zahlen zeigen, dass die Fortpflanzungsmedizin<br />

nicht mehr zur Behandlung einer Randgruppe dient.«<br />

Klaus Diedrich, DGGG-Vizepräsident<br />

eine künstliche Befruchtung und die vorausgehende<br />

Eizellgewinnung nicht nur<br />

eine extreme körperliche Belastung für<br />

die Frau bedeuten (vgl. hierzu in dieser<br />

Ausgabe auch S. 12 ff.), sondern auch<br />

Kosten in Höhe von rund 3.000 Euro<br />

pro Versuch verursachen, droht ein ausbleibender<br />

Erfolg die Zufriedenheit der<br />

»Kunden« zu mindern.<br />

Noch gravierender nehmen sich die<br />

Zumutungen der Reproduktionsmedizin<br />

aus, wenn die »Kinderwunschbehandlung«<br />

erfolgreicher als gewünscht ausfällt<br />

und die Frau mehrfach schwanger wird.<br />

Die im Fachjargon als »höhergradige<br />

»›Fetozid‹: Tödliche Spritze in<br />

das Herz des Kindes.«<br />

Mehrlingsschwangerschaften« bezeichneten<br />

Schwangerschaften treten in rund<br />

25 Prozent der Fälle auf. So verzeichnet<br />

das Deutsche IVF-Register 2003 für das<br />

Jahr 2002 insgesamt 11.245 Geburten.<br />

In 2349 Fällen gebaren die Mütter Zwillinge,<br />

in 127 Fällen Drillingen sowie in<br />

zwei Fällen Vierlinge. Dabei handelt es<br />

sich freilich nur um die geborenen Kinder.<br />

Denn seit Beginn der 80er Jahre werden<br />

die »Mehrlinge« regelmäßig »reduziert«.<br />

Unter der »Mehrlingsreduktion«<br />

verstehen die Reproduktionsmediziner<br />

die Tötung eines oder mehrerer Kinder<br />

im Mutterleib. Beim so genannten<br />

»Fetozid« durchsticht der Arzt mit einer<br />

langen Nadel unter Ultraschallansicht<br />

die Baudecke der Schwangeren bis er in<br />

die Bauchhöhle gelangt. Dann sucht er<br />

das Herz des Kindes, sticht zu und spritzt<br />

in das winzige Herz eine Kalium-Clorid-<br />

Lösung, die in hoher Dosierung jede<br />

Schwangerschaft« massiv<br />

gefährdet wird. So<br />

werden Mehrlinge in<br />

rund 30 Prozent der<br />

Fälle mit leichten bis<br />

schweren Handicaps<br />

geboren, besitzen ein<br />

höheres Sterblichkeitsrisiko<br />

sowie eine<br />

höhere Krankheitsanfälligkeit.<br />

Aber auch der<br />

Fetozid ist keineswegs<br />

nur für den meist<br />

willkürlich ausgewählten<br />

Embryo tödlich. In<br />

rund 17 Prozent der<br />

Fälle zieht er einen<br />

Gesamtverlust aller<br />

Kinder nach sich.<br />

Weil auch das sich<br />

negativ auf die Erfolgsrate<br />

auswirkt, fordern<br />

die Reproduktionsmediziner<br />

die<br />

künstlich erzeugten<br />

Embryonen vor der<br />

Übertragung in den<br />

Mutterleib selektieren<br />

zu dürfen. Beim so<br />

genannten »elective<br />

single embryo transfer«<br />

würden, wie Diedrich<br />

koordinierte Kontraktion des Herzmuskels<br />

unmöglich macht. Das Kind stirbt<br />

an Herzversagen im Mutterleib.<br />

In der Fachliteratur wird der Fetozid,<br />

der bei der »Mehrlingsreduktion« in der<br />

Regel nach technischen Gesichtspunkten<br />

erfolgt <strong>–</strong> was bedeutet, dass der Arzt das<br />

am besten zu erreichende Kind tötet <strong>–</strong><br />

als »Therapie« einer »Fehlleistung« verstanden.<br />

Da in der Regel<br />

pro »Kinderwunschbehandlung«<br />

nur die Geburt<br />

eines Kindes angestrebt<br />

wird, ist eine Mehrlingsschwangerschaft<br />

oft nicht<br />

gewünscht, zumal durch<br />

sie das Behandlungsziel<br />

einer »erfolgreichen<br />

»Ziel einer Behandlung muss es sein, möglichst<br />

zu einer Einlingsschwangerschaft zu kommen.«<br />

Klaus Diedrich, DGGG-Vizepräsident<br />

in Berlin erläuterte, »mehrere Eizellen<br />

befruchtet, die Entwicklung der Embryonen<br />

beobachtet und nach morphologischen<br />

Kriterien ein ideal beurteilter Embryo<br />

in den Uterus transferiert, von dem<br />

am ehesten zu erwarten ist, dass er sich<br />

einpflanzt.« Auf diese Weise würde »nicht<br />

nur die Schwangerschaftsrate dieser belastenden<br />

und aufwendigen Behandlungsmethode<br />

deutlich verbessert, sondern<br />

auch die Mehrlingsschwangerschaft <strong>–</strong><br />

nach wie vor die Crux der Reproduktionsmedizin<br />

in Deutschland <strong>–</strong> verhindert.«<br />

Denn so Diedrich weiter, »Ziel<br />

einer jeden Kinderwunschbehandlung<br />

muss es sein, mit möglichst großer Chance<br />

zu einer Einlingsschwangerschaft<br />

zu kommen.«<br />

Dass dies nicht nur die<br />

Selektion von Embryonen<br />

zu Folge hätte, sondern<br />

auch die Frage aufwirft,<br />

was mit den dann »überzähligen«,<br />

nicht transferierten<br />

Embryonen geschehen<br />

soll, macht den Fortpflanzungsmedizinern<br />

kein Kopfzerbrechen. Ethische<br />

Probleme sehen die Reproduktions-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 27<br />

DPA<br />

»Ineffizient: 65.000 Kinder nach<br />

rund 350.000 Behandlungen.«<br />

Anwalt in eigener Sache: Klaus Diedrich will mehr Erfolg für IVF und ICSI.


GESELLSCHAFT<br />

Mit einer Mikropipette wird eine Samenzelle in eine Eizelle eingeschleust. Die Verletzung der Eizellenhülle senkt zugleich die Chance der Frau, schwanger zu werden.<br />

