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XtraBlatt Ausgabe 01-2020

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INTERNATIONAL<br />

LANDWIRT GIAN PETER NIGGLI, SAMEDAN (CH)<br />

ALPEN-ANGUS<br />

Das verbindende Element der vier Kantone sind die<br />

Alpen und die dortige Form der Landwirtschaft.<br />

stückweit Wettbewerber sind. Es ist uns<br />

aber gelungen. Und seitdem haben wir ein<br />

gutes Verhältnis untereinander. Inzwischen<br />

haben wir sogar ein gemeinsames Gütesiegel,<br />

regio.garantie, welches im Co-Branding<br />

mit der Regionalmarke auf zertifizierten<br />

Produkten abgebildet wird“, berichtet<br />

Jasmine Said Bucher.<br />

SEHR AKTIV<br />

Voraussetzung für die Zusammenarbeit<br />

zwischen einem Erzeuger und alpinavera ist<br />

eine Vertragspartnerschaft und die damit<br />

verbundene externe Zertifizierung. Sie wird<br />

für einzelne Produkte, nicht für Betriebe<br />

vergeben. Das Zertifikat gilt für jeweils zwei<br />

Jahre. Aktuell sind 2.106 Produkte zertifiziert.<br />

Der Verein hat 198 Verträge mit Erzeugern<br />

abgeschlossen, die aus 540 Betrieben<br />

stammen. Die Differenz rührt daher, dass<br />

zum Beispiel bei einer Alp-Gemeinschaft<br />

mehrere bäuerliche Betriebe ein Produkt<br />

– zum Beispiel Alpkäse – miteinander erzeugen<br />

und vermarkten.<br />

„Unsere Hauptaufgabe ist es, die Transaktionskosten<br />

zu senken“, erläutert Jasmine<br />

Said Bucher. „Der einzelne Produzent hat<br />

ja nur einen sehr begrenzten Zugang zum<br />

Jasmine Said Bucher ist Geschäftsführerin von alpinavera.<br />

Konsumenten. Und wenn letzterer im<br />

Einzelhandel vor einer großen Theke steht,<br />

kann er oft nicht unterscheiden. Labels<br />

geben dabei Sicherheit. Und ich freue mich<br />

sehr, dass unseres bei einer Bewertung<br />

durch den Schweizer Konsumentenschutz<br />

als bestes der Regionallabel abgeschnitten<br />

hat.“<br />

Aktiv ist alpinavera in fünf Bereichen:<br />

– Beratung: Für Partner, zum Beispiel bei<br />

Werbemaßnahmen und der Gestaltung<br />

von Produktetiketten. Außerdem werden<br />

diverse nationale und internationale<br />

Projekte begleitet.<br />

– Vielfalt präsentieren: Die Organisation<br />

betreibt einen eigenen Online-Shop für<br />

zertifizierte regionale Produkte ihrer<br />

Partner.<br />

– Unterstützen: alpinavera unterstützt im<br />

Rahmen der zur Verfügung stehenden<br />

Bundesgelder verkaufsfördernde Aktivitäten<br />

seiner Partner.<br />

– Schulen: Bei den alpinavera-Geschmacksschulungen<br />

werden Gruppen<br />

der verschiedensten Spezialitäten vorgestellt,<br />

Käse mit Wein, Bier mit Wurst<br />

oder Likör zusammen mit Backwaren - je<br />

nach Wunsch<br />

– Organisieren: alpinavera organisiert<br />

für seine Partner Auftritte bei Märkten,<br />

Messen und Events und stellt dabei<br />

Infrastruktur und das Dekomaterial.<br />

Zusätzlich werden Catering-Aufträge<br />

organisiert. Darüber hinaus schafft<br />

alpinavera mit einer zentralen Bestellmöglichkeit<br />

ein Angebot an regionalen<br />

und zertifizierten Alp- und Bergspezialitäten<br />

für die Hotellerie, Gastronomie,<br />

Firmen- und Krankenhausküchen sowie<br />

Spezialitätenläden.<br />

Zu den großen Erfolgen des Vereins gehören<br />

nach Einschätzung der Geschäftsführerin<br />

die beliebten Passmärkte und die Märkte<br />

am See im Tessin. Sie finden am Gotthard-,<br />

Oberalp-, Lukmanier-, Flüela und Klausenpass<br />

beziehungsweise in Ascona und Locarno<br />

statt. Dort präsentieren jeweils rund<br />

25 bis 35 Produzenten in einem attraktiven<br />

Ambiente ihre regionalen Spezialitäten.<br />

Auch im Einzelhandel ist alpinavera aktiv.<br />

Bei sogenannten Degustationen können<br />

die Kunden immer fünf Spezialitäten probieren.<br />

Gemeinsam mit dem Detailhandel<br />

werden eine professionelle Degustatorin<br />

und ein Vertreter der Produzenten für Erläuterungen<br />

zur Verfügung gestellt. Und<br />

