18.06.2020 Aufrufe

Die Kraft des Evangeliums 2/2020

Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope

Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

DIE KRAFT DES<br />

EVANGELIUMS<br />

Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope • 2/<strong>2020</strong><br />

So o kommt der Glaube aus<br />

der Predigt, die Predigt aber<br />

durch das Wort Gottes.<br />

RÖMER 10,17<br />

• Gebet in dunklen Zeiten (2)<br />

• Sizilien: Hat Gott die Kontrolle?<br />

• Asien: Unsere Schwierigkeiten –<br />

Gottes Gelegenheiten<br />

• Sierra Leone: Eine christliche Schule<br />

• Was ist Rechtfertigung?<br />

• Eine verschlüsselte Botschaft (1)<br />

• D.M. Lloyd-Jones:<br />

Der leidenschaftliche Prediger<br />

• <strong>Die</strong> Hoffnung der Christen


INHALT<br />

4<br />

8<br />

13<br />

16<br />

19<br />

24<br />

30<br />

37<br />

41<br />

Gebet in dunklen Zeiten (2)<br />

Daniel 9,4-19<br />

Mission – Sizilien<br />

Hat Gott die Kontrolle?<br />

Mission – Asien<br />

Unsere Schwierigkeiten – Gottes Gelegenheiten<br />

Mission – Sierra Leone<br />

Eine christliche Schule für Sierra Leone<br />

Was ist Rechtfertigung?<br />

Römer 3,21-31<br />

Eine verschlüsselte Botschaft (1)<br />

Der Antichrist, das Malzeichen und die Zahl 666<br />

Der leidenschaftliche Prediger<br />

D. Martyn Lloyd-Jones<br />

Wer ist ein Prediger?<br />

<strong>Die</strong> Berufung zum Prediger<br />

<strong>Die</strong> Hoffnung der Christen<br />

Johannes 17,24


EDITORIAL<br />

PREDIGE<br />

DAS WORT<br />

<strong>Die</strong> Missionsarbeit ist keine komplizierte,<br />

aber eine anspruchsvolle Aufgabe. In der<br />

Apostelgeschichte, die uns den inspirierten<br />

Bericht über die missionarische Tätigkeit der<br />

ersten Gemeinde vorlegt, sehen wir die gesamte<br />

Missionsarbeit in zwei verschiedenen und klar<br />

definierten Aufgabenbereichen. In Apostelgeschichte<br />

6,4 erklären die Apostel: »Wir aber wollen<br />

beständig im Gebet und im <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Wortes bleiben!«<br />

<strong>Die</strong>se Einfalt und die <strong>Kraft</strong> ihrer missionarischen<br />

Bemühungen stehen in scharfem Kontrast zu der<br />

Komplexität und Ohnmacht so vieler missionarischer<br />

Aktivitäten von heute.<br />

Wenn man das so liest, wird man sich vielleicht<br />

gegen die Einfalt einer solchen Methode entscheiden.<br />

Allerdings müssen wir beachten, dass es sich<br />

hier nicht einfach um eine weitere Strategie unter<br />

mehreren handelt; es ist vielmehr die Strategie<br />

der Apostel, wie sie vom Heiligen Geist geleitet<br />

(ja sogar inspiriert) wurde. Wenn wir wirklich<br />

an das Prinzip von »Sola Scriptura« glauben (d.<br />

h. an die Schrift allein), dann müssen wir unsere<br />

Missionsarbeit der Autorität der Heiligen Schrift<br />

unterstellen. Wie es im Baptistischen Glaubensbekenntnis<br />

heißt: »<strong>Die</strong> Heilige Schrift ist die einzig<br />

ausreichende, sichere und unfehlbare Richtlinie<br />

für alle zum Heil notwendige Erkenntnis, für<br />

den rettenden Glauben und den Glaubensgehorsam<br />

…« (Kapitel 1, Absatz 1).<br />

Als Gemeinde ist es unser großer und aufrichtiger<br />

Wunsch, unsere Missionsarbeit diesem biblischen<br />

Muster anzupassen. So beugen wir unsere<br />

Knie vor unserem souveränen Gott, mit dem<br />

Wunsch, dass das Reich Gottes sich ausbreiten<br />

möge, in unseren Herzen, Familien und Gemeinden,<br />

in unserem Wohnort und unserem Land, ja<br />

überall in der ganzen Welt. Und dass der Herr<br />

Männer erwecken möge, deren Herzen brennen<br />

für die verlorene Welt, deren Füße nicht müde<br />

werden, sie aufzusuchen, und deren Zungen bereit<br />

sind, zu predigen und zu lehren (zur gelegenen<br />

oder ungelegenen Zeit, 2.Tim. 4,2)!<br />

Bitte beten Sie, dass wir in unserer Treue zum<br />

Gebet und zur Verkündigung <strong>des</strong> Wortes Gottes<br />

wachsen, und dass wir für unsere Generation<br />

treue Zeugen sein können. Danke für die Freundlichkeit,<br />

die Sie uns entgegengebracht haben!<br />

Auch wenn wir uns vielleicht nicht von Angesicht<br />

zu Angesicht begegnet sind, so sind Sie<br />

und Ihre Lieben in unseren Herzen und unseren<br />

Gebeten.<br />

Im Herrn verbunden,<br />

Niko Derksen<br />

<strong>Die</strong> biblische Mission steht auf den beiden Säulen<br />

<strong>des</strong> Gebets und der Verkündigung! Leider ist nur<br />

ein kleiner Prozentsatz der heutigen Missionstätigkeit<br />

tatsächlich dieser Hauptarbeit eines Missionars<br />

gewidmet.<br />

voiceofhope.de | 3


Gebet<br />

IN DUNKLEN ZEITEN<br />

DANIEL 9,4-19<br />

Teil 2<br />

4 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


»Neige Dein Ohr, mein Gott, und höre; tue Deine<br />

Augen auf und sieh unsere Verwüstung und die<br />

Stadt, die nach Deinem Namen genannt ist! Denn<br />

nicht um unserer eigenen Gerechtigkeit willen<br />

bringen wir unsere Bitten vor Dich, sondern um<br />

Deiner großen Barmherzigkeit willen!«<br />

Daniel 9,18<br />

Wenn es wahr ist, dass wir verpflichtet<br />

sind, für Gottes Reich und Volk zu beten,<br />

wie sollen wir dann konkret dafür<br />

beten? Hier bietet uns der Inhalt von Daniels<br />

Gebet ein Modell für unsere eigenen Gebete (Dan.<br />

9,4-19).<br />

Daniels Gebet besteht im Wesentlichen aus drei<br />

Elementen: Anbetung, Bekenntnis und Fürbitte.<br />

Daniel begann damit, zu erkennen und anzuerkennen,<br />

wer Gott ist (Anbetung); dann bekannte er<br />

die Sünden seines Volkes und erkannte die Gerechtigkeit<br />

von Gottes Gericht über sie an (Bekenntnis),<br />

und schließlich flehte er zu Gott, Seine Absichten<br />

für Sein Volk zu erfüllen (Fürbitte). Wir wollen uns<br />

je<strong>des</strong> dieser Elemente der Reihe nach ansehen.<br />

1<br />

ANBETUNG:<br />

ANBETUNG, BEKENNTNIS<br />

UND FÜRBITTE<br />

Daniel erkannte und anerkannte<br />

von Anfang an den Gott, an den sein<br />

Gebet gerichtet war. Der Schwerpunkt der<br />

Anerkennung Daniels lag auf der Größe Gottes<br />

und Seiner Gnade. Der Herr ist ein »großer und<br />

furchtgebietender Gott« (Dan. 9,4), »gerecht« (9,7.14),<br />

»der Du Dein Volk mit starker Hand aus dem Land<br />

Ägypten herausgeführt hast und Dir einen Namen gemacht<br />

hast bis zum heutigen Tag« (9,15): Er ist in der<br />

Tat ein mächtiger Gott. Aber Er ist auch ein Gott,<br />

»der den Bund und die Gnade« bewahrt (9,4), indem<br />

Er Seine Verheißungen an Sein Volk treu erfüllt.<br />

Er ist ein Gott, der »Barmherzigkeit und Vergebung«<br />

schenkt (9,9). Tatsächlich stehen diese beiden<br />

Worte im Hebräischen in der Mehrzahl, was darauf<br />

hindeutet, dass Gott Seinem rebellischen Volk<br />

immer wieder Barmherzigkeit und Vergebung geschenkt<br />

hatte. <strong>Die</strong>se überreiche Barmherzigkeit<br />

bildete die Grundlage für Daniels Fürbitte, wie am<br />

Ende seines Gebetes deutlich wird.<br />

2BEKENNTNIS: Doch wenn auch der Gott,<br />

zu dem Daniel betete, gerecht und Seinen<br />

Verheißungen treu ist, so war doch Daniels<br />

eigenes Volk das genaue Gegenteil gewesen; darum<br />

bekannte Daniel nun die Sünde seines Volkes.<br />

Israel hatte gesündigt und sich gegen diesen gütigen<br />

und gnädigen Gott aufgelehnt, indem es sich<br />

immer wieder von Seinen Gesetzen abwandte und<br />

sich weigerte, auf Seine Propheten zu hören (Dan.<br />

9,5-6.10-11). Der Kontrast zwischen dem Herrn<br />

und Seinem Bun<strong>des</strong>volk wird durch das Muster<br />

der doppelten Synonyme unterstrichen:<br />

Der Herr ist:<br />

• ein großer und furchtgebietender Gott<br />

• barmherzig und vergebend<br />

• treu gegenüber allen, die Ihn lieben<br />

und Seine Gebote bewahren<br />

Israel hat:<br />

• gesündigt und unrecht getan<br />

• rebelliert und gesetzlos gehandelt<br />

• sich von den Geboten und<br />

Rechtsordnungen Gottes abgewandt<br />

voiceofhope.de | 5


Der Kontrast zwischen dem treuen und heiligen<br />

Gott, der all Seinen Verheißungen treu ist, und<br />

den treulosen und unheiligen Menschen, die alle<br />

ihre Versprechen gebrochen und sich gegen ihren<br />

Herrn aufgelehnt haben, könnte nicht stärker<br />

sein. Gemäß dem Bund, den Gott mit Seinem Volk<br />

am Sinai geschlossen hatte, konnte ein solcher<br />

Kontrast immer nur ein Ergebnis haben: die Vernichtung<br />

und Vertreibung <strong>des</strong> Volkes Gottes aus<br />

dem Land der Verheißung.<br />

Weil der Herr gerecht und treu ist, musste Er dieses<br />

angedrohte Gericht vollführen, Seinen heftigen<br />

Zorn über Jerusalem, Seine auserwählte Stadt<br />

und Seinen Wohnort, ausgießen (Dan. 9,16) und<br />

Sein Volk unter den Völkern um sie herum zu einem<br />

verdienten Gespött machen.<br />

So bekannte Daniel die Sünde seines Volkes und<br />

erkannte die Gerechtigkeit von Gottes Gericht<br />

an, so schwer es auch gewesen war. Er bemühte<br />

sich in keiner Weise, Ausreden für Israel zu finden<br />

oder die Gerechtigkeit von Gottes Umgang<br />

mit ihnen in Frage zu stellen. Israel verdiente das<br />

Schicksal, das es für seine Rebellion gegen einen<br />

so heiligen und gütigen Gott erfahren hatte, voll<br />

und ganz.<br />

3FÜRBITTE: Doch das fünfte Buch Mose<br />

spricht nicht nur von dem Gericht, das über<br />

Israel kommen sollte, wenn es sündigte und<br />

sich gegen den Herrn auflehnte. Es spricht auch<br />

von der Verheißung eines neuen und gnädigen<br />

Anfangs für Israel jenseits von Sünde und Gericht.<br />

Wenn sie den Zorn Gottes erlebt und für<br />

ihre Sünden Buße getan hätten, indem sie sich<br />

unter den Völkern, in die der Herr sie zerstreuen<br />

würde, zu Gott bekehrt hätten, würde der Herr<br />

ihre Herrlichkeit wiederherstellen und sie wieder<br />

in ihr Land sammeln (5.Mo. 30,2-3). Genau das ist<br />

die Antwort Gottes, die Daniel im Gebet suchte.<br />

Er bat darum, dass Gott sein Gebet erhören möge:<br />

»So höre nun, unser Gott, auf das Gebet Deines Knechtes<br />

und auf sein Flehen und lass Dein Angesicht leuchten<br />

über Dein verwüstetes Heiligtum, um <strong>des</strong> Herrn willen!«<br />

(Dan. 9,17). Er bat dies nicht in Anbetracht irgendeiner<br />

Gerechtigkeit bei sich selbst oder seinem<br />

Volk, sondern einfach wegen der Zusage Gottes,<br />

»um Deiner Selbst willen, mein Gott! Denn nach Deinem<br />

Namen ist Deine Stadt und Dein Volk genannt!«<br />

(Dan. 9,19).<br />

Als Gott Israel erwählte, es aus Ägypten herausführte<br />

und zu Seinem eigenen Volk machte, verband<br />

Er Seinen Namen unwiderruflich mit ihnen.<br />

Wenn Israel nun im Exil umkäme, wäre das zwar<br />

eine passende und gerechte Strafe für sie, aber das<br />

würde die Heiden dazu bringen, Gottes Macht in<br />

Frage zu stellen. War der Herr schlussendlich doch<br />

nicht in der Lage, Sein eigenes Volk zu erlösen und<br />

ihm das zu geben, was Er versprochen hatte?<br />

Um die Größe Seiner Gnade zu zeigen und die<br />

Ehre Seines Namens zu rechtfertigen, muss der<br />

Herr Sein Volk nun wieder erlösen und in Seine<br />

Gunst zurückbringen. Darum betete Daniel mit<br />

voller Zuversicht, dass Gott sein Gebet erhören,<br />

Seinem Volk Gnade erweisen und Sein Heiligtum<br />

wiederherstellen würde.<br />

BETEN ZU EINEM GROẞEN<br />

UND GNÄDIGEN GOTT<br />

Alle drei Aspekte von Daniels Gebet – Anbetung,<br />

Bekenntnis und Fürbitte – können uns helfen, die<br />

Art und Weise zu lernen, wie wir für Gottes Reich<br />

in unserer Welt beten können. Auch wir sollten<br />

damit beginnen, uns an Gottes Größe und Seine<br />

Gnade zu erinnern, die sich in Seiner Treue gegenüber<br />

Seinen Bun<strong>des</strong>verheißungen zeigt. Wenn<br />

wir Gottes Größe vergessen, dann werden unsere<br />

Gebete zu geringfügig sein. Tatsächlich finde ich<br />

meine eigenen Gebete fast immer zu geringfügig.<br />

Vielleicht beten wir nicht sehr oft für Gottes mächtiges<br />

Eingreifen in unsere Gemeinde, Familie und<br />

Missionsarbeit. Wir vergessen schnell die Größe<br />

Gottes: dass Er Derjenige ist, der alles aus dem<br />

Nichts erschaffen, der die Sterne an den Himmel<br />

gesetzt und den Meeren ihre Grenzen zugewiesen<br />

hat. Wir vergessen, dass Er Derjenige ist, der Könige<br />

und Weltführer aufstehen lässt und sie wieder<br />

zu Fall bringt. Wenn ich mich beim Gebet an<br />

die Größe Gottes erinnere, verändert sich mein<br />

Gebetsleben radikal.<br />

Aber unsere Gebete sind auch <strong>des</strong>halb zu geringfügig,<br />

weil wir die Gnade Gottes vergessen. Viel-<br />

6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


leicht bist du versucht zu glauben, dass du nicht<br />

mehr zu ändern seiest, und die Menschen um dich<br />

herum auch nicht.<br />

Jemand sagte: »Angesichts der Privilegien und Möglichkeiten,<br />

die mir gegeben wurden, bin ich ein nutzloser<br />

Mitarbeiter! Mich so zu sehen, wie ich wirklich bin, könnte<br />

leicht zur Verzweiflung und zum Versagen beim Beten<br />

führen, weil ich anfange zu glauben, dass Gott jemanden<br />

wie mich unmöglich gebrauchen könnte.«<br />

Wir können entmutigt werden, für andere zu beten,<br />

wenn wir ihr Fehlverhalten anschauen. Wenn<br />

wir mit Menschen leben und arbeiten, fällt früher<br />

oder später die Maske, und wir sehen auch ihre<br />

Sündhaftigkeit. <strong>Die</strong> Menschen in der Gemeinde<br />

enttäuschen uns oft, manche lassen uns sogar im<br />

Stich, und wir sind versucht zu glauben, dass Gott<br />

auch sie nicht gebrauchen könne. Warum überhaupt<br />

beten, für uns selbst oder für andere, wenn<br />

wir alle solche angeschlagenen Krüge und beschädigten<br />

Gefäße sind?!<br />

<strong>Die</strong> Antwort ist, dass wir um der Gnade Gottes<br />

willen beten sollten. <strong>Die</strong> Lösung für unsere Sünde<br />

besteht nicht darin, sie unter den Teppich zu kehren<br />

und so zu tun, als gäbe es sie nicht. Es gibt viele<br />

Leute, die das in unserem heutigen Kontext tun<br />

wollen – Leute, die nicht einmal das Wort »Sünde«<br />

erwähnen würden.<br />

Das war aber nicht Daniels Art zu handeln. <strong>Die</strong><br />

Reaktion auf all unsere Sünde sollte sein, uns an<br />

Gottes Gnade zu erinnern und die Sünde vor Ihm<br />

zu bekennen, indem wir uns auf Seine souveräne<br />

Barmherzigkeit stützen.<br />

Tatsächlich sind wir alle verdorbene Sünder, vollkommen<br />

ungeeignet für Gottes Reich. Dennoch<br />

hat derselbe heilige Gott Seinen Namen auf uns<br />

gelegt, uns »Christen« genannt und uns durch<br />

die Erwählung in Seine Herde aufgenommen. Er<br />

hat uns damit in dieser Welt so bevorzugt, so dass<br />

das, was die Menschen über Ihn denken, in hohem<br />

Maße von dem geprägt wird, was sie an uns sehen.<br />

Hier gibt es eine Motivation für ernstes Gebet.<br />

Wenn ich über die Gnade Gottes nachdenke, kann<br />

ich ausrufen:<br />

»Herr, ich bin völlig ungeeignet, Dein Botschafter zu<br />

sein; aber Du hast mich gerufen und ausgesandt, um<br />

Dir zu dienen. Ich kann keinen Augenblick in meiner<br />

eigenen <strong>Kraft</strong> stehen, und ich habe keine eigenen Worte<br />

zu verkündigen. Herr, gib mir die <strong>Kraft</strong>, aufzustehen,<br />

und gib mir die Worte, die ich für Dich predigen<br />

kann. Erfülle Deine Ziele in dieser Welt durch mich<br />

und durch andere begnadigte Sünder wie mich. Errichte<br />

diese Gemeinde an diesem Ort, nicht weil wir es<br />

wert seien. Baue Dein Königreich hier auf, denn Dein<br />

Name ist würdig, und die Menschen um uns herum<br />

müssen Deine Herrlichkeit sehen. Sie werden sie nie<br />

aus unserer Weisheit oder Stärke heraus sehen; sie<br />

werden Deine Herrlichkeit nur dann sehen, wenn Du<br />

sie dadurch zeigst, dass Du fehlerhafte Menschen wie<br />

uns nimmst und unser Leben zu einer außergewöhnlichen<br />

Beweisführung Deiner Gnade machst.«<br />

<strong>Die</strong> Anerkennung von Gottes Größe und Gnade<br />

wird uns regelmäßig in Danksagung und Bekenntnis<br />

und in inbrünstiger Bitte, um Seines<br />

Namens willen zu handeln, auf die Knie zwingen.<br />

WARUM KANN GOTT<br />

GNADE SCHENKEN, WENN<br />

WIR IHN DARUM BITTEN?<br />

Unser Gott ist nicht nur ein Gott der Gnade – und<br />

schon gar nicht ein Gott, der Sünden einfach und<br />

leicht vergibt, weil es Seiner Natur entspräche,<br />

dies zu tun. Wenn das so wäre, dann wäre das<br />

Kreuz nicht nötig gewesen. Es gäbe keinen Grund<br />

dafür, dass der Sohn Gottes so grausam hingerichtet<br />

wurde, wenn Gott nicht auch der Gott der<br />

Gerechtigkeit ist.<br />

<strong>Die</strong> Wahrheit ist, dass für die Sünde – für unsere<br />

Sünde – bezahlt werden musste. Es musste einen<br />

Tag der Abrechnung für all das Böse geben, das<br />

wir getan haben – einen Tag der Abrechnung, der<br />

an jenem ersten Karfreitag stattfand. Als Jesus<br />

dort hing und starb, bezahlte Er voll und ganz den<br />

Preis für den Tod, den jeder Gläubige, jeder von<br />

uns, verdiente. Echte Bezahlung wurde für echte<br />

Sünde geleistet, damit es wirkliche Gnade für<br />

wirkliche Sünder geben konnte.<br />

Der wahre Gott ist der Gott der Gnade und Heiligkeit,<br />

der in Jesus die echte Lösung für unser Sündenproblem<br />

bereitgestellt hat.<br />

voiceofhope.de | 7


Ach, Herr, HERR, siehe, Du hast den<br />

Himmel und die Erde gemacht mit Deiner<br />

großen <strong>Kraft</strong> und mit Deinem<br />

ausgestreckten Arm;<br />

Dir ist nichts unmöglich!<br />

JEREMIA 32,17


Mission – SIZILIEN<br />

Hat GOTT die<br />

Kontrolle?<br />

Coronavirus. Ein Wort, das wahrscheinlich<br />

noch jahrelang in jedem von uns eingeprägt<br />

sein wird. Mit diesem Wort verbindet<br />

sich eine tägliche Erinnerung an die Bedrohung,<br />

die das Virus darstellt. Es sind unsichere<br />

Zeiten, außerhalb und innerhalb der Gemeinde.<br />

Gläubige sind rund um den Globus in ihren Möglichkeiten,<br />

sich gemeinsam zu versammeln, erheblich<br />

eingeschränkt. Zu unseren Lebzeiten haben<br />

wir so etwas noch nie erlebt. Dennoch zeigt<br />

uns die Kirchengeschichte immer wieder, dass<br />

wahre Christen sich um <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> willen<br />

zur Ehre Gottes über ihre Lebensumstände erheben<br />

müssen.<br />

Doch wie können wir das tun? Ist es nicht erstaunlich,<br />

dass viele Dinge, obwohl sie für uns<br />

außer Kontrolle zu sein scheinen – und in vielerlei<br />

Hinsicht menschlich gesehen in der Tat außer<br />

Kontrolle sind –, es doch Einen gibt, der auf dem<br />

Thron <strong>des</strong> Universums sitzt? Er ist der Inbegriff<br />

aller Weisheit, Güte, Wahrheit, Heiligkeit, Gerechtigkeit<br />

und Allmacht, und Er hat als Schöpfer<br />

unseres Universums die ganze Welt unter Seiner<br />

Kontrolle.<br />

Wir begreifen nicht immer, was das bedeutet,<br />

aber wir dürfen wissen, dass es Einen gibt, der<br />

die Welt beherrscht, den nichts in Angst versetzt,<br />

der nie müde, schwach und verunsichert wird,<br />

vor dem nichts geheim bleiben kann und der nie<br />

Überraschungen erlebt. Wir wissen nicht immer,<br />

warum Er dies oder jenes tut, aber wir wissen,<br />

wer Er ist, und wir wissen, was Er Seinen Kindern<br />

verheißen hat, wenn sie Ihm vertrauen und Ihm<br />

dienen. Ja, Er sagt: »Und siehe, Ich bin bei euch alle<br />

Tage bis an das Ende der Weltzeit!« (Mt. 28,20). <strong>Die</strong>se<br />

Verheißung gab der Herr Seinen Jüngern, nachdem<br />

Er zu ihnen gesagt hatte: »Mir ist gegeben alle<br />

Macht im Himmel und auf Erden. So geht nun hin und<br />

macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen<br />

<strong>des</strong> Vaters und <strong>des</strong> Sohnes und <strong>des</strong> Heiligen Geistes<br />

und lehrt sie alles halten, was Ich euch befohlen habe«<br />

(Mt. 28,18-20).<br />

Wir vergessen oft, dass dem Herrn Jesus alle Macht<br />

gegeben ist, wie im Himmel, so auch auf der Erde.<br />

Er ist der souveräne Herrscher, Er kontrolliert das<br />

ganze Geschehen, und <strong>des</strong>halb können wir uns in<br />

Seinem Namen und um <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> willen<br />