»Single embryo transfer verspricht eine deutliche<br />

Steigerung der Schwangerschaftsrate.«<br />

mediziner dabei nicht. So wischte auf der<br />

Tagung in Berlin der dafür auserkorene<br />

evangelische Theologe Hartmut Kress<br />

kurzerhand sämtliche Bedenken einfach<br />

vom Tisch. Laut Kress, der an der »Rheinischen<br />

Friedrich-Wilhelms-Universität«<br />

Sozialethik lehrt, sprächen aus ethischer<br />

Sicht sogar »starke Argumente für das<br />

Verfahren, nach einer außerkörperlichen<br />

Befruchtung eine morphologische Betrachtung<br />

von Embryonen vorzunehmen,<br />

um der Patientin einen Embryo einzusetzen,<br />

der voraussichtlich entwicklungsfähig<br />

ist.« Diese Argumente ergäben sich »aus<br />

dem Anrecht von Menschen auf Gesundheitsschutz<br />

und auf Gesundheitsversorgung,<br />

die dem Stand der medizinischen<br />

Wissenschaft entspricht, sowie aus dem<br />

überlieferten arztethischen Gebot, Schaden<br />

zu vermeiden.«<br />

28<br />

»›Mehrlingsreduktion‹:<br />

Therapie einer Fehlleistung.«<br />

Da bereits jetzt keine Frau gezwungen<br />

werden könne, sich einen zuvor künstlich<br />

erzeugten Embryo auch tatsächlich einsetzen<br />

zu lassen, gäbe es bereits heute in<br />

Deutschland überzählige Embryonen,<br />

»wenn gleich«, wie Kress<br />

einräumte, »auch in begrenzter<br />

Zahl«. Ausschlaggebend<br />

für die<br />

ethische Bewertung sei,<br />

»dass es sich beim Übrigbleiben<br />

von Embryonen<br />

faktisch um keinen<br />

neuen Sachverhalt handelt.«<br />

Sicherlich sei darauf zu achten,<br />

dass es »bei einer sehr geringen Zahl<br />

überzähliger Embryonen bleibt«, was<br />

angesichts des zur Rede stehenden Verfahrens<br />

zu gewährleisten sei. So sei es<br />

denkbar, »anders als im Ausland von vornherein<br />

nur eine kleine Anzahl von Eizellen,<br />

ca. sechs, zu befruchten und zu kultivieren.«<br />

Dadurch bleibe »das Übrigbleiben<br />

von Embryonen vom Verfahren her<br />

beherrschbar«. Davon abgesehen würde<br />

die neue Methode dazu führen, dass in<br />

Deutschland nicht mehr eine so hohe<br />

Zahl kryokonservierter Embryonen im<br />

Vorkernstadium anfiele, wie dies derzeit<br />

der Fall sei.<br />

Doch macht es natürlich ethisch einen<br />

gewaltigen Unterschied, ob das »Übrigbleiben«<br />

von Embryonen wie im jetzigen<br />

Gesetz durch die Vorschrift, alle befruchteten<br />

Embryonen zu transferieren, wenn<br />

auch nicht faktisch, so doch vom Prinzip<br />

her ausgeschlossen wird oder ob das<br />

»Übrigbleiben« durch die Produktion<br />

vieler Embryonen, die eine bessere<br />

Auswahl erlauben sollen, prinzipiell angestrebt<br />

wird.<br />

Kress ficht auch das nicht an. Der<br />

Theologe hält dagegen: Da ein »Präimplantationsembryo«<br />

noch »ganz unentwickelt«<br />

sei, dem »Gesundheitsschutz der<br />

Schwangeren« aber »existentiell wie<br />

grundrechtlich« ein »sehr hohes Gewicht«<br />

zukomme, könne eine »Güter-<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