für noch mehr Aufmerksamkeit kann der<br />

Lebensmitteleinzelhandel sogar noch Alphornspieler<br />

dazu buchen. «<br />

Angus im Oberengadin? Ja, das passt. Denn<br />

schon sehr früh haben sich die Schweizer<br />

Fleischrinderzüchter auf nur wenige Rassen<br />

fokussiert, um am Markt erfolgreich zu sein.<br />

Eine davon ist Angus. Das Rind mit dem<br />

legendären Ruf in Sachen Fleischqualität.<br />

Anfangs arbeitete alpinavera-Präsident<br />

Gian Peter Niggli, der seinen Betrieb im<br />

Jahr 1990 gründete, viel mit deutschen<br />

Züchtern zusammen. Mangels Masse<br />

war er gezwungen, als Grundlage seiner<br />

Herde Tiere von verschiedenen Züchtern<br />

zu erwerben. Er setzte zwar von Anfang an<br />

immer auf Top-Qualität, aber jeder Praktiker<br />

weiß, dass es Generationen an Tieren<br />

braucht, um den eigenen züchterischen<br />

Typ in der eigenen Herde zu formen. Ist die<br />

Genetik unterschiedlich, tut man sich umso<br />

schwerer.<br />

Ein radikaler Schnitt kam deshalb im Jahr<br />

2<strong>01</strong>2. Gian Peter Niggli verkaufte seinen<br />

kompletten Rinderbestand und importierte<br />

reinrassige Aberdeen Angus-Tiere<br />

aus Schottland. Die genetische Basis der<br />

Herde ist damit enger, was einerseits die<br />

systematische Zucht erleichtert, aber<br />

auch deutliche Vorteile im Management<br />

bringt. Mit diesem Import war er der erste<br />

Züchter in der Schweiz, der parallel auch an<br />

das Herdbuch der Aberdeen Angus Cattle<br />

Society mit Sitz in Perth angeschlossen<br />

war. Zudem nahm er ab dann an einem<br />

Zuchtprogramm namens Breedplan teil, das<br />

es ihm ermöglicht, aussagekräftige Daten<br />

über die verschiedensten Parameter zu bekommen.<br />

Das hilft dem Landwirt sowohl<br />

bei der Selektion als auch seinen Zuchtviehkunden<br />

bei der Auswahl potenzieller<br />

Neuerwerbungen. Der Clou bei Breedplan<br />

ist allerdings die breite und damit gefestigte<br />

Datenbasis. Allein in Großbritannien sind<br />

6.000 Angus-Rinder registriert.<br />

Aberdeen Angus-Tiere sind aus ihrer<br />

schottischen Heimat durchaus widrige<br />

Wetterbedingungen gewöhnt. Da ist es<br />

zwar außergewöhnlich, aber nicht überraschend,<br />

dass sie auch mit dem Klima in<br />

der Schweiz gut zurechtkommen. Selbst<br />

wenn sie, wie es bei Niggli Angus der Fall<br />

ist, den kompletten Sommer von Mai bis<br />

Oktober auf der 2.500 m ü.N.N. gelegenen<br />

Alp Muottas Muragl verbringen. Den Beweis<br />

dafür gibt es übrigens auf Google Maps. Wer<br />

Bescheid weiß, kann die schwarzen Punkte<br />

in der Nähe der Alphütte als Silhouetten<br />

der Rinder identifizieren. Was man freilich<br />

nicht sieht, sind die Schellen, die die Tiere<br />

selbstverständlich nach guter Schweizer<br />

Tradition am Riemen um den Hals tragen.<br />

Aber Gian Peter Niggli ist nicht nur erfolgreicher<br />

Züchter und Seriensieger bei<br />

Tierschauen, schon immer hat er auch die<br />

Vermarktung von Fleisch im Blick. Zugute<br />

kommt ihm dabei die Region, in der sich<br />

sein Betrieb befindet: Der Ort Samedan<br />

liegt nur wenige Kilometer vom bekannten<br />

St. Moritz entfernt. Eine anspruchsvolle und<br />

zahlungskräftige Kundschaft – privat und<br />

aus der Gastronomie – ist hier also vorhanden.<br />

Zu den Angus-Produkten gehören<br />

nicht nur hochwertiges Fleisch und eine<br />

luftgetrocknete Wurst – in Graubünden<br />

Salsiz genannt – sondern auch Taschen aus<br />

schwarzem Rinderfell, die in unmittelbarer<br />

Nähe zu seinem Betrieb hergestellt werden.<br />

Eine weitere Stärke des Landwirts ist seine<br />

Leidenschaft für Vernetzung. Ob mit internationalen<br />

Züchtern, Fleischfachleuten, im<br />

St. Moritzer Pferde-Rennverband White<br />

Turf, bei der Bildungseinrichtung Plantahof<br />

oder im kantonalen Parlament – Gian Peter<br />

Niggli ist in vielen Bereichen aktiv. «<br />

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