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Unter der Staleke 218, Sommer 2020

Heimatzeitung für die Gemeinde Hagen im Bremischen – Die STALEKE erscheint vier Mal im Jahr und wird kostenlos an alle Haushalte der Gemeinde Hagen im Bremischen verteilt.

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52 | SOMMER <strong>2020</strong><br />

ven kam und <strong>der</strong> Giesebus nach<br />

Bremen fuhr, konnten Frauen im<br />

Fischereihafen arbeiten o<strong>der</strong> in<br />

Bremen Kaffeebohnen sortieren.<br />

Die Männer verdienten ihr<br />

Geld bei Seebeck, A.G. Weser,<br />

Vulkan-Werft und Wollkämmerei<br />

in Blumenthal. Die Bramstedter<br />

mussten zu Fuß zur Bushaltestelle<br />

Börsten kommen.<br />

Roggenschrot habe ich mit<br />

dem Fahrrad – den Sack über<br />

den Pedalen – von <strong>der</strong> Bramstedter<br />

Mühle <strong>der</strong> Familie Bigalke<br />

geholt, da durfte ich sogar<br />

auf die Galerie <strong>der</strong> Hollän<strong>der</strong><br />

Mühle klettern.<br />

Wenn Schlachtung angesagt<br />

war, holten wir den Holztrog<br />

vom Nachbarn Kramer, den<br />

Bolzenschussapparat von Linefidel,<br />

und <strong>der</strong> Schlachter<br />

Heißenbüttel und <strong>der</strong> Fleischbeschauer<br />

Stein in Hagen<br />

wurden informiert. Das Fleisch<br />

wurde gepökelt (in Salz eingelegt),<br />

geräuchert o<strong>der</strong> eingeweckt.<br />

Einen Tag lang dauerte<br />

das Wurstmachen. Sülze kam<br />

in die Blase, Blutwurst in den<br />

Magen, Mett- und Leberwurst<br />

in die Därme. Auch hatten wir<br />

ein Gerät, um gebrauchte Dosen<br />

abzuschneiden und wie<strong>der</strong><br />

zu verschließen.<br />

Meine Hauptaufgabe war, den<br />

Einkauf mit dem Fahrrad zu erledigen.<br />

Die Vorgabe war, Lebensmittel<br />

immer abwechselnd in<br />

den Läden einzukaufen, bei von<br />

Öesen und Schrö<strong>der</strong> in Bramstedt.<br />

In Hagen bei Renken. Alle<br />

waren ja auch Kunden <strong>der</strong> Waldschenke.<br />

Backwaren wurden von<br />

Kiesling und an<strong>der</strong>en Bäckern<br />

geliefert. Ich kaufte mit dem Rad<br />

aus <strong>der</strong> gesamten Gegend die<br />

Eier auf, diese kosteten damals<br />

schon bis 23 Pfennig.<br />

In <strong>der</strong> Apotheke musste ich Seifenstein,<br />

Natron und Pottasche<br />

kaufen, Natron und Pottasche<br />

benötigte man als Backpulver.<br />

Samstag o<strong>der</strong> Sonntag wurde<br />

<strong>der</strong> Schnaps abgefüllt, dieser<br />

wurde in Korbflaschen von<br />

Plesse, Strothmann o<strong>der</strong> Güldenhaus<br />

geliefert. Ein dünnes<br />

Plastikrohr mit einem Gummischlauch<br />

kam in die Korbflasche,<br />

wurde angesaugt und<br />

in die Flaschen verteilt. Aus<br />

einem großen Holzfass wurde<br />

Rotwein (Tarragona) in Flaschen<br />

abgefüllt. An beson<strong>der</strong>en<br />

Feiertagen wie Ostern war<br />

<strong>der</strong> Schnaps schon am 1. Feiertag<br />

ausverkauft, kein Problem,<br />