über unsere Lebensumstände erheben.<br />

SIZILIEN – MAILAND – DEUTSCHLAND<br />

Am 28. Februar <strong>2020</strong> war unsere Rückreise aus<br />

Sizilien über Mailand (Italien) nach Deutschland<br />

geplant. In allen Nachrichten hörte man von vielen<br />

infizierten Menschen in Mailand; doch unsere<br />

Sorge galt nicht der Krankheit, sondern ob am<br />

nächsten Tag das Bibelseminar im Missionshaus<br />

noch stattfinden kann. Werden die Flüge gestrichen,<br />

dann sitzen wir jetzt für die nächste Zeit<br />

in Sizilien fest. Oder hat der Herr einen anderen<br />

Plan? Wir waren nämlich mit einer Gruppe von<br />

voiceofhope.de | 9


Jugendlichen für eine Woche auf Sizilien gewesen, damit sie einen<br />

kleinen Einblick in die Missionsarbeit bekommen könnten.<br />

Wie gut ist unser Herr; Seine Wege sind immer die besten! <strong>Die</strong> ganze<br />

Gruppe ist planmäßig nach Hause gekommen. <strong>Die</strong> jungen Menschen<br />

waren froh, dass sie die Möglichkeit hatten, es mitzuerleben, wie sich<br />

die frohe Botschaft von Jesus Christus auf Sizilien ausbreitet, insbesondere<br />

unter vielen Flüchtlingen. Sie hörten Zeugnisse von Menschen,<br />

deren Leben der Herr völlig verändert hat. Sie erlebten das<br />

mächtige Wirken Gottes, wenn Sein Wort verkündigt wurde, und waren<br />

darüber sehr bewegt.<br />

Reyazul beim Bibelunterricht<br />

REYAZUL AUF DER<br />

SUCHE NACH WAHRHEIT<br />

Einen Flüchtling, den diese Jugendgruppe kennenlernte,<br />

war Reyazul, ein junger pakistanischer<br />

Muslim. Wir begegneten ihm schon im<br />

vergangenen Jahr. Er setzte sich zu uns, wenn wir<br />

in seinem Flüchtlingslager den Bibelunterricht<br />

durchführten. Bei einer Begegnung im Dezember<br />

stellte er viele Fragen über Jesus. Seitdem blieben<br />

wir Woche für Woche in Kontakt mit ihm. Er las<br />

regelmäßig die Bibel in seiner Sprache (Urdu), die<br />

er geschenkt bekommen hatte, und stellte Fragen<br />

zu verschiedenen Schriftstellen. Wir beantworteten<br />

sie ihm gern und erklärten ihm immer<br />

wieder einige Bibeltexte. Dann wollte er mit uns<br />

beten. Sein Gebet war kurz und lautete etwa so:<br />

»Heiliger Gott, ich glaube an Deine Existenz, ich<br />

glaube an die Bibel, aber ich verstehe immer noch<br />

nicht, wer Jesus ist. Bitte lass mich das verstehen,<br />

Amen.«<br />

10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Als wir dann im Februar mit den Jugendlichen wieder dieses<br />

Lager besuchten, war Reyazul einer der ersten, die zum Bibelunterricht<br />

kamen. An diesem Tag erklärten wir Lukas 15, wo Jesus<br />

anhand von drei Gleichnissen das »Verlorensein« verdeutlicht.<br />

Im dritten Gleichnis ging es dann um die beiden verlorenen Söhne<br />

und den liebenden Vater. <strong>Die</strong>ses Gleichnis zeigt auf, dass alle<br />

Menschen total verloren sind, so wie diese beiden Brüder. Der ältere<br />

Sohn war in einem schlimmeren Zustand, weil er seine Verlorenheit<br />

gar nicht erkennen konnte, sondern nur Verachtung für<br />

seinen heimgekehrten Bruder und die gnädige Reaktion <strong>des</strong> Vaters<br />

übrig hatte. Während <strong>des</strong> Bibelunterrichts jedoch wurde der<br />

Fokus auf den liebenden Vater gerichtet, der in dem Gleichnis den<br />

Herrn Jesus Christus repräsentiert.<br />

Der Bibelunterricht dauerte ca. 1,5 Stunden; danach gab es viele<br />

Fragen und Antworten. Nach dem Gebet kam Reyazul zu uns und<br />

bezeugte voller Freude, dass er an Jesus Christus, den Sohn Gottes,<br />

glaubt. »Ich war verloren, doch der Herr Jesus hat mich errettet!«,<br />

bezeugte er. Wir priesen den Herrn für die wunderbare Errettung<br />

dieses jungen Mannes.<br />

JAMES IN DEUTSCHLAND<br />

James beim Bibelstudium<br />

Zum Jahreswechsel 2019/20 erhielten wir eine<br />

Nachricht von James, einem Flüchtling. Überglücklich<br />

schrieb er uns, dass er eine Aufenthaltsgenehmigung<br />

bekommen habe. Wie dankten wir<br />

Gott dafür!<br />

James ist 2017 auf Sizilien als Flüchtling angekommen<br />

und hat schon in den ersten Wochen in<br />

einem Flüchtlingslager das Evangelium von Jesus<br />

gehört. James war ein Moslem. <strong>Die</strong> Botschaft bewegte<br />

ihn, und er wollte mehr darüber erfahren.<br />

So fand er sich Woche für Woche, manchmal sogar<br />

täglich, in unserem Versammlungsraum ein, um<br />

aus Gottes Wort zu lernen. Und Gott veränderte<br />

sein Herz – James wurde durch die Gnade Gottes<br />

errettet und ließ sich im Jahr 2018 taufen.<br />

Bald wurde er aus einem sogenannten Aufnahmezentrum<br />

für Asylsuchende in ein Flüchtlingslager<br />

gebracht, das 45 km von unserem Standort<br />

in Palermo entfernt ist. Nun konnte er nicht mehr<br />

jeden Tag kommen, besuchte aber jeweils am<br />

Sonntag den Gottesdienst. Um mehr Zeit dort verbringen<br />

zu können, kam er manchmal schon am<br />

Samstag mit dem Zug und übernachtete in Palermo.<br />

Dann begann er, in seiner Umgebung und auf<br />

den Straßen Bibeln und Schriften zu verteilen und<br />

den Menschen Christus zu bezeugen.<br />

Durch seine Aufenthaltsgenehmigung hat er<br />

jetzt auch die Möglichkeit, zu reisen. In dem Flüchtlingslager,<br />

wo er zuletzt gewohnt hatte, gab es nach<br />

unserem Wissensstand keine wiedergeborenen<br />

Christen. Er hatte viele aufreibende Gespräche mit<br />

seinen Mitbewohnern und wusste oft nicht, wie er<br />

ihre Fragen beantworten und mit Aufforderungen<br />

zu Diskussionen umgehen sollte. Umso mehr freute<br />

er sich, als wir ihn für eine Woche nach Deutschland<br />

in unsere Missionszentrale einluden.<br />

Aus einer Woche wurden vier Wochen, in denen<br />

er seinen Alltag unter den Flüchtlingen hinter<br />

sich lassen konnte, Seminare in der Missionszentrale<br />

besuchte, viele Predigten und Lektionen hörte<br />

und an dem Leben der Gemeinde in Reichshof<br />

teilnahm. Er lernte gern und sog das Wort in sich<br />

auf wie ein trockener Schwamm.<br />

An seinem letzten Tag bei uns hatten wir am<br />

Abend eine kleine Abschiedsfeier und beteten<br />

gemeinsam. James dankte dem Herrn für Seine<br />

Güte, dass Er es ihm möglich gemacht hatte, nach<br />

Deutschland zu kommen und die Gemeinschaft<br />

der Gläubigen zu genießen.<br />

Gott gibt Sein Werk nicht auf! Möge Er es an<br />

James und auch an Reyazul vollenden bis zu dem<br />

Tag, an dem Jesus Christus wiederkommt.<br />

voiceofhope.de | 11


BIBELUNTERRICHT TROTZ<br />

AUSGANGSSPERRE?<br />

»Wer aber die Güter dieser Welt hat und seinen Bruder<br />

Not leiden sieht und sein Herz vor ihm verschließt — wie<br />

bleibt die Liebe Gottes in ihm?« (1. Johannes 3,17).<br />

Wie würden wir uns verhalten, wenn uns jemand<br />

bitten würde, ihn bei uns aufzunehmen, weil er<br />

keine Bleibe hat?<br />

Daniel Lusenie, Missionar auf Sizilien, berichtet:<br />

»Anfang März dieses Jahres meldeten sich drei<br />

junge Männer bei mir. Sie fragten mich, ob ich<br />

sie bei mir aufnehmen würde. Mein erster Gedanke<br />

war: Wohin soll ich mit diesen Männern?<br />

Ich schlafe doch selbst nur auf einer Matratze in<br />

einem kleinen Raum, der zudem als Lager und<br />

Küche dient. Doch ich erinnerte mich an das Jahr<br />

2016, als die Geschwister von Voice of Hope mich<br />

aufgenommen haben. Sie haben mir das Evangelium<br />

verkündigt, haben mich über die ganzen<br />

Jahre versorgt und sogar als Mitglied in der Gemeinde<br />

und als Mitarbeiter bei Voice of Hope aufgenommen.<br />

Das motivierte mich, für diese drei Männer einen<br />

Schlafraum herzurichten. Schnell besorgten<br />

wir Matratzen und ein paar Decken; die Stühle<br />

und Tische wurden im Versammlungsraum zur<br />

Seite geschoben, und schon war alles fertig.<br />

Ich kannte diese drei Männer gut; sie waren<br />

öfters im Flüchtlingslager dabei gewesen, wenn<br />

ich jeweils das Evangelium predigte. Sonntags<br />

besuchten sie manchmal den Gottesdienst, und<br />

unter der Woche kamen sie auch mal zu den Bibelstunden.<br />

Bald darauf hatte einer nach dem anderen seine<br />

Aufenthaltsgenehmigung bekommen; somit<br />

durften sie nicht mehr im Flüchtlingslager bleiben.«<br />

Nur wenige Tage, nachdem Bruder Daniel diese<br />

Männer aufgenommen hatte, wurde die Ausgangssperre<br />

verhängt. <strong>Die</strong> Menschen durften<br />

ihre Häuser nur noch verlassen, um Besorgungen<br />

für den täglichen Bedarf zu verrichten oder medizinische<br />

Leistungen in Anspruch zu nehmen.<br />

<strong>Die</strong> sonst so belebten Straßen in Palermo waren<br />

menschenleer. Der Lärm hatte sich in Stille verwandelt.<br />

Nur hier und da sah man noch vereinzelt<br />

Leute, die meist gerade mit einer Tragetasche vom<br />

Einkauf zurückkehrten; sie gingen langsam, um<br />

so lang wie möglich an der frischen Luft zu sein,<br />

bevor sie wieder in ihre Wohnung mussten.<br />

Unser Bruder erzählt: »Als ich dann selbst mal<br />

unterwegs war, um einzukaufen oder für ältere<br />

Leute die Einkäufe zu erledigen, gab der Herr mir<br />

immer wieder Gelegenheiten, den Menschen Jesus<br />

Christus zu bezeugen.<br />

Dass ich jetzt noch drei Mitbewohner beherbergte,<br />

hatte in dieser Zeit den entscheidenden<br />

Vorteil, dass ich nicht ständig allein im Versammlungsraum<br />

bleiben musste. Als ich diesen<br />

Männern vorschlug, die Zeit, die ihnen jetzt zur<br />

Verfügung steht, zum Bibelstudium zu nutzen,<br />

willigten sie gern ein. Jeden Tag lasen wir mehrere<br />

Stunden lang das Wort Gottes, und ich konnte es<br />

ihnen auslegen. Ich konnte wiedererkennen, dass<br />

das Evangelium die <strong>Kraft</strong> Gottes ist. Der Herr hat<br />

so mächtig an diesen Seelen gewirkt, dass nach einigen<br />

Wochen alle drei Männer Buße taten. Doch<br />

die Ausgangssperre war noch nicht aufgehoben,<br />

und so begannen wir, die Grundlagen <strong>des</strong> Glaubens<br />

zu studieren.«<br />

Liebe Leser, erkennen wir hier nicht wieder, dass<br />

Gottes Wege die besten sind? Wir denken oft, dass<br />

gewisse Einschränkungen für uns zum Nachteil<br />

seien; doch wenn wir sie aus Gottes Hand nehmen,<br />

sehen wir Seine wunderbare Führung darin.<br />

12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Unsere<br />

Schwierigkeiten –<br />

GOTTES<br />

GELEGENHEITEN<br />

»Gedenke doch an mein Elend und mein Umherirren, an den<br />

Wermut und das Gift! Beständig denkt meine Seele daran und ist tief<br />

gebeugt! <strong>Die</strong>ses aber will ich meinem Herzen vorhalten, darum will<br />

ich Hoffnung fassen: Gnadenbeweise <strong>des</strong> HERRN sind’s, dass wir nicht<br />

gänzlich aufgerieben wurden, denn Seine Barmherzigkeit ist nicht<br />

zu Ende; sie ist jeden Morgen neu, und Deine Treue ist groß!«<br />

Klagelieder 3,19-23<br />

voiceofhope.de | 13


Mission – ASIEN<br />

SCHLIMMER<br />

ALS DIESE PANDEMIE<br />

Wie Sie sicher wissen, wurden aufgrund der aktuellen<br />

Pandemie überall auf der Welt Ausgangssperren<br />

verhängt. Wir Menschen sind oft der<br />

Meinung, dass wir alles in den Griff bekommen<br />

können – jede Krankheit, jede Wirtschaftskrise –,<br />

und dass wir sogar die Welt retten könnten. Doch<br />

all unsere Versuche, etwas in den Griff zu bekommen<br />

oder aufzuhalten, scheitern immer wieder.<br />

Menschen wollen es nicht für wahr halten, dass<br />

es Gott ist, der alle Dinge in der Welt lenkt. Als<br />

die Israeliten wegen ihres Ungehorsams von Gott<br />

bestraft wurden, indem sie als Sklaven nach Babel<br />

abgeführt wurden, da sprach Gott durch den<br />

Propheten Jeremia zum Volk: »Geht nicht aus dem<br />

Mund <strong>des</strong> Höchsten hervor das Böse und das Gute? Was<br />

beklagt sich der Mensch, der noch am Leben ist? Es hätte<br />

sich wahrlich jeder über seine Sünde zu beklagen!« (Klagelieder<br />

3,38-39).<br />

Wenn Gott die Welt erschüttern will, so tut<br />

Er es auf eine Weise, dass alle Menschen es merken<br />

müssen, dass sie keine Macht haben. Damit<br />

spricht unser gnädiger Gott deutlich zu der ganzen<br />

Welt.<br />

<strong>Die</strong>se weltweite Pandemie weist aber auch darauf<br />

hin, dass es eine Pandemie gibt, die gefährlicher,<br />

zerstörerischer und weitreichender ist als jede<br />

andere – es ist die globale Pandemie der Sünde. <strong>Die</strong><br />

Sünde ist die ultimative Krankheit. Jeder Mensch<br />

ist von Geburt an von ihr befallen, und sie fordert<br />

unweigerlich den Tod. Doch die frohe Botschaft<br />

ist, dass es Heilung durch das Erlösungswerk Jesu<br />

Christi gibt. Jeremia rief das Volk Israel auf: »Lasst<br />

uns unsere Wege prüfen und erforschen und umkehren<br />

zum HERRN! Lasst uns unsere Herzen samt den Händen<br />

zu Gott im Himmel erheben!« (Klagelieder 3,40-41).<br />

Und es ist unser Auftrag, wenn wir treue Christen<br />

sind, die Menschen in dieser Welt zur Buße<br />

aufzurufen. <strong>Die</strong>se Situation, die unser Herr hervorgerufen<br />

hat, ist gewiss eine wunderbare Gelegenheit,<br />

Barmherzigkeit zu üben und die rettende<br />

Botschaft von Jesus Christus zu bezeugen! <strong>Die</strong>se<br />

Gelegenheit nutzen die Missionare Omar und<br />

Sarah, die mehrere Jahre in Tadschikistan, dann<br />

6 Jahre lang in Afghanistan gedient haben und<br />

jetzt in Kasachstan leben. Durch die treue Verkündigung<br />

<strong>des</strong> Wortes Gottes kamen Menschen<br />

zum wahren Glauben an Jesus Christus. In diesen<br />

Ländern entstanden kleine Hausgemeinden<br />

und Gruppen von Christen, die zuvor Moslems<br />

waren. Seit Jahrzehnten ist das Land Afghanistan<br />

von Krieg und Armut gezeichnet; aber auch<br />

in Tadschikistan und Kasachstan sind die meisten<br />

Menschen arm. Und nun wurden auch dort Ausgangssperren<br />

verhängt. Viele Menschen in diesen<br />

asiatischen Ländern bestreiten den Lebensunterhalt<br />

ihrer Familie als Tagelöhner und bekommen<br />

jetzt keine Arbeit. Ihre Familien müssen hungern.<br />

<strong>Die</strong>se Situation zwingt die Menschen dazu, sich<br />

ausschließlich ums Überleben der eigenen Familie<br />

zu kümmern. <strong>Die</strong> Bedrohung durch Viren macht<br />

ihnen keine Angst mehr – Krieg und Hunger sind<br />

schlimmer. <strong>Die</strong> Zahl der Obdachlosen hat in den<br />

letzten Wochen deutlich zugenommen.<br />

<strong>Die</strong> ersten Christen in Jerusalem waren ein starkes<br />

Zeugnis für die ungläubigen Juden und Heiden,<br />

weil sie ihren Glauben an den auferstandenen<br />

Christus und ihre Liebe zu den Gläubigen in<br />

der Tat bewiesen haben (Apg. 4,32-33). Jesus sagte<br />

Seinen Jüngern, dass ihre Liebe zueinander ihr<br />

Erkennungsmerkmal als Nachfolger Christi vor<br />

den Menschen sei. <strong>Die</strong> liebevolle Fürsorge für die<br />

Gläubigen war auch jetzt das erste Anliegen der<br />

Missionare.<br />

WER SEINEN<br />

BRUDER NOT LEIDEN SIEHT …<br />

Wie gehen unsere Geschwister in Asien mit den<br />

jetzigen Problemen um?<br />

<strong>Die</strong> Gläubigen in Asien sind größtenteils<br />

arm. Sie wissen nicht, wie sie ihre Familien in<br />

der nächsten Zeit durchbringen sollen. Doch der<br />

Herr sorgt für Sein Volk. Omar und Sarah fragten<br />

sich: Was können die Gläubigen füreinander<br />

tun? Manche unter ihnen haben etwas Geld oder<br />

Nahrung, andere haben nichts. Omar sprach mit<br />

allen Brüdern jeder Gemeinde über den Auftrag,<br />

14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


als Christen füreinander zu sorgen. »Wer aber die<br />

Güter dieser Welt hat und seinen Bruder Not leiden sieht<br />

und sein Herz vor ihm verschließt – wie bleibt die Liebe<br />

Gottes in ihm?« (1.Joh. 3,17). Sie besprachen untereinander,<br />

was sie tun konnten, damit jede Familie<br />

aus den Hausgemeinden genug zum Leben hat.<br />

<strong>Die</strong> Geschwister einzelner Gemeinden legten ihr<br />

Geld zusammen, kauften Grundnahrungsmittel<br />

und verteilten sie. Niemand wird vergessen. Ist<br />

das nicht die sichtbare Frucht <strong>des</strong> Wirkens Gottes<br />

in ihnen?! Jesus Christus hat die Fülle Seiner<br />

Gnade über sie ausgegossen, die sie dazu bringt,<br />

dieses Opfer gern zu geben und den Geschwistern<br />

dadurch zu dienen.<br />

EIN KLARES ZEUGNIS,<br />

DASS JESUS LEBT<br />

Doch dann warfen sie auch einen Blick nach draußen.<br />

Sie sahen Nachbarn, die Not litten; sie sahen<br />

Kinder, die nicht genug zu essen hatten. Omar<br />

machte die Gläubigen auf eine neue Möglichkeit<br />

aufmerksam, die Welt auf ihre tödliche Krankheit<br />

der Sünde und auf den Arzt und das Heilmittel Jesus<br />

Christus hinzuweisen.<br />

So begannen sie, wo es ihnen möglich war, ihren<br />

muslimischen oder atheistischen Nachbarn<br />

Brot und andere Lebensmittel zu geben. <strong>Die</strong> Leute<br />

um sie herum beobachteten es und erkannten<br />

plötzlich die Andersartigkeit dieser Menschen.<br />

Das verwirrte sie.<br />

Feindlich gesinnte Leute erfuhren <strong>Die</strong>nste der<br />

Barmherzigkeit. »Warum tut ihr das?«, fragten<br />

sie überrascht. Sonst hatten sie selbst stets nur<br />

Verachtung für ihre christlichen Nachbarn übrig;<br />

doch jetzt waren sie bereit, zu hören, wer Jesus<br />

Christus ist. Wer ist Der, der das Leben dieser<br />

Menschen verändert hat und sie zu dieser Liebe<br />

befähigt? Denn obwohl sie verhältnismäßig wenig<br />

haben, halten sie nicht an ihrem Besitz fest.<br />

Sie haben ihren Glauben in der Tat bewiesen, indem<br />

sie trotz ihres geringen Vermögens ihre Hände<br />

öffneten und andern halfen.<br />

Wenn wir Christen von der Hoffnung auf das<br />

Erbe in der jenseitigen Welt geprägt sind, bedeutet<br />

uns der Besitz, den wir hier unser Eigen nennen,<br />

soviel wie nichts. Dann fällt es uns nicht schwer,<br />

uns davon zu trennen und dort zu helfen, wo wir<br />

Not sehen.<br />

Was beispielsweise unsere gläubigen Geschwister<br />

in Afghanistan zuvor in Lebensgefahr brachte und<br />

<strong>des</strong>halb kaum möglich war, ist durch die Hilfe, die<br />

sie anderen entgegenbringen, leichter geworden:<br />

Jesus Christus zu bezeugen. Natürlich bringt es<br />

sie immer noch in Gefahr, weil sie sich nicht auf<br />

die Dankbarkeit der Menschen verlassen können;<br />

allerdings hat der Herr den Gläubigen durch diese<br />

Situation mehr Freimütigkeit geschenkt. Und zeigt<br />

Er nicht Seine Liebe und Gnade gegenüber den<br />

Verlorenen darin, dass Er sie an den Punkt bringt,<br />

an dem sie bereit sind, Sein Wort zu hören?!<br />

Zweifellos ist Gott im Regiment! Er führt Schwierigkeiten<br />

herbei, die uns Menschen erschrecken,<br />

um Seine Macht und Gnade zu erweisen. Der Herr<br />

ruft durch solche Situationen Sünder zur Buße.<br />

Doch wie reagieren wir als erlöste Kinder Gottes<br />

darauf? Sieht die Welt unsere Liebe und ein<br />

stilles Vertrauen in unseren Taten und Worten?<br />

Können wir Gutes und Böses aus Gottes Hand<br />

nehmen? Oder sind wir so verwirrt wie die Welt<br />

und laufen ruhelos umher, von allen möglichen<br />

Verschwörungstheorien getrieben? Sind nicht wir<br />

als Christen gerade zur Nüchternheit und Besonnenheit<br />

aufgerufen (Tit. 2)? Was können wir gerade<br />

jetzt tun? Ein bekanntes Lied* ruft uns auf:<br />

Volk Gottes, komm, zieh deine Rüstung an,<br />

Hör den Ruf und folge Christus!<br />

Vertraue Ihm, denn Er geht dir voran,<br />

Um dem Schwachen <strong>Kraft</strong> zu geben.<br />

Trag Gottes Wort als Schild vor dir,<br />

So hältst du Satans Lügen stand,<br />

Und ziehe los mit Liebe in den Kampf,<br />

Geh hinaus zu den Verlornen.<br />

DER CHRIST IST<br />

NIEMALS ISOLIERT<br />

Der Lockdown gibt den asiatischen Christen –<br />

ebenso wie uns in Europa – mehr Zeit, beständig in<br />

der Lehre zu bleiben. Jetzt, wo sie weniger soziale<br />

Kontakte haben, nutzen die meisten Geschwister<br />

dort die Zeit, um in Gottes Wort zu forschen, und<br />

sie ermutigen sich auch gegenseitig darin.<br />

Ein Bruder sagte: »Ein lebendiger Christ ist nie<br />

isoliert. Er wird immer Wege finden, um geistlich zu<br />

wachsen. Das Wort Gottes kann man nicht binden.«<br />

* <strong>Die</strong>ses Lied kann unter www.voh-shop.de als Chorpartitur bestellt werden.<br />

