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Unter der Staleke 218, Sommer 2020

Heimatzeitung für die Gemeinde Hagen im Bremischen – Die STALEKE erscheint vier Mal im Jahr und wird kostenlos an alle Haushalte der Gemeinde Hagen im Bremischen verteilt.

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Dorfjugend erfreute es, gab es<br />

doch sonst we<strong>der</strong> Kinos noch<br />

Discos. So galt die Waldschenke<br />

auch als erfolgreicher Heiratsmarkt,<br />

den man allerdings vorwiegend<br />

zu Fuß o<strong>der</strong> mit dem<br />

Fahrrad erreichen konnte.<br />

Der Zweite Weltkrieg<br />

Hanny und Edu Zaetzsch hatten<br />

zwei Kin<strong>der</strong>. Friedrich, genannt<br />

Friedo, <strong>der</strong> sehr zum<br />

Kummer seiner Eltern 1941 in<br />

Flan<strong>der</strong>n sein Leben verlor. Er<br />

sollte ja einmal die Nachfolge<br />

übernehmen. Die Tochter<br />

Annegret, verheiratete Strahlmann,<br />

musste ihn im Geschäft<br />

ersetzen und war bis 1957 eine<br />

freundliche und tüchtige Gastwirtin.<br />

Auch sie hatte zwei Kin<strong>der</strong>,<br />

Hannelore und Friedo (<strong>der</strong><br />

Zweite). Diese Kin<strong>der</strong> erlebten<br />

die Kriegs- und Nachkriegszeit<br />

in <strong>der</strong> Waldschenke, von <strong>der</strong><br />

Friedo Strahlmann so anschaulich<br />

berichtet:<br />

„Ich wurde 1944 in <strong>der</strong> Waldschenke<br />

geboren. Aus den Erzählungen<br />

meiner Großeltern<br />

weiß ich, dass bei Kriegsende<br />

die Amerikaner die Waldschenke<br />

beschlagnahmten und wir<br />

dort raus mussten. Wir wurden<br />

bei Tietjen in Börsten untergebracht.<br />

An diese Zeit hatte<br />

meine ältere Schwester noch<br />

Erinnerungen. Manchmal hat<br />

meine Oma sie von Tietjens Hof<br />

bis zur Molkerei getragen, weil<br />

<strong>der</strong> Weg so schlecht war. Hannelore<br />

ist auch einen Winter in<br />

Hagen nicht zur Schule gegangen,<br />

weil sie keine Schuhe o<strong>der</strong><br />

Stiefel hatte.<br />

Die Waldschenke wurde von<br />

den Amis als Entlassungs- und<br />

Warenlager umfunktioniert. So<br />

wurden auch Sachen vom Bunker<br />

Valentin in Farge in die Waldschenke<br />

ausgelagert, darunter<br />

U-Boot-Bettwäsche. Aus diesem<br />

festen Stoff haben wir später<br />

Gardinen, Schürzen, Vorhänge<br />

und Tischdecken genäht.<br />

Meine Schwester hat einige<br />

Dinge – in <strong>der</strong> Kiste waren noch<br />

viele Handtücher für die Marine<br />

mit Stempel: Kriegsmarine mit<br />

Hakenkreuz und Jahrgang –<br />

über all die Jahre aufbewahrt,<br />

und ich habe sie 2018 dem Gedenkort<br />

Bunker Valentin zur<br />

Selbstgenähte Tischwäsche und alte<br />

Kiste mit Handtücher für die Marine.<br />

Ausstellung angeboten. Ein<br />

Satz <strong>der</strong> Bettwäsche davon ist<br />

an das Marinemuseum in Wilhelmshaven<br />

gegangen.<br />

Die amerikanische Besatzungsmacht<br />

zog sich bald nach Bremen<br />

und Bremerhaven zurück<br />

und <strong>der</strong> Betrieb <strong>der</strong> Waldschenke<br />

konnte von meinen Großeltern<br />

Hanny und Edu Zaetzsch<br />

und meiner Mutter, Annegret<br />

Strahlmann, unter schwierigen<br />

Bedingungen wie<strong>der</strong> aufgenommen<br />

werden. Wir Kin<strong>der</strong><br />

leisteten, wie alle Kin<strong>der</strong> dieser<br />

Zeit, unseren Beitrag dazu: Ich<br />

musste, sobald ich altersmäßig<br />

dazu in <strong>der</strong> Lage war, einkaufen,<br />

Schweinestall ausmisten,<br />

Betten machen, mangeln, Spülmilch<br />

von <strong>der</strong> Molkerei abfahren,<br />

Brennnessel mähen und<br />

vieles mehr.<br />

Aus alter Zeit gab es neben<br />

dem Gasthaus eine Scheune,<br />

dort wurden nach dem Krieg in<br />

2 Schweineställen 4 Schweine<br />

gehalten. Ein Schwein wurde<br />

sogar nach dem Krieg im Keller<br />

neben <strong>der</strong> Brunnenpumpe gehalten.<br />

Ein weißes Schwein wurde<br />

schwarz (!) geschlachtet.<br />

Wir hatten einen eigenen Brunnen,<br />

dieser musste öfter vertieft<br />

werden, weil die Molkerei<br />

durch den vielen Verbrauch den<br />

Grundwasserspiegel senkte.<br />

Wenn <strong>der</strong> Brunnendeckel geöffnet<br />

wurde, war Spannung angesagt.<br />

Wir fanden viele Sachen,<br />

die von den Amis und Landsern<br />

entsorgt worden waren.<br />

Neben dem Schweinestall standen<br />

draußen 4 Latrinen, sogenannte<br />

Plumpsklos, bei denen<br />