INFO<br />

Glossar<br />

ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion)<br />

Methode zur künstlichen Befruchtung,<br />

bei der Spermium direkt in das Plasma<br />

einer Eizelle gespritzt wird.<br />

Implantation<br />

Einnistung eines Embryos in der Gebärmutterschleimhaut.<br />

IVF (In-vitro-Fertilisation)<br />

Künstliche Befruchtung einer Eizelle<br />

außerhalb des Körpers in einer Petrischale<br />

oder einem Reagenzglas (vitrum:<br />

lat. Glas).<br />

Kryokonservierung<br />

Einfrieren und Lagern von Spermien<br />

sowie künstlich befruchteter Eizellen<br />

bei tiefen Temperaturen in flüssigem<br />

Stickstoff (kryo: griech. Kälte). In<br />

Deutschland ist das Einfrieren befruchteter<br />

Eizellen nur im Vorkernstadium<br />

erlaubt, da nach Ende der Verschmelzung<br />

der Vorkerne ein Embryo vorliegt, der<br />

dem Embryonenschutzgesetz entsprechend<br />

nicht eingefroren werden darf.<br />

PID (Präimplantationsdiagnostik)<br />

Genetische Untersuchung eines durch<br />

künstliche Befruchtung <strong>–</strong> meist durch<br />

IVF <strong>–</strong> erzeugten Embryos. Da nur genetisch<br />

einwandfreie Embryonen transferiert<br />

werden, stellt die PID in der Praxis<br />

eine Methode zur Selektion von Menschen<br />

dar. In Deutschland verboten, da<br />

sie gegen mehrere Bestimmungen des<br />

Embryonenschutzgesetzes (ESchG) verstößt.<br />

SET (Single Embryo Transfer)<br />

Für einen SET werden einer Frau bis zu<br />

zehn Eizellen entnommen und künstlich<br />

befruchtet. Aus ihnen wird anhand morphologischer<br />

Kriterien der Embryo ausgewählt,<br />

der die besten Chancen besitzt,<br />

sich in der Gebärmutter einzunisten und<br />

in den Mutterleib verpflanzt. Als wichtige<br />

morphologische Kriterien gelten<br />

u.a. Aussehen der einzelnen Zellen und<br />

ihrer Hülle sowie deren Beschaffenheit.<br />

Die übrigbleibenden Embryonen werden<br />

tiefgefroren. In Deutschland ist diese<br />

Methode zur Selektion von Embryonen<br />

durch das Embryonenschutzgesetz verboten.<br />

DPA<br />

abwägung letzterem den Vorrang einräumen«.<br />

Dies kann aber nur der ernst<br />

»In rund 17 Prozent der Fälle zieht ein Fetozid<br />

einen Gesamtverlust aller Kinder nach sich.«<br />

meinen, der insgeheim die Auffassung<br />

vertritt, dass dem Embryo frühestens mit<br />

der Nidation Schutz<br />

zukommt, und nicht<br />

wie das ESchG vorschreibt,<br />

bereits ab dem<br />

Moment seiner Erzeugung.<br />

Was wie eine unwesentliche<br />

Änderung<br />

präsentiert wird, und<br />

obendrein mit der<br />

Behauptung garniert<br />

wird, dem Grauen des<br />

Fetozids währen zu<br />

wollen, stellt also in<br />

Wirklichkeit einen Paradigmenwechsel<br />

dar,<br />

durch welchen das<br />

Modell eines abgestuften<br />

Lebensschutzes<br />

nicht mehr nur theoretisch<br />

verfochten, sondern<br />

dann auch faktisch<br />

gesetzlich festgeschrieben<br />

würde.<br />

Da der »elective<br />

single embryo transfer«<br />

zudem eine Selektion<br />

erfordert, würde<br />

eine Änderung des<br />

Embryonenschutzgesetzes,<br />

die das erlaubt,<br />

zudem vor der Frage<br />

stehen, wie es dann<br />

noch die negative Selektion,<br />

die mit der<br />

Präimplantationsdiagnostik<br />

(PID) verbunden<br />

ist, aufhalten<br />

soll. Die Antwort ist natürlich klar:<br />

Kommt dem Embryo erst Schutz mit der<br />

»Das Übrigbleiben von Embryonen<br />

bleibt vom Verfahren her beherrschbar.«<br />

Hartmut Kress, evangelischer Theologe<br />

Nidation zu, dann ist die Frage, ob eine<br />

positive Selektion, die nicht notwendig<br />

DPA<br />

die Vernichtung der nicht für den Transfer<br />

erzeugten Embryonen zur Folge haben<br />

muss, anders zu bewerten<br />

sei, als eine Selektion,<br />

welche genetisch auffällige<br />

Leidenschaftslose Erzeugung: Arbeitsplatz eines Babymachers.<br />

Embryonen eliminieren<br />

helfen soll, allenfalls noch<br />

von akademischem Interesse.<br />

Lebensschützer haben<br />

daher allen Grund wachsam<br />

zu sein. Die erstaunlicherweise nicht<br />

von allen als überaus problematisch betrachtete<br />

künstliche Befruchtung könnte<br />

sonst zum Einfallstor für ein Lebensschutzkonzept<br />

werden,<br />

das einmal etabliert,<br />

sämtliche nicht transferierten<br />

Embryonen für<br />

vogelfrei erklärt. Das hätte<br />

auch für verbrauchende<br />

Embryonenforschung<br />

und das Klonen von Menschen<br />

zu Forschungszwecken<br />

Konsequenzen, die keinem recht<br />

sein dürften.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 29


BÜCHERFORUM<br />

Seit die Kultusministerkonferenz<br />

1968 die »Empfehlungen zur geschlechtlichen<br />

Erziehung in der<br />

Schule« herausgebeben hat, sei die<br />

»Sexualerziehung<br />

erstmals<br />

30<br />

von amtlicher<br />

Seite aus dem<br />

Zwielicht der<br />

Verdrängung<br />

und dem Ambiente<br />

der Lustfeindlichkeit geholt« worden.<br />

Schon in der Einleitung zeigt die<br />

Autorin der BZgA-Studie »Richtlinien<br />

und Lehrpläne zur Sexualerziehung«,<br />

Andrea Hilgers, durch<br />

welche Brille sie die<br />

»Analyse der Inhalte,<br />

Normen, Werte und<br />

Methoden zur Sexualaufklärung<br />

in den 16<br />

Ländern der Bundesrepublik<br />

Deutschland«<br />

anzugehen gewillt ist.<br />

Ihre erste »forschungsgestützte«<br />

Erkenntnis<br />

lautet, »dass Sexualität<br />

von frühester Jugend bis<br />

ins hohe Alter eine bedeutende<br />

Lebensäußerung<br />

darstellt und in<br />

allen Lebensphasen ein<br />

wesentliches Bedürfnis<br />

ist«. Damit soll die<br />

früheste schulische Behandlung menschlicher<br />

Sexualität gerechtfertigt werden.<br />

Weiterhin dekretiert Hilgers einen »erweiterten<br />

Sexualitätsbegriff«, der<br />

»Fruchtbarkeit, Beziehung, Lust, Identität<br />

und Kommunikation« umfasst. Aus ihm<br />

leitet sie willkürlich Lernziele ab. So wird<br />

»die Lust am eigenen Körper, z. B. durch<br />

Selbstbefriedigung« aufgewertet, während<br />

»Liebe und Partnerschaft« nur als ein<br />

»Beziehungsaspekt« der Sexualität gilt.<br />

Die Vermittlung biologischer Fakten wird<br />

gefordert, um »kompetent für Empfängnis-<br />

und Zeugungsverhütung sorgen zu<br />

können«. Überhaupt scheint für die Autorin<br />

die Unterdrückung der Fortpflanzungsfunktion<br />

das Lernziel schulischer<br />

Sexualpädagogik zu sein. Zu diesem<br />

Zweck verbiegt sie auch Verfassungsgerichtsurteile<br />

und unterschiebt den Richtern<br />

ihre eigene ideologische Tendenz.<br />

So behauptet sie zum Urteil vom 28. 5.<br />

1993: »Die Karlsruher Richter gehen<br />

davon aus, dass sich die nach wie vor zu<br />

hohe Zahl ungewollter Schwangerschaften<br />

verringern ließe, wenn eine nachhaltige<br />

Aufklärung in der Schule, insbesondere<br />

zum Thema ›Zeugungs- und Empfängnisverhütung‹<br />

stattfindet.« Der Leitsatz<br />

10, auf den sich die Autorin bezieht,<br />

lautet dagegen: »Der Schutzauftrag verpflichtet<br />

den Staat ferner, den rechtlichen<br />

Schutzanspruch des ungeborenen Lebens<br />

im allgemeinen<br />

Bewusstsein zu<br />

Schulische<br />

Sexualpädagogik<br />

erhalten und zu<br />

beleben.« Es<br />

geht also ausschließlich<br />

um<br />

das Ungeborene.<br />

In der Urteilsbegründung wird der Leitsatz<br />

fortgeführt: »Deshalb müssen die<br />

Organe des Staates in Bund und Ländern<br />

erkennbar für den Schutz des Lebens eintreten.<br />

Das betrifft auch<br />

und gerade die Lehrpläne<br />

der Schulen.«<br />

Den Freistaat Bayern,<br />

der Grundsätze des<br />

Urteils vorbildlich und<br />

vergleichsweise umfassend<br />

umgesetzt hat,<br />

schilt Hilgers: »Das<br />

Thema ›Schwangerschaftsabbruch‹<br />

wird<br />

nach dem Urteil des<br />

Bundesverfassungsgerichtes<br />

zum § 218 ausschließlich<br />

unter der<br />

Perspektive ›Schutz des<br />

ungeborenen Lebens‹<br />

behandelt und explizit<br />

mit einer negativen<br />

Wertung versehen: ›Der Schwangerschaftsabbruch<br />

muss für die ganze Dauer<br />

der Schwangerschaft grundsätzlich als<br />

Unrecht angesehen und dem gemäß<br />

rechtlich verboten sein.‹« Der höchstrichterliche<br />

Schutzauftrag an die Schulen<br />

wird als »Abschreckungspädagogik« abgekanzelt.<br />

In diesem Stil werden die Sexualkunderichtlinien<br />

und -lehrpläne der<br />

Länder abgehandelt, wobei die Wertungen<br />

im Süd-Nord-Gefälle immer freundlicher<br />

werden. Die Berliner Handreichungen,<br />

die sich weder um den Lebensschutz<br />

(GG Art. 2) scheren, noch den besonderen<br />

Schutz von Ehe und Familie herausstellen<br />

(GG Art. 6), aber Homosexualität an<br />

Schulen besonders gefördert wissen wollen,<br />

werden von der Autorin in Bausch<br />

und Bogen gelobt. Es ist ein Skandal, dass<br />

eine ideologische Verdrehungsschrift von<br />

einer Bundesbehörde aus Steuergeldern<br />

finanziert wird.<br />

Hubert Hecker<br />

Andrea Hilgers<br />

Richtlinien und Lehrpläne zur Sexualerziehung<br />

Kostenlos herausgegeben von der Bundeszentrale für<br />

gesundheitliche Aufklärung. Köln 2003.<br />

Im Schaufenster<br />

Aktive und passive<br />

Sterbehilfe<br />

In diesem Sammelband<br />

geben sich unterschiedlich<br />

radikale<br />

Befürworter einer Legalisierung<br />

der aktiven<br />

Sterbehilfe ein Stelldichein:<br />

Philosophen<br />

wie Dieter Birnbacher, Günther Patzig und<br />

Jürgen Mittelstraß sowie Juristen wie Klaus<br />

Kutzer Hans-Ludwig Schreiber und Friedhelm<br />

Hufen. Allein Dietrich Kettler plädiert dafür<br />

»unsere ethischen Normen nicht aufzugeben«<br />

und statt aktiver Sterbehilfe flächendeckend<br />

»aktive Lebenshilfe« in Form von Palliativmedizin<br />

anzubieten. Der Anhang dokumentiert<br />

den Bericht der rheinland-pfälzischen Bioethik-<br />

Kommission sowie die Grundsätze der Bundesärztekammer<br />

zur ärztlichen Sterbebegleitung.<br />

reh<br />

Felix Thiele (Hrsg.): Aktive und passive Sterbehilfe.<br />

Medizinische, Rechtswissenschaftliche und Philosophische<br />

Aspekte. Wilhelm Fink Verlag, München<br />

<strong>2005</strong>. 285 Seiten. 29,90 EUR.<br />

Stammzellen<br />

im Diskurs<br />

Der Sammelband<br />

präsentiert Theorie,<br />

Ablauf und Ergebnisse<br />

der »Bürgerkonferenz<br />

zur Stammzellforschung«,<br />

die das Max-<br />

Delbrück-Centrum für<br />

Molekulare Medizin in Berlin im vergangenen<br />

Jahr durchgeführt hat. Erklärtes Ziel war es,<br />

den Einfluss von Laien auf Entscheidungsprozesse<br />

zu gesellschaftlich umstrittenen Forschungsfeldern<br />

zu stärken. Das Ergebnis: Die<br />

Bürger sprachen sich nach Abwägung aller<br />

von Experten vorgetragenen Argumente eindeutig<br />

einen Vorrang der adulten gegenüber<br />

der embryonalen Stammzellforschung sowie<br />

gegen die Herstellung von Forschungsembryonen<br />

und das Klonen, einschließlich des so<br />

genannten therapeutischen Klonens, aus. reh<br />

Christof Tannert, Peter Wiedemann (Hrsg.): Stammzellen<br />

im Diskurs. Ein Lese-und Arbeitsbuch zu<br />

einer Bürgerkonferenz. Oekom Verlag, München<br />

2004. 167 Seiten. 26,50 EUR.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