voiceofhope.de | 15


Eine christliche<br />

SIERRA LEONE<br />

In einem Land wie Sierra Leone, das zu<br />

den 10 ärmsten Ländern der Welt zählt,<br />

hat die große Mehrheit der Bevölkerung<br />

gerade einmal so viel Geld, wie es unbedingt<br />

nötig ist, um wenigstens die Familie durchzubringen<br />

– wenn nicht sogar noch weniger.<br />

<strong>Die</strong> tägliche Herausforderung für Isaac, ein<br />

junger Vater aus dem Stammesfürstentum<br />

Bagbo, ist es, dafür zu sorgen, dass seine Familie<br />

heute genug zu essen hat. Es wäre tragisch,<br />

wenn Isaac oder generell ein Familienvater<br />

aus dem Leben schiede, ohne seine<br />

Familie versorgt zu wissen. Aktuell ist die<br />

Lage sogar noch schlimmer, sodass auch die<br />

Kinder oder Teenager arbeiten gehen müssen,<br />

damit die Familie durchkommt. Und<br />

hat ein 12-jähriger Junge einmal zu arbeiten<br />

begonnen, wird er als vollwertige Arbeitskraft<br />

anerkannt und geht vermutlich<br />

nie wieder zum Lernen in die Schule. <strong>Die</strong>se<br />

Jungen müssen jetzt schon kämpfen und<br />

tragen die schwere Last der Verantwortung,<br />

für die sie noch längst nicht vorbereitet sind.<br />

Zudem nimmt sie ihnen die Chance auf eine<br />

gute Schulbildung.<br />

Doch da gibt es noch eine Sorge, die weit<br />

größer ist, als dass Familienväter wie Isaac<br />

manchmal nicht in der Lage sind, ihre Familie<br />

ausreichend zu versorgen – eine Sorge,<br />

die uns als Gemeinde seit geraumer Zeit<br />

bewegt. Es ist die Tatsache, dass sie Jesus<br />

Christus, das Brot <strong>des</strong> Lebens, nicht kennen<br />

und ihren Kindern dieses Brot nicht geben<br />

können. Denn was bringt es, dass die Familie<br />

genug zu essen hat, um zu überleben, wenn<br />

sie dann am Ende ihres Lebens den ewigen<br />

Tod sterben und ewige Qual sehen wird,<br />

weil sie das Brot <strong>des</strong> Lebens nicht kannte?!<br />

»Denn was hilft es einem Menschen, wenn er die<br />

ganze Welt gewinnt, aber sich selbst verliert oder<br />

schädigt?« (Lk. 9,25). Kann der Herr uns dazu<br />

gebrauchen, dass diese Menschen von Jesus<br />

Christus hören?<br />

<strong>Die</strong>se Sorge haben wir auch um die Kinder in<br />

unserer Umgebung, die hier im Wohlstand<br />

leben. Was bringt es ihnen, dass sie dieses<br />

kurze Leben im Überfluss verbringen, aber<br />

danach ewige Schmach und Schande erleiden<br />

müssen?! In der Regel sorgen die Eltern in<br />

unserer Umgebung gut für ihre Kinder – für<br />

ihr körperliches Wohlbefinden, für ihre Bildung,<br />

für ihr soziales Umfeld; sie vermitteln<br />

ihnen Liebe und Wärme und haben ihnen<br />

vieles zu bieten. Aber viele von ihnen kennen<br />

Jesus Christus nicht. Ist es da nicht unsere<br />

heilige Pflicht und ein großes Vorrecht, ihnen<br />

vom Brot <strong>des</strong> Lebens, vom wertvollsten<br />

Schatz, der »kostbarsten Perle« zu erzählen<br />

– von Dem, der sie erschaffen hat und in der<br />

Position steht, Maßstäbe für ihr Leben zu<br />

setzen und Forderungen an sie zu stellen?!<br />

Kann der Herr uns dazu gebrauchen, dass<br />

diese Kinder von Jesus Christus hören, und<br />

dass ihre Seele zum Leben erweckt wird?<br />

16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Schule für<br />

»Jesus sprach: Lasst die Kinder und wehrt ihnen nicht,<br />

zu Mir zu kommen; denn solcher ist das Reich der Himmel!«<br />

Matthäus 19,14


EINE SCHULE IN BAGBO<br />

Es ist natürlich auch unsere Aufgabe, leibliche Not<br />

zu stillen, wenn wir jemanden sehen, der Hunger<br />

leidet oder Kleidung braucht; aber für uns Christen<br />

kann das nicht alles gewesen sein. Uns wurde<br />

die biblische Wahrheit gepredigt; durch die Gnade<br />

Gottes wurden wir errettet – das können wir ihnen<br />

nicht vorenthalten.<br />

Neben der Kirche, die in Bagbo errichtet werden<br />

durfte, wurde mit dem Bau einer Schule begonnen.<br />

Warum ausgerechnet einer Schule? Was<br />

ist der Sinn davon?<br />

In diesem Dorf gibt es keine Schule, und die Kinder<br />

müssen min<strong>des</strong>tens fünf Kilometer laufen,<br />

um in einem der Nachbardörfer in eine islamische<br />

Schule zu gehen – eine andere Möglichkeit haben<br />

sie nicht.<br />

Einerseits gibt es dort Kinder, die nicht zur<br />

Schule gehen können, weil die Eltern die Mittel<br />

zum Erwerb von Schuluniform und Schulmaterial<br />

nicht aufbringen können. Andererseits gibt<br />

es dort ältere Kinder oder junge Jugendliche, die<br />

während der regulären Schulzeit arbeiten gehen<br />

müssen und somit gar keine Bildung bekommen.<br />

Es lässt sich nicht leugnen – Kinder haben einen<br />

angeborenen Wissensdurst. Und sie brauchen<br />

Bildung. Eltern können diese natürliche Wissbegierde<br />

entweder fördern oder unterdrücken. Wir<br />

möchten aber nicht nur ihre Grundbildung fördern,<br />

sondern dafür sorgen, dass ihre Bildung auf<br />

einem christlichen Verständnis basiert.<br />

<strong>Die</strong>se Schule soll also ein Ort sein,<br />

… an dem besonders arme Kinder die Grundrechenarten,<br />

das Lesen und Schreiben sowie die<br />

wichtigsten Umgangsformen lernen können;<br />

… wo sie evangelistischen Bibelunterricht erhalten,<br />

von der Schöpfung und vom Sündenfall<br />

hören sowie von Gottes wunderbarem Plan,<br />

Sünder durch Jesus Christus zu retten;<br />

… wo Kinder lernen, Gottes Wort zu lesen, und<br />

wo sie lernen, christliche Lieder zu singen;<br />

… wo sie in der Lehrkraft ein lebendiges Vorbild,<br />

einen Nachfolger Jesu Christi sehen können.<br />

Möge der Herr diesen Ort und unseren <strong>Die</strong>nst<br />

dazu gebrauchen, Seelen zum Leben zu erwecken!<br />

Das ist unser Gebet.<br />

Wir sind dem Herrn dankbar, dass ein Drittel für<br />

den Bau der Schule bereits gespendet wurde, sodass<br />

der Rohbau schon fast fertig ist. Das Besondere<br />

ist, dass ein großer Teil der Dorfbewohner<br />

– Jung und Alt – zur Baustelle kommen, um mitzuhelfen.<br />

Am meisten freuen sich die Kinder, die<br />

noch nie zur Schule gehen durften, dass es für sie<br />

endlich bald möglich sein wird.<br />

Einige Christen haben schon einen Teil der benötigten<br />

Tische und Stühle gespendet, und es werden<br />

momentan Bibeln in Englisch und Arabisch<br />

vorbereitet und ein alter Kleinbus bereitgestellt.<br />

Das alles und noch mehr, möchten wir per Container<br />

nach Sierra Leone transportieren.<br />

Freiwillige Brüder und Jugendgruppen haben<br />

sich schon gemeldet und gesagt, dass sie gern mit<br />

nach Sierra Leone fahren würden, um zu helfen.<br />

Liebe Freunde, bitte beten Sie für dieses Projekt,<br />

weil wir wissen, dass wir von uns aus diese große<br />

Aufgabe nicht bewältigen können! Geld und fleißige<br />

Helfer sind notwendig; aber sie allein können<br />

den Menschen dort nicht helfen – nur Gott kann<br />

ihre Herzen durch Sein Wort und Seinen Geist<br />

verändern. Wir wissen, dass das Kommen unseres<br />

Herrn bevorsteht, und auf der anderen Seite<br />

sehen wir Menschen, die ohne einen Retter in die<br />

Hölle fahren. Deshalb lasst uns gemeinsam weiterarbeiten,<br />

beten und predigen!<br />

18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Was ist<br />

Rechtfertigung?<br />

(Römer 3,21-31)<br />

Ein Auszug aus dem auslegenden Kommentar<br />

zum Römerbrief von R.C. Sproul<br />

Im dritten Kapitel <strong>des</strong> Römerbriefs zeigt Paulus,<br />

dass sowohl Juden als auch Heiden unter<br />

dem Gericht Gottes stehen. Er erklärt, dass<br />

es keinen Gerechten gibt, auch nicht einen. Und<br />

dann kommt er zu der Schlussfolgerung, dass<br />

alle gesündigt haben und der Herrlichkeit Gottes<br />

nicht gerecht geworden sind. Das Ziel der ersten<br />

drei Kapitel ist es, jeden Menschen vor das Gericht<br />

Gottes zu stellen und zu zeigen, dass jeder Mensch,<br />

wenn er nach seinen Werken gerichtet wird, weit<br />

hinter dem zurückbleibt, was Gott verlangt.<br />

Im Römerbrief Kapitel 3,21-31 beschreibt Paulus,<br />

wie Gott das Dilemma zwischen unserer Ungerechtigkeit<br />

und Gottes vollkommener Gerechtigkeit<br />

löst.<br />

Jetzt aber ist außerhalb <strong>des</strong> Gesetzes die<br />

Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht worden,<br />

die von dem Gesetz und den Propheten<br />

bezeugt wird (V.21).<br />

Wegen <strong>des</strong> Begriffs jetzt in diesem Text haben<br />

einige den Schluss gezogen, dass die Menschen<br />

<strong>des</strong> Alten Testaments das Dilemma der Rechtfer-<br />

voiceofhope.de | 19


tigung nicht lösen konnten, und dass erst jetzt, in<br />

der neutestamentlichen Epoche, die Gerechtigkeit<br />

durch den Glauben verfügbar sei. Doch das ist<br />

nicht das, was der Apostel hier sagen will. Er sagt,<br />

dass die Gerechtigkeit Gottes offenbart wurde, d. h.<br />

deutlich wurde. Sie ist das, was Abraham suchte,<br />

aber nur in vager Form empfing. Er konnte sie<br />

von weitem sehen, doch sie blieb verschleiert und<br />

vage, wahrnehmbar nur durch Verheißungen, die<br />

sich auf die Zukunft bezogen. Nun wurde diese<br />

Verheißung erfüllt, denn das Sühneopfer Jesu<br />

Christi wurde dargebracht.<br />

<strong>Die</strong> von den Propheten bezeugt wird. Es ist<br />

keine brandneue, im Alten Testament völlig unbekannte<br />

Botschaft. <strong>Die</strong> Lehre, die nun im Werk<br />

Christi kristallklar wird, ist dieselbe, die Gott Abraham,<br />

Mose, David, Jeremia und Jesaja verkündigte:<br />

Der Gerechte soll durch den Glauben leben.<br />

<strong>Die</strong> Rechtfertigung geschieht allein aus Glauben.<br />

<strong>Die</strong>s war das Leitprinzip, das Martin Luther im 16.<br />

Jahrhundert aussprach, und es wurde zum Eckstein<br />

protestantischer Theologie.<br />

Nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den<br />

Glauben an Jesus Christus, die zu allen und auf<br />

alle [kommt], die glauben (V.22). Hier kommt<br />

Paulus zum Kern seiner Botschaft, zum Herzen<br />

seines Themas.<br />

An dieser Stelle ist es notwendig, einige Begriffe<br />

zu erklären. Das Motto der Reformation ist<br />

<strong>Die</strong> Rechtfertigung durch den Glauben allein. Das Wort<br />

»durch« bezieht sich auf die Mittel, durch die etwas<br />

vollendet wird, das Werkzeug, das uns mit<br />

Christus verbindet. Manche denken, dass bereits<br />

der Glaube an sich (im Gegensatz zu den Werken<br />

<strong>des</strong> Gesetzes) derart verdienstvoll sei, dass er uns<br />

einen Platz im Reich Gottes einbringe. Vielmehr<br />

ist der Glaube das Mittel, das uns an Christus<br />

bindet.<br />

Möglicherweise ist es präziser, die Lehre der<br />

Rechtfertigung durch den Glauben allein so zu<br />

formulieren: <strong>Die</strong> Rechtfertigung ist in Christus<br />

allein zu finden. Seine Gerechtigkeit rechtfertigt<br />

uns. Seine Verdienste sind es, die uns einen Platz<br />

im Reich Gottes bereiten. Der Glaube verbindet<br />

uns mit Ihm, so dass wir in Gottes Augen an Seiner<br />

Gerechtigkeit teilhaben. <strong>Die</strong>se Gerechtigkeit<br />

wird jeder Person geschenkt, die auf Christus vertraut.<br />

WAS IST RECHTFERTIGENDER GLAUBE?<br />

Als Luther dieses Konzept im 16. Jahrhundert verkündigte,<br />

provozierte dies ein Widerspruchsgeschrei,<br />

das die damalige christliche Kirche spaltete.<br />

Viele befürchteten, dass Luther den Gedanken<br />

lehre, dass jeder nur einen lässigen, unbekümmerten<br />

Glauben an Jesus haben müsse und dann<br />

jede Art von Gottlosigkeit ausleben könne, wie es<br />

ihm gefällt. Solch eine Lehre würde ernsten Bemühungen<br />

von Christen um ein gottseliges Leben<br />

den Boden entziehen. Somit war Luther gezwungen,<br />

die Frage zu stellen: »Was ist rettender Glaube?«<br />

Er beschrieb den rettenden Glauben als fi<strong>des</strong><br />

viva, einen lebendigen und fruchtbaren Glauben –<br />

einen Glauben, <strong>des</strong>sen Herz für Gott schlägt.<br />

Manche Menschen denken, dass Protestanten<br />

für ihre Erlösung auf Christus allein vertrauen,<br />

während Katholiken vollständig auf sich und<br />

ihre guten Werke vertrauten. Das ist einfach nicht<br />

wahr. <strong>Die</strong> römisch-katholische Kirche hat noch<br />

nie gelehrt, dass Menschen aufgrund ihrer guten<br />

Werke, ohne die erlösende Tat Christi gerechtfertigt<br />

würden. Doch was Rom ablehnt, ist das Konzept<br />

<strong>des</strong> Glaubens »allein«.<br />

Ich will die Unterschiede umreißen. Es beginnt<br />

im Verständnis <strong>des</strong> ersten Schrittes der Rechtfertigung.<br />

Der Protestantismus lehrt, dass das<br />

Werkzeug, wodurch wir in eine gerechtfertigte<br />

Beziehung mit Jesus Christus gebracht werden,<br />

der Glaube ist.<br />

Rom betrachtet das Problem der Rechtfertigung<br />

auf zweierlei Weise: Zunächst findet die<br />

Rechtfertigung durch die Taufe statt, wenn die<br />

Gnade der Rechtfertigung der Seele <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

eingeflößt wird. Das Kind wird daraufhin so<br />

lange im Zustand der Gnade bleiben, wie es sich<br />

von Todsünden rein hält, also von Sünden, die so<br />

schwer wiegen, dass sie die Fähigkeit besitzen,<br />

die Gnade der Rechtfertigung zu zerstören. Wenn<br />

eine Person eine Todsünde begeht, gibt es jedoch<br />

einen zweiten Weg zur Rechtfertigung. Das Vatikanische<br />

Konzil von Trient im 16. Jahrhundert<br />

beschreibt das Sakrament der Buße als den zwei-<br />

20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


ten Weg der Rechtfertigung für diejenigen, die in<br />

ihren Seelen Schiffbruch erlitten. In diesem Sakrament<br />

der Buße gibt es unterschiedliche Teilaspekte.<br />

Zunächst muss eine bußfertige Person ihre<br />

Sünden einem Priester bekennen. Dann spricht<br />

der Priester die Absolution aus. Doch das Problem<br />

im 16. Jahrhundert war nicht das Sündenbekenntnis<br />

oder die priesterliche Absolution.<br />

Das echte Problem lag im nächsten Schritt der<br />

Rechtfertigung, der nämlich lehrte, dass in der<br />

Buße der bußfertige Sünder verpflichtet werde,<br />

Werke der Satisfaktion bzw. Genugtuung zu verrichten.<br />

<strong>Die</strong>se Werke wurden von der römisch-katholischen<br />

Kirche so verstanden, dass sie dem<br />

bußfertigen Sünder als eine Art angemessene Verdienste<br />

angerechnet würden – Verdienste, die vor<br />

Gott geeignet und angemessen seien, um diese Person<br />

erneut zu rechtfertigen. <strong>Die</strong> römisch-katholische<br />

Sicht lässt sich fairerweise so zusammenfassen:<br />

Rechtfertigung ereigne sich als ein Ergebnis<br />

einer Kombination aus Glauben und Werken.<br />

Der Protestantismus sagt, dass wir dem Verdienst<br />

Christi nichts hinzufügen können. Er bleibt<br />

die einzige Quelle für unsere Rechtfertigung. Jedoch<br />

glaubt der Protestantismus, dass der echte<br />

Gläubige eine Lebensänderung zeigen und Werke<br />

erbringen wird, die der Buße würdig sind: Werke<br />

<strong>des</strong> Gehorsams. Doch diese Werke <strong>des</strong> Gehorsams<br />

sind nicht die Grundlage seiner Errettung. Für<br />

Rom ist Glaube plus Werke gleich Rechtfertigung.<br />

Für den Protestantismus ist Glaube gleich Rechtfertigung;<br />

doch dieser Glaube bringt gute Werke<br />

hervor.<br />

Warum muss die Rechtfertigung auf Glauben<br />

allein beruhen? Warum können nicht unsere<br />

Werke als Grundlage dienen? Im zwanzigsten<br />

Vers hat Paulus jede Möglichkeit ausgeschlossen,<br />

dass wir durch Gesetzeswerke gerechtfertigt werden<br />

könnten. Unsere Rechtfertigung geschieht<br />

durch den Glauben an Jesus Christus. Warum?<br />

Denn alle haben gesündigt und verfehlen die<br />

Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten<br />

(V.23). Paulus wendet sich wieder dem Thema zu,<br />

das er bisher in diesem Brief untersucht hat: Alle<br />

Menschen sind vor Gottes Richterstuhl schuldig.<br />

Wir können uns für gerechter als andere Menschen<br />

halten, doch gemessen an Gottes absolutem<br />

Maßstab versagen wir abgrundtief und elendig.<br />

Paulus führt weiter aus: So dass sie ohne Verdienst<br />

gerechtfertigt werden durch Seine Gnade<br />

aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus<br />

ist (V.24). Hier verwendet er die Formulierung<br />

»ohne Verdienst«, um den Begriff gerechtfertigt näher<br />

zu bezeichnen. Rechtfertigung ist etwas, das<br />

Gott als Geschenk austeilt. Ein Geschenk kann<br />

niemals als Verpflichtung aufgedrängt werden;<br />

und es kann nicht erworben oder verdient werden.<br />

Er betont dies, indem er ferner ausführt, dass<br />

wir ohne Verdienst »durch Seine Gnade« gerechtfertigt<br />

werden. Es geht also um die Kernfrage: Verdienst<br />

oder Gnade?<br />

Was ist Erlösung? Im Neuen Testament bezeichnet<br />

das Nomen »Erlösung« oder das Verb<br />

»erlösen« vor allem die Zahlung von Lösegeld, um<br />

etwas bzw. jemanden freizukaufen, der gefesselt<br />

oder gefangengehalten wird. Seine ursprüngliche<br />

Bedeutung ist der Rückkauf aus der Sklaverei,<br />

aus Schulden oder aus Gefangenschaft. Genauso<br />

schildert das Neue Testament das Werk Jesu zu<br />

unseren Gunsten. Jesus ist unser Erlöser. Er zahlte<br />

das Lösegeld für unsere Seelen.<br />

Wir müssen hier sorgsam vorgehen, denn es<br />

gibt die unterschiedlichsten Theorien darüber,<br />

was Jesus tat. Eine davon, die in der Kirchengeschichte<br />

sehr berühmt war, lautet, dass Jesus ein<br />

Lösegeld an den Satan zahlte, um uns aus Satans<br />

Besitz zurückzukaufen. Doch dies ist ein völlig<br />

unbiblisches Konzept. Das Lösegeld wurde nicht<br />

an den Satan gezahlt. Es wurde an Gott gezahlt,<br />

denn bei Ihm stehen wir in der Schuld.<br />

Es geht auch um die Frage: Wer wird den Preis<br />

zahlen, den Gott von uns fordert? Rechtfertigung<br />

bedeutet, dass wir durch den Glauben allein ohne<br />

Verdienst gerechtfertigt werden, durch die unverdiente<br />

Gunst Gottes, die die Erlösung in Christus<br />

Jesus bewirkt. Manche Menschen widersprechen<br />

dem, weil es für sie nach einem Drama innerhalb<br />

der Gottheit klingt: Gott der Vater hat das Ziel, uns<br />

zu vernichten, doch Gott der Sohn beruhigt Seinen<br />

Zorn, indem Er uns die Erlösung bringt. Doch<br />

dies würde uns natürlich in gefährliche Nähe zu<br />

einer Lästerung der Gerechtigkeit Gottes führen.<br />

Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das<br />

wirksam wird] durch den Glauben an Sein Blut<br />

(V. 25). Es ist Gott der Vater, der den Sohn in die<br />

Welt gesandt hat. Gott der Vater ist es, der uns<br />

ohne Verdienst in Seiner Gnade durch das Verdienst<br />

Jesu Christi rechtfertigt. Es ist Gott, der<br />

Seinen eingeborenen Sohn in die Welt sendet. Somit<br />

gibt es innerhalb der Gottheit eine Überein-<br />

voiceofhope.de | 21


kunft. Gott Selbst initiiert und startet den großen<br />

Plan der Erlösung, durch welchen Er einen Weg<br />

offenbart, der den Ansprüchen Seiner eigenen<br />

Gerechtigkeit gerecht wird.<br />

Damit kompromittiert Gott sich nicht Selbst<br />

oder nimmt die Vergehen gegen Seine Heiligkeit<br />

auf die leichte Schulter. Gott handelt gemäß Seiner<br />

eigenen Gerechtigkeit, wenn Er den Preis der<br />

Sünde von Seinem eingeborenen Sohn fordert.<br />

Gottes Absicht, als Er Jesus in die Welt sandte,<br />

war, Seinen eigenen Zorn zu stillen. Jesu Opfer<br />

wurde gebracht, um alle Forderungen Gottes zu<br />

erfüllen, die Gott als Strafen für begangene Sünde<br />

erhebt. Gott wird schuldige Menschen niemals<br />

einfach für unschuldig erklären. Das Sühnopfer<br />

bezahlt die Strafe für den, der für schuldig befunden<br />

wurde. Der Sünder wird weder reingewaschen<br />

noch entlastet, sondern für schuldig erklärt.<br />

Er wird nicht zum Zeitpunkt seiner Verurteilung<br />

erlöst, sondern zum Zeitpunkt, als über Jesus der<br />

Strafvollzug erging.<br />

Als Luther im 16. Jahrhundert die Lehre der<br />

Rechtfertigung definierte, verwendete er die lateinische<br />

Formulierung simul justus et peccator, »gleichzeitig<br />

Gerechter und Sünder«. Das trifft den Kern<br />

der Rechtfertigung durch Glauben allein. Aus mir<br />

selbst heraus bin ich ein Sünder. Empfange ich die<br />

Segnungen der Versöhnung in Christus, werde ich<br />

vor Gottes Augen gerecht. Durch den Wert Christi<br />

bin ich gerecht, durch den Wert meiner Leistung<br />

bin ich ein Sünder.<br />

Durch den Glauben an Sein Blut. Wenn die<br />

Bibel vom Blut Jesu spricht, schreiben manche<br />

Leute dem, was durch die Venen Jesu von Nazareth<br />

floss, einen nahezu mystischen Charakter zu.<br />

Ein Priester der Episkopalkirche besprach einst<br />

diese Frage mit mir. Er sagte: »R.C., wenn Jesus<br />

Seinen Finger an einem Nagel aufgeritzt hätte,<br />

hätte dies schon die Sühne bewirken können?«<br />

Er wollte keine Blasphemie aussprechen, sondern<br />

meinte es als eine ernste theologische Frage. Was<br />

dahinter steht, ist Folgen<strong>des</strong>: Wenn Jesus sich in<br />

den Finger geschnitten und dadurch Blut verloren<br />

hätte, wäre dies nicht schon genug gewesen, wenn<br />

die Errettung durch das Blut Christi kommt?<br />

Nein. Jesus musste nicht einfach nur bluten, Er<br />

musste sterben; denn die von Gott vorgesehene<br />

Strafe für die Sünde ist der Tod. Wenn die Bibel<br />

also vom »Glauben an Sein Blut« spricht, meint<br />

sie vor allem den Glauben an Seinen Tod.<br />

Um Seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil Er<br />

die Sünden ungestraft ließ, die zuvor geschehen<br />

waren, als Gott Zurückhaltung übte. Gottes<br />

Zurückhaltung liegt in Seiner Langmut, nicht<br />

etwa in irgendwelcher Gleichgültigkeit Seinerseits.<br />

Manchmal wundern wir uns, warum Gott<br />

Sünde nicht sofort bestraft. Gott ignoriert unsere<br />

Sünden nicht, sondern Er ist langmütig, damit<br />

wir uns der Gerechtigkeit Jesu Christi zuwenden<br />

mögen.<br />

… um Seine Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit<br />

zu erweisen. Das Kreuz Jesu Christi erlöst uns<br />

nicht nur, sondern es rechtfertigt Gott. Es macht<br />

ganz deutlich, dass Gott Sünde sehr ernst nimmt.<br />

Wie oft hört man Leute sagen: Der Gott <strong>des</strong> Alten<br />

Testaments ist ein Gott <strong>des</strong> Zorns; der Gott <strong>des</strong><br />

