TW_2020_Umsatzsteuerabsenkung
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Die <strong>Umsatzsteuerabsenkung</strong> und<br />
ihre Anforderungen für den<br />
E-Commerce und stationäre Händler<br />
1<br />
Problem<br />
Die Bundesregierung hat sich entschlossen, mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher<br />
Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Regierungsentwurf vom 12. Juni <strong>2020</strong>), u. a.<br />
die Umsatzsteuersätze befristet vom 1. Juli <strong>2020</strong> bis zum 31. Dezember <strong>2020</strong> von 19 auf 16 Prozent<br />
und von 7 auf 5 Prozent zu senken 1 .<br />
Ziel der Maßnahme ist die Förderung des Binnenkonsums durch eine Absenkung der Verbraucherpreise.<br />
Der erwartete Finanzbedarf der Maßnahme, d.h. die Steuerausfälle und somit die Einsparungen der Verbraucher<br />
soll insgesamt rund 20 Mrd. Euro betragen.<br />
Offenbar nicht einkalkuliert hat der Gesetzgeber, dass die Absenkung der Steuersätze zu erheblichen<br />
Umstellungskosten für die betroffenen Unternehmen führt, von Speisekarten über Preisetiketten bis hin<br />
zu Webshops, die für den Zeitraum von sechs Monaten nun den abgesenkten Umsatzsteuersatz berücksichtigen<br />
müssen.<br />
Es droht eine erhebliche Unsicherheit, begleitet von zwei wesentlichen Risiken:<br />
• Fehlerhafte Preiskennzeichnungen können Verstöße gegen die Preisangabenverordnung, das<br />
Umsatzsteuerrecht und das Wettbewerbsrecht darstellen, die von Mitbewerbern und Verbraucherschutzverbänden<br />
abgemahnt werden können.<br />
• Den Verbrauchern kann je nach Umständen des Falls ein zivilrechtlicher Rückzahlungsanspruch<br />
für zu viel entrichtete Umsatzsteuer zustehen (§ 29 UStG).<br />
2<br />
Richtige Preiskennzeichnung<br />
Grundsätzlich gilt gemäß § 1 Abs. 1 PAngV, dass gegenüber Verbrauchern immer Gesamtpreise angegeben<br />
werden müssen, d.h. Preise inklusive Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile (z.B. Bearbeitungsgebühren).<br />
Im Fernabsatzvertrieb ist der Verbraucher zudem ausdrücklich darauf hinzuweisen,<br />
dass die geforderten Preise die Umsatzsteuer bereits enthalten und er ist darüber aufzuklären, ob<br />
zusätzliche Versandkosten anfallen § 1 Abs. 2 PAngV).<br />
Nicht auszuweisen sind vor Vertragsschluss (z.B. im Webshop und innerhalb des Bestellprozesses) die<br />
einzelnen Bestandteile des Bruttopreises, d.h. der Nettopreis, der Steuerbetrag und der konkrete Steuersatz.<br />
Diese Aufschlüsselung muss erst in der Rechnung erfolgen, die dem Verbraucher übermittelt wird<br />
(vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG). In der Praxis ist es aber oftmals so, dass die Umsatzsteuer schon im Bestellprozess<br />
für die jeweilige Bestellung ausgewiesen wird (im Warenkorb, der Bestellübersicht etc.) – so dass<br />
hier entsprechend Anpassungsbedarf besteht.<br />
1<br />
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_IV/19_Legislaturperiode/Gesetze_Verordnungen/<strong>2020</strong>-06-12-Zweites-Corona-Steuerhilfegesetz/0-Gesetz.html
Die <strong>Umsatzsteuerabsenkung</strong> und ihre Anforderungen<br />
für den E-Commerce und stationäre Händler<br />
3<br />
Müssen alle Preise angepasst werden?<br />
