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[ke:onda] Was uns verbindet

In letzter Zeit wurde oft vom Generationenkonflikt gesprochen. Doch die Spaltung in egoistische Jugendliche hier und klimaschutzfeindliche Senior*innen da ist konstruiert. Gerade in der aktuellen Krise haben viele junge Naturfreund*innen solidarisch mit angepackt.

In letzter Zeit wurde oft vom Generationenkonflikt gesprochen. Doch die Spaltung
in egoistische Jugendliche hier und klimaschutzfeindliche Senior*innen da ist
konstruiert. Gerade in der aktuellen Krise haben viele junge Naturfreund*innen solidarisch mit angepackt.

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Seite 6<br />

<strong>Was</strong> <strong>uns</strong> <strong>verbindet</strong><br />

Juni 2020<br />

Wenn Erwachsene reden,<br />

haben Kinder Sendepause?!<br />

„Das verstehst du nicht. Dafür bist du<br />

viel zu jung.“ Hast du diese Sätze als<br />

Kind auch schon mal gehört, wenn die<br />

Erwachsenen ‚wichtige Gespräche‘ geführt<br />

haben? Hast du selbst mal Jüngere<br />

mit ihren ‚dummen’ Fragen abgewimmelt?<br />

So sehr man es selbst hasst, ausgeschlossen<br />

zu werden, oft rutschen Sätze wie diese einfach<br />

heraus. Je mehr ich darauf achte, desto<br />

mehr fallen mir solche Situationen auf.<br />

Für einige klingen die oben genannten Sätze<br />

erstmal banal. Doch sie sind nur ein<br />

Teil des sogenannten Adultismus, einer<br />

Diskriminierung aufgrund des Alters. Der<br />

Adultismus (hergeleitet vom englischen<br />

“adult“) zieht sich durch viele Ebenen –<br />

von den Eltern, die entscheiden, wann das<br />

Kind zu Bett zu gehen hat, bis hin zum<br />

Mindestwahlalter. Das Alter entscheidet<br />

ganz grundlegend über Rechte, Pflichten<br />

und Mitsprache in der Gesellschaft. Warum<br />

wird die daraus entstehende soziale Ungleichheit<br />

einfach so akzeptiert?<br />

Das Problem beginnt bei dem Bild,<br />

das wir von Kindern haben. Wir<br />

sehen sie als unfertige Erwachsene<br />

– niedlich, albern, <strong>uns</strong>chuldig und<br />

<strong>uns</strong>elbstständig.<br />

Das Problem beginnt bei dem Bild, das<br />

wir von Kindern haben. Wir sehen sie als<br />

unfertige Erwachsene – niedlich, albern,<br />

<strong>uns</strong>chuldig und <strong>uns</strong>elbstständig. Auch in<br />

<strong>uns</strong>erer Sprache werden Kinder oft herabgewertet.<br />

Die Wörter „kindisch“ und<br />

„kindlich“ oder Sätze wie „Wir sind doch<br />

hier nicht im Kindergarten!“ spielen immer<br />

auf ein dummes und unpassendes Verhalten<br />

an. Jüngere müssen Ältere siezen, während<br />

sie von Älteren einfach so geduzt werden –<br />

eine klare Hierarchie.<br />

Diese zieht sich durch viele Teile der Gesellschaft.<br />

In Schulen und Kindergärten,<br />

aber auch in der Familie, entscheiden Erwachsene<br />

über Kinder. Natürlich sind feste<br />

Regeln in manchen Situationen auch sinnvoll<br />

und notwendig, zum Beispiel sollte ein<br />

Kind nachts nicht alleine rausgehen und<br />

sich regelmäßig waschen. Doch manchmal<br />

ist es vielleicht auch nur eine Bequemlich<strong>ke</strong>it<br />

der Erwachsenen. Muss ein Kind unbedingt<br />

jetzt gleich die Hausaufgaben machen,<br />

auch wenn es gerade <strong>ke</strong>ine Konzentration<br />

dazu hat? Oder etwas essen, obwohl es ihm<br />

nicht schmeckt oder es gar <strong>ke</strong>inen Hunger<br />

hat? <strong>Was</strong> hilft also dem Kind und was erleichtert<br />

nur den Erwachsenen das Leben?<br />

Wo ist die Grenze zwischen Fürsorge und<br />

Bevormundung?<br />

Wichtig ist hier vor allem auch das „wie“.<br />

Versucht man dem Kind zu erklären, warum<br />

es das gerade jetzt tun sollte, oder muss es<br />

das einfach tun, weil die erwachsene Person<br />

das so sagt? Wird eine Meinung einfach<br />

ignoriert mit der Begründung, das Kind sei<br />

noch zu unerfahren, unreif und uninformiert,<br />