»Lasst uns<br />

Menschen machen!«<br />

Der Anspruch des modernen<br />

Menschen, die<br />

Bedingungen seines<br />

Daseins selbst zu bestimmen,<br />

erreicht seinen<br />

bisherigen Höhepunkt<br />

in der Ambition<br />

der Gentechnik, den Menschen selbst zu entwerfen<br />

und neu zu schaffen. Der an der Universität<br />

Trier lehrende Philosoph Anselm Winfried<br />

Müller zeigt in diesem Buch, dass Verfahren<br />

wie die Präimplantationsdiagnostik,<br />

die Klonierung oder die Genmanipulation<br />

unweigerlich mit einer instrumentalisierenden<br />

Absicht verbunden sind. Übernähmen wir die<br />

darin implizierte Einstellung, betrachteten wir<br />

Dasein und genetisches Sosein der Mitmenschen<br />

nicht mehr bedingungslos als Vorgabe,<br />

sondern als Option. Und genau darin liegt laut<br />

Müller der tiefste Grund dafür, dass das Vorhaben,<br />

Menschen zu machen, deren Würde<br />

in Frage stellt und den Einspruch der Vernunft<br />

herausfordert. reh<br />

Anselm Winfried Müller: »Laßt uns Menschen machen!«<br />

Ansprüche der Gentechnik <strong>–</strong> Einspruch der<br />

Vernunft. Reihe Ethik aktuell, Band 8. Verlag Kohlhammer,<br />

Stuttgart 2004. 200 Seiten. 25,00 EUR.<br />

Individualität und<br />

Eingriff<br />

Der Sammelband<br />

versammelt Aufsätze<br />

von Autoren, die entweder<br />

einen anthroposophischen<br />

Ansatz<br />

besitzen oder deren<br />

Thesen sich mit einem<br />

solchen als kompatibel erweisen. Ein umfassender,<br />

kategorischer Lebensschutz zählt dazu<br />

nicht. Einige der durch den medizintechnischen<br />

Fortschritt möglich gewordene Eingriffe werden<br />

hier denn auch nicht etwa deshalb abgelehnt,<br />

weil sie nicht moralisch zu rechtfertigen<br />

sind, sondern weil sie Konsequenzen im Gepäck<br />

führen, die als überaus nachteilig erachtet<br />

werden. Trotz der Schwächen, die einem<br />

solchen Konsequenzialismus anhaften, handelt<br />

es sich um ein lesenswertes Buch, das durch<br />

seine ungewöhnlichen Perspektiven die Fachdiskussion<br />

zu bereichern und neue Denkanstösse<br />

zu geben vermag.<br />

reh<br />

Johannes Denger (Hrsg.): Individualität und Eingriff.<br />

Zur Bioethik: Wann ist ein Mensch ein Mensch?<br />

Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart <strong>2005</strong>. 252 Seiten.<br />

