Architektur verstehen

seemann.henschel.verlagsgruppe
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13.07.2020 Aufrufe

146 Gigantismus 2 Wirtschaftliches Wachstum und ausgefeilte Programme für die rechnerunterstützte Konstruktion schufen die Vor - aussetzungen, um im Maßstab zu bauen. Neue Com putertechniken machten Konstruk tions - metho den noch effizienter, sodass Gebäude weiter in die Höhe ragen konnten, während technische Entwick lungen bei der Vertikal - zirkulation und im Umweltschutz es ermöglichten, dass die Gebäude nicht nur nach oben, sondern auch in die Breite neu wuchsen. So wurde mehr Raum für die kommerzielle und halböffentliche Nutzung geschaffen. 1 NORMAN FOSTER (1935–); SKIDMORE, OWINGS & MERRILL (gegründet 1936); RENZO PIANO (1937–); CY LEE (1938–); MOSHE SAFDIE (1938–); RAFAEL VIÑOLY (1944–); GENSLER (gegründet 1965); KOHN PEDERSEN FOX (gegründet 1976) 3 4 Höhe, Konstruktion, Wert, Effizienz, digitale Berechnung Im Jahr 1990 waren weniger als 10 Gebäude der Welt höher als NDB 350 Meter. Der Wettbewerb zwischen Städ - ten in den Schwellenländern und in Zentren wie Moskau oder London führte dazu, dass ihre Zahl 2017 auf über 50 angestiegen war, mit vielen weiteren in Planung. Als der Burj Khalifa in Dubai, entworfen von Skidmore, Owings & Merrill (SOM), 2010 fertiggestellt war, war er mit 828 Metern und 164 Stock - werken das höchste Gebäude der Welt, 60 % höher als der Vorgänger, Taipei 101, entworfen von CY Lee. Bei Ent stehung dieses Buches ist er fast 200 Meter höher als der nächste Konkurrent, der Shang hai Tower (2015) von Gensler, der seinerseits von weiteren fast ebenso hohen Gebäuden, entworfen von Kohn Pedersen Fox (KPF), umgeben ist. Getrieben ist die Entwicklung hier vom ökonomischen Wachstum und von hoch - entwickelter, digitaler Technik. Durch Ersteres können die zusätzlichen Kosten von hohen Gebäuden getragen werden, und es macht eine dich tere, effizientere und nachhaltigere Bau weise noch dringlicher. Letzteres versetzt Architekten in die Lage, die Funktions weise

Gigantismus 147 von Konstruk tionen zu analysieren. Das setzt die Schwer kraft zwar nicht außer Kraft, er wei - tert aber deutlich die Möglich keiten des Um - gangs mit ihr, eröffnet Wege für eine verbes - serte Verti kalzirkulation und Belüf tung sowie die Simu lation äußerer Ein wirkungen wie Wind. Der Burj Khalifa stützt sich auf die Erfahrun - gen, die SOM beim Bau hoher Gebäude gewonnen hat, darunter der Sears (heute Willis) Tower in Chicago (1974), der über 20 Jahre lang das höchste Gebäude der Welt war und bei dem erstmals das Konzept des „abgestützten Kerns“ (buttressed core) angewandt wurde. Dank ihrer Interdependenz und des hochrationalisierten Designs lässt sich so von einem relativ kleinen Fußabdruck auf dem Boden ein gewaltiger Zuwachs an Höhe gewinnen. Die komplizierte Gestal - tung der Außenhaut bringt die Windkräfte durcheinander – und bremst sie damit. Wo Höhe nicht das einzige Ziel ist, können Hochhäuser eine andere Form annehmen, etwa bei Rafael Viñolys „Walkie Talkie“ (2014) in der Londoner City und Moshe Safdies Marina Bay Sands Resort (2010) in Singapur, dessen 57-stöckige Türme durch einen großen Dachgarten miteinander verbunden sind. HAUPTWERKE 7 Burj Khalifa, Dubai, SKIDMORE, OWINGS & MERRILL, 2010 Bei der Fertigstellung mit über 200 Metern Vorsprung der höchste Wolkenkratzer der Welt, steht der Burj Khalifa für die seit den 1950er Jahren gesammelten Erfahrungen und die Expertise der Architekten hinsichtlich der Kräfte, die in hohen Gebäuden herrschen. 8 Marina Bay Sands, Singapur, MOSHE SAFDIE, 2010 Dieses riesige Resort (2400 Hotelzimmer, ein Kasino, Geschäfte, Restaurants, Konferenzzentrum und Museum) beweist, dass Fortschritte in der Konstruktions technik es ermöglichen, auf hohem Niveau ein halböffentliches Reich zu schaffen. Die zwischen den drei Türmen schwebende Sonnenterrasse verfügt über einen Swimmingpool und eine Bar sowie weit über das Hauptgebäude hinausreichende Ausleger. WEITERE BAUWERKE TAIWAN Taipei 101, Taipeh, CY LEE, 2004 CHINA Shanghai World Financial Center, KOHN PEDERSEN FOX, 2008; Shanghai Tower, GENSLER, 2014 GROSSBRITANNIEN „Walkie Talkie“ (20 Fenchurch Street), London, RAFAEL VIÑOLY, 2014; The Shard, London, RENZO PIANO, 2012 VAE Burj Mohammed bin Rashid Tower, Abu Dhabi, NORMAN FOSTER, 2014 9 0 Wolkenkratzer, Corporate Architecture, Metarationalismus Strukturalismus, Regionalismus, Postmoderne