Grundsätzlich gilt, dass für alle Leistungen, die im Zeitraum vom 1. Juli <strong>2020</strong> bis 31. Dezember <strong>2020</strong> ausgeführt<br />
werden, der abgesenkte Umsatzsteuersatz von 16 % bzw. 5 % gilt. 2<br />
Hieraus ergibt sich jedoch keine automatische Absenkung der Gesamtpreise z.B. im Webshop oder<br />
Ladenlokal. Denn als Ausdruck der Privatautonomie haben die Vertragsparteien das Recht, Preise frei<br />
auszuhandeln. Hieran wollte das Gesetz zur <strong>Umsatzsteuerabsenkung</strong> nichts ändern.<br />
Ob Anpassungsbedarf der ausgewiesenen Gesamtpreise für Leistungen besteht, die nach dem 1. Juli<br />
<strong>2020</strong> erbracht werden, bestimmt sich bei verallgemeinerter Betrachtung wie folgt und hängt von der<br />
Umsetzung auch davon ab, ob der Unternehmer die Umsatzsteuersenkung weiterreichen möchte:<br />
• Wird z.B. in einem Webshop die Umsatzsteuer nicht ausgewiesen, sondern der Kaufpreis als Gesamtpreis<br />
lediglich mit dem Hinweis „einschließlich Umsatzsteuer“ angegeben, so besteht keine<br />
Notwendigkeit einer Änderung (wenn der Umsatzsteueranteil auch nicht im Bestellprozess einzeln<br />
ausgewiesen wird).<br />
• Wird die Umsatzsteuer ausgewiesen – entweder durch Angabe des Steuersatzes oder des<br />
Steuerbetrags – muss entweder der Bruttopreis angepasst werden oder die Preisangabe sollte<br />
zukünftig so geändert werden, dass der Hinweis „einschließlich Umsatzsteuer“ lautet.<br />
• Problematisch sind vor allem langfristige Lieferverträge (> vier Monate zwischen Vertragsschluss<br />
und Liefertermin) sowie Dauerschuldverhältnisse, also z.B. Abonnements und wiederkehrende<br />
Abbuchungen.<br />
• Sofern die Verträge vor dem 1. Juli <strong>2020</strong> abgeschlossen worden sind enthält der ausgewiesene<br />
Gesamtpreis noch 19 % Umsatzsteuer.<br />
Auf diesen Gesamtpreis hat der Unternehmer einen vertraglichen Zahlungsanspruch, sofern<br />
sich die Parteien (wie gegenüber Verbrauchern üblich) auf den Gesamtpreis geeinigt haben.<br />
• Wird die Leistung jedoch im Zeitraum zwischen dem 1. Juli <strong>2020</strong> und 31. Dezember <strong>2020</strong> erbracht,<br />
gilt hierfür nur der abgesenkte Umsatzsteuersatz von 16 %. Für die Bestimmung des<br />
anwendbaren Steuersatzes ist der Zeitpunkt der Leistungserbringung und nicht der Zeitpunkt<br />
des Vertragsschlusses maßgeblich (§ 27 UStG).<br />
• Wir von dem Kunden dennoch für den Leistungszeitraum mit verringertem Umsatzsteuersatz<br />
der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis gefordert, besteht das Risiko, dass der Kunde die zu viel<br />
entrichtete Umsatzsteuer zurückfordert. Hierfür hat der Gesetzgeber in § 29 UStG einen gesonderten<br />
zivilrechtlichen Rückzahlungsanspruch vorgesehen.<br />
• Hiergegen kann sich der Unternehmer schützen, wenn er geeignete Gestaltungen der AGB<br />
bereits zum Vertragsschluss vorlagen bzw. entsprechende Anpassungsklauseln in den AGB für<br />
neue Vertragsschlüsse in der kommenden Zeit vorgesehen werden (siehe unten V.).<br />
2<br />
Komplizierter wird es für Anbieter von Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen wie unser Kollege Dr. Kai Greve in seinem Beitrag in Der Betrieb,<br />
<strong>2020</strong>, 1260 beleuchtet.