Neuen Testaments aber ist ein Gott der Gnade,<br />

Güte und Liebe.<br />

Wo finden wir in der Schrift den tiefsten Ausdruck<br />

der Liebe Gottes? Am Kreuz. Wo finden wir<br />

die schrecklichste Offenbarung <strong>des</strong> Zornes Gottes?<br />

Ebenfalls am Kreuz! Derselbe Akt zeigt Gott<br />

als Richter für die Sünde und doch gleichzeitig als<br />

einen liebenden und gnädigen Gott.<br />

Gott tat dies, um Seine Gerechtigkeit zu erweisen,<br />

damit Er Selbst gerecht sei und zugleich<br />

den rechtfertige, der aus dem Glauben an Jesus<br />

ist (V.26). Wenn Gott mich schont und mir<br />

Sein Reich und den Zutritt zum Himmel schenkt,<br />

verrät Er dabei nicht Seine eigene Integrität. Seine<br />

Gerechtigkeit wird dabei gewahrt und aufrechterhalten.<br />

Paulus fragt in Vers 27: Wo bleibt nun das<br />

Rühmen? Es ist fast so, als blicke er durch einen<br />

leeren Raum und sage irritiert und verwundert:<br />

»Wo gibt es denn nun etwas zum Rühmen? Wo ist<br />

es? Ich kann es nicht finden.« Seine eigene Antwort<br />

ist: Es ist ausgeschlossen. Warum? Er stellt<br />

die nächste Frage: Durch welches Gesetz? Das<br />

der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz <strong>des</strong><br />

Glaubens!<br />

Paulus sagt, dass die Lehre <strong>des</strong> Heils, die uns<br />

aus Gnade durch das Werk Christi zuteil wird,<br />

Rühmen für unser Christenleben ausschließt.<br />

Wenn unsere Rechtfertigung nur teilweise auf unseren<br />

guten Werken gründen würde, dann könnten<br />

wir uns derselben rühmen. Doch das Konzept<br />

der Rechtfertigung durch den Glauben allein lässt<br />

die Stimme menschlicher Arroganz und menschlichen<br />

Stolzes verstummen.<br />

22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


So kommen wir nun zu dem Schluss, dass<br />

der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt<br />

wird, ohne Werke <strong>des</strong> Gesetzes (V. 28). <strong>Die</strong>ser<br />

Vers betont deutlicher als jeder andere einzelne<br />

Vers der Bibel die Lehre der Rechtfertigung durch<br />

den Glauben allein. Doch widerspricht dem nicht<br />

Jakobus im zweiten Kapitel seines Briefes, wenn<br />

er sagt: »So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke<br />

gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein«<br />

(Jak. 2,24)? Könnt ihr euch die Verstörung vorstellen,<br />

die dieser Vers den Menschen in der Kirche<br />

für Jahrhunderte bereitet hat?<br />

Manche meinen, dies sei ein klares Beispiel dafür,<br />

dass die Bibel sich selbst widerspreche. Oder<br />

ist es möglich, dass Jakobus etwas anderes meint<br />

als Paulus? <strong>Die</strong> Frage, die Jakobus anspricht, ist<br />

eine ganz andere. Er ringt mit dem Problem: Was<br />

nützt es, wenn ein Mensch sagt, er glaube, wenn<br />

er keine Werke hat? Jakobus hat es mit Leuten zu<br />

tun, die sagen, sie seien gläubig. Jeder kann behaupten,<br />

dass er glaube, meint er hier. Zeige mir<br />

deinen Glauben durch deine Werke. Und dann<br />

fährt er fort und stellt fest, dass Glaube ohne Werke<br />

tot ist. Kann ein solcher Glaube irgendjemanden<br />

retten? Natürlich nicht, und Paulus würde<br />

dem zustimmen. Nur an meinem Verhalten könnt<br />

ihr sehen, dass mein Glaube wirklich echt ist.<br />

Oder ist Gott nur der Gott der Juden und<br />

nicht auch der Heiden? Ja freilich, auch der<br />

Heiden! Denn es ist ja ein und derselbe Gott,<br />

der die Beschnittenen aus Glauben und die Unbeschnittenen<br />

durch den Glauben rechtfertigt<br />

(V.29-30). Das Christentum ist ein Glaube, der alle<br />

nationalen, kulturellen und rassischen Unterschiede<br />

übersteigt. Es ist auch nicht an eine bestimmte<br />

geschichtliche Epoche gebunden. Vielmehr sagt<br />

Paulus, dass es ein universaler Glaube ist. Das mag<br />

uns nicht als besonders tiefgründige Wahrheit erscheinen;<br />

doch für die Ohren eines Juden im ersten<br />

Jahrhundert klang dies schockierend.<br />

Charles Hodge kommentiert die Worte von<br />

Paulus so: »Wir Heiden können nun zum Himmel<br />

aufschauen und zuversichtlich sagen: ›Du bist<br />

unser Vater, auch wenn Abraham nichts von uns<br />

weiß und Israel uns nicht kennt (vgl. Jes. 63,16).‹«<br />

Im 31. Vers beendet Paulus dieses Kapitel mit<br />

einer starken Bestätigung von Gesetz und Glauben:<br />

Heben wir nun das Gesetz auf durch den<br />

Glauben? Das sei ferne! Vielmehr bestätigen<br />

wir das Gesetz. Manche könnten daraus irrtümlich<br />

schließen, dass aufgrund der Offenbarung <strong>des</strong><br />

<strong>Evangeliums</strong> und der paulinischen Entfaltung der<br />

Rechtfertigung durch den Glauben allein das Gesetz<br />

überflüssig geworden sei. Doch das eine ersetzt<br />

nicht das andere, sondern bei<strong>des</strong> wurde von<br />

Gott für bestimmte Zwecke gegeben. Funktionen<br />

<strong>des</strong> Gesetzes, wie sein offenbarender Charakter<br />

und seine moralische Unterweisung, bleiben gültig,<br />

auch wenn seine zeremonielle und theokratische<br />

Rolle erfüllt worden ist. <strong>Die</strong> Tragödie der zeitgenössischen<br />

evangelischen Kirche ist ihr Versäumnis,<br />

das Gesetz Gottes zu kennen und aufzurichten.<br />

RÖMERBRIEF<br />

Kommentar & Auslegung von R.C. Sproul<br />

Erscheint voraussichtlich<br />

Ende <strong>2020</strong><br />

www.voh-shop.de<br />

Bestell-Nr.: 875.258<br />

Der Römerbrief ist einer der bekanntesten Briefe der Bibel und<br />

wahrscheinlich der entscheidendste in der Kirchengeschichte, da<br />

er eine systematische Darstellung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> Jesu Christi<br />

durch den Apostel Paulus enthält. Gott benutzte gerade diesen<br />

Brief, um viele Menschen zur Bekehrung zu führen, die Reformatoren<br />

zu prägen und die Erweckung im 18. Jahrhundert zu bewirken.<br />

Das Leben zahlreicher Christen wurde durch den Römerbrief verändert<br />

– bis zum heutigen Tag. In diesem auslegenden Kommentar<br />

zeigt R.C. Sproul wie in einem Panoramablick die Breite, Höhe<br />

und Tiefe der göttlichen Gnade und liefert gleichzeitig wichtige<br />

Hintergrundinformationen über die Gemeinde in Rom. Anschließend<br />

legt der Autor den Text Vers für Vers aus.<br />

Lassen Sie sich beim Lesen dieses Kommentars erbauen, indem<br />

Sie die konsequente Art und Weise beobachten, in welcher der<br />

Apostel Paulus die Herrlichkeit Jesu hervorhob, als er zum Gehorsam<br />

<strong>des</strong> Glaubens aufrief.


Johannes auf Patmos<br />

Eine<br />

verschlüsselte<br />

Botschaft<br />

JOEL R. BEEKE<br />

24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20<br />

Aus dem Buch<br />

»Revelation«<br />

von Joel R. Beeke,<br />

Reformation<br />

Heritage Books


DER ANTICHRIST, DAS MALZEICHEN<br />

UND DIE ZAHL 666 – Teil 1<br />

<strong>Die</strong> Bibel ist klar und deutlich in Bezug<br />

auf den Weg der Errettung und auf<br />

die Art und Weise, wie wir in dieser<br />

Welt leben sollten. Wenn es Ihnen ernst damit<br />

ist, für den Zweck zu leben, zu dem Sie geschaffen<br />

wurden, nämlich zur Ehre Gottes, dann gibt<br />

es kein klareres Buch auf der Erde, das Sie dazu<br />

anleiten könnte, als die Heilige Schrift. Lesen,<br />

kennen, erforschen und lieben Sie die Heilige<br />

Schrift, und bemühen Sie sich, ihre klaren<br />

Anweisungen auszuleben? Wenn Sie das tun,<br />

dann kennen Sie die Segnungen eines solchen<br />

Lebens, die besser empfunden und erlebt als<br />

erklärt und verteidigt werden können.<br />

Einige Details der Bibel können jedoch herausfordernd<br />

und schwer zu verstehen sein.<br />

Petrus stellt fest, dass dies auf einige der tiefgründigen<br />

theologischen Gedanken <strong>des</strong> Paulus<br />

in seinen Briefen zutrifft (2.Pt. 3,15-16). Es trifft<br />

auch auf bestimmte literarische Gattungen zu,<br />

die in der Heiligen Schrift verwendet werden,<br />

insbesondere auf apokalyptische Literatur, wie<br />

wir sie im Buch Daniel und in der Offenbarung<br />

finden.<br />

Im Buch der Offenbarung ist das 13. Kapitel<br />

eines der schwierigsten Kapitel. <strong>Die</strong> Hauptlehre<br />

dieses Kapitels ist recht einfach, aber einige<br />

Details erscheinen geheimnisvoll und unklar.<br />

Lasst uns <strong>des</strong>halb das Kapitel als Ganzes betrachten;<br />

mit diesem Verständnis wird die Bedeutung<br />

der Details deutlicher werden.<br />

Kapitel 13 setzt das Thema <strong>des</strong> vorhergehenden<br />

Kapitels fort, indem es den Krieg <strong>des</strong><br />

Drachen gegen die Gemeinde Jesu beschreibt.<br />

Jesus, das Kind von Kapitel 12, wurde in den<br />

Himmel entrückt. In der gesamten Geschichte<br />

<strong>des</strong> Alten Testaments versuchte der Teufel, Gottes<br />

Volk zu vernichten und das Kommen Christi<br />

zu verhindern. Je<strong>des</strong> Mal scheiterten seine Angriffe.<br />

Nachdem durch die Geburt <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

dem Teufel also ein Strich durch die Rechnung<br />

gemacht wurde und er endgültig besiegt worden<br />

war, hat er seine Aufmerksamkeit auf die<br />

Frau in der Wüste gerichtet, die die Gemeinde<br />

im neutestamentlichen Zeitalter repräsentiert.<br />

Mit schäumender Frustration führt der Satan<br />

Krieg gegen die Heiligen Gottes. In diesem Zusammenhang<br />

sieht Johannes zwei Tiere aufsteigen,<br />

eines aus dem Meer (13,1) und das andere<br />

aus der Erde (13,11). Das ganze Kapitel lässt<br />

sich unter vier Überschriften zusammenfassen:<br />

1. <strong>Die</strong> Unterscheidung zwischen den Tieren,<br />

2. <strong>Die</strong> Identität der Tiere,<br />

3. Das Malzeichen und die Zahl <strong>des</strong> Tieres,<br />

4. Der souveräne Herrscher, der die Kontrolle<br />

über die Tiere hat.<br />

(Punkt 3 und 4 folgen in der nächsten Ausgabe)<br />

1. DIE UNTERSCHEIDUNG<br />

ZWISCHEN DEN TIEREN<br />

<strong>Die</strong> beiden Tiere in Offenbarung 13 sind alle beide<br />

Verbündete Satans in seinem Krieg gegen die<br />

Gemeinde Jesu. Als seine Vertreter sind sie mit<br />

seiner Macht, seinem Thron und seiner Autorität<br />

ausgestattet. In Vers 1 heißt es: »Und ich sah aus<br />

dem Meer ein Tier aufsteigen, das sieben Köpfe und zehn<br />

Hörner hatte und auf seinen Hörnern zehn Kronen, und<br />

auf seinen Köpfen einen Namen der Lästerung.«<br />

Dann heißt es in Vers 2: »Der Drache gab ihm<br />

seine <strong>Kraft</strong> und seinen Thron und große Vollmacht«,<br />

und Vers 7 fügt hinzu: »Und es wurde ihm gegeben,<br />

Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu überwinden;<br />

und es wurde ihm Vollmacht gegeben über jeden<br />

Volksstamm und jede Sprache und jede Nation.« Weiter<br />

heißt es in Vers 11: »Und ich sah ein anderes Tier<br />

aus der Erde aufsteigen, und es hatte zwei Hörner<br />

gleich einem Lamm und redete wie ein Drache«, und<br />

Vers 12a ergänzt: »Und es übt alle Vollmacht <strong>des</strong> ersten<br />

Tieres aus vor <strong>des</strong>sen Augen.« <strong>Die</strong>se beiden Tiere,<br />

die ihrem Herrn und Fürsten sehr ähnlich sind,<br />

kämpfen an der Seite Satans gegen die Heiligen.<br />

Daher repräsentieren die beiden Tiere irdische<br />

Mächte, die der Teufel einsetzt, um seine<br />

Ziele zu erreichen. In gewisser Hinsicht haben<br />

wir es hier mit einer dämonischen Widerspiegelung<br />

der göttlichen Dreieinigkeit zu tun;<br />

voiceofhope.de | 25


denn der Drache ermächtigt das erste Tier zum<br />

Herrschen (so wie der Vater Seinen Sohn zum<br />

Herrschen bestimmt hat), und das zweite Tier verherrlicht<br />

das erste Tier unter den Menschen (so<br />

wie der Geist Gottes den Sohn verherrlicht). In Offenbarung<br />

16,13 heißt es von der unheiligen Dreieinigkeit<br />

<strong>des</strong> Drachen und der beiden Tiere: »Und<br />

ich sah aus dem Maul <strong>des</strong> Drachen und aus dem Maul<br />

<strong>des</strong> Tieres und aus dem Maul <strong>des</strong> falschen Propheten drei<br />

unreine Geister herauskommen, gleich Fröschen.« <strong>Die</strong>se<br />

drei Gestalten erleiden auch das gleiche Schicksal:<br />

die Bestrafung im »Feuersee« (Off. 19,20; 20,10).<br />

Obwohl diese Tiere zusammengehören und<br />

zusammenarbeiten, um den Interessen Satans zu<br />

dienen, so unterscheiden sich doch das siebenköpfige<br />

Tier aus dem Meer und das Tier aus der<br />

Erde, das wie ein Lamm aussieht, erheblich voneinander.<br />

Erstens unterscheiden sich die Tiere im Aussehen.<br />

Das erste Tier hat sieben Köpfe, zehn Hörner<br />

mit Kronen, Füße wie ein Bär, einen Körper<br />

wie ein Panther und einen Rachen wie ein Löwe<br />

(V. 1-2). <strong>Die</strong>ses Tier hat die gleichen Merkmale wie<br />

die vier Tiere, die Daniel in einer Vision sah (Daniel<br />

7). Philip Hughes erklärt:<br />

»Es war wie ein Panther (wie auch Daniels<br />

drittes Tier); seine Füße waren wie die eines Bären<br />

(Daniels zweites Tier war wie ein Bär); sein<br />

Rachen war wie der Rachen eines Löwen (Daniels<br />

erstes Tier war wie ein Löwe); und es hatte zehn<br />

Hörner (wie Daniels viertes Tier, das ›schrecklich<br />

und außerordentlich stark‹ war). <strong>Die</strong>se Merkmale<br />

unterstreichen seinen furchterregenden Aspekt<br />

und auch die Konzentration der wilden Gottlosigkeit<br />

der aufeinanderfolgenden Reiche dieser<br />

gefallenen Welt.«<br />

Im Gegensatz dazu scheint das zweite Tier recht<br />

gefügig zu sein. Es sieht aus wie ein kleines Lamm;<br />

aber der Schein trügt, denn es spricht wie ein Drache.<br />

Hughes schreibt:<br />

»Wie ein Lamm mit zwei Hörnern erscheint es<br />

wie ein Retter, ähnlich wie – aber in Wirklichkeit<br />

völlig anders als – das Lamm, das für unsere Erlösung<br />

geschlachtet wurde (V. 8). Aber es ist ein falscher<br />

Retter mit einer falschen Heilsbotschaft: Es<br />

spricht wie ein Drache, denn seine Stimme unterscheidet<br />

sich nicht von der Stimme <strong>des</strong> Drachen<br />

(V. 3), und seine lügnerischen Worte sind die <strong>des</strong><br />

Drachen.« Wie das erste Tier ist auch dieses Tier<br />

Satans Helfer bei seinen Bemühungen, die wahre<br />

Anbetung Gottes in der gesamten Menschheitsgeschichte<br />

zu zerstören.<br />

Zweitens unterscheiden sich die Tiere in ihren<br />

Herrschaftsbereichen. Das erste Tier ist der säkulare<br />

Freund Satans. <strong>Die</strong> erste Hälfte von Kapitel<br />

13 beschreibt die Macht <strong>des</strong> ersten Tieres als eine<br />

politische Macht. Seine Herrlichkeit liegt in seiner<br />

militärischen Macht, so dass der Böse verwundert<br />

fragt: »Wer vermag mit ihm zu kämpfen?« (Off. 13,4).<br />

Im Vergleich dazu ist die Macht <strong>des</strong> zweiten Tieres<br />

eine religiöse Macht und verführt die Welt durch<br />

Zeichen und Wunder dazu, das erste Tier anzubeten.<br />

Das erste Tier ist also der politische Freund<br />

Satans, während das zweite Tier ein religiöser Verbündeter<br />

Satans ist. F. F. Bruce sagt: »Das zweite<br />

Tier ist nicht der Antichrist in Person; es ist vielmehr<br />

sein Pressesprecher oder Propagandaminister,<br />

der ›falsche Prophet eines falschen Gottes‹«.<br />

<strong>Die</strong>se beiden Tiere versuchen, sich die Position<br />

Christi anzueignen, und werden daher zu Recht<br />

als Antichristen bezeichnet, wenn auch auf unterschiedliche<br />

Weise. Das erste Tier will die Position<br />

von Christus, dem König, einnehmen. Beale weist<br />

auf die folgenden Parallelen zwischen dem ersten<br />

Tier und dem königlichen Messias hin:<br />

• Beide wurden geschlachtet und<br />

erstanden zu neuem Leben (5,6 und 13,3).<br />

• Beide haben Nachfolger, bei denen der Name<br />

ihres Herrn auf ihrer Stirn geschrieben steht<br />

(13,16 und 14,1).<br />

• Beide haben Hörner (5,6 und 13,1).<br />

• Beide haben Autorität über jeden »Stamm,<br />

jede Sprache, je<strong>des</strong> Volk und jede Nation«<br />

(5,9; 7,9 und 13,7; 17,12.15).<br />

• Beide erhalten weltweite Anbetung<br />

(5,8-14 und 13,4.8).<br />

• Beide haben eine letztendliche Ankunft<br />

oder eine Manifestation, wobei der eine der<br />

Zerstörung und der andere dem ewigen Sieg<br />

geweiht ist (17,7 - 18).<br />

26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Das zweite Tier will die Position Christi, <strong>des</strong> Propheten<br />