um mitreden zu können? Statt etwas<br />

zu erklären und auch die eigenen Bedürfnisse<br />

transparent zu machen, heißt es oft<br />

einfach nur „Davon verstehst du noch<br />

nichts“, „Weil ich es dir sage“ oder „Wenn<br />

Erwachsene reden, haben Kinder Sendepause!“.<br />

Die Einordnung der Fähig<strong>ke</strong>iten<br />

erfolgt allein nach dem Alter. Dies gilt<br />

auch, wenn Kleinere in Schutz genommen<br />

werden mit der Begründung: „Das kannst<br />

du doch von einem Kind noch nicht erwarten!“.<br />

Doch was davon ist wirklich<br />

wahr und was gesellschaftlich konstruiert?<br />

Lässt sich wirklich allein vom Alter auf<br />

Fähig<strong>ke</strong>iten, Verhalten und Eigenschaften<br />

schließen?<br />

Wenn wir über Adultismus reden, geht<br />

es nicht nur um das Verhältnis von Kindern<br />

und Erwachsenen, sondern um eine<br />

generelle Grundhaltung in <strong>uns</strong>erer Gesellschaft.<br />

Wir bilden <strong>uns</strong> ein, aufgrund des<br />

Alters von vornherein zu wissen, was eine<br />

Person kann oder nicht kann. Oft behandeln<br />

wir eine Person schon anders, nur, weil sie<br />

jünger oder älter aussieht, als sie ist. Im Arbeitsleben<br />

gelten ältere Kolleg*innen teils<br />

als langsamer, junge Mitarbeiter*innen verstehen<br />

vieles angeblich noch nicht. Manche<br />

werden gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch<br />

eingeladen, weil sie zu alt sind<br />

oder aber zu jung und unerfahren.<br />

<strong>Was</strong> hilft also dem Kind und was erleichtert<br />

nur den Erwachsenen das<br />

Leben? Wo ist die Grenze zwischen<br />

Fürsorge und Bevormundung?<br />

Je mehr ich mich mit Adultismus beschäftige,<br />

desto mehr wird mir bewusst, was für<br />

ein unterschätztes Thema das ist. Fast alle<br />

reagieren zunächst mit einem verwunderten<br />

„Adultismus? <strong>Was</strong> soll das denn sein?“ Das<br />

Problem ist den meisten überhaupt nicht<br />

bewusst – obwohl praktisch jede*r es selbst<br />

schon erlebt hat. Adultismus ist so alltäglich,<br />

dass er kaum hinterfragt wird und<br />

Kinder das Gefühl bekommen, Ältere seien<br />

tatsächlich wichtiger und hätten das Recht<br />

über sie zu bestimmen. Das kann dazu<br />

führen, dass sie auch selbst Jüngere nicht<br />

mehr richtig ernst nehmen oder resigniert<br />

und passiv werden. Adultismus bildet aber<br />

nicht nur die Grundlage für weiteren Adultismus,<br />

sondern auch für andere Diskriminierungsformen.<br />

Wenn wir schon von klein<br />

auf lernen, dass die Unterdrückung und<br />

Abwertung anderer normal ist, fällt es <strong>uns</strong><br />

auch leichter, das auf andere Gruppen zu<br />

übertragen.<br />

Wenn du das nächste Mal sagst<br />

„Das verstehst du noch nicht“,<br />

dann versuche es zu erklären, statt<br />

es einfach dem Alter zuzuschieben.<br />

Wir sollten also alle mal darüber nachden<strong>ke</strong>n,<br />

in welchen Situationen wir schon selbst<br />

Adultismus erfahren oder ausgeübt haben.<br />

Wenn du das nächste Mal sagst „Das verstehst<br />

du noch nicht“, dann versuche es zu<br />

erklären, statt es einfach dem Alter zuzuschieben.<br />

Und wenn jemand zu dir sagt<br />

„Dafür bist du noch zu jung“, dann lass dir<br />

das nicht einfach so gefallen, sondern versuche,<br />

Adultismus als solchen zu er<strong>ke</strong>nnen<br />

und zu benennen. Denn der*m anderen ist<br />

vielleicht gerade gar nicht bewusst, welche<br />

Folgen das eigene Verhalten auf lange Sicht<br />

haben kann und welche Vorurteile dahinterstehen.<br />

Anstatt Kinder systematisch auszuschließen,<br />

müssen wir <strong>uns</strong> überlegen, wie<br />

wir es schaffen können, diese soziale Ungleichheit<br />

zu beseitigen und junge Leute im<br />

Alltag und in der Politik mit einzubeziehen.

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