18,50 EUR.<br />

Forschung an<br />

Stammzellen<br />

Unter den Büchern, in denen sich<br />

Autoren in den letzten Jahren<br />

mit der menschliche Embryonen<br />

verbrauchenden Stammzellforschung<br />

befasst haben,<br />

ragt das vorliegende<br />

besonders<br />

heraus. Während<br />

in der überwiegenden<br />

Zahl der<br />

Veröffentlichungen<br />

zwischen dem Lebensrecht des in<br />

vitro gezeugten Embryos und einem in<br />

Aussicht gestellten medizin-technischen<br />

Fortschritt abgewogen wird, fragt Gisela<br />

Badura-Lotter vor allem danach, welche<br />

Konsequenzen eine »technische Verfügbarmachung<br />

des Menschen«<br />

für das Selbstverständnis<br />

des Menschen<br />

hat. Und diese wären, wie<br />

die Autorin plausibel zu<br />

machen versteht, überaus<br />

dramatisch. Werde nämlich<br />

der Embryo »in seinen<br />

frühesten Entwicklungsstadien<br />

zur verfügbaren<br />

Sache erklärt <strong>–</strong> wie<br />

in der verbrauchenden<br />

Embryonenforschung <strong>–</strong><br />

dann bedeutet dies für den<br />

Erwachsenen, der seine<br />

Lebensgeschichte rekonstruieren<br />

muss, dass er<br />

oder sein Körper zu einem bestimmten<br />

Zeitpunkt seines Lebens eine Sache war.<br />

(...) Sich selbst in einer bestimmten Lebensphase<br />

als Sache wahrnehmen zu müssen,<br />

mutet dem Menschen zu, eine Phase<br />

der Identitätslosigkeit in seine Lebensgeschichte<br />

integrieren zu müssen.« Denn<br />

die »Erzählung einer konsistenten Lebensgeschichte<br />

als Mensch wird dann<br />

entweder erst ab dem Zeitpunkt möglich,<br />

von dem an der Entität der Status eines<br />

Menschen zugewiesen wird oder sie erfordert<br />

eine Trennung von Körper und<br />

Person.« Letzteres bringe den Menschen<br />

jedoch »in eine existentielle Auseinandersetzung<br />

mit seiner Leiblichkeit, d.h. der<br />

Erfahrung, dass eine menschliche Person<br />

nicht nur einen Körper hat (als äußere<br />

Natur), sondern durch diesen als leibliche<br />

Person überhaupt ist.«<br />

Ohne auf die christliche Lehre vom<br />

Mensch als Ebenbild Gottes zurückzugreifen,<br />

vermag die Autorin zu zeigen,<br />

dass »der Akt der Zeugung« kein »beliebiger<br />

Anfangspunkt« ist. Vielmehr markiere<br />

die Zeugung »den ersten Beginn<br />

eines Ichs, das in der Erzählung einer<br />

konsistenten Lebensgeschichte zur Identität<br />

einer Person unmittelbar dazu gehört.«<br />

Alles was dem frühen Embryo<br />

widerfahre, betreffe direkt den späteren<br />

Menschen. Da jeder, mit dem Embryo,<br />

der einmal war, in einem »zumindest<br />

körperlich existenziellen<br />

Verhältnis«<br />

stehe, lasse<br />

sich der Embryo<br />

»nicht als<br />

von uns gänzlich<br />

getrenntes, unabhängiges<br />

Sein begreifen«.<br />

Der auf eine Dissertation zurückgehende<br />

Band, mit dem die Autorin am<br />

Lehrstuhl für Ethik in den Biowissenschaften<br />

der Universität Tübingen promoviert<br />

wurde, bietet einen Lösungsweg,<br />

der für Christen wie<br />

Nichtchristen gleichermaßen<br />

gangbar erscheint,<br />

jedenfalls dann, wenn bei<br />

der Frage nach der Zulassung<br />

einer Embryonen<br />

verbrauchenden Forschung<br />

die ethische Zulässigkeit<br />

und nichts anderes<br />

zur Debatte stehen<br />

soll.<br />

Darüber hinaus bietet<br />

das Buch einen, den<br />

philosophischen Überlegungen<br />

vorausgehenden<br />

Überblick über die<br />

biologischen und medizinischen<br />

Aspekte embryonaler und adulter<br />

Stammzellen. Auf rund 120 Seiten<br />

werden diverse Stammzelltypen vorgestellt,<br />

ihre Anwendungsperspektiven erläutert<br />

und einer kritischen Betrachtung<br />

unterzogen. Den Schluss bildet eine<br />

»klugheitsethische Abwägung«, in deren<br />

Rahmen die Verfasserin für ein »negatives<br />

Moratorium« plädiert, dass den »Verbrauch<br />

von Embryonen« für die embryonale<br />

Stammzellforschung« bis auf weiteres<br />

verbietet. Die Möglichkeit eines »positiven<br />

Moratoriums«, das die Forschung<br />

an embryonalen Stammzellen für eine<br />

bestimmte Dauer erlauben würde, hält<br />

sie »zum jetzigen Zeitpunkt« für »nicht<br />

ratsam«. Auch wenn man der Autorin ein<br />

wenig mehr Mut bei der Formulierung<br />

dessen gewünscht hätte, was aus ihren<br />

Ergebnissen, so ist ihr doch ein äußerst<br />

lesenswertes Werk gelungen.<br />

Stefan Rehder<br />

Gisela Badura-Lotter<br />

Forschung an embryonalen Stammzellen.<br />

Zwischen biomedizinischer Ambition und<br />

ethischer Reflexion.<br />

Campus Verlag, Frankfurt a. M., <strong>2005</strong>. 390 S. 39,90 EUR.<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 31


KURZ VOR SCHLUSS<br />

Expressis verbis<br />

»<br />

Man sage nicht, es sei ›umstritten‹, ob man<br />

ganz am Anfang des Lebens schon von<br />

›Mensch‹ reden könne. Wer die wissenschaftlichen<br />

Befunde kennt, kann wissen,<br />

dass kaum ein Wissenschaftler auf den<br />

Gedanken kommen würde, dass nach der<br />

Verschmelzung von Ei- und Samenzelle kein<br />

unverwechselbarer Mensch entstanden sei<br />

<strong>–</strong> wenn nicht machtvolle Interessen im<br />

Spiele wären.«<br />

Manfred Lütz, Chefarzt eines psychiatrischen<br />

Krankenhauses in Köln und Direktoriumsmitglied<br />

der Päpstlichen Akademie für das Leben in einem<br />

Beitrag für »Welt am Sonntag«<br />

»<br />

Ich bin Gynäkologe und zu diesem Beruf<br />

gehören eben auch Abtreibungen.«<br />

Der Gynäkologe Günther J., der eigenen Angaben<br />

zufolge von 1978 bis heute etwa 5.000<br />

Abtreibungen durchführte.<br />

»<br />

Die Niederländer haben vorgemacht, dass<br />

man die aktive Sterbehilfe legalisieren kann,<br />

ohne dass es zu massenhaftem Missbrauch<br />

kommt.«<br />

Felix Thiele von der Europäischen Akademie Bad<br />

Neuenahr-Ahrweiler in einem Interview mit dem<br />

»Bonner Generalanzeiger«, in dem er dafür<br />

plädiert, aktive Sterbehilfe auch in Deutschland<br />

zu gestatten.<br />

»<br />

Ich war einmal ein Embryo und ich werde<br />

vielleicht auch einmal ein alter dementer<br />

Mensch sein. (...) Wenn wir am Anfang und<br />

am Ende selektieren und sagen: Irgendwann<br />

ist es nicht mehr finanzierbar, wir müssen<br />

einen Menschen töten, dann sind wir am<br />

Ende unser Gesellschaft.«<br />

Tops & Flops<br />

Unter dem Titel »Eher wird<br />

ein Baby geklont, als ein<br />

Kranker geheilt« hat der<br />

CDU-Europaabgeordnete<br />

Peter Liese in der »Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung« eindeutig Stellung gegen<br />