und Priesters, einnehmen. Wie der Herr<br />

Jesus wird dieses Tier als ein Lamm mit Hörnern<br />

beschrieben. <strong>Die</strong>ses Tier steuert die Anbetung<br />

<strong>des</strong> Volkes. Es wirkt Wunder wie der Prophet Elia<br />

(1.Kö. 18,36-38; 2.Kö. 1,10.12) und wird später »der<br />

falsche Prophet« genannt (Off. 16,13; 19,20; 20,10).<br />

Der Herr Jesus warnte: »Denn es werden falsche<br />

Christusse und falsche Propheten auftreten und werden<br />

große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch<br />

die Auserwählten zu verführen« (Mt. 24,24). Johannes<br />

schrieb, dass es schon zu seiner Zeit »viele Antichristen«<br />

gab, die die Gemeinden mit falschen<br />

Lehren zerrütteten (1.Joh. 2,18-19.22).<br />

<strong>Die</strong> beiden Tiere, die so unterschiedlich aussehen,<br />

sind für uns eine Warnung, Satans Machenschaften<br />

nicht zu unterschätzen. Es ist leicht, einen<br />

Angriff <strong>des</strong> Teufels zu erkennen, wenn er als<br />

ein Tier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern oder<br />

als ein brüllender Löwe auf Sie zukommt. Aber<br />

es ist nicht so einfach, Satan in der Gestalt eines<br />

Lammes zu erkennen. Einige von uns sind bedauerlicherweise<br />

unwissend, wenn es darum geht,<br />

Wahrheit von Irrtum zu unterscheiden. Wenn etwas<br />

wie ein Lamm aussieht, tätscheln wir ihm den<br />

Kopf. Wenn eine Gemeinde sich christlich, evangelikal,<br />

reformiert oder bibeltreu nennt, dann<br />

sind wir geneigt, sie anzuerkennen. Wir dürfen<br />

nicht vergessen, dass der Teufel, der zwar als ein<br />

brüllender Löwe auftritt, auch als Engel <strong>des</strong> Lichts<br />

(2.Kor. 11,14) – oder als flauschiges Lamm – erscheinen<br />

kann.<br />

In der Bergpredigt warnt uns Jesus: »Hütet euch<br />

aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu<br />

euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind!« (Mt.<br />

7,15). Manche Menschen, die in den Medien die<br />

christliche Botschaft verbreiten, scheinen nett und<br />

aufrichtig zu sein; aber oft ist das, was aus ihrem<br />

Mund kommt, unbiblisch. Wir müssen uns im Unterscheidungsvermögen<br />

üben in Bezug auf das, was<br />

wir hören oder lesen. Wir müssen uns vor den Machenschaften<br />

Satans hüten. Ein Prediger beschrieb<br />

den Teufel einmal als »Affen Gottes«, womit er ausdrücken<br />

wollte, dass der Teufel mit dem, was er auf<br />

der Erde tut, nur das Werk Gottes imitiert.<br />

2. DIE IDENTITÄT DER TIERE<br />

Viele haben herauszufinden versucht, wen diese<br />

Tiere repräsentieren. Manche Interpretationen<br />

sind aufrichtig durchdacht, und manche sind sensationell;<br />

manche sind ernsthaft und manche albern;<br />

manche sind logisch nachvollziehbar, und<br />

manche sind geistlos. Aber die Christen zur Zeit<br />

<strong>des</strong> Johannes hatten keine Schwierigkeiten damit,<br />

die beiden Tiere zu identifizieren. Jene ersten<br />

Leser der Offenbarung wurden von den Beamten<br />

der kaiserlichen Regierung verfolgt. Unabhängig<br />

davon, ob die Verfolgung von Nero, Domitian<br />

oder einem anderen Herrscher vor Ort angezettelt<br />

wurde, traf sie die Gläubigen mit brutaler Grausamkeit.<br />

In der Gestalt solcher bösen Herrscher<br />

sahen die frühen Christen das erste Tier; es symbolisierte<br />

die Vergötterung der militärischen und<br />

politischen Macht <strong>des</strong> Menschen.<br />

Was das zweite Tier betrifft, so waren die römischen<br />

Machthaber nicht gegen die Anbetung<br />

verschiedener Götter, solange diese Verehrer den<br />

Kaiser verehrten. Tatsächlich gab es in Kleinasien<br />

Priester und Tempel, die speziell der Verehrung<br />

<strong>des</strong> Kaisers (als Gott) dienten. In einem dieser<br />

Tempel in Ephesus befand sich eine große Domitian-Statue.<br />

Christen in Kleinasien sahen sich zunehmend<br />

unter Druck gesetzt, dem Kaiser öffentlich<br />

Anbetung zu erweisen, und die Weigerung,<br />

sich daran zu beteiligen, konnte zu wirtschaftlichem<br />

Ausschluss vom Handel und, schlimmer<br />

noch, zur To<strong>des</strong>strafe durch die Zivilbehörden<br />

führen.<br />

Deshalb sollte den ersten Empfängern dieses<br />

Buches klar gewesen sein – obwohl Johannes in<br />

verhüllter Sprache schrieb –, dass er sich auf die<br />

götzendienerischen politischen und religiösen<br />

Systeme bezog, mit denen Satan die Gemeinde<br />

durch die bürgerlichen und kulturellen Institutionen<br />

der Welt angriff.<br />

Einer der Köpfe <strong>des</strong> ersten Tieres scheint eine<br />

tödliche Wunde bekommen zu haben; aber die<br />

Wunde heilte (Off. 13,3). Das ist eine gute Beschreibung<br />

der Macht Roms, das in seiner Christenverfolgung<br />

unerbittlich war. Wer konnte gegen dieses<br />

Reich und seine Herrscher kämpfen?! Zweifellos<br />

hofften die Christen zur Zeit <strong>des</strong> Johannes, dass<br />

mit dem Tod Neros die Verfolgung aufhören würde<br />

und Rom am Ende sei. Doch kaum ist ein Oberhaupt<br />

tödlich verwundet, kommt ein anderer Kaiser<br />

auf den Thron und führt die Angriffe gegen die<br />

Gemeinde Jesu fort.<br />

Auf jedem der sieben Köpfe <strong>des</strong> ersten Tieres<br />

steht ein lästerlicher Name geschrieben (V. 1). <strong>Die</strong>voiceofhope.de<br />

| 27


ser Name ist ein verschlüsselter Hinweis auf den<br />

Kaiserkult. <strong>Die</strong> Menschen im Römischen Reich<br />

konnten nur dann etwas kaufen und verkaufen,<br />

wenn sie Münzen besaßen, auf denen das Bild <strong>des</strong><br />

Kaisers und der Titel »göttlich« eingraviert war,<br />

um seinen Anspruch zu ehren, Gott zu sein. Sie<br />

konnten keine gewöhnlichen Geschäfte tätigen<br />

oder auch nur in ein Geschäft gehen und etwas<br />

kaufen, wenn sie nicht dieses Zeichen <strong>des</strong> Tieres<br />

hatten. Satan wirkte im Römischen Reich durch<br />

seine Kaiser, genauso wie er durch die heutigen<br />

Führer der Welt wirkt.<br />

<strong>Die</strong> Kaiser versuchten, ihr Reich durch Religion<br />

zu einigen. Denken wir nur an all die Nationen und<br />

Religionen, die unter der Herrschaft Roms standen.<br />

Um die Menschen so unterschiedlicher Kulturen<br />

zu vereinen, befahlder jeweilige Kaiser allen,<br />

die seiner Gerichtsbarkeit unterstanden, ihn als<br />

Herrn und Gott anzuerkennen. Priester wurden<br />

ernannt, um den Kaiserkult durchzuführen. Einer<br />

dieser Priester befand sich in Asien, wo Johannes<br />

Gemeinden gegründet hatte. <strong>Die</strong>ser Priester hatte<br />

die totale Kontrolle über die Religion in seiner<br />

Gegend, und obwohl er religiös zu sein schien,<br />

bestand seine ganze Absicht darin, das Reich zu<br />

vereinigen, indem er die Menschen in Asien in<br />

Einklang mit den Forderungen <strong>des</strong> Kaisers brachte.<br />

<strong>Die</strong> Menschen konnten ihre Religionen behalten,<br />

wenn sie wollten; aber um einen Anschein von<br />

Einheit und Loyalität zu schaffen, mussten sie alle<br />

anerkennen, dass der Kaiser Gott sei.<br />

Johannes bezieht sich in Kapitel 13 auf Rom,<br />

aber er spricht in symbolischer Sprache. Er<br />

schreibt auf diese Weise, um sich, seine Leser und<br />

das Buch der Offenbarung selbst zu schützen.<br />

Wenn er ausdrücklich den Kaiser oder Priester in<br />

Asien benannt hätte, dann wäre die Offenbarung<br />

nicht verbreitet worden. Jede Person, die beim<br />

Lesen <strong>des</strong> Buches angetroffen worden wäre, wäre<br />

zum Tode verurteilt worden. Johannes schreibt<br />

also verschlüsselt über eine schreckliche Realität<br />

in der Geschichte. Er schreibt über Rom als eine<br />

säkulare und religiöse Macht, die pure Zerstörung<br />

auf die Nachfolger Christi niederprasseln lässt.<br />

Aber wir sollten die Interpretation der Tiere<br />

der Offenbarung nicht auf das Rom <strong>des</strong> ersten<br />

Jahrhunderts beschränken. Wir sehen in der gesamten<br />

Offenbarung, dass sich die Symbole sowohl<br />

auf jene historischen Ereignisse als auch<br />

auf das, was heute vor sich geht, beziehen. <strong>Die</strong>se<br />

beiden Tiere sind in der Menschheitsgeschichte<br />

an vielen Orten und zu vielen Zeiten gemeinsam<br />

in einer Nation nach der anderen aufgetaucht,<br />

um gegen Gott und Jesus Christus zu kämpfen.<br />

Sehr oft hat der Staat die Hilfe der Religion in Anspruch<br />

genommen, um Krieg gegen Christus und<br />

Sein Volk zu führen.<br />

Zum Beispiel wurden während der Reformation<br />

wahre Gläubige unter dem Einfluss <strong>des</strong> Papstes<br />

von Rom sowohl vom Staat als auch von der Kirche<br />

verfolgt. Das erklärt, warum die Reformatoren<br />

und die Puritaner sehr gute Gründe fanden,<br />

den Papst als den Antichristen anzusehen. Wenn<br />

man ihre Liste der Schriftbeweise und Gründe für<br />

die Identifizierung <strong>des</strong> Papsttums als Antichristen<br />

liest, tritt jener Fall unwiderlegbar in Erscheinung.<br />

<strong>Die</strong>selben Tiere sind auch heute am Werk, während<br />

sich Politik und Religion gegen das Volk Gottes<br />

vereinen. Der Ökumenische Rat der Kirchen<br />

(World Council of Churches) toleriert jede Art von<br />

Glaubensrichtung – mit Ausnahme derjenigen, in<br />

der man glaubt, dass die Bibel wahr ist.<br />

Offenbarung 13 lehrt uns, dass jene beiden Tiere<br />

sich im Laufe der Geschichte bemüht haben,<br />

die Gemeinde Jesu zu zerstören. Sie stellen das<br />

dar, was die Bibel an anderer Stelle als den »Geist<br />

<strong>des</strong> Antichristen« beschreibt (1.Joh. 4,3). Johannes<br />

tröstet die ersten Christen, indem er feststellt,<br />

dass das Auftreten jener Antichristen ein Zeichen<br />

dafür ist, dass wir in der letzten Zeit leben (1.Joh.<br />

2,18). <strong>Die</strong> letzte Zeit erstreckt sich vom ersten<br />

Kommen Christi bis zu Seinem zweiten Kommen,<br />

wobei es in dieser Zeit bereits viele Antichristen<br />

gegeben hat. Aber die Schrift weist uns auch darauf<br />

hin, dass am Ende der Zeit der Antichrist<br />

kommen wird, der der Inbegriff der Rebellion gegen<br />

Gott ist. Das kann eine Person oder eine Institution<br />

sein; aber Johannes betont, dass der<br />

Geist <strong>des</strong> Antichristen durch die ganze Geschichte<br />

hindurch offensichtlich vorhanden ist.<br />

Paulus erklärt den Gläubigen in 2. Thessalonicher<br />

2,1-7 auch, dass der »Mensch der Sünde« sowohl<br />

eine Person als auch ein Prinzip ist. Er wird<br />

mit Sicherheit kommen, auch wenn er gegenwärtig<br />

noch zurückgehalten wird. Sein Geist ist jedoch<br />

bereits am Werk. Deshalb sagt Paulus: »Denn das<br />

Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken« (V. 7).<br />

Johannes hat hier etwas viel Größeres als Nero<br />

im Visier. <strong>Die</strong> Zeitgenossen <strong>des</strong> Johannes dachten<br />

zweifellos, dass das Tier, das aus dem Meer auf-<br />

28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


stieg, für die Macht Roms stand. Doch je größer<br />

die Verwüstung ist, die das Tier anrichtet, <strong>des</strong>to<br />

mehr bündelt es alle menschliche Bosheit und<br />

Gottlosigkeit in einem großen Bündnis <strong>des</strong> Bösen<br />

zusammen. Davor warnt uns Johannes. Er sagt in<br />

Offenbarung 13,4: »Und sie beteten den Drachen an,<br />

der dem Tier Vollmacht gegeben hatte, und sie beteten das<br />

Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich? Wer vermag<br />

mit ihm zu kämpfen?«<br />

Johannes sagt damit zunächst, dass es so aussieht,<br />

als könne niemand das Tier besiegen. Der<br />

Antichrist ist so schlau, dass er die Massen zum<br />

Narren hält und weltweite Bewunderung hervorruft.<br />

Das gilt nicht nur für das säkulare Tier<br />

<strong>des</strong> Humanismus, sondern auch für die auf einen<br />

Menschen zentrierte religiöse Macht <strong>des</strong> Papsttums<br />

im Laufe der Jahrhunderte. Kein Wunder<br />

also, dass Johannes sagt, dass die ganze Welt unter<br />

der Macht <strong>des</strong> Bösen steht (1.Joh. 5,19).<br />

Eigentlich ist die Situation noch schlimmer –<br />

die Welt betet das Tier an und macht den Drachen<br />

zum »Gott dieser Weltzeit« (2.Kor. 4,4).<br />

<strong>Die</strong> gefallene Menschheit ersetzt die Gottesanbetung<br />

durch Satansanbetung. Das zeigt sich<br />

heute überall um uns herum; denn die Menschen<br />

tun das, was sie in ihren eigenen Augen für richtig<br />

halten. Gleichzeitig werden gottesfürchtige<br />

Menschen als intolerant verurteilt, wenn sie sich<br />

weigern, sich den Mächten <strong>des</strong> Humanismus zu<br />

beugen, die die Bibel herabwürdigen, Christen<br />

verspotten, ungezügelten Sex fördern, ungeborene<br />

Babys töten, Homosexualität fördern und den<br />

Tag <strong>des</strong> Herrn entweihen. In ähnlicher Weise verherrlichen<br />

Millionen von Menschen den Papst als<br />

unfehlbaren Vertreter Christi auf Erden, während<br />

sie die ganze Zeit blind für die Tatsache sind, dass<br />

das Papsttum – wie die Reformatoren und Puritaner<br />

in ihren Schriften so tiefschürfend aufzeigen –<br />

jede Eigenschaft <strong>des</strong> Antichristen offenbart, die in<br />

der Heiligen Schrift dargelegt wird. Andererseits<br />

können viele falsche Religionen recht glücklich<br />

unter einer bösen und tyrannischen Regierung<br />

leben, und viele Pastoren und Priester – darunter<br />

auch einige, die behaupten, Christen zu sein<br />

– werden bereitwillig zu Werkzeugen eines intoleranten<br />

Staates und einer intoleranten Kultur.<br />

Wie können wir gegen solche Tiere bestehen?<br />

Wie können wir Gott treu sein, wenn die mächtige<br />

säkulare Welt um uns herum argumentiert:<br />

»Jeder tut es doch; warum also solltest du es nicht<br />

tun?« oder: »Niemand glaubt mehr, dass die Bibel<br />

unfehlbar sei«? Wie können wir uns gegen diese<br />

religiöse Welt stellen, die die Selbstanbetung fördert,<br />

Christus in jeder Messe von neuem als Opfer<br />

darbringt oder gar lehrt, dass der Koran vertrauenswürdiger<br />

sei als die Heilige Schrift? Wie können<br />

wir in einer Welt, die das Lamm Gottes nicht<br />

anbetet, nicht kennt, Ihm nicht vertraut und es<br />

nicht liebt, mutig und ohne Scham all unser Vertrauen<br />

auf Ihn setzen?<br />

Paulus zeigt uns, wie wir gegen die Tiere standhaft<br />

bleiben können. Er sagt in Epheser 6,10-12:<br />

»Im Übrigen, meine Brüder, seid stark in dem Herrn und<br />

in der Macht Seiner Stärke. Zieht die ganze Waffenrüstung<br />

Gottes an, damit ihr standhalten könnt gegenüber<br />

den listigen Kunstgriffen <strong>des</strong> Teufels; denn unser Kampf<br />

richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die<br />

Herrschaften, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher<br />

der Finsternis dieser Weltzeit, gegen die geistlichen<br />

[Mächte] der Bosheit in den himmlischen [Regionen].«<br />

Offenbarung 13 bestätigt die Aussage <strong>des</strong> Paulus,<br />

dass wir nicht gegen Fleisch und Blut zu kämpfen<br />

haben, sondern gegen Fürstentümer und Mächte<br />

der Finsternis. Hinter den sichtbaren Erscheinungsformen<br />

der Tiere steht der Teufel, die alte<br />

Schlange. Hinter dieser Welt lauert ein Netzwerk<br />

<strong>des</strong> Bösen. <strong>Die</strong>se Welt ist im Griff von Institutionen<br />

und Ideologien, die sich über das Individuum<br />

hinwegsetzen und seinen Lebensstil bestimmen.<br />

Wir leben in einer Konsumgesellschaft, in der<br />

es viele versteckte Überredungskünstler, multinationale<br />

Unternehmen, Ideologien und -ismen<br />

gibt, die Krieg gegen Christus und Seine Gemeinde<br />

führen. Wir sollten hinter diese Dinge schauen,<br />

um die Tiere der Offenbarung, das Geheimnis der<br />

Gesetzlosigkeit, die Macht <strong>des</strong> Antichristen und<br />

die Pläne <strong>des</strong> Teufels gegen die Gemeinde Jesu zu<br />

durchschauen.<br />

Offenbarung 13 fordert uns auf, uns von diesem<br />

Übel nicht mitreißen oder einschüchtern zu<br />

lassen. Vielmehr sollen wir wachen und beten.<br />

Wir sollen die ganze Waffenrüstung Gottes anziehen:<br />

den Gürtel der Wahrheit, den Brustpanzer<br />

der Gerechtigkeit, die Stiefel der Bereitschaft<br />

zum Zeugnis für das Evangelium <strong>des</strong> Friedens<br />

und den Helm <strong>des</strong> Heils, und wir sollen den Schild<br />

<strong>des</strong> Glaubens und das Schwert <strong>des</strong> Geistes tragen;<br />

zudem ist ständiges Gebet absolut notwendig. So<br />

bewaffnet können wir ausziehen und die Tiere Satans<br />

in der <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Herrn bekämpfen.<br />

»<br />

Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe


Der leiden-<br />

schaftliche Prediger


D. MARTYN LLOYD-JONES<br />

(1899-1981)<br />

»Für mich ist das Werk <strong>des</strong> Predigens die<br />

höchste, größte und glorreichste Berufung, zu<br />

der jemand jemals berufen werden kann.«<br />

WER WAR D. MARTYN<br />

LLOYD-JONES?<br />

Es ist schade, dass Martyn Lloyd-Jones im deutschsprachigen<br />

Raum nicht den Bekanntheitsgrad hat,<br />

den er verdient hätte. In der englischsprachigen<br />

Christenheit gilt der walisische Prediger und Bibelausleger<br />

als einer der größten <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts.<br />

Man hat ihn oft mit Spurgeon verglichen oder als<br />

seinen Nachfolger angesehen. Martyn Lloyd-Jones<br />

ist für uns ein Beispiel dafür, was Gott durch einen<br />

Mann bewirken kann, der Sein Wort ehrt, wahrheitsgemäß<br />

auslegt und verkündigt.<br />

Am 20. Dezember 1899 in Cardiff, Wales, geboren,<br />

wuchs David Martyn Lloyd-Jones mit seinen beiden<br />

Brüdern in der methodistischen Familie von Henry<br />

Lloyd-Jones und Magdalen, geb. Evans auf. 1914 zog<br />

die Familie nach London (Westminster) um und besuchte<br />

die Charing Cross Chapel. Es gab noch kaum<br />

Glaubenslehre, die den Unterschied zwischen wahren<br />

Christen und bloßen Kirchenbesuchern deutlich<br />

gemacht hätte, geschweige denn dem aufkommenden<br />

Liberalismus entgegenwirken konnte. Alle drei<br />

Lloyd-Jones-Brüder sahen sich mehr ihrer Karriere<br />

als ihrem Glauben verpflichtet.<br />

Nach seinem Schulabschluss begann David Martyn<br />

sein Medizinstudium am St. Bartholomew’s<br />

Hospital, London, und bewies dabei eine auffällige<br />

Begabung. Schon bald war er zur rechten Hand <strong>des</strong><br />

berühmten Sir Thomas Horder aufgestiegen, der<br />

einer der bekanntesten und fähigsten Ärzte seiner<br />

Zeit war und sogar dem Königshaus (als solcher)<br />

diente. Im Alter von 23 Jahren promovierte Lloyd-Jones,<br />

und mit 26 Jahren war er MRCP (Member<br />

of the Royal College of Physicians). Somit stand ihm<br />

die Tür für eine großartige Karriere als Arzt offen.<br />

Doch dann geschah etwas, das seine Pläne auf den<br />

Kopf stellte.<br />

Während er das Wort Gottes las, begann Gott an<br />

ihm zu wirken. »Er führte mir vor Augen, dass die<br />

wahre Ursache all meiner Schwierigkeiten und Übel<br />

wie auch das Übel aller Menschen die böse und gefallene<br />

Natur ist, die Gott hasst und die Sünde liebt.<br />

Mein Problem war nicht nur, dass ich Dinge tat, die<br />

falsch waren, sondern dass ich selbst im Zentrum<br />

meines Seins falsch war.« Als D. M. Lloyd-Jones<br />

etwa 26 Jahre alt war, kam er zum rettenden Glauben<br />

an Jesus Christus. In der darauffolgenden Zeit<br />

ging er wie gewohnt in sein Sprechzimmer, um<br />

seine Patienten zu empfangen. Während sie ihm<br />

ihre Symptome mitteilten, wurde ihm klar, dass<br />

das, was so viele seiner Patienten brauchten, keine<br />

gewöhnliche Medizin war, sondern das Evangelium,<br />

das er für sich entdeckt hatte. Er spürte immer<br />

mehr den drängenden Ruf Gottes, ein Verkündiger<br />

<strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> zu werden. <strong>Die</strong> Ungewissheit<br />

voiceofhope.de | 31


darüber, ob es wirklich der Ruf Gottes oder seine<br />

menschliche Entscheidung war, führten bei<br />

ihm zu schweren inneren Kämpfen, sodass sogar<br />

seine Gesundheit darunter litt. Er hatte nie eine<br />

Bibelschule oder ein theologisches Seminar besucht.<br />

Als M. Lloyd-Jones verstand, dass er sich<br />

als Arzt nur um die oberflächlichen Bedürfnisse<br />

der Menschen kümmern konnte, wurde er dahin<br />

geführt, seine Karriere als Arzt aufzugeben<br />

und der Berufung Gottes zum<br />

Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> zu<br />

folgen.<br />

Seine Arbeitskollegen nahmen<br />

seine Entscheidung mit<br />

Skepsis und Kritik auf, denn<br />

sie konnten nicht verstehen,<br />

wieso er seine so erfolgreiche,<br />

vielversprechende Karriere<br />

aufgab, um Prediger zu werden.<br />

<strong>Die</strong>ser außergewöhnliche<br />

Entschluss und seine Heirat mit Bethan Phillips<br />

im Januar 1927 mussten unweigerlich Aufmerksamkeit<br />

erregen. <strong>Die</strong> Presse stürzte sich auf das<br />

Ehepaar und berichtete über diesen drastischen<br />

Wandel.<br />

Drei Jahre später erklärte er den Grund seiner<br />

Entscheidung:<br />

»Wenn ihr mehr über die Arbeit eines Arztes wissen<br />

würdet, so würdet ihr es verstehen. Wir verbringen<br />

die meiste Zeit damit, Menschen gesund zu machen,<br />

damit sie wieder in ihr sündiges Leben zurückkehren<br />

können. Ich habe gemerkt, dass ich damit diesen<br />

Menschen zum weiteren Sündigen verhalf, und daher<br />

beschloss ich, es nicht länger zu tun. Ich möchte Seelen<br />

heilen. Wenn ein Mensch einen kranken Körper hat,<br />

seine Seele aber gesund ist, geht es ihm am Ende gut.<br />

Einem Menschen jedoch mit einem gesunden Körper<br />

und einer kranken Seele geht es vielleicht 60 Jahre lang<br />

gut, doch dann muss er sich der Ewigkeit in der Hölle<br />

stellen. Oh ja! – Wir müssen manchmal die Dinge<br />

aufgeben, die gut sind, um das zu erhalten, was das<br />

Beste ist.«<br />

Dr. Martyn Lloyd-Jones war immer noch Arzt,<br />

nur änderte Gott seinen »Einsatzbereich« vom<br />

Leib der Menschen zu ihrer Seele. Darum wurde<br />

er nach wie vor von vielen »der Doktor« genannt.<br />

»Wir müssen<br />

manchmal die<br />

Dinge aufgeben,<br />

die gut sind, um<br />

das zu erhalten,<br />

was das Beste ist.«<br />

DER BEGINN<br />

SEINES PREDIGTDIENSTES<br />

Martyn Lloyd-Jones begann seinen Predigtdienst<br />

1927 in einer kleinen Dorfkapelle in Aberavon in<br />

Südwales. <strong>Die</strong> Stadt war gezeichnet von der Weltwirtschaftskrise:<br />