die Fäkalien direkt in die Jauchekuhle<br />

plumpsten. Die Klos<br />

waren für die Schützen lange<br />

vor dem Krieg gebaut worden,<br />

es gab nämlich 2 Schießplätze<br />

an <strong>der</strong> Waldschenke, <strong>der</strong><br />

erste parallel zur B6 Richtung<br />

Bremen. Dieser wurde bei <strong>der</strong><br />

Verbreiterung <strong>der</strong> Bundesstraße<br />

verfüllt, angelegt wurde er<br />

von meinem Uropa vor 1900.<br />

Der zweite lag an <strong>der</strong> Straße<br />

nach Bramstedt. Ich glaube,<br />

beide hatten keine militärische<br />

Bedeutung, es wurde einfach<br />

zum Vergnügen geballert.<br />

Für das neue Haus gab es 2<br />

Klärgruben, eine für das Haus<br />

und eine für den Saal. Die vom<br />

Haus machte keine Probleme,<br />

die Rohre liefen an <strong>der</strong> Terrasse<br />

entlang. Wenn die 3. Kammer<br />

voll war, lief die Flüssigkeit einfach<br />

in den alten Schießstand.<br />

Die Toiletten für den Saal waren<br />

im Keller, es gab nur wenig Gefälle<br />

zur Grube und die Rohre<br />

waren oft verstopft. Es lag auch<br />

viel drin, was nicht reingehörte,<br />

dann musste Bruno kommen.<br />

In <strong>der</strong> Gackau wurden schon<br />

sehr früh Häuser für Flüchtlinge<br />

gebaut. Bruno wohnte mit<br />

seiner Familie in einem dieser<br />

Häuser. Wenn es ein Problem<br />

gab, hat dieser Mann uns immer<br />

geholfen. Bruno hat auch<br />

mit seinem Kumpel einige Bulken<br />

Torf gestochen und durfte<br />

auch welche als Lohn behalten.<br />

Zuerst wurde <strong>der</strong> Torf mit dem<br />

Fuhrwerk abgefahren, später<br />

hat Martin Ritter ihn mit Trecker<br />

und Miststreuer transportiert.<br />

Der Rost vom Keller wurde<br />

hochgenommen und <strong>der</strong> Torf<br />

flog in den Keller.<br />

Es gab auch noch 2 Pferdeställe.<br />

Opa hatte nie eigene Pferde,<br />

aber er hat für den Straßenbau<br />

Fuhrwerke und Arbeiter aus<br />

<strong>der</strong> Umgebung bereitgestellt.<br />

In <strong>der</strong> Scheune stand ein großer<br />

Holzschlitten für 6 Personen,<br />

aber er wurde nie benutzt.<br />

Auf dem Boden standen noch<br />

2 wun<strong>der</strong>schöne Eisenschlitten<br />

für 2 Personen.<br />

Die nächste Bahnstation war<br />

Stubben, Opa hat den Leuten<br />

auf <strong>der</strong> etwa 9 km langen Strecke<br />

von Börsten nach Stubben<br />

das Radfahren beigebracht und<br />

deshalb die meiste Zeit geschoben.<br />

Hinter dem Saal gab es 2 Spargelbeete<br />

und Platz für Tabakpflanzen.<br />

Die Blätter wurden<br />

in <strong>der</strong> Scheune zum Trocknen<br />

aufgehängt. Auf dem Feld in<br />

Richtung Bremen wurden abwechselnd<br />

Kartoffeln o<strong>der</strong><br />

Rüben angebaut. In <strong>der</strong> Futterküche<br />

in <strong>der</strong> Scheune haben<br />

wir Kartoffeln für die Schweine<br />

gekocht, und ein Teil <strong>der</strong> Rüben<br />

wurde zu Sirup gekocht,<br />

<strong>der</strong> Rest zu Futter gehackt.<br />

Wir hatten Hühner, Gänse und<br />

Schafe. Eine alte elektrische<br />

Waschmaschine vom Vorkrieg<br />

war oft defekt. Dann musste<br />

Fidi Prenzler von Bramstedt<br />

her. Er war auch für die Elektrik<br />

zuständig, vom Plätteisen bis<br />

zur Brunnenpumpe. Sicherungen<br />

wurden einfach mit einem<br />

Groschen überbrückt.<br />

Die Frauen aus <strong>der</strong> Siedlung Gackau<br />

strickten für Geld Pullover.<br />

Unsere Schafe wurden geschoren,<br />

die Wolle versponnen, gewickelt<br />

und im Kochtopf gefärbt.<br />

Wenn diese trocken war, wurde<br />

ein Garnknäuel gemacht, dann<br />

mussten wir Kin<strong>der</strong> die Arme<br />

ausstrecken, die Wolle kam darüber,<br />

die Bewegung <strong>der</strong> Arme<br />

machte das Aufwickeln einfacher.<br />

Das Garn brachte ich dann<br />

in die Gackau, dort wurde es verstrickt.<br />

Später wollten die Frauen<br />

das Garn nicht mehr annehmen,<br />

denn sie hatten schon KNITTAX-<br />

Strickmaschinen, und weil unsere<br />

Wolle nicht rein war, verhakte<br />

sich sehr schnell <strong>der</strong> Faden.<br />

Viele Frauen trugen jahrelang<br />

schwarze Kleidung, weil die<br />

Männer, Väter o<strong>der</strong> Brü<strong>der</strong> im<br />

Krieg gefallen o<strong>der</strong> vermisst<br />

waren.<br />

Da <strong>der</strong> Postbus von Bremerha-<br />

UNTER DER STALEKE SOMMER <strong>2020</strong> | 51

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