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HYPO TIROL VERSICHERT - Ausgabe Frühling/Sommer 2020

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BERUFSUNFÄHIGKEITSVERSICHERUNG S. 4

Verweigerung schadenmindernder

Behandlungen

Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer machte sich im März 2007

mit einer Fahrradrikscha selbstständig und verdiente

damit ungefähr Euro 2.000 im Monat. Im August 2007

schloss er einen Ablebensversicherungsvertrag ab,

wo auch eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung

enthalten war, die bis 2020 Gültigkeit hatte. Im Herbst

2007 hatte der Versicherungsnehmer depressive

Zustände und es war ab dem Jahr 2008 die Erbringung

einer beruflichen Leistung nicht mehr möglich. Bis

2015 bezahlte der Versicherer die Leistungen aus der

Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung und stellte die

Zahlung dann aber ein. Der Versicherungsnehmer habe

seinen schlechten Gesundheitszustand vorsätzlich, oder

jedenfalls grob schuldhaft, aufrechterhalten. Auch würde

ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bereits

aus eigenem Antrieb heraus mittels medizinischer

Behandlungen versuchen, eine Heilung bzw. Besserung zu

erreichen. Das widerspreche dem Grundsatz von Treu und

Glauben und daher sei der Versicherer ab nun leistungsfrei.

Rechtliche Beurteilung des OGH

Zu prüfen war, ob in der Berufsunfähigkeit-

Zusatzversicherung eine Kooperations-Obliegenheit

analog der Unfallversicherung im Sinne des § 183

VersVG bestehe, durch medizinische Behandlung

wieder eine Arbeitsfähigkeit herzustellen. Nachdem die

Berufsunfähigkeitsversicherung gesetzlich nicht geregelt

ist, kann eine Anwendung des § 183 VersVG aus der

Unfallversicherung nur in Analogie erfolgen. Hier sieht

der OGH es als zutreffend an, dass eine solche Analogie

auch auf die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung

anzuwenden und grundsätzlich eine Verpflichtung zur

Schadenminderung durch den Versicherungsnehmer

daraus abzuleiten sei.

Allerdings ist es in diesem Fall so, dass der Versicherer in

seinen Versicherungsbedingungen keine solche vertragliche

Vereinbarung zur Schadenminderung getroffen habe.

Damit war wieder zu klären, ob der Versicherungsnehmer

tatsächlich auch gegen Treu und Glauben verstoßen und

den Versicherungsschutz deswegen verwirkt habe.

Der Versicherungsnehmer habe sich nur subjektiv und

objektiv zumutbaren, aussichtsreichen, risikolosen,

schmerzfreien und einfachen medizinischen Maßnahmen

zu unterwerfen, wie etwa der Verwendung einfacher

Hilfsmittel (Brille, Hörgerät, etc.).

Daher verstoße es in diesem Fall nicht gegen Treu

und Glauben, wenn der Versicherungsnehmer eine

psychopharmakologische Therapie mit zu erwartenden

Nebenwirkungen abgelehnt habe. Der Versicherer musste

weiterhin die Leistung erbringen.

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