Arbeitslosigkeit, Armut und Alkoholismus<br />

beherrschten die Vororte; viele Einwohner<br />

waren eher ungebildet. Das waren genau<br />

die Menschen, die das Evangelium<br />

brauchten.<br />

<strong>Die</strong> kleine Gemeinde in<br />

Aberavon hatte mit aller <strong>Kraft</strong><br />

versucht, ihre wenigen verbliebenen<br />

Zuhörer durch Unterhaltung<br />

und Theater festzuhalten;<br />

das Predigen war<br />

zur Nebensache geworden.<br />

Lloyd-Jones begann hier seinen<br />

<strong>Die</strong>nst, indem er alles verbannte,<br />

was nur dazu diente,<br />

die Welt anzulocken und das<br />

vorherrschende Wohlstandsevangelium zu fördern.<br />

Er war entschlossen, die Botschaft so klar zu<br />

verkündigen, wie sie auch zu ihm gekommen war.<br />

Sein Predigtdienst basierte allein auf der<br />

Schrift, auf direkter biblischer Lehre. Er gebrauchte<br />

keine Witze, Anekdoten oder persönliche<br />

Geschichten. <strong>Die</strong> Wirksamkeit seines <strong>Die</strong>nstes<br />

lag im Eifer für Gottes Ehre und im Auslegen der<br />

Bibel in der <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes. Das war<br />

zu viel für einige aus der Gemeinde, und sie gingen<br />

davon. Aber an ihre Stelle traten immer mehr<br />

Menschen, die von der Wahrheit erfasst wurden<br />

– die Arbeiterklasse von Südwales. <strong>Die</strong> Botschaft<br />

und die <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes brachte sie zur<br />

Umkehr. Es gab keine dramatischen Aufrufe; da<br />

stand nur ein junger Mann mit der klaren Botschaft<br />

von Gottes Gerechtigkeit und Seiner Liebe.<br />

<strong>Die</strong>se Botschaft brachte einen nach dem anderen<br />

zur Buße und Bekehrung.<br />

Immer mehr Seelen wurden errettet, darunter<br />

sogar überraschenderweise seine Frau Bethan<br />

und viele, die schon Gemeindemitglieder waren,<br />

aber eben nicht wiedergeboren.<br />

Er war nicht in der Lage, seine medizinische<br />

Laufbahn ganz abzubrechen. Einige Besucher kamen<br />

nur, um ärztlichen Rat zu bekommen; doch<br />

er nutzte zugleich die Gelegenheit, um ihnen das<br />

Evangelium zu verkündigen.<br />

32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Innerhalb der nächsten Jahre wuchs die kleine<br />

Gemeinde von 93 auf 550 Mitglieder. <strong>Die</strong> Menschen<br />

kamen von überall her, um ihn zu hören.<br />

Berüchtigte Trunkenbolde wurden zu strahlenden<br />

Christen, und Männer und Frauen der Arbeiterklasse<br />

kamen zu den Bibelstunden. Und in der Gegend<br />

von Südwales luden ihn andere Gemeinden,<br />

die oft nach bibeltreuer Unterweisung hungerten,<br />

auf ihre Kanzeln ein.<br />

EIN LEBEN, DAS BRENNT<br />

Martyn Lloyd-Jones war ein demütiger Mann; er<br />

suchte nie Anerkennung für sich selbst. Gott erhob<br />

ihn, indem Er ihn auf eine der größten Kanzeln<br />

Englands stellte: die Kanzel der Westminster<br />

Chapel in London. Dort predigte er Sonntag für<br />

Sonntag, 30 Jahre lang (1938-1968). Das Feuer <strong>des</strong><br />

<strong>Evangeliums</strong> und die Liebe zu den Verlorenen<br />

machten seine Predigten lebendig und wirksam.<br />

Er lebte nach dem Prinzip:<br />

Predigen bedeutet nicht, trockene<br />

Fakten aus der Bibel zu<br />

nennen; Predigen ist Theologie,<br />

die durch einen Mann gebracht<br />

wird, der brennend ist<br />

im Geist. Da, wo keine Leidenschaft,<br />

kein Feuer vorhanden<br />

ist, da kann man es nicht eine<br />

Predigt nennen – die Herzen<br />

müssen doch erreicht werden.<br />

Wenn allein Gottes Wort gepredigt<br />

wird, ist es auch allein<br />

das Wirken Gottes, das in den<br />

Menschen Veränderung hervorrufen<br />

kann, und das wusste<br />

Lloyd-Jones. <strong>Die</strong> Predigt<br />

muss das aussagen, was der<br />

Bibeltext sagt, und nicht, was<br />

der Prediger wünscht, dass der Text es aussagt.<br />

Seine Frau sagte über ihn: »Niemand wird meinen<br />

Ehemann verstehen, der nicht weiß, dass er<br />

zuallererst ein Mann <strong>des</strong> Gebets und dann ein<br />

Evangelist war.«<br />

»Predigen<br />

bedeutet nicht,<br />

trockene Fakten<br />

aus der Bibel zu<br />

nennen; Predigen<br />

ist Theologie, die<br />

durch einen Mann<br />

gebracht wird,<br />

der brennend ist<br />

im Geist.«<br />

Innerhalb dieser 30 Jahre hielt er mehr als 4.000<br />

Predigten, und er war und ist dafür bekannt, dass<br />

er Predigtserien über ganze Kapitel und Bücher<br />

der Bibel hielt, die er Vers für Vers auslegte. Ein<br />

bemerkenswertes Werk von ihm ist beispielsweise<br />

seine Römerbrief-Auslegung, weil er 13 Jahre<br />

lang jeden Freitag über den Römerbrief predigte<br />

und ihn somit komplett auslegte. Daraus entstand<br />

eine Predigtreihe von 14 Bänden, die leider noch<br />

nicht auf Deutsch erschienen ist.<br />

Sein <strong>Die</strong>nst als Hauptprediger der Westminster<br />

Chapel nahm nach 30 Jahren im März 1968 ein<br />

plötzliches Ende, als bei ihm Darmkrebs diagnostiziert<br />

wurde. Dank Gottes Vorsehung konnte<br />

dieser Krebs durch eine erfolgreiche Operation<br />

entfernt werden. Somit endete zwar sein <strong>Die</strong>nst<br />

als Hauptprediger, jedoch öffnete Gott ihm neue<br />

Türen.<br />

Da er nun nicht mehr wöchentlich min<strong>des</strong>tens<br />

3 Predigten vorbereiten musste, verbrachte Lloyd-Jones<br />

einen Großteil seiner Zeit damit, seine<br />

Predigtreihen für die Veröffentlichung zu überarbeiten,<br />

Neues zu schreiben und in seiner Tätigkeit<br />

als Lehrer und Prediger zu reisen. So entstand in<br />

dieser Zeit aus einer 16-teiligen<br />

Vortragsreihe auch sein<br />

bekanntes Buch »<strong>Die</strong> Predigt<br />

und der Prediger«.<br />

Während dieser Genesungsphase<br />

(März bis Oktober<br />

1968) hörte er sich viele Prediger<br />

aus den verschiedensten<br />

Denominationen an, und als<br />

Zuhörer machte er folgende<br />

Beobachtung:<br />

»Ich halte zwar das fortlaufende<br />

Predigen über Bücher<br />

der Bibel für richtig, aber es<br />

kann auch auf die falsche Art<br />

und Weise geschehen – ohne<br />

Rücksicht auf den Zustand<br />

der Zuhörer zu nehmen, so<br />

dass wir zwar mit einer Textstelle hervorragend<br />

umgehen können, aber keine Botschaft für unsere<br />

Zuhörer haben.<br />

Es gibt einen Unterschied zwischen einem<br />

fortlaufenden Kommentar zu einer Textstelle und<br />

einer Predigt. Ich glaube an Auslegungspredigten,<br />

nicht an fortlaufende Kommentare. [...] Schauen<br />

Sie sich Robert M'Cheyne an: Was er wusste, ist<br />

genau das, was letztlich zählt. Er trug die Lasten<br />

seines Volkes auf seiner Seele. Er kam nicht auf<br />

die Kanzel, nachdem er einfach nur eine Predigt<br />

voiceofhope.de | 33


vorbereitet hatte. Er kam mit einer Botschaft aus<br />

Gottes Wort.«<br />

Martyn Lloyd-Jones predigte so, dass das Wort<br />

Gottes das Herz und Gewissen seiner Zuhörer<br />

zutiefst erschütterte. Trotz der entgegengesetzten<br />

Tendenz der Gesellschaft weigerte er sich,<br />

dem Druck der Öffentlichkeit nachzugeben, die<br />

nach weltlicher Unterhaltung verlangte, um<br />

Menschen anzulocken. Statt<strong>des</strong>sen vertraute er<br />

voll und ganz auf die <strong>Kraft</strong> Gottes beim Verkündigen<br />

Seines Wortes. Das Bewusstsein über das<br />

ewige Schicksal der Menschen ließ ihm keine Zeit<br />

für Oberflächlichkeit. Seine Predigten waren klar<br />

und direkt. Er diagnostizierte Sünde als Krankheit<br />

und wies auf das einzige Heilmittel – Christus<br />

– hin. Iain H. Murray schreibt über ihn: »In<br />

den 1950er Jahren war Martyn Lloyd-Jones praktisch<br />

der Einzige in ganz England, der sich noch<br />

dem verpflichtet sah, was er ›Auslegungspredigt‹<br />

nannte.«<br />

Gott segnete die Treue dieses Predigers, der kompromisslos<br />

und mutig, biblisch und mit großer<br />

Leidenschaft das Wort predigte: Auch in London<br />

wuchs die Gemeinde von 150 auf ca. 2.500 Besucher<br />

am Sonntag an. <strong>Die</strong> Menschen kamen von<br />

überall her, um die Predigten zu hören: Ärzte und<br />

Krankenschwestern, Mitglieder <strong>des</strong> Parlaments,<br />

Studenten aus der ganzen Welt und sogar Bedienstete<br />

<strong>des</strong> königlichen Hauses. Zahllose Menschen<br />

taten Buße.<br />

Augenzeugen wie Iain H. Murray berichten, mit<br />

welcher Leidenschaft und <strong>Kraft</strong> er predigte; Gott<br />

sprach durch diesen Mann. Nach der Predigt saßen<br />

alle still da; keiner sprach ein Wort. Erst nach ca.<br />

10 Minuten gingen sie nach und nach leise hinaus.<br />

Es waren nicht die Worte von Martyn Lloyd-Jones,<br />

die diese Auswirkung hervorriefen – jeder wusste:<br />

Es war Gott, der hier durch das wahrheitsgetreu<br />

gepredigte Wort gesprochen hatte.<br />

SEIN STREBEN UND ZIEL<br />

Martyn Lloyd-Jones war kein besonderer oder<br />

vollkommener Mensch; aber er war ein Mensch,<br />

der uneingeschränkt an die Souveränität Gottes<br />

glaubte. Wie die Reformatoren, die englischen<br />

Puritaner und Spurgeon war auch er fest davon<br />

überzeugt: Gott ist in Seiner Majestät allmächtig<br />

und allwirksam. Es gibt keinen Zufall. Alles, was<br />

geschieht, ist von Gott gewollt und gelenkt.<br />

Martyn Lloyd-Jones war es, der der jungen Generation<br />

die Puritaner nahebrachte; er unterstützte<br />

das Anliegen <strong>des</strong> »Banner of Truth« Verlags, puritanische<br />

Klassiker wieder neu zu drucken. Er war<br />

überzeugt, dass das Wiederaufleben der Puritaner<br />

in den (sterilen, unfruchtbaren, dahinsterbenden)<br />

Gemeinden Englands dringend gebraucht<br />

wurde, und er sehnte sich nach dem Tag, an dem<br />

Predigten wie die von Jonathan Edwards, George<br />

Whitefield und anderen wieder in England gehört<br />

würden.<br />

Zwei gefährliche Extreme sah er, die dabei<br />

vermieden werden mussten: die tote Orthodoxie<br />

(innerlich leere Rechtgläubigkeit) eines kalten<br />

Calvinismus und andererseits das gefühlsbetonte<br />

Extrem der Pfingst- und Charismatischen Bewegung<br />

und anderer emotionsgeleiteten Bewegungen.<br />

Wonach Lloyd-Jones sich sehnte, war eine reformierte<br />

Bewegung, die das auslebt, was sie lehrt.<br />

Nur so – davon war er überzeugt – konnten die Gemeinden<br />

wieder neu erweckt werden, die ihr Vertrauen<br />

auf sich anstatt auf Gott setzten, wodurch<br />

sie in Weltlichkeit, kraftlose Lehre und oberflächliche<br />

spirituelle Erfahrung geraten waren.<br />

Martyn Lloyd-Jones war kein Übermensch und<br />

auch kein eingebildeter Pastor. Er war bekannt als<br />

ein warmherziger und gottesfürchtiger Mensch<br />

mit großer Gotteserkenntnis (nicht nur auf theologischem<br />

Gebiet) – jemand, der einen Ausritt auf<br />

einem Pferd für ein großes Glück auf Erden hielt<br />

und der ein Herz für Kinder hatte. Seine Familie<br />

kannte ihn als einen humorvollen, sanften und<br />

geduldigen Mann. Sein Enkel erzählt: »Wenn wir<br />

nach dem Gottesdienst zu seinem Arbeitszimmer<br />

in der Westminster Chapel liefen, dachten die<br />

Leute, dass wir dorthin gingen, um Belehrung von<br />

dem großen Theologen zu bekommen; aber tatsächlich<br />

hatte er dort für seine Enkelkinder kleine<br />

Cadbury Schokoladen-Bonbons versteckt. Er war<br />

immer für uns da, wenn wir Unterweisung und<br />

Hilfe brauchten; doch wir kannten und liebten ihn<br />

vor allem als Vater und Großvater.«<br />

Eine große Schwäche hatte er: Bücher. »Ob Ferien<br />

oder nicht«, so berichtete seine Frau, »Martyn<br />

braucht den Vormittag für sich – zum Lesen,<br />

34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


Gebet und Nachdenken.« Lloyd-Jones<br />

war zeit seines Lebens ein Leser.<br />

DAS ENDE EINES<br />

GROẞEN PREDIGERS<br />

Der <strong>Die</strong>nst und das Leben von D. Martyn<br />

Lloyd-Jones entsprach dem Vers,<br />

über den er seine erste Predigt im Jahre<br />

1927 in Aberavon hielt und der heute<br />

auf seinem Grabstein steht: »Denn ich<br />

hatte mir vorgenommen, unter euch nichts<br />

anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und<br />

zwar als Gekreuzigten« (1.Kor. 2,2). Martyn<br />

Lloyd-Jones blieb bis zu seinem Lebensende<br />

entschlossen, die Person und<br />

das Werk Jesu Christi zu verkünden<br />

und dieser Berufung treu zu bleiben bis<br />

zu seinem Tod.<br />

Seine letzte Predigt hielt er am 8. Juni 1980,<br />

und am 1. März 1981, im Alter von 81 Jahren, starb<br />

er friedlich im Schlaf und ging in die Herrlichkeit<br />

ein, um dem Gott zu begegnen, den Er liebte.<br />

D. Martyn Lloyd-Jones mit seiner Enkeltochter<br />

Es ist an der Zeit, dass treue Männer Gottes in aller<br />

Welt auf die Kanzeln treten und Gottes Wort<br />

predigen. <strong>Die</strong> Notwendigkeit danach war nie größer.<br />

In einem Zeitalter, wo die Gemeinden angespornt<br />

werden, sich dem Geist der Zeit zu ergeben<br />

und Unterhaltung zu nutzen, um die Menge anzulocken,<br />

muss die Wichtigkeit biblischen Predigens<br />

wieder zurückerobert werden, und zwar überall,<br />

wo das Volk Gottes zusammenkommt, um Ihn anzubeten.<br />

So wie in den Zeiten Lloyd-Jones‘, bleibt<br />

die Notwendigkeit für Prediger bestehen, das<br />

Wort in der <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes zu verkündigen,<br />

um die Herde Gottes zu versorgen und die<br />

Verlorenen zu evangelisieren.<br />

Möge Ihnen das Leben und der <strong>Die</strong>nst von David<br />

Martyn Lloyd-Jones als Motivation dienen, damit<br />

Sie sich selbst dem hingeben, wozu Gott Sie berufen<br />

hat.<br />

D. M. LLOYD-JONES „PRIVAT”<br />

Ein Familienporträt<br />

Christopher Catherwood hat Erinnerungen an die Schlüsselmomente<br />

im Leben seines Großvaters zusammengestellt. Seine<br />

Biografie vermittelt einen tiefen, warmherzigen Einblick<br />

in das Leben <strong>des</strong> »größten Bibellehrers« <strong>des</strong> 20. Jh.s. Auf der<br />

einen Seite zeigte er starke Emotionen und auf der anderen<br />

eine furchtlose diagnostische Vorgehensweise, um der Wahrheit<br />

auf den Grund zu gehen – ob es sich um lehrmäßige oder<br />

pastorale Themen handelte.<br />

12,50 € 4,90 € • Bestell-Nr.: 863.879 • www.voh-shop.de<br />

Quellen: The Passionate Preaching of Martyn Lloyd-Jones (Steven J. Lawson)<br />

voiceofhope.de | 35<br />

D.M. Lloyd-Jones »privat« (Christopher Catherwood); und weitere.