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2<br />

Wirtschaftliches Wachstum und ausgefeilte<br />

Programme für die rechnerunterstützte<br />

Konstruktion schufen die Vor -<br />

aussetzungen, um im Maßstab zu bauen. Neue<br />

Com putertechniken machten Konstruk tions -<br />

metho den noch effizienter, sodass Gebäude<br />

weiter in die Höhe ragen konnten, während<br />

technische Entwick lungen bei der Vertikal -<br />

zirkulation und im Umweltschutz es ermöglichten,<br />

dass die Gebäude nicht nur nach<br />

oben, sondern auch in die Breite neu wuchsen.<br />

So wurde mehr Raum für die kommerzielle<br />

und halböffentliche Nutzung geschaffen.<br />

1<br />

NORMAN FOSTER (1935–); SKIDMORE,<br />

OWINGS & MERRILL (gegründet 1936);<br />

RENZO PIANO (1937–); CY LEE (1938–); MOSHE<br />

SAFDIE (1938–); RAFAEL VIÑOLY (1944–); GENSLER<br />

(gegründet 1965); KOHN PEDERSEN FOX (gegründet<br />

1976)<br />

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Höhe, Konstruktion, Wert, Effizienz,<br />

digitale Berechnung<br />

Im Jahr 1990 waren weniger als<br />

10 Gebäude der Welt höher als<br />

NDB<br />

350 Meter. Der Wettbewerb zwischen Städ -<br />

ten in den Schwellenländern und in Zentren<br />

wie Moskau oder London führte dazu, dass<br />

ihre Zahl 2017 auf über 50 angestiegen war,<br />

mit vielen weiteren in Planung. Als der Burj<br />

Khalifa in Dubai, entworfen von Skidmore,<br />

Owings & Merrill (SOM), 2010 fertiggestellt<br />

war, war er mit 828 Metern und 164 Stock -<br />

werken das höchste Gebäude der Welt,<br />

60 % höher als der Vorgänger, Taipei 101,<br />

entworfen von CY Lee. Bei Ent stehung dieses<br />

Buches ist er fast 200 Meter höher als der<br />

nächste Konkurrent, der Shang hai Tower (2015)<br />

von Gensler, der seinerseits von weiteren<br />

fast ebenso hohen Gebäuden, entworfen<br />

von Kohn Pedersen Fox (KPF), umgeben ist.<br />

Getrieben ist die Entwicklung hier vom<br />

ökonomischen Wachstum und von hoch -<br />

entwickelter, digitaler Technik. Durch Ersteres<br />

können die zusätzlichen Kosten von hohen<br />

Gebäuden getragen werden, und es macht<br />

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Bau weise noch dringlicher. Letzteres versetzt<br />

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