ein Anruf am Sonntag und <strong>der</strong><br />

Nachschub kam am nächsten<br />

Tag mit dem Postbus von Bremerhaven.<br />

Der Saal<br />

Im Saal gab es nur einen Ofen,<br />

dieser beheizte auch noch die<br />

Klubzimmer. Wenn Tanz war,<br />

kam die Musik, eine 4 o<strong>der</strong><br />

5-Mann Kapelle. Am Anfang hat<br />

Heinz Dierssen noch mit einer<br />

Blechtöte gesungen, aber ab ca.<br />

1954 hatte er schon eine Anlage<br />

mit Mikrophon.<br />

In diesem Saal stand noch bis<br />

1957 ein defektes elektrisches<br />

Klavier, das man auch manuell<br />

spielen konnte. Die Marke war<br />

Hupfeld Phonola, es wurde nur<br />

zwischen 1912 und 1914 gebaut<br />

und mit Phonola Papierrollen<br />

gespielt.<br />

Der Kellner, Herr Kasper, war 75<br />

Jahre alt und kam immer per<br />

Rad von Stubben, später mit<br />

einem Rex-Hilfsmotor. Oma<br />

verkaufte die Eintrittskarten.<br />

Es wurde oft geschummelt, ein<br />

Ruck am Revers, und sie hielt<br />

das alte Tanzband in <strong>der</strong> Hand.<br />

Im Saal machte Opa die Theke.<br />

Später, ab 1954, war ich dabei,<br />

spülte die Gläser und konnte<br />

auch schon ein 70er Bierfass<br />

anstecken und die Kohlensäureflasche<br />

wechseln. Ein Glas<br />

Bier kostete normal 30 Pfg, mit<br />

Musik 35 Pfg. Die Gäste kamen<br />

mit dem Rad aus <strong>der</strong> ganzen<br />

Tanz auf dem Saal mit 5-Mann-Kapelle.<br />

Innenansicht <strong>der</strong> Waldschenke in den 50er Jahren.<br />

Annegret Strahlmann als Wirtin.<br />

Gegend. Es kam selten zu einer<br />

Rauferei, trotzdem hing unter<br />

je<strong>der</strong> Theke ein Gummiknüppel,<br />

abgestaubt von <strong>der</strong> MP<br />

(amerikanische Militärpolizei),<br />

die auch mal vorbeikam.<br />

Mit dem Wirtschaftswun<strong>der</strong><br />

kam <strong>der</strong> sonntägliche Ausflugsverkehr<br />

nach Cuxhaven, und die<br />

Waldschenke nannte sich dann<br />

auch „Ausflugslokal“. Es war<br />

zwar kein Restaurant, aber die<br />

Speisekarte wies Bauernfrühstück,<br />

Sülzkotelett, Bockwurst,<br />

Schinken- und Mettwurstbrot<br />

und an<strong>der</strong>e kleine Speisen<br />

auf. Eine Ausnahme machte<br />

die Molkereiversammlung, da<br />

gab es Labskaus für alle. In <strong>der</strong><br />

Pause wurden kräftige Männer<br />

ausgesucht, die mit riesigen<br />

Stampfern die Kartoffeln<br />

zu Mus machten, dann kamen<br />

Corned Beef und jede Menge<br />

Butter hinzu.<br />

Annegret bediente die Theke in <strong>der</strong><br />

Gaststätte, Herr Kasper, <strong>der</strong> Ober, die<br />

Tische.<br />

Ich habe nie gehungert. Abends<br />

gab es Dickmilch mit Schwarzbrot,<br />

für mich manchmal mit Zucker.<br />

Aus uns sollte „etwas werden“.<br />

Meine Schwester bekam Ei<br />

mit Rotwein und ich Lebertran.<br />

Dieser war einfach in einer Literflasche<br />

abgefüllt, stank fürchterlich.<br />

Es war eine tranige, gelbe<br />

Masse und garantiert nicht aus<br />

UNTER DER STALEKE

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