Bücher von<br />

D. Martyn Lloyd-Jones<br />

Bestellen Sie jetzt diese und weitere<br />

unter www.voh-shop.de oder 02265 99 749 22<br />

EINIG IN<br />

WAHRHEIT<br />

Der wahre Weg<br />

zur Einheit<br />

4,90 €<br />

Bestell-Nr.: 863.846<br />

GEISTLICHE<br />

KRISEN UND<br />

DEPRESSIONEN<br />

Ursachen und<br />

Überwindung<br />

14,00 €<br />

Bestell-Nr.: 894.212<br />

Studienreihe über biblische Lehren<br />

12,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.800<br />

13,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.801<br />

14,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.802<br />

14,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.803<br />

Predigtreihe über die Bergpredigt<br />

BAND 1<br />

Predigten über<br />

Matthäus 5,3-48<br />

14,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.804<br />

36 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20<br />

BAND 2<br />

Predigten über<br />

Matthäus 6 und 7<br />

14,50 €<br />

Bestell-Nr.: 863.805


Wer ist ein Prediger?<br />

D. MARTYN LLOYD-JONES<br />

In seinen Vorträgen über die Predigtvorbereitung<br />

spricht Martyn Lloyd-Jones von der<br />

überaus großen Bedeutung der Predigt und<br />

erklärt, dass sie der primäre Auftrag und die<br />

wichtigste Aufgabe der Gemeinde ist. Doch wer<br />

sollte predigen, und welche Anforderungen stellt<br />

das Wort Gottes an einen Prediger?<br />

WER SOLLTE PREDIGEN?<br />

Als erste Regel möchte ich betonen, dass ganz<br />

eindeutig nicht alle Christen predigen sollten, und<br />

dass nicht einmal alle christlichen Männer dies tun<br />

sollten, noch weniger die Frauen. Wir müssen darüber<br />

nachdenken, wer wirklich zum Predigen berufen<br />

ist. Seit mehr als hundert Jahren wurde die<br />

Sichtweise angenommen, dass das Predigen fast<br />

jedem Mann, der Christ geworden ist – und später<br />

auch den Frauen – erlaubt sei. Davor gab es<br />

eine solche Praxis relativ selten; aber inzwischen<br />

ist sie ganz üblich geworden. Es ist beachtenswert,<br />

dass diese Veränderung einmal mehr theologische<br />

Ursachen hatte. Es war der Wandel im<br />

letzten Jahrhundert von einer reformierten und<br />

bibeltreuen Haltung zu einer im Grunde arminianischen<br />

oder auch liberalen, welche die Zunahme<br />

der »Laienpredigt« verursachte. Mit Laienpredigt<br />

meine ich, dass fast jeder Mann die Kanzel<br />

betreten und lehren darf.<br />

Ich behaupte, dass dies eine unbiblische Sichtweise<br />

der Verkündigung ist. Es gibt sicher außergewöhnliche<br />

Umstände, wo dies notwendig sein mag;<br />

dann würde ich aber in Frage stellen wollen, ob es<br />

sich dabei dann tatsächlich um eine »Laienpredigt«<br />

handelt. Was ich mit außergewöhnlichen Umständen<br />

meine, ist, dass es sehr wohl der Fall sein kann,<br />

dass die Gemeinde nicht in der Lage sein mag, einen<br />

Prediger im vollzeitlichen <strong>Die</strong>nst, und zwar<br />

insbesondere im <strong>Die</strong>nst der Verkündigung, zu unterhalten.<br />

<strong>Die</strong> moderne Auffassung der Laienpredigt<br />

ist, dass dies die normale Praxis und nicht die<br />

Ausnahme sein sollte, und dass ein Prediger ein<br />

Mann sei, der seinen Lebensunterhalt in einem Beruf<br />

verdiene und quasi in seiner Freizeit predige.<br />

<strong>Die</strong> außergewöhnliche Position, die ich allerdings<br />

im Blickfeld habe, ist die eines Mannes, der<br />

sich zum <strong>Die</strong>nst berufen fühlt und der gern seine<br />

ganze Zeit damit verbringen würde, für den dies<br />

jedoch wegen der Umstände, die ich beschrieben<br />

habe, unmöglich ist. Er sehnt sich nach dem Tag,<br />

an dem die Gemeinde finanziell und in anderer<br />

Hinsicht stark genug sein wird, ihn zu unterhalten,<br />

so dass er seine ganze Zeit diesem <strong>Die</strong>nst widmen<br />

kann. Deshalb würde ich ihn streng genommen<br />

nicht einen Laienprediger nennen; er ist ein<br />

Mann, der im Augenblick seinen Lebensunterhalt<br />

zum Teil dadurch bestreiten muss, dass er irgendwo<br />

arbeitet, um sein Predigen zu ermöglichen.<br />

voiceofhope.de | 37


Nun geht es mir darum, die Auffassung zu untersuchen,<br />

dass jeder Mann, der ein Christ ist,<br />

predigen könne und predigen solle. Es gibt wohl<br />

Gruppierungen in der Christenheit, die dies ständig<br />

gelehrt haben. Es gab den Slogan: »Gebt dem<br />

Neubekehrten etwas zu tun; sendet ihn aus, um zu predigen<br />

und sein Zeugnis zu geben!«, usw. Es bestand diese<br />

Tendenz, Menschen regelrecht zum Predigen<br />

zu zwingen. Vieles davon kann dem Einfluss von<br />

Charles Finney und D.L. Moody zugeschrieben<br />

werden, die es für eine besonders gute Idee hielten,<br />

den Neubekehrten »etwas zu tun zu geben«.<br />

Aus welchem Grund stehen wir dieser Haltung<br />

zum Predigtdienst kritisch gegenüber? Ich denke,<br />

dass sie daraus entsprang, dass man keinen<br />

Unterschied machte zwischen der Aufforderung<br />

an jeden Christen, »bereit [zu sein] zur Verantwortung<br />

gegenüber jedermann, der Rechenschaft fordert<br />

über die Hoffnung, die in [ihm] ist«, wie Petrus es in 1.<br />

Petrus 3,15 formuliert, und dem missverstandenen<br />

Gedanken, dass jeder Christ das Evangelium<br />

verkündigen sollte. Gewiss sollte jeder Christ erklären<br />

können, warum er ein Christ ist; doch das<br />

bedeutet nicht, dass jeder Christ predigen sollte.<br />

<strong>Die</strong>ser Unterschied kommt auf überaus interessante<br />

Weise in Apostelgeschichte 8,4-5 zum<br />

Ausdruck. Dort erfahren wir im ersten Vers, dass<br />

eine große Verfolgung der Gemeinde in Jerusalem<br />

entstand, und dass außer den Aposteln alle Glieder<br />

der Gemeinde zerstreut wurden. Dann lesen<br />

wir in den Versen 4 und 5: »<strong>Die</strong> Zerstreuten nun gingen<br />

umher und verkündigten das Wort. Philippus aber<br />

ging hinab in eine Stadt Samarias und predigte ihnen<br />

den Christus« (ELB). Manche Übersetzungen haben<br />

in beiden Fällen das Wort »verkündigen« benutzt.<br />

Im Grundtext jedoch wurde nicht in beiden<br />

Versen dasselbe Wort verwendet, und das ist der<br />

entscheidende Unterschied. Was »die Zerstreuten«<br />

taten, kann man, wie jemand vorschlug, mit »besprachen<br />

das Wort«, redeten miteinander darüber,<br />

übersetzen. Philippus dagegen tat etwas anderes:<br />

Er »predigte ihnen den Christus«. Es ist wichtig, dass<br />

ein solcher Unterschied im vorliegenden Text gemacht<br />

werden sollte.<br />

Unser Standpunkt ist also, dass jeder Christ<br />

fähig sein sollte, das zu tun, was im vierten Vers<br />

angedeutet wird, dass aber nur einzelne berufen<br />

sind, das zu tun, was im fünften Vers beschrieben<br />

wird. Im Neuen Testament wird dieser Unterschied<br />

ganz deutlich gemacht; daraus geht hervor,<br />

dass nur bestimmte Leute dazu ausgesondert und<br />

berufen sind, in der Gemeinde die Botschaft zu<br />

predigen. Das ist nämlich den Ältesten vorbehalten,<br />

und auch nur einigen von ihnen, nämlich den<br />

lehrenden Ältesten – den Ältesten, die die Gabe <strong>des</strong><br />

Lehrens empfangen haben, d. h. den Pastoren und<br />

den Lehrern (1.Tim. 5,17). Es ist deutlich, dass das<br />

Predigen im Neuen Testament auf die Apostel, die<br />

Propheten, die Evangelisten und jene anderen erwähnten<br />

Personen beschränkt war (Eph. 4,11-12).<br />

Warum ist dies meines Erachtens so wichtig?<br />

Was ist letztlich die Kritik an der so genannten<br />

»Laienpredigt«? <strong>Die</strong> Antwort läuft darauf hinaus,<br />

dass dabei von einer »Berufung« überhaupt nicht<br />

die Rede zu sein scheint. Es gibt auch noch andere<br />

Gründe, die meiner Beurteilung nach gegen diese<br />

Idee zu sprechen scheinen. Mein Hauptargument<br />

ist, dass ein Prediger nicht lediglich ein Mann ist,<br />

der dazu berufen wurde, sondern <strong>des</strong>sen ganze<br />

Zeit davon beansprucht ist.<br />

Das Predigeramt ist nicht etwas, das man sozusagen<br />

nebenbei ausüben kann. Das ist ein verkehrter<br />

Ansatz und dazu eine falsche Haltung.<br />

Wir wollen dies zunächst im Sinne dieser Frage<br />

der Berufung betrachten.<br />

WAS IST DER PREDIGER?<br />

Nun, offensichtlich ist der Prediger ein Christ wie<br />

jeder andere Christ. Das ist grundlegend und absolut<br />

unerlässlich. Doch er ist noch etwas mehr;<br />

und gerade hier stellt sich die Frage nach einer<br />

Berufung. Ein Prediger ist nicht jemand, der sich<br />

einfach dazu entscheidet, zu predigen; und genauso<br />

wenig, wie er sich dazu entscheidet, zu predigen,<br />

entscheidet er sich, den Predigtdienst als<br />

seine Berufung anzunehmen.<br />

Ich brauche kaum zu sagen, dass eine solche<br />

Meinung völlig falsch ist und dem Bild, das man in<br />

der Bibel erkennt und auch in den Biografien der<br />

großen Prediger über die Jahrhunderte hinweg<br />

sieht, völlig widerspricht.<br />

<strong>Die</strong> Antwort auf diese falsche Auffassung ist,<br />

dass das Predigtamt niemals etwas ist, das ein Mensch<br />

selbst auszuüben beschließt. Vielmehr geschieht es,<br />

dass er sich seiner »Berufung« bewusst wird. <strong>Die</strong><br />

ganze Frage der Berufung ist keine leichte Angelegenheit,<br />

und alle <strong>Die</strong>ner <strong>des</strong> Wortes haben mit ihr<br />

gerungen, weil sie für uns von so entscheidender<br />

Bedeutung ist.<br />

38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


DIE BERUFUNG ZUM PREDIGER<br />

»Bin ich zum Prediger berufen oder nicht?<br />

Wie kann ich das wissen?«<br />

Ich möchte nahelegen, dass es dafür gewisse Kriterien<br />

gibt. Eine Berufung vollzieht sich meistens in<br />

Form eines Bewusstseins im eigenen Geist. Es beginnt<br />

mit einem Sich-Bewusstwerden, einer Art innerem<br />

Druck, der auf Ihrem Geist lastet, einer Unruhe in<br />

Ihrem Geist, und dann bemerken Sie, dass Ihre Gedanken<br />

ganz auf die Frage <strong>des</strong> Predigens gerichtet werden.<br />

Es ist nicht so, dass Sie es bewusst geplant und sich<br />

dann nach einer Weile <strong>des</strong> Nachsinnens dazu entschieden<br />

hätten, dieses Amt anzunehmen. Es ist<br />

statt<strong>des</strong>sen etwas, das mit Ihnen geschieht; Gott<br />

handelt dabei durch Seinen Heiligen Geist an Ihnen.<br />

Sie werden sich der Berufung bewusst, ohne<br />

überhaupt etwas diesbezüglich unternommen zu<br />

haben. Sie werden innerlich dazu gedrängt. Auf<br />

diese Weise wird Ihnen die Berufung ständig vor<br />

Augen geführt.<br />

Aber manchmal wird das Bewusstwerden dieser<br />

Berufung durch andere geweckt; oder eventuell<br />

wird das, was im Bereich <strong>des</strong> Geistes geschieht,<br />

durch andere bestätigt, die vielleicht mit Ihnen<br />

reden und Ihnen Fragen stellen. Auf diese Weise<br />

sind sehr oft Männer zu Predigern berufen worden.<br />

In vielen Biographien werden Sie lesen, dass<br />

ein junger Mann, der nie ans Predigen gedacht<br />

hatte, von einem Ältesten oder einem anderen<br />

geistlichen Mitbruder aus der Gemeinde angesprochen<br />

wurde, der ihm die Frage stellte: »Meinst<br />

du nicht, dass du vielleicht zum Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />

berufen bist?« Der Fragesteller gibt dann seine<br />

Gründe für diese Annahme an. Er hat Sie beobachtet<br />

und sah sich dazu geführt, Sie darauf anzusprechen.<br />

Er ist vielleicht das Werkzeug zu diesem<br />

ersten Schritt. Meine Erfahrung ist, dass diese<br />

beiden Dinge meistens miteinander einhergehen.<br />

Dann entwickelt sich dies weiter und führt zu<br />

einer Sorge um andere. <strong>Die</strong>s stelle ich der nur allzu<br />

gängigen Vorstellung gegenüber, dass man in<br />

den <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Wortes einfach so eintreten könne,<br />

als ob man einen Beruf oder »eine Berufung« aufnähme.<br />

Zur wahren Berufung gehört immer eine Sorge<br />

um andere, ein Interesse an ihnen, ein Erkennen ihres<br />

verlorenen Zustan<strong>des</strong> und ein Verlangen, etwas für sie zu<br />

tun, ihnen die Botschaft mitzuteilen und sie auf den Weg<br />

<strong>des</strong> Heils hinzuweisen. <strong>Die</strong>s ist ein unerlässlicher Bestandteil<br />

der Berufung; und dies ist insbesondere<br />

ein passender Prüfstein, anhand <strong>des</strong>sen wir uns<br />

selbst prüfen können.<br />

Es geschieht oft, dass junge Männer, die einem<br />

großen Prediger zuhören, von seiner Persönlichkeit<br />

oder von seiner Redegewandtheit<br />

ergriffen sind. Sie sind von ihm bewegt worden,<br />

und unbewusst beginnen sie, den Wunsch zu hegen,<br />

ihn nachzuahmen und das zu tun, was er tut.<br />

Das kann einerseits richtig, manchmal aber auch<br />

ganz verkehrt sein. Sie könnten lediglich von dem<br />

Glanz seiner Verkündigung fasziniert und von der<br />

Idee angezogen sein, ein großes Publikum anzusprechen<br />

und diese Menschen zu beeinflussen.<br />

Alle möglichen verkehrten und falschen Motive<br />

können sich einschleichen. Man kann sich vor<br />

solch einer Gefahr schützen, indem man sich die<br />

Frage stellt: Warum möchte ich dies tun? Warum<br />

kümmere ich mich darum? Und wenn man keine<br />

echte Sorge um andere und ihre Stellung und ihren<br />

Zustand hat und nicht das Verlangen bei sich<br />

entdecken kann, ihnen zu helfen, ist es völlig berechtigt,<br />

seine eigenen Motive zu hinterfragen.<br />

Aber wir müssen noch auf etwas Tiefliegenderes<br />

zu sprechen kommen: Man muss sich auch<br />

dazu gedrungen fühlen. Das ist sicher die Feuerprobe.<br />

Es bedeutet, dass Sie das Gefühl haben, einfach nichts<br />

anderes tun zu können. Es war Charles H. Spurgeon,<br />

der, wie ich meine, zu jungen Männern zu sagen<br />

pflegte: »Wenn ihr irgendetwas anderes tun könnt, dann<br />

tut das. Wenn ihr außerhalb <strong>des</strong> Amtes bleiben könnt,<br />

dann bleibt außerhalb davon.« Das würde ich sicherlich<br />

ohne jede Einschränkung auch sagen. Ich<br />

würde sagen, dass der Einzige, der zum Predigen<br />

berufen ist, jener Mann ist, der nichts anderes tun<br />

kann – in dem Sinne, dass er mit nichts anderem<br />

zufrieden ist. <strong>Die</strong>se Berufung zum Predigen ist<br />

ihm so auferlegt und übt einen solchen Druck auf<br />

ihn aus, dass er sagt: »Ich kann nichts anderes tun; ich<br />

muss einfach predigen.«<br />

Oder lassen Sie es mich so formulieren – und<br />

ich spreche hier aus persönlicher Erfahrung: Sie<br />

sind sich der Berufung sicher, wenn Sie unfähig<br />

sind, sie zurückzudrängen und ihr zu widerstehen.<br />

Sie versuchen Ihr Äußerstes, um dies zu<br />

tun. Sie sagen: »Nein, ich werde mit dem, was ich tue,<br />

fortfahren; ich bin fähig, dies zu tun, und es ist eine gute<br />

Arbeit.« Sie versuchen Ihr Äußerstes, um diese Unruhe,<br />

die auf unterschiedliche Weise von Ihrem<br />

Geist Besitz zu ergreifen sucht, zurückzudrängen,<br />

und schließlich erreichen Sie einen Punkt, an dem<br />

voiceofhope.de | 39


Sie es nicht mehr aushalten. Es wird Ihnen zu einer<br />

Leidenschaft, die so überwältigend ist, dass<br />

Sie am Ende sagen: »Ich kann nichts anderes tun, ich<br />

kann nicht länger widerstehen.«<br />

Das ist, so wie ich es verstehe, mit einer Berufung<br />

zum Predigtamt gemeint. Aber wir wollen<br />

diese noch weiter an etwas untersuchen, das<br />

genauso wichtig ist. Ich habe bereits darauf hingewiesen,<br />

und was ich meine, ist, dass in Ihnen<br />

ein Empfinden Ihrer Schüchternheit, Ihrer eigenen Unwürdigkeit<br />

und ein Empfinden Ihrer Unzulänglichkeit<br />

vorhanden sein sollte. Man kann nirgends bessere<br />

Ausdrücke finden als die, welche Paulus in 1. Korinther<br />

2,3 nennt: »Schwachheit«, »viel Furcht und<br />

Zittern«. Denselben Gedanken wiederholt er in 2.<br />

Korinther 2,16 mit der Frage: »Und wer ist hierzu<br />

tüchtig?« <strong>Die</strong> Lehre <strong>des</strong> Paulus über die Berufung<br />

Gottes zu diesem besonderen Werk führt ganz<br />

unweigerlich zu dieser Frage. Er formuliert es so:<br />

»Gott aber sei Dank, der uns allezeit in Christus<br />

triumphieren lässt und den Geruch Seiner Erkenntnis<br />

durch uns an jedem Ort offenbar macht! Denn wir sind<br />

für Gott ein Wohlgeruch <strong>des</strong> Christus unter denen, die<br />

gerettet werden, und unter denen, die verlorengehen; den<br />

einen ein Geruch <strong>des</strong> To<strong>des</strong> zum Tode, den anderen aber<br />

ein Geruch <strong>des</strong> Lebens zum Leben. Und wer ist hierzu<br />

tüchtig?« (2.Kor. 2,14-16)<br />

Wenn wir begreifen, dass diese Geisteshaltung<br />

in der Predigt vorhanden sein sollte, dann<br />

muss sich ein Mann zwangsläufig unwürdig und<br />

unzulänglich fühlen. Er ist also nicht nur zögerlich,<br />

sondern er hinterfragt und untersucht auch<br />

seine Empfindungen; er nimmt sie sehr sorgfältig<br />

unter die Lupe; er tut sein Äußerstes, um den inneren<br />

Drang zum Predigen zurückzudrängen.<br />

<strong>Die</strong>s alles betone ich, weil in unserer Zeit kaum<br />

noch darüber gesprochen wird. Es ist auch mein<br />

letztes Argument gegen die Idee der Laienpredigt.<br />

Nehmen Sie solch einen Mann, der sich selbst zum<br />

Predigen aufstellt und nicht zögert, auf eine Kanzel<br />

zu steigen und zu predigen, und der behauptet,<br />

dass er dies quasi nebenbei »in seiner Freizeit« tun<br />

könne. Was weiß er von Schwachheit, viel Furcht und<br />

Zittern? Es ist leider genau das Gegenteil der Fall;<br />

er ist in seinem Selbstvertrauen überaus kritisch<br />

und sogar verächtlich gegenüber anderen Predigern<br />

eingestellt, die in Schwachheit, viel Furcht und<br />

Zittern predigen. Obwohl diese Prediger nichts anderes<br />

zu tun haben, sind sie seiner Meinung nach<br />

elende Versager; aber er kann praktisch nebenbei<br />

predigen! Genau das widerspricht völlig dem, was<br />

wir bei dem großen Apostel sehen und was auch bei<br />

den größten Predigern der Kirchengeschichte in<br />

allen darauffolgenden Jahrhunderten der Fall war.<br />

Tatsächlich scheint es allgemein der Fall zu<br />

sein, dass ein Prediger, je größer er war, um so<br />

zögerlicher damit umging, selbst zu predigen.<br />

Oftmals mussten solche Männer von <strong>Die</strong>nern <strong>des</strong><br />

Wortes, Ältesten und anderen erst dazu gedrängt<br />

werden, weil sie nämlich so sehr vor der großen<br />

Verantwortung zurückschreckten. <strong>Die</strong>s traf bei<br />

George Whitefield zu, einem der größten Prediger,<br />

der jemals eine Kanzel geziert hat; und genau so<br />

traf es bei anderen zu. Mein Argument ist daher,<br />

dass ein Mann, der meint, er sei kompetent und<br />

könne dies mühelos tun, und der so ohne je<strong>des</strong><br />

Empfinden von Furcht und Zittern oder ohne je<strong>des</strong><br />

Zögern auf die Kanzel eilt, eigentlich jemand<br />

ist, der lauthals verkündigt, dass er nie zum Prediger<br />

berufen worden ist. Ein Mann, der von Gott<br />

dazu berufen worden ist, ist jemand, der erkennt,<br />

wozu er berufen worden ist. So erkennt er, dass<br />

das Predigen die größte Verantwortlichkeit in der<br />

Gemeinde mit sich bringt, und er schreckt <strong>des</strong>halb<br />

davor zurück. Nichts Geringeres als dieses überwältigende<br />

Empfinden, berufen worden zu sein,<br />

und der auferlegte innere Zwang sollte einen Menschen<br />

überhaupt zum Predigen veranlassen.<br />

Auszüge aus dem Buch:<br />

<strong>Die</strong> Predigt und der Prediger<br />

Basierend auf einer Reihe von Vorträgen, die Lloyd-Jones 1969 vor vielen<br />

Predigern hielt, ist diese Sammlung über das Wesen <strong>des</strong> kraftvollen Predigens<br />

zu einem Klassiker geworden. Lloyd-Jones verteidigt den Vorrang<br />

<strong>des</strong> Predigens und zeigt, dass es keinen Ersatz dafür gibt. Er fordert die<br />

Prediger auf, ihre Berufung ernst zu nehmen: »Das dringendste Bedürfnis<br />

in der christlichen Gemeinde von heute ist biblisches Predigen.«<br />

www.voh-shop.de | 14,50 € | Bestell-Nr.: 863.847 | 3L-Verlag


D. Martyn Lloyd-Jones<br />

DIE HOFFNUNG<br />

der Christen<br />

»Christen sterben anders«, pflegte Dr. Lloyd-Jones häufig zu sagen – eine<br />

Wahrheit, die auch auf seinen eigenen Tod im Jahre 1981 zutraf. Als hätte er es<br />

vorher gewusst, sagte er noch kurz zuvor einen Termin für den Tag vor seinem<br />

Tod ab, und auf einer der letzten Notizen an seine Familie war zu lesen: »Betet<br />

nicht mehr für meine Heilung. Ich sehne mich nach der Herrlichkeit!«<br />

Seine irdische Zeit war abgelaufen, sein <strong>Die</strong>nst beendet und erfüllt,<br />

und er erkannte dies sehr klar. Nun hatte er nur noch einen Wunsch: nach<br />

Hause zu kommen – »heimzugehen« zu seinem Herrn, heim in die »ewige<br />

Wohnung«, die Er für ihn bereitet hatte. D. Martyn Lloyd-Jones starb im<br />

Alter von 81 Jahren an einem Sonntag – symbolisch »am Tag <strong>des</strong> Herrn«.<br />