Die <strong>Umsatzsteuerabsenkung</strong> und ihre Anforderungen<br />
für den E-Commerce und stationäre Händler<br />
4<br />
5<br />
Umsetzung mittels Pauschalrabatten<br />
Eine wesentliche Erleichterung verspricht eine Kommunikation des BMWi, die auch an Preisbehörden der<br />
Länder gerichtet wurde. Danach soll mittels Pauschalrabatten, die erst im digitalen Warenkorb bzw. an<br />
der Kasse berechnet werden, die Umstellung der Gesamtpreise für jeden einzelnen Artikel umgangen<br />
werden. Natürlich betrifft dies nur den Fall, dass ein Unternehmer die Umsatzsteuersenkung weitergeben<br />
will. Möglich wäre es z.B., auf der Startseite eines Webshops eine Bannerwerbung zu setzen, die darauf<br />
hinweist, dass alle Artikel pauschal um 2,5 % (die effektive Ersparnis durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes)<br />
reduziert werden.<br />
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass<br />
1. die Rabattaktion durch Kalendertagen zeitlich bestimmt wird (1. Juli bis 31. Dezember <strong>2020</strong>);<br />
2. die Rabattaktion durch Werbung bekannt gemacht wird (z.B. durch Bannerwerbung)<br />
3. generelle Preisnachlässe gewährt werden, d.h. auf verschiedene Sortimente oder Produktgruppen<br />
hingewiesen wird und<br />
4. die Pauschalrabatte nicht auf preisgebundene Artikel bezogen sind wie Bücher, Zeitschriften,<br />
Zeitungen und rezeptpflichtige Arzneimittel.<br />
Was in der Kommunikation des BMWi jedoch nicht erwähnt wird ist, dass die Gewährung von Pauschalrabatten<br />
nicht unmittelbar zu einem Ausschluss des zivilrechtlichen Rückzahlungsanspruchs führt. Es<br />
besteht daher das Risiko, dass ein Kunde sowohl in den Genuss des Pauschalrabattes kommt, als auch<br />
seinen Rückzahlungsanspruch geltend macht. Um dies zu vermeiden, muss der Pauschalrabatt derart<br />
gestaltet und bezeichnet werden, dass der Rückzahlungsanspruch wirksam ausgeschlossen wird.<br />
Vorkehrungen für die Zukunft<br />
Die Auswirkungen der <strong>Umsatzsteuerabsenkung</strong> lassen sich durch geeignete Gestaltung der Allgemeinen<br />
Geschäftsbedingungen zumindest teilweise einschränken.<br />
• Möglich ist zunächst, eine geeignete Preisanpassungsklausel in die AGB aufgenommen werden,<br />
damit die Absenkung der Umsatzsteuer nicht Anpassung der Gesamtpreise erfordert. Solche<br />
Klausen sind grundsätzlich in Bezug auf Dauerschuldverhältnisse oder bei Lieferverträge mit<br />
Lieferfristen von mehr als vier Monaten zulässig (vgl. 309 Nr. 1 BGB). Gesamtpreise, die einer Preisanpassung<br />
unterworfen sind, sind gemäß § 1 Abs. 5 PAngV entsprechend zu kennzeichnen (siehe<br />
oben).<br />
• Möglicherweise kann ein Ausschluss des zivilrechtlichen Rückzahlungsanspruchs des<br />
§ 29 UStG im konkreten Fall wie z.B., wenn der umsatzsteuerpflichtige Leistungsaustausch aus<br />
einem Dauerschuldverhältnis resultiert oder einem Liefervertrag mit einer Lieferfrist von mehr als<br />
vier Monaten, vereinbart werden. Der Gesetzeswortlaut weist darauf hin, dass die Parteien abweichende<br />
Regelungen treffen dürfen (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 UStG).<br />
• In jedem Fall sollte unterbunden werden, dass unmittelbar mit dem Rückzahlungsanspruch aufgerechnet<br />
werden kann, indem ein Aufrechnungsausschluss außer für unbestrittene oder rechtskräftig<br />
festgestellte Forderung, aufgenommen wird (vgl. § 309 Nr. 3 BGB).
Die <strong>Umsatzsteuerabsenkung</strong> und ihre Anforderungen<br />
für den E-Commerce und stationäre Händler<br />
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