das so genannte therapeutische Klonen<br />

bezogen. In<br />

dem lesenswerten<br />

Beitrag, der in der<br />

Rubrik »Fremde<br />

Federn« erschien,<br />

listet Liese, selbst<br />

promovierter Humangenetiker,<br />

nicht nur alle wesentlichen<br />

ethischen<br />

Argumente<br />

Peter Liese<br />

auf, die gegen das Klonen menschlicher<br />

Embryonen sprechen, sondern zeigt vor<br />

allem, dass die Forschung mit adulten<br />

Stammzellen angesichts der Erfolge, die<br />

mit ihr bislang erzielt werden konnten,<br />

der Forschung mit embryonalen Stammzellen<br />

auch bei einer rein medizinischen<br />

Betrachtungsweise hoch überlegen ist.<br />

Der wichtigste Grund: Die schnelle Zellteilung,<br />

welche embryonalen Stammzellen<br />

für die Forscher so interessant machten,<br />

mache sie für Patienten »sehr gefährlich«.<br />

Während sich das Problem der Abstoßung<br />

aus embryonalen Stammzellen gezüchteten<br />

Gewebes möglicherweise lösen lasse,<br />

sei »das Problem der krebsartigen<br />

Entartung« laut Liese nicht in den Griff<br />

zu bekommen.<br />

reh<br />

ARCHIV<br />

Peinlich, dass ausgerechnet<br />

der Erfinder der Anti-Baby-<br />

Pille behauptet, es sei unmöglich,<br />

»ohne Samenzellen«<br />

einen Embryo zu klonen. Weiß<br />

doch inzwischen<br />

jeder, dass Klonen<br />

durch Kerntransfer<br />

erfolgt, wobei der<br />

Kern einer Körperzelle<br />

eines bereits<br />

existierenden<br />

Individuums in eine<br />

zuvor entkernte Eizelle<br />

derselben<br />

Carl Djerassi<br />

Spezies übertragen wird. Auch lassen sich<br />

Ei- und Samenzellen schwerlich auf dieselbe<br />

Stufe stellen, wie der aus ihrer erfolgreichen<br />

Verschmelzung resultierende<br />

Embryo. Der von Carl Djerassi für<br />

Ei-, Samenzelle und Embryo unterschiedslos<br />

verwandte Begriff »potentielles<br />

Leben«, ist problematisch und wird dem<br />

Embryo jedenfalls in keiner Weise gerecht.<br />

Dass aus ihm nicht unter Umständen<br />

»menschliches Leben« hervorgeht,<br />

sondern er Mensch ist, weil die in Eiund<br />

Samenzelle liegende Potenz in ihm<br />

bereits aktualisiert wurde, wird auch von<br />

Befürwortern des Klonens menschlicher<br />

Embryonen nicht bestritten. Selbst Oliver<br />

Brüstle räumt inzwischen ein, dass<br />

menschliches Leben mit der Verschmelzung<br />

von Ei- und Samenzelle beginnt.<br />

Der Mensch ist eben mehr als die Summe<br />

seiner Teile.<br />

reh<br />

WWW:DJERASSI.COM<br />

Der Trierer Bischof Reinhard Marx in einem FAZ-<br />

Gespräch mit Hans D. Barbier und Frank Schirrmacher.<br />

»<br />

Die sich ständig weiterentwickelnden<br />

Reproduktionstechniken wecken überhöhte<br />

Erwartungen bei den Betroffenen, aber nur<br />

sehr begrenzt wird der Wunsch nach einem<br />

eigenen Kind erfüllt.«<br />

Aus einer »Pro Familia«-Pressemitteilung<br />

anlässlich einer Fachtagung der Organisation<br />

zur Reproduktionsmedizin<br />

32<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


Aus dem Netz gefischt<br />

Die Website des President’s Council<br />

of Bioethics, der US-Präsident Bush in<br />

bioethischen Fragen berät, stellt eine<br />

wahre Fundgrube für alle dar, die<br />

sich ernsthaft mit den durch den<br />

Fortschritt in Gentechnologie<br />

und Medizin aufgeworfenen<br />

Fragen beschäftigen wollen. Weit<br />

davon entfernt, sich auf die von<br />

Medien beachteten Themen wie<br />

die Stammzellforschung oder das<br />

Klonen zu beschränken, bietet<br />

die Seite umfangreiches Material<br />

zu nicht weniger brisanten<br />

Themen wie der »Organtransplantation«,<br />

der »Selektion nach<br />

Geschlecht« oder dem auch in<br />

Deutschland zunehmenden<br />

»Einsatz von Psychopharmaka« zur Leistungssteigerung<br />

und Verhaltenskontrolle<br />

bei Kindern sowie neuen Möglichkeiten<br />

zur Manipulation des Gedächtnisses. Auch<br />

grundsätzliche Fragen, wie der gesellschaftliche<br />

Umgang mit einer weiter steigenden<br />

Lebenserwartung, werden hier<br />

thematisiert. Die Unmengen an Literatur,<br />

Aufsatzsammlungen, Einzelbeiträgen und<br />

Hintergrundpapieren finden sich thematisch<br />

so geordnet, dass sie jeweils auch<br />

für den Noch-Nicht-Experten grundsätzlich<br />

bewältigbar erscheinen. Unabdingbare<br />

Vorraussetzung sind freilich hinreichende<br />

Englischkenntnisse.<br />

www.bioethics.gov<br />

»Deutschland. Das von morgen« (3)<br />

Es gibt ein Leben nach der Politik.<br />

Selbst für Gerhard Schröder. Zwar mag<br />

man sich fragen, wer angesichts von<br />

fünf Millionen Arbeitslosen jemanden<br />

einstellen soll, dessen größter Vorzug<br />

darin besteht, eine »ruhige Hand« zu<br />

besitzen? Doch sind solche Qualitäten<br />

tatsächlich gefragt. Zum Beispiel in der<br />

Klonforschung. Wer dort Eizellen entkernen<br />

und in ihre Hüllen Zellkerne<br />

bereits ausgewachsener Menschen einschleusen<br />

soll, dem dürfen weder Knie<br />

noch Hand zittern. Da das Fehlen moralischer<br />

Prinzipien die Einstellungschancen<br />

zudem beträchtlich erhöht,<br />

bringt Schröder beste Voraussetzungen<br />

mit, um hier eine zweite Karriere zu<br />

starten.<br />

Wer über solche verfügt, dem vermag<br />

diese Website sogar Freude zu machen.<br />

Eine klare Navigation sorgt dafür, dass<br />

auch der schnelle Surfer stets findet,<br />

wonach er Ausschau hält. Und auch diejenigen,<br />

die sich eher für die 17 Personen<br />

interessieren, welche unter dem Vorsitz<br />

von Leon R. Kass Präsident Bush beraten,<br />

werden auf der betont funktionalen Website<br />

nicht enttäuscht.<br />

Neben ausführlichen Porträts, welche<br />

die hier versammelte bemerkenswerte<br />

Expertise deutlich werden lässt, können<br />

auch zahlreiche Wortprotokolle der Sitzungen<br />

des »President’s Council of<br />

Bioetehics« eingesehen werden. Klasse<br />

und Transparenz, die man auch dem Nationalen<br />

Ethikrat wünscht. reh<br />

Natürlich könnte diese nicht in<br />

Deutschland beginnen. Das verbietet<br />

ausdrücklich das Embryonenschutzgesetz,<br />

das Schröder aus Angst auf Englisch<br />

zu publizieren und sein Haus in<br />

Hannover verkaufen zu müssen, noch<br />

schnell abschaffen wollte. Doch weil<br />

die FDP da weitermachen will, wo der<br />

Kanzler aufgehört hat, wird sich Schröder<br />

mit dem Verkauf der Immobilie<br />

wohl Zeit lassen. Denn nach ein paar<br />

Jahren in Südkorea könnte er nach<br />

Deutschland zurückkehren, um in<br />

Frankfurt den mit 100.000 Euro dotierten<br />

»Paul-Ehrlich und Ludwig-Darmstaedter-Preis«<br />

entgegenzunehmen.<br />

Nicht einmal eine höhere Mehrwertsteuer<br />

würde ihn davon abhalten. reh<br />

KURZ & BÜNDIG<br />

Abtreibung im Minutentakt<br />

In Spanien wird laut einer Studie des Instituts<br />

für Familienpolitik alle 6,6 Minuten eine Abtreibung<br />

vorgenommen, die meisten in der<br />

Region Madrid (15.373), gefolgt von Katalonien<br />

(15.373) und Andalusien (14.280). Spanien<br />

verfügt über 17 Regionen und zwei autonome<br />

Städte. Jede siebte vorgeburtliche Kindstötung<br />

wird von Frauen in Auftrag gegeben, die jünger<br />

als 19 Jahre alt sind. Obwohl in groß angelegten<br />

Kampagnen ständig für den Gebrauch<br />

von Verhütungsmitteln geworben würde und<br />

sich außerdem die wirtschaftliche Situation<br />

in Spanien während der letzten Jahre erheblich<br />

verbessert habe, sei die Anzahl der vorgenommenen<br />

Abtreibungen nicht gesunken, heißt<br />

es in der Studie. Aus diesem Grund schlägt<br />

das spanische Institut für Familienpolitik nun<br />

die Bildung einer interministeriellen Kommission<br />

vor, die sich im Auftrag des Gesundheitsministeriums<br />

mit dem Problem der Abtreibung<br />

befassen soll. reh<br />

Abtreibung ist wie Schwarzfahren<br />

In Russland werden vorgeburtliche Kindstötungen<br />

als ähnlich unmoralisch betrachtet<br />

wie das Schwarzfahren. Das ist Teil der Ergebnisse,<br />

die eine kürzlich veröffentlichte<br />

Umfrage des »Gesamtrussischen Instituts zum<br />

Studium der öffentlichen Meinung« (WZIOM)<br />

zu Tage gefördert hat. Ganz oben auf der Liste<br />

der Verhaltensweisen, die von 1.599 Befragten<br />

aus 46 Regionen des Landes als unmoralisch<br />

eingestuft wurden, finden sich Drogenkonsum<br />

(92 Prozent), Mängel bei der Erziehung der<br />

Kinder (91 Prozent) und die Misshandlung von<br />

Tieren (82 Prozent). Homosexualität wird von<br />

59 Prozent, Steuerhinterziehung von 52 Prozent<br />

der Befragten abgelehnt.<br />

Dagegen betrachten nur noch 38 Prozent der<br />

Russen Abtreibungen als unmoralisch. Selbst<br />

das Schwarzfahren wird von immerhin 40<br />

Prozent abgelehnt.<br />

reh<br />

Frankreich: Abtreibung als Abithema<br />

In Frankreich hat eine Aufgabenstellung bei<br />

den diesjährigen Abiturprüfungen für Aufregungen<br />

gesorgt. Die Schüler sollten ausgehend<br />

von einem Zeitungsartikel »die Argumente<br />

entwickeln, die für die Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs<br />