voiceofhope.de | 41


<strong>Die</strong>se Predigt ist ein Ausschnitt aus<br />

einer Auslegung von ihm über Johannes 17,24.<br />

»Vater, Ich will, dass, wo Ich bin, auch die bei Mir seien,<br />

die Du Mir gegeben hast, damit sie Meine Herrlichkeit<br />

sehen, die Du Mir gegeben hast; denn Du hast Mich<br />

geliebt vor Grundlegung der Welt.«<br />

JESU LETZTE BITTE<br />

In diesem Vers geht es um die letzte Bitte unseres<br />

Herrn und Heilan<strong>des</strong>. Es handelt sich dabei um<br />

ein Fürbittegebet Jesu für Seine Jünger – und nicht<br />

nur für Seine Jünger, sondern für alle, die Ihm<br />

nachfolgen. Es ist die allerletzte Seiner Bitten; es<br />

sind die Worte, mit denen Er das Hohepriesterliche<br />

Gebet in Johannes 17 beendet. Es folgen dann<br />

nur noch zwei weitere Verse, in denen Er Seinen<br />

Vater daran erinnert, wie es um »Sein Eigentum«<br />

bestellt ist, also, was die Menschen auszeichnet,<br />

die an Ihn glauben und Ihm nachfolgen: »Gerechter<br />

Vater«, so sagt Er, »die Welt erkennt Dich nicht; Ich aber<br />

erkenne Dich, und diese erkennen, dass Du Mich gesandt<br />

hast. Und Ich habe ihnen Deinen Namen verkündet und<br />

werde ihn verkünden, damit die Liebe, mit der Du Mich<br />

liebst, in ihnen sei und Ich in ihnen« (Joh. 17,25-26).<br />

ERKENNEN, WER WIR SIND<br />

So wollen wir nun unser Augenmerk auf den 24.<br />

Vers richten. Was mir zu allererst auffällt, ist die<br />

Tatsache, dass eines der größten Probleme für uns<br />

– und wenn ich »uns« sage, meine ich »Christen«,<br />

das heißt Menschen, die an Christus glauben – darin<br />

besteht, dass wir die Wahrheit über uns selbst<br />

oft nicht erkennen. Es gibt im Leben eines Christen<br />

eine ganze Menge Probleme; aber ich gewinne<br />

mehr und mehr den Eindruck, dass die meisten<br />

davon, wenn nicht sogar alle, dadurch entstehen,<br />

dass wir nicht begreifen, wer wir eigentlich<br />

sind. Wie oft erkennen wir nicht, wie es um uns<br />

bestellt ist, und wie oft begreifen wir nicht den<br />

Wert all der Wahrheiten, die auf uns zutreffen,<br />

so wie es Christus Selbst zum Ausdruck gebracht<br />

hat! Denken Sie doch nur einmal darüber nach,<br />

wie viele herrliche Wahrheiten es in der Heiligen<br />

Schrift gibt! Es sind uns, wie es der Apostel Petrus<br />

ausdrückt, »die überaus großen und kostbaren Verheißungen<br />

gegeben« (2.Pt. 1,4) worden; doch wie oft geschieht<br />

es, dass wir diese Verheißungen nicht erkennen<br />

und nicht in Anspruch nehmen!<br />

Je älter ich werde, <strong>des</strong>to gewisser bin ich mir,<br />

dass viele unserer Probleme darauf zurückzuführen<br />

sind, dass wir die Schrift nicht in rechter Weise<br />

lesen und zu Herzen nehmen. Wir denken nicht<br />

genug über die Verheißungen nach, wir »bewegen<br />

sie nicht in unserem Herzen«, und dabei sind es<br />

doch Verheißungen, die uns gelten – uns ganz persönlich!<br />

Doch wir lesen sie nur und beziehen sie<br />

nicht auf unser Leben. Was meinen Sie, wie sehr<br />

sich unser Leben auf geradezu revolutionäre Weise<br />

verändern würde, wenn wir das täten!<br />

DIE FREUDE IM LEBEN<br />

DER CHRISTEN<br />

Wenn wir das Neue Testament lesen, können<br />

wir eigentlich gar nicht daran vorbeisehen, dass<br />

Christen Menschen sein sollten, die Freude ausstrahlen.<br />

Wie oft spricht die Schrift von dieser<br />

Geisteshaltung <strong>des</strong> »Sich-Freuens«! Eines der<br />

letzten Worte unseres Herrn lautete: »So habt auch<br />

ihr nun Traurigkeit; Ich werde euch aber wiedersehen, und<br />

dann wird euer Herz sich freuen, und niemand soll eure<br />

Freude von euch nehmen« (Joh. 16,22). Doch die meisten<br />

von uns sind weit entfernt von einer solchen<br />

Erfahrung. Wer könnte denn schon allen Ernstes<br />

von sich behaupten, dass er sich »mit unaussprechlicher<br />

und herrlicher Freude« (1.Pt. 1,8) über seinen<br />

Herrn freut? Doch genau das ist es, was die Bibel<br />

uns aufträgt! »Freut euch im Herrn allezeit; abermals<br />

sage ich: Freut euch!« (Phil. 4,4). Manchmal frage ich<br />

mich, ob Gott uns am Jüngsten Tag nicht einmal<br />

fragen wird, warum wir eigentlich so traurig und<br />

42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


edrückt dahingelebt haben, warum wir anderen<br />

Menschen den Eindruck vermittelt haben, dass<br />

das Christenleben etwas Mühsames, Langweiliges<br />

und furchtbar Anstrengen<strong>des</strong> sei. Man hat nicht<br />

selten den Eindruck, dass es den Menschen, die<br />

mit dem Christentum nichts zu tun haben wollen,<br />

weit besser geht als uns Christen. Nicht-Christen<br />

machen doch oft einen sehr glücklichen und zufriedenen<br />

Eindruck, oder nicht? Natürlich wissen<br />

wir, dass dies nur Schein ist, dass diese Menschen<br />

auf lange Sicht nicht wirklich glücklich sein und<br />

bleiben werden; aber, wie gesagt, wenn man nur<br />

nach dem äußeren Anschein urteilt, entsteht doch<br />

oft dieser Eindruck. Warum ist es bei den Christen<br />

oft so anders? <strong>Die</strong> Antwort auf diese Frage lautet:<br />

Weil wir nicht begriffen haben, wer wir sind; weil<br />

wir nicht verstanden haben, was das Neue Testament<br />

über uns aussagt.<br />

Aus diesem Grund befassen wir uns ja mit dem<br />

17. Kapitel <strong>des</strong> Johannesevangeliums: um zu erkennen,<br />

wer wir Christen in Wahrheit sind. Und<br />

mit dieser letzten Bitte unseres Herrn sind wir<br />

nun beim Höhepunkt <strong>des</strong> ganzen Kapitels angelangt.<br />

Jesus betet: »Vater, Ich will, dass, wo Ich bin,<br />

auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, damit sie<br />

Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast; denn<br />

Du hast Mich geliebt vor Grundlegung der Welt« (Joh.<br />

17,24). Jesus tritt hier Seinen letzten Weg an, denn<br />

bald muss Er die Seinen verlassen. Er wird grausam<br />

gequält werden, wird am Kreuz sterben und<br />

schließlich am dritten Tag wieder auferstehen und<br />

danach in den Himmel auffahren. Und das, was<br />

Ihm in diesen letzten Stunden am Herzen liegt,<br />

ist das Wohlergehen Seiner Jünger. Wir sehen es<br />

daran, dass Er für sie betet, und es lohnt sich, darüber<br />

nachzudenken, was Er in diesem Gebet zum<br />

Ausdruck bringt.<br />

1. WER IST ES,<br />

DER FÜR UNS BETET?<br />

Zunächst wollen wir unseren Blick auf Denjenigen<br />

richten, der hier für uns betet. Das ist sehr<br />

wichtig, denn sonst werden wir all das, was anschließend<br />

noch kommt, nicht verstehen. Nun,<br />

die Worte, die Jesus hier benutzt, sprechen eine<br />

deutliche Sprache. Er redet den ewigen, allmächtigen<br />

Gott mit »Vater« an, und diese Anrede zeigt,<br />

in welchem Verhältnis Er zu Ihm steht. Der erste<br />

Satz Seines Gebetes lautet: »Vater, die Stunde ist<br />

gekommen; verherrliche Deinen Sohn, damit auch Dein<br />

Sohn Dich verherrliche« (Joh. 17,1). Derjenige, der zu<br />

Gott »Vater« sagt, ist kein geringerer als der Sohn<br />

Gottes Selbst.<br />

Auch das nächste Wort <strong>des</strong> 24. Verses ist von<br />

Bedeutung: »Vater«, so sagt Er, »Ich will ...« – Eine<br />

sehr interessante Aussage, dieses »Ich will!«. Jesus<br />

sagt nicht: »Ich möchte« oder: »Ich wünsche<br />

Mir« (obwohl manche Übersetzungen es unglücklicherweise<br />

so ausdrücken); nein, Er benutzt ein<br />

sehr viel stärkeres Wort: Er sagt: »Ich will ...«, und<br />

wir sollten dieses »Wollen« auch so stehenlassen.<br />

Mit anderen Worten: Es gibt jemanden, der in die<br />

Gegenwart <strong>des</strong> Allmächtigen treten und zu Ihm<br />

sagen darf: »Vater, Ich will, dass, wo Ich bin, auch<br />

die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast« – ein Satz,<br />

der so nur gesprochen werden kann, weil hier die<br />

Gleichheit von Gott-Vater und Gott-Sohn vorausgesetzt<br />

wird; denn wer sonst als der Sohn dürfte<br />

es wagen, zum Allmächtigen »Ich will« zu sagen?<br />

Ebenso wichtig sind die Worte »vor Grundlegung<br />

der Welt«. Sie sagen etwas ganz Ähnliches aus. »Du<br />

hast Mich geliebt vor Grundlegung der Welt.« Jesus wiederholt<br />

damit etwas, was Er bereits zuvor in Vers<br />

5 gesagt hat: »Und nun verherrliche Du Mich, Vater, bei<br />

Dir Selbst mit der Herrlichkeit, die Ich bei Dir hatte, ehe<br />

die Welt war« (Joh. 17,5). Obwohl wir nun nicht bis<br />

in alle Einzelheiten über diesen Vers nachdenken<br />

wollen, ist dennoch ein Verständnis dieser Aussage<br />

sehr wichtig. Sie ist nämlich die Voraussetzung<br />

für das Verständnis <strong>des</strong>sen, was noch folgt.<br />

Jesus betet für uns. Er betet für uns, die wir heute<br />

leben, denn Er sagt ja: »Ich bitte aber nicht für diese<br />

allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an<br />

Mich glauben werden« (V. 20). Das heißt: Jesus betet<br />

für die Christen aller Zeiten und allerorts; und<br />

derjenige, der für uns betet, ist kein geringerer<br />

als der ewig lebende Sohn Gottes. Dadurch erhält<br />

unser Christsein seine Grundlage und seine Absicherung:<br />

Wir sind heute Christen, weil Er aus der<br />

Ewigkeit in die Zeit hereinkam, weil Er Mensch<br />

wurde und auf Erden lebte, »in der gleichen Gestalt<br />

wie das Fleisch der Sünde« (Röm. 8,3), und weil Er all<br />

das vollbrachte, worüber die Evangelien berichten.<br />

Ein Christ – so könnte man <strong>des</strong>halb definieren<br />

– ist jemand, für den Christus, der Sohn <strong>des</strong><br />

allmächtigen Gottes, gebetet hat und heute noch<br />

betet (vgl. Hebr. 7,25).<br />

voiceofhope.de | 43


Was fällt weiterhin auf an diesem Vers? Ist es<br />

nicht das, dass Christus sich um uns sorgt? Ach,<br />

würden wir uns diese Tatsache doch öfters vor<br />

Augen halten – vor allem in den Zeiten, in denen<br />

uns der Teufel in Versuchung führt und wir mit<br />

Anfechtung oder Sünde zu kämpfen haben. Wie<br />

oft geschieht es, wenn mancherlei Probleme uns<br />

überrollen – Probleme mit uns selbst oder mit<br />

anderen Menschen –, dass wir uns alleingelassen<br />

fühlen und denken: »Es ist doch niemand bei mir;<br />

keiner versteht mich!« Aber ein solches Denken<br />

entspricht nicht der Wahrheit! Jesus Christus,<br />

der Sohn Gottes, denkt an uns! Er, der den Kreuzestod<br />

vor Augen hatte und ganz genau wusste,<br />

was Ihm bevorstand, sorgt sich in diesen letzten<br />

Stunden um Seine Jünger und um uns. Eigentlich<br />

würde man von jemandem, dem etwas so Grausames<br />

bevorsteht, doch erwarten, dass er nur noch<br />

an sich selbst denkt, und vor allem auch nur noch<br />

für sich selbst betet. Doch wenn Sie sich das ganze<br />

Gebet <strong>des</strong> Herrn ansehen, werden Sie feststellen,<br />

dass Christus lediglich in den ersten fünf Versen<br />

an sich denkt; der gesamte Rest ist der Fürbitte für<br />

Seine Jünger gewidmet. Es ist sehr wichtig, dass<br />

wir das erkennen; wir müssen begreifen, dass der<br />

Sohn <strong>des</strong> allmächtigen Gottes für uns gebetet hat,<br />

und dass Er jetzt, in diesem Augenblick, da Er zur<br />

Rechten <strong>des</strong> Vaters sitzt, noch immer für uns betet<br />

(vgl. Hebr. 7,25).<br />

2. WIE SIEHT UNS DER HERR?<br />

Was sagt nun der Sohn Gottes über uns? Es geht<br />

jetzt, nachdem wir uns eingangs mit der Wahrheit<br />

über Christus beschäftigt haben, im zweiten<br />

Punkt darum, herauszufinden, wie die Wahrheit<br />

über uns selbst aussieht – über die Menschen, für<br />

die Er betet.<br />

Wer sind wir? Wir finden die Antwort auf diese<br />

Frage in einer der Aussagen, die Jesus in Seinem<br />

Hohepriesterlichen Gebet mehrmals wiederholt.<br />

Dort bezeichnet Er die Christen als »die, die<br />

Du Mir gegeben hast«. – »Vater«, so sagt Er, »Ich will,<br />

dass, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben<br />

hast« (V. 24). Christen sind also Menschen, die<br />

Gott der Vater Seinem Sohn gegeben hat. Sehen<br />

wir uns in diesem Zusammenhang noch einmal<br />

Vers 6 an: »Sie waren Dein, und Du hast sie Mir gegeben,<br />

und sie haben Dein Wort bewahrt.« Ich kann mir keine<br />

tröstlichere Aussage als diese vorstellen! Ich bin<br />

Christ, weil ich zu den Auserwählten Gottes gehöre!<br />

So sagt es die Heilige Schrift, die uns die Lehre<br />

von der Erwählung nicht nur an dieser, sondern<br />

auch noch an vielen anderen Stellen vor Augen<br />

führt. Siebenmal betont unser Herr in Seinem Gebet<br />

diese Tatsache: <strong>Die</strong> Menschen, für die Er mit<br />

Seiner Fürbitte einsteht, sind Menschen, die Gott<br />

vor Grundlegung der Welt erwählt hat und die Er<br />

Ihm, dem Sohn, gegeben hat. Können Sie sich etwas<br />

Schöneres und Tröstlicheres vorstellen?<br />

Gott kümmert sich in wunderbarer Weise um<br />

Seine Kinder! Er kannte sie, lange bevor sie geboren<br />

wurden. Bevor Er die Welt und den ersten<br />

Menschen erschuf, hat Er schon an Sein Eigentum<br />

gedacht. Vor Anbeginn der Zeiten vertraute<br />

Er diese Menschen Seinem Sohn an. Es muss zu<br />

diesem Zweck so etwas wie eine Konferenz der<br />

Dreieinigkeit im Himmel gegeben haben: einen<br />

ganz bestimmten Zeitpunkt, an dem Gott der Vater<br />

Seinem Sohn diese Menschen, die erst noch<br />

geboren werden sollten, übergab und Ihn dann<br />

für Seine irdische Mission beauftragte, damit Er<br />

sie erlöste und auf die ewige Gemeinschaft mit<br />

Gott vorbereitete. Das ist es, worum es im christlichen<br />

Glauben geht. <strong>Die</strong>s ist der Grund, warum der<br />

Sohn Gottes in die Welt kam: <strong>Die</strong> Menschen waren<br />

in Sünde gefallen, hatten sich von Gott abgewandt<br />

und standen nun außerhalb Seiner Liebe und Fürsorge.<br />

Doch Er schickt Seinen Sohn in die Welt mit<br />

dem Auftrag, für diese Menschen aktiv zu werden,<br />

die Er Ihm anvertraut hat; und alles, was der Sohn<br />

für diese Gruppe von Menschen tat, tat Er auch<br />

für uns. <strong>Die</strong>s war der Zweck, zu dem Sein Vater<br />

Ihn auf die Erde sandte, wie es unser Herr Selbst<br />

gesagt hat: »gleichwie Du Ihm Vollmacht gegeben hast<br />

über alles Fleisch, damit Er allen ewiges Leben gebe,<br />

die Du Ihm gegeben hast« (V. 2). Und nun, am Ende<br />

Seines irdischen Daseins, tritt Er wieder vor den<br />

Vater und sagt zu Ihm: »Ich habe Dich verherrlicht auf<br />

Erden; Ich habe das Werk vollendet, das Du Mir gegeben<br />

hast, damit Ich es tun soll« (V. 4).<br />

Wenn Sie von sich sagen können, dass Sie ein<br />

Christ sind, dann dürfen Sie sich über die Gewissheit<br />

freuen: »All das trifft auch auf mich zu!«<br />

Seit ewigen Zeiten hat Gott an Sie gedacht,<br />

denn Er sorgt sich um Seine Kinder. Sie sind Ihm<br />

so viel wert, dass Er Seinen Sohn zu ihnen schickte.<br />

Jesus verließ die Herrlichkeit <strong>des</strong> Vaters, lebte<br />

auf dieser Erde und starb einen grausamen Tod<br />

am Kreuz. Warum? Damit wir, Seine Kinder, neu-<br />

44 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20


es Leben erhielten, eine neue Natur – ein Wesen,<br />

das es uns ermöglicht, einst ohne Schuld vor Ihm<br />

zu erscheinen, um dann bis in alle Ewigkeit in<br />

Seiner Gegenwart zu leben. »<strong>Die</strong>, die Du Mir gegeben<br />

hast ...« <strong>Die</strong>se Menschen, die Ihm der Vater gegeben<br />

hat, gehören in gewisser Weise nicht mehr<br />

zur Welt. Jesus spricht von einem Gegensatz zwischen<br />

der Welt einerseits und Seinem Volk andererseits.<br />

Auch dieser Gedanke zieht sich durch das<br />

gesamte Hohepriesterliche Gebet: »Ich bitte für sie;<br />

nicht für die Welt bitte Ich, sondern für die, welche Du<br />

Mir gegeben hast, weil sie Dein sind« (V. 9), und Er<br />

fährt dann im 25. Vers fort: »Gerechter Vater, die Welt<br />

erkennt Dich nicht ...« – Jesu Sorge gilt im Moment<br />

also nicht der Welt –, »Ich aber erkenne Dich, und diese<br />

erkennen, dass Du Mich gesandt hast«. Wen meint Er<br />

mit »diese«? Es ist offensichtlich, dass es die Menschen<br />

sind, die nicht mehr zur Welt gehören. Sie<br />

sind »geheiligt«, aus der Welt herausgenommen<br />

und abgesondert von dem, was die Bibel »ein verdrehtes<br />

und verkehrtes Geschlecht« (Phil. 2,15) nennt.<br />

Was ich in diesem Zusammenhang besonders<br />

betonen möchte, ist der Aspekt <strong>des</strong> Trostes. Stellen<br />

Sie sich doch nur einmal vor: Wir leben als Christen<br />

in einer direkten, persönlichen Beziehung zu<br />

Gott, unserem Vater. Ist das nicht ein herrlicher<br />

und tröstlicher Gedanke? Haben wir eigentlich jemals<br />

so richtig begriffen, was das bedeutet? Bewegen<br />

wir diese Tatsachen in unserem Herzen? Denken<br />

wir in der Stille vor Gott darüber nach, dass<br />

der Sohn Gottes, kurz bevor Er am Kreuz sterben<br />

musste, vor allem eines im Sinn hatte: das Wohl<br />

der Menschen, die der Vater Ihm gegeben hatte, so<br />

wie Er es sagt: »<strong>Die</strong>, die Du Mir gegeben hast?« (Joh.<br />

17,9). – Es geschieht mit Blick auf diese Menschen,<br />

dass der Sohn Gottes sagt: »Ich will …« Haben wir<br />

erkannt, dass es hier um uns geht? Wir verfallen<br />

ja oft in den falschen Gedanken, dass doch »eigentlich<br />

alles in unserer Hand« liege, dass wir<br />

uns für ein neues Leben »entschieden« haben, oder<br />

dass wir »von nun an« moralisch einwandfrei leben<br />

wollen. Doch das Christsein ist nicht unsere<br />

Sache. Es beruht nicht auf unserer Entscheidung.<br />

Es geht um etwas ganz anderes: Bevor Sie und ich<br />

geboren wurden, hat uns Gott schon erwählt und<br />

uns Seinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus,<br />

übergeben. Der Sohn kam auf die Welt, weil<br />

der Vater Sie, mich und alle anderen Christen auf<br />

dieser Welt »[Ihm] gegeben« hatte, damit Er diese<br />

Menschen erretten und für sie sterben sollte. Und<br />

nur <strong>des</strong>halb, weil Er gekommen ist und uns durch<br />

Sein teures Blut erkauft hat, gehören wir zu Ihm.<br />

Wie traurig und wie tragisch, wenn wir diese Tatsachen<br />

nicht erkennen! Wie furchtbar, wenn wir<br />

auf uns selbst sehen und nur uns selbst vertrauen!<br />

Es kommt doch nicht auf unsere Aktivität an,<br />

sondern auf das, was Christus für uns getan hat!<br />

3. WAS BETET<br />

DER HERR FÜR UNS?<br />

Nachdem wir nun darüber nachgedacht haben,<br />

wer für uns betet, und was es für Menschen sind,<br />

für die Er betet, sollten wir uns nun noch eine dritte<br />

Frage stellen: Was betet denn Christus für uns?<br />

Nachdem der Herr um die Dinge gebetet hat,<br />

die uns nicht geschehen sollen (V. 15), betet Er nun<br />

um etwas, das mit uns geschehen soll: Er bittet<br />

Gott um unsere Heiligung, das heißt: Er bittet den<br />

Vater darum, dass wir Ihm ähnlicher werden, dass<br />

wir mehr und mehr tauglich werden für die Gemeinschaft<br />

mit Ihm. <strong>Die</strong>s sollten wir nie vergessen,<br />

wenn wir über unser Leben als Christen hier<br />

auf dieser Welt nachdenken. Denn das Leben auf<br />

dieser Welt ist eine Vorbereitung für das Leben in<br />

der kommenden Welt. Heiligung ist – so könnte<br />

man diesen Begriff definieren – das Vorbereitet-Werden<br />

auf unser Leben in der neuen Welt.<br />

Wir werden »geheiligt«, d. h. abgesondert von der<br />

Welt, und sind dazu erwählt, in einer immer innigeren<br />

Gemeinschaft mit unserem Herrn zu leben.<br />

»Heilige sie in Deiner Wahrheit« (Joh. 17,17), betet<br />

Jesus. Dann betet Er darum, dass wir das Band der<br />

Einheit, die uns der Heilige Geist durch die Wiedergeburt<br />

geschenkt hat, auch aufrechterhalten.<br />

<strong>Die</strong>se Einheit im Geist ist nicht etwas Mechanisches<br />

oder Methodisches, sondern etwas Lebendiges<br />

und Organisches; und um die Aufrechterhaltung<br />

dieser Gemeinschaft und Einheit mit Ihm<br />

betet unser Herr.<br />

Nachdem Er nun diese Bitten ausgesprochen<br />

hat, kommt der Herr Jesus zum wichtigsten und<br />

herrlichsten Teil Seines Gebetes – zu den Versen,<br />

in denen Er Seinen Willen zum Ausdruck bringt.<br />

Mit anderen Worten: Das Gebet <strong>des</strong> Herrn umfasst<br />

unsere Vergangenheit, unser gegenwärtiges<br />

Leben und unsere Zukunft. Denn für einen Jünger<br />

<strong>des</strong> Herrn ist bis in alle Ewigkeit gesorgt. Das Beste<br />

kommt noch!<br />

voiceofhope.de | 45


NEU<br />

GOTT WOHLGEFÄLLIG LEBEN<br />

R.C. Sproul<br />

»Manchmal scheint es uns im Leben zwei Schritte<br />

vorwärts und einen zurück zu gehen.«<br />

Heiligung ist kein alltägliches Wort. Tatsächlich hat es in unserer ich-fokussierten<br />

Welt der Sucht nach sofortiger Befriedigung wenig Wert. Doch unabhängig<br />

von Trends, Kulturen oder Meinungen bleibt das Geheiligtsein – das<br />

Abgesondertsein von der Welt – ein wichtiger Teil unseres Weges mit Christus.<br />

Doch wie sieht dieser Prozess aus? Wie beginnen wir ihn?<br />

Und ist es überhaupt möglich, ein Gott wohlgefälliges Leben zu führen?<br />

R.C. Sproul erklärt, dass dies nicht nur möglich ist, sondern dass es unsere<br />

Berufung ist. Er gibt in seinem Buch einen tiefgehenden Einblick in Gottes Plan<br />

und Weg zur geistlichen Reife. Sproul enthüllt das postmoderne Denken und<br />

die Verführung durch Irrlehren und zeigt, wie jeder Gläubige durch eine Beziehung<br />

zu Gott eine authentische, dauerhafte Umgestaltung seines Lebens<br />

erfahren kann.<br />

Reich an biblischen Einsichten, bietet dieses Buch einen praktischen Leitfaden<br />

für jeden, der sich danach sehnt, ein Leben zu führen, das den Erretter ehrt.


· IMPRESSUM ·<br />

Herausgeber<br />

MISSIONSWERK VOICE OF HOPE E. V.<br />

Eckenhagener Str. 43<br />

51580 Reichshof-Mittelagger<br />

Tel.: +49 2265 99749-0<br />

Fax: +49 2265 99749-29<br />

E-Mail: info@voiceofhope.de<br />

www.voiceofhope.de<br />

CHRISTLICHER VERLAG VOICE OF HOPE<br />

Tel.: +49 2265 99749-22<br />

www.voh-shop.de<br />

Über den Autor<br />

R.C. Sproul (1939-2017) war ein<br />

Theologe, Prediger, Autor, der Gründer<br />

von Ligonier Ministries und Bibellehrer für<br />

systematische Theologie und Apologetik<br />

am Reformierten Theologischen<br />

Seminar in Orlando, Florida.<br />

Durch seinen <strong>Die</strong>nst als<br />

Prediger und durch seine<br />

Radiosendungen wurden jede<br />

Woche mehr als zwei Millionen<br />

Menschen in der ganzen Welt erreicht.<br />

Zu seinen bekanntesten Büchern<br />

zählen »<strong>Die</strong> Heiligkeit Gottes«,<br />

»Bibelstudium für Einsteiger« und<br />

»Luthers Vermächtnis«, und<br />

er ist der Herausgeber der<br />

»Genfer Studienbibel«.<br />

www.voh-shop.de<br />

02265 9974922<br />

12,90 € • Bestell-Nr.: 875.276<br />

210 Seiten • Hardcover<br />

Bankverbindungen<br />

DEUTSCHLAND:<br />

Sparkasse Gummersbach-Bergneustadt<br />

Missionswerk Voice of Hope e. V.<br />

IBAN: DE98 3845 0000 1000 1033 31<br />

SWIFT-BIC: WELADED1GMB<br />

Postbank Frankfurt am Main<br />

Missionswerk Voice of Hope e. V.<br />

IBAN: DE81 5001 0060 0092 2236 07<br />

SWIFT-BIC: PBNKDEFF<br />

SCHWEIZ:<br />

PostFinance<br />

Missionswerk Voice of Hope e. V.<br />

DE-51580 Reichshof<br />

IBAN: CH80 0900 0000 9152 1048 7<br />

NIEDERLANDE:<br />

Rabobank<br />

Stichting Voice of Hope<br />

IBAN: NL76 RABO 0323 1819 29<br />

Hinweis<br />

Zweckgebundene Spenden werden<br />

grundsätzlich satzungsgemäß und für<br />

den vom Spender bezeichneten Zweck<br />

eingesetzt. Gehen für ein bestimmtes<br />

Projekt mehr Spenden als erforderlich ein,<br />

werden diese für einen ähnlichen satzungsgemäßen<br />

Zweck verwendet.<br />

Als gemeinnütziger Verein sind wir berechtigt,<br />

Ihnen Spendenbescheinigungen auszustellen.<br />

<strong>Die</strong>se können Sie dem Finanzamt<br />

vorlegen, sodass Ihre Spende bei Ihrer<br />

Steuererklärung Berücksichtigung findet.<br />

© <strong>2020</strong> VOICE OF HOPE, Germany<br />

Bildernachweis: Lightstock,<br />

Unsplash, Voice of Hope<br />

Nachdruck oder Verwendung<br />

der in diesem Heft veröffentlichten<br />

Informationen sind nur mit ausdrücklicher<br />

Genehmigung der Redaktion gestattet.


Missionswerk<br />

Eckenhagener Str. 43<br />

51580 Reichshof-Mittelagger<br />

TEL.: +49 (0)2265 / 99 749-0<br />

E-MAIL: info@voiceofhope.de<br />

www.voiceofhope.de<br />

Schau ich zu<br />

Deinem Kreuze hin<br />

Schau ich zu Deinem Kreuze hin, wo Du für mich gestorben bist,<br />

zu Schaden wird, was sonst Gewinn, was einst mein Stolz gewesen ist.<br />

Dein Kreuz zerstört den falschen Ruhm; durch Deinen Tod bin ich befreit,<br />

gebunden als Dein Eigentum an Dich allein für allezeit.<br />

Sieh an Sein dorngekröntes Haupt, aus Seinen Wunden quillt Sein Blut;<br />

und wer an solche Liebe glaubt, dem kommt Sein Kreuzesschmerz zugut.<br />

Was ich zum Dank auch gebe Dir, die ganze Welt ist noch zu klein;<br />

der Dank für diese Liebe hier kann nur mein eignes Leben sein.<br />

Eine Chorpartitur dieses Lie<strong>des</strong><br />

ist unter www.voh-shop.de erhältlich.<br />

Text: Isaac Watts • Melodie: Aus Irland<br />

Arrangement: James Koerts

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!