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Lesekompetenz und Lesekultur in der Klasse

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Petra Hüttis-Graff<br />

E<strong>in</strong>führungsvortrag<br />

8 Strobl/Österreich 9.5.2011<br />

Aufgabensammlungen verstellen den beson<strong>der</strong>en Reiz literarisches Texte, <strong>der</strong>en<br />

Identitätsstärkende Potentiale doch e<strong>in</strong> wesentlicher Motor <strong>der</strong> Lesemotivation s<strong>in</strong>d. Zudem<br />

wird vernachlässigt, dass Leser nicht die „enthaltene“ Information e<strong>in</strong>es Textes empfängt,<br />

son<strong>der</strong>n dass er ihm Bedeutung zuweist, er reichert ihn mit eigenen Erfahrungen an. Leser<br />

bilden Hypothesen, sie konstruieren gedanklich e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Repräsentation des Textes, sie<br />

entwickeln e<strong>in</strong> <strong>in</strong>neres Vorstellungsbild (Abraham 1999). <strong>Lesekompetenz</strong> ist deshalb nicht<br />

„S<strong>in</strong>n-Entnahme“, son<strong>der</strong>n „S<strong>in</strong>n-Konstruktion“.<br />

Die PISA- <strong>und</strong> IGLU-<strong>Lesekompetenz</strong>modelle mit den verschiedenen kognitiven<br />

Verstehensleistungen mögen für das Messen adäquat se<strong>in</strong>, aber reichen sie als didaktische<br />

Gr<strong>und</strong>lage für Unterricht zu Bil<strong>der</strong>büchern? Reichen sie, damit K<strong>in</strong><strong>der</strong> sich den komplexen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen unterschiedlicher Lesesituationen <strong>und</strong> Lesestoffe stellen <strong>und</strong> zu Lesern<br />

werden?<br />

„E<strong>in</strong> Schaf fürs Leben“ wird mit dem Leseheft als Mittel zum Üben <strong>der</strong><br />

Informationsentnahme missbraucht (diese Vokabel verwendet Kruse). Das Literar-ästhetische<br />

des Textes, die h<strong>in</strong>ter dem Text liegende, <strong>in</strong>dividuell zu konstruierende Bedeutung wird<br />

ignoriert. Dieses Leseheft verfehlt zugleich Ansprüche <strong>der</strong> österreichischen Standards, die mit<br />

dem Bil<strong>der</strong>buch sehr wohl zu stärken wären, nämlich: „Lesen bedeutet, Gedanken,<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Wissen zu erweitern. Damit trägt es wesentlich zur Identitätsentwicklung<br />

<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> bei.“ O<strong>der</strong> an an<strong>der</strong>er Stelle: „Jedes K<strong>in</strong>d konstruiert sich, vor allem bei<br />

literarischen Texten, se<strong>in</strong>en eigenen, von zahlreichen Faktoren abhängenden S<strong>in</strong>n. Das macht<br />

es notwendig, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> ihr subjektives Textverständnis, auch kritisch, artikulieren<br />

<strong>und</strong> darüber mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> kommunizieren dürfen.“<br />

Käufliche Lesematerialien wie das dargestellte Leseheft bergen die Gefahr, nicht nur die<br />

Fragen <strong>der</strong> Schüler zu ersetzen, son<strong>der</strong>n auch das Gespräch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Klasse</strong> <strong>und</strong> das Bemühen<br />

um Verständigung <strong>und</strong> Literaturverstehen zugunsten <strong>der</strong> schriftlichen Erledigung von<br />

Arbeitsblättern <strong>und</strong> <strong>der</strong> Reduzierung des Lesens auf Prozesse <strong>der</strong> Informationsentnahme zu<br />

verdrängen. Warum sollten Schüler ohne Aufgabe, e<strong>in</strong>fach freiwillig <strong>und</strong> außerhalb <strong>der</strong><br />

Schule noch Bücher lesen?

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