in Frankreich sprechen.«<br />

Mehrere Organisationen sowie die Erzdiözese<br />

Paris protestierten daraufhin beim französischen<br />

Bildungsministerium. Sie kritisierten,<br />

das Thema sei nicht neutral präsentiert worden<br />

und beruhe zudem auf falschen Angaben, die<br />

in dem betreffenden Zeitungsartikel gemacht<br />

worden seien. In Frankreich werden die Abiturthemen<br />

für alle Schulen zentral vom Bildungsministerium<br />

vorgegeben. reh<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong> 33


LESERFORUM<br />

»In der Autoindustrie würde niemand<br />

einer Technik hinterherlaufen, die<br />

bereits in der Frühphase derartige<br />

Risiken und Nachteile offenbart, wie<br />

die Forschung mit embryonalen<br />

Stammzellen; erst recht nicht, wenn<br />

es <strong>–</strong> wie die adulten Stammzellen<br />

zeigen <strong>–</strong> Alternativen gibt.«<br />

Alexander Schulz, Nürnberg zum Beitrag<br />

»Die Jagd auf den Rohstoff Mensch«<br />

Fundamente im Sinne der »political correctness«<br />

aufgeben? Bei unserem letzten<br />

Infostand im Mai in Leipzig wurden wir<br />

beschimpft: »So ein Sch.., was die da<br />

machen, das ist ja mittelalterlich...« Nun,<br />

damit muss man leben, wenn man sich<br />

entschieden hat, auf der Seite des Lebens<br />

zu stehen. Die Tatsachen sprechen für<br />

uns. Ich jedenfalls bin stolz auf den Titel<br />

Lebensrechtler!<br />

Beatrix Schäfer, Lüptitz<br />

Post Abortion Syndrom<br />

Als Betroffene möchte ich Ihnen für<br />

die Beiträge zum Post Abortion Syndrom<br />

DANIEL RENNEN<br />

Gratulation<br />

Zu Ihrem Artikel »Im Zweifel für den<br />

Tod« von Dr. Raymond Georg Snatzke<br />

gratuliere ich Ihnen herzlich. In keiner<br />

anderen Zeitschrift oder Tageszeitung<br />

habe ich eine Dokumentation gelesen,<br />

die die Umstände des Todes von Terri<br />

Schiavo so umfassend beleuchtet. Das<br />

grausame Sterben von Terri Schiavo wird<br />

sicher nicht nur in Amerika die Diskussion<br />

über die »Kultur des Todes« neu entfachen.<br />

Auch bei uns in Deutschland besteht<br />

die große Gefahr, dass es schon sehr bald<br />

nach den wehrlosen Kindern im Mutterleib<br />

die <strong>–</strong> ebenfalls wehrlosen <strong>–</strong> Behinderten,<br />

Alten und Schwerkranken treffen<br />

kann. Daher ist höchste Wachsamkeit<br />

geboten. Wir alle dürfen nicht in dem<br />

Bemühen nachlassen, Aufklärungsarbeit<br />

zu diesem wichtigen Thema zu leisten.<br />

Machen Sie weiter so und sensibilisieren<br />

Sie die Menschen für eine »Kultur des<br />

Lebens«, nicht nur über das Lebens-<br />

Forum, sondern auch über Fernsehen,<br />

Rundfunk und überregionale Presse.<br />

Karl-Heinz Krafft, Georgsmarienhütte<br />

Wunderschöne Würdigung<br />

Haben Sie vielen Dank für die wunderschöne<br />

Würdigung von Johannes Paul<br />

II. durch Stefan Rehder. Als Protestantin<br />

konnte ich aus sicher leicht nachvollziehbaren<br />

Gründen seine Ansichten nicht<br />

immer teilen. Aber was seinen Einsatz<br />

für die Schwächsten in unserer Gesellschaft<br />

betrifft, zu denen ja in besonderer<br />

Weise die ungeborenen Kinder zählen,<br />

34<br />

Papst Johannes Paul II.<br />

war er mir ein unerreichbares Vorbild.<br />

Wer hätte gedacht, dass er sich bereits in<br />

den 60er Jahren auch noch um die Frauen<br />

gesorgt hat, die eine Abtreibung durchführen<br />

ließen, also zu einem Zeitpunkt,<br />

zu dem solche Frauen üblicherweise verteufelt<br />

wurden.<br />

Hannelore Janssen, Hamburg<br />

Ehrentitel: Lebensrechtler<br />

Zum Leserbrief von Dieter Emmerling<br />

(<strong>LebensForum</strong> Nr. 74): Sehr verwundert<br />

hat mich dieser Leserbrief. Da wird gerügt,<br />

dass <strong>ALfA</strong>-Mitglieder als »Lebensrechtler«<br />

bezeichnet werden. Was tun<br />

wir denn bei der <strong>ALfA</strong>? Setzen wir uns<br />

nicht vorbehaltlos für das Lebensrecht<br />

eines jeden Menschen ein? Fundamentalismus?<br />

<strong>–</strong> Mit dieser Keule kann man<br />

jeden erschlagen, der Prinzipien, sprich:<br />

»Fundamente« hat. Sollten wir unsere<br />

CHRISTOPH HURNAUS<br />

Vom Post Abortion Syndrom betroffene Frau.<br />

in den letzten Ausgaben von <strong>LebensForum</strong><br />

(Nr. 74 und Nr. 73) danken. Wären<br />

mir vor zehn Jahren die Informationen<br />

zugänglich gewesen, die ihre Autoren<br />

hier veröffentlicht haben, hätte ich mich<br />

höchstwahrscheinlich für mein Kind entschieden.<br />

Hoffentlich lesen die Beraterinnen<br />

von Pro Familia auch Ihre Zeitschrift.<br />

A. Maier, Stuttgart<br />

Immer besser<br />

<strong>LebensForum</strong> verblüfft mich immer<br />

wieder. Es scheint, als würde die Zeitschrift<br />

mit jeder Ausgabe noch besser. Wie machen<br />

Sie das bloß? Der neue »Look«<br />

spricht mich zwar an, aber noch wichtiger<br />

sind mir die Beiträge. Beim Besuch Ihrer<br />

Homepage habe ich festgestellt, dass die<br />

Beiträge dort jetzt auch zum Download<br />

bereit stehen. Eine gute Idee! So kann<br />

ich Freunden und Mitschülern hin und<br />

wieder einen interessanten Artikel schicken,<br />

ohne gleich ein ganzes Heft kaufen<br />

und mit Porto versehen zu müssen.<br />

Jana Mielcarek, Berlin<br />

<strong>LebensForum</strong> <strong>75</strong>


IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

LEBENSFORUM<br />

Ausgabe Nr. <strong>75</strong>, 3. Quartal <strong>2005</strong><br />

ISSN 0945-4586<br />

Verlag<br />

Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

Tel.: 08 21 / 51 20 31, Fax: 08 21 / 15 64 07<br />

www.alfa-ev.de, Email: info@alfa-ev.de<br />

Herausgeber<br />

Aktion Lebensrecht für Alle e.V.<br />

Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminski (V.i.S.d.P.)<br />

Kooperation<br />

Ärzte für das Leben e.V. <strong>–</strong> Geschäftsstelle<br />

z.H. Frau Dr. Bärbel Dirksen<br />

Ludwig-Schüsselerstr. 29, 64678 Lindenfels<br />

Tel.: 0 62 54 / 4 30, E-Mail: dr.b.dirksen@gmx.de<br />

www.aerzte-fuer-das-leben.de<br />

Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen<br />

Stitzenburgstraße 7, 70182 Stuttgart<br />

Tel.: 0711 - 232232, Fax: 0711 - 2364600<br />

E-Mail: info@tclrg.de, Internet: www.tclrg.de<br />

Redaktionsleitung<br />

Stefan Rehder, M.A., Dr. phil. nat. Andreas Reimann<br />

Redaktion<br />

Veronika Blasel, M.A.,Alexandra Linder, M.A.,<br />

Dr. med. Maria Overdick-Gulden, Prof. Dr. med. Ingolf Schmid-<br />

Tannwald (Ärzte für das Leben e.V.)<br />

Anzeigenverwaltung<br />

Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

Tel.: 08 21 / 51 20 31, Fax: 08 21 / 15 64 07<br />

www.alfa-ev.de, E-Mail: info@alfa-ev.de<br />

Satz / Layout<br />

Rehder Medienagentur, Aachen<br />

www.rehder-agentur.de<br />

Auflage<br />

7.500 Exemplare<br />

Anzeigen<br />

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 5 vom 01.01.2003<br />

Erscheinungweise<br />

Vierteljährlich, Lebensforum Nr. 76 erscheint am 23.12.<strong>2005</strong>,<br />

Redaktionsschluss ist der 25.11.<strong>2005</strong><br />

Jahresbezugspreis<br />

12,- EUR (für ordentliche Mitglieder der <strong>ALfA</strong> und der Ärzte für<br />

das Leben im Beitrag enthalten)<br />

Bankverbindung<br />

Augusta-Bank<br />

Konto Nr. 50 40 990 - BLZ 720 900 00<br />

Spenden erwünscht<br />

Druck<br />

Reiner Winters GmbH<br />

Wiesenstraße 11, 5<strong>75</strong>37 Wissen<br />

www.rewi.de<br />

Titelbild<br />

[M] Life Issues Institute / Rehder Medienagentur<br />

www.rehder-agentur.de<br />

Das Lebensforum ist auf umweltfreundlichem chlorfrei gebleichtem<br />

Papier gedruckt.<br />

Mit vollem Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt<br />

die Meinung der Redaktion oder der <strong>ALfA</strong> wieder und stehen in<br />

der Verantwortung des jeweiligen Autors.<br />

Fotomechanische Wiedergabe und Nachdruck <strong>–</strong> auch auszugsweise<br />

<strong>–</strong> nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion. Für<br />

unverlangt eingesandte Beiträge können wir keine Haftung<br />

übernehmen. Unverlangt eingesandte Rezensionsexemplare<br />

werden nicht zurückgesandt. Die Redaktion behält sich vor,<br />

Leserbriefe zu kürzen.<br />

Helfen Sie Leben retten!<br />

Aktion Lebensrecht für Alle (<strong>ALfA</strong>) e.V.<br />

Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg<br />

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Ottmarsgässchen 8, 86152 Ausgburg<br />

Die Preisträger: Georg Paul Hefty (links), Gudrun Kugler-Lang (5.v.l.).<br />

Für eine »Neuentdeckung der Unveräußerlichkeit<br />

der menschlichen<br />

Würde und der Unersetzbarkeit<br />

der Familie« hat sich Fürstin<br />

Gloria von Thurn und Taxis ausgesprochen.<br />

Die herrschende »Kultur des Todes<br />

und des Tötens« hinterlasse nicht nur<br />

verzweifelte Betroffene, sondern produziere<br />

auch eine »Gesellschaft ohne<br />

Zukunft«, sagte die Familienmutter und<br />

Unternehmerin Ende Juni im Münchner<br />

Künstlerhaus bei der Verleihung des Stiftungspreises<br />

der Stiftung »Ja zum Leben«.<br />

Der mit 10.000 Euro dotierte Preis ging<br />

in diesem Jahr an den Leiter des Ressorts<br />

Zeitgeschehen der Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung, Dr. Georg Paul Hefty, und<br />

an den europäischen Zweig der Weltjugendallianz,<br />

einer internationalen Jugendorganisation,<br />

die sich bei den Vereinten<br />

Nationen und der Europäischen Union<br />

für die Würde der menschlichen Person,<br />

die zentrale Rolle der Familie in der<br />

Gesellschaft und für eine Kultur des Lebens<br />

einsetzt.<br />

In ihrer Laudatio würdigte<br />

Fürstin Gloria, die der Stiftung<br />

»Ja zum Leben« als Stiftungsrätin<br />

verbunden ist, die Weltjugendallianz<br />

als internationale Jugendorganisation,<br />

die fünf Jahre<br />

nach ihrer Gründung bereits 1,5<br />

Millionen Jugendliche in über<br />

100 Ländern repräsentiere. Als<br />

offiziell registrierte Nichtregierungsorganisation<br />

habe sie Zugang<br />

zu den Institutionen der<br />

Europäischen Union. »Wir sehen<br />

hier eine Jugendorganisation, die<br />

sich in beispielhafter Weise für<br />

die Familie und die Unantastbarkeit<br />

der Menschenwürde<br />

einsetzt«, begründete Fürstin<br />

ARCHIV<br />

Gloria die Preisvergabe. Die<br />

Gründerin der Weltjugendallianz-Europa,<br />

die österreichische<br />

Juristin Dr.<br />

Gudrun Kugler-Lang, hob<br />

hervor, dass die Kultur des<br />

Lebens für ihre Organisation<br />

nicht nur eine politische<br />

Theorie sei, sondern eine<br />

Lebenseinstellung, welche<br />

die Lebensqualität jedes<br />

Einzelnen bereichere.<br />

Den zweiten Preisträger,<br />

FAZ-Redakteur Georg Paul<br />

Hefty, würdigte der Rechtswissenschaftler<br />

Prof. Friedrich<br />

Graf von Westphalen<br />

als »herausragenden Journalisten,<br />

der sich an prominenter<br />

Stelle mutig und<br />

nimmermüde für den Lebensschutz«<br />

einsetze. In<br />

seinem journalistischen<br />

Schaffen habe er viele gesellschaftlich<br />

relevante Krisenerscheinungen sachlich<br />

und kenntnisreich sichtbar gemacht, von<br />

der staatlichen Subventionierung der<br />

Abtreibungen bis zur Mitwirkung des<br />

Arztes beim Töten im Falle der Euthanasie.<br />

ARCHIV<br />

Georg Paul Hefty (Mitte) mit Bischof Laun und Claudia Kaminski.<br />

Vor mehr als 200 Ehrengästen zeigte<br />

sich die Stiftungsvorsitzende Johanna<br />

Gräfin von Westphalen optimistisch, dass<br />

der Kampf für eine Kultur des Lebens<br />

jetzt mehr Erfolg haben werde als in den<br />

letzten Jahrzehnten. Der Ausgang der<br />

italienischen Volksabstimmung über bioethische<br />

Fragen sei eine »Ermutigung für<br />

alle Christen in Europa, dass der Kampf<br />

gegen eine relativistische, liberalistische<br />

Unkultur jetzt Früchte zu tragen scheint«.<br />

Auch in Deutschland habe die »Lebensfeindlichkeit<br />

ihren Zenit überschritten«<br />

und viele seien »längst bereit zu einem<br />

Angriff auf die Diktatur des Liberalismus«.<br />

Mit dem Stiftungspreis zeichnet die<br />

Stiftung »Ja zum Leben« Persönlichkeiten<br />

und Organisationen aus, die durch ihren<br />

aktiven Einsatz dazu beitragen, in der<br />

Öffentlichkeit das Bewusstsein von der<br />

Würde und Einmaligkeit jedes menschlichen<br />

Lebens, ob geboren oder ungeboren,<br />

zu vermitteln, das Recht auf Leben<br />

zu verteidigen, Mut zu einem Leben mit<br />

Kind zu machen und für die Rechte der<br />

Familie einzutreten.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.tim-lebt.de, www.kultur-des-lebens.de

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