Die Kraft des Evangeliums 2/2020
Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope
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DIE KRAFT DES<br />
EVANGELIUMS<br />
Eine Ausgabe vom Missionswerk Voice of Hope • 2/<strong>2020</strong><br />
So o kommt der Glaube aus<br />
der Predigt, die Predigt aber<br />
durch das Wort Gottes.<br />
RÖMER 10,17<br />
• Gebet in dunklen Zeiten (2)<br />
• Sizilien: Hat Gott die Kontrolle?<br />
• Asien: Unsere Schwierigkeiten –<br />
Gottes Gelegenheiten<br />
• Sierra Leone: Eine christliche Schule<br />
• Was ist Rechtfertigung?<br />
• Eine verschlüsselte Botschaft (1)<br />
• D.M. Lloyd-Jones:<br />
Der leidenschaftliche Prediger<br />
• <strong>Die</strong> Hoffnung der Christen
INHALT<br />
4<br />
8<br />
13<br />
16<br />
19<br />
24<br />
30<br />
37<br />
41<br />
Gebet in dunklen Zeiten (2)<br />
Daniel 9,4-19<br />
Mission – Sizilien<br />
Hat Gott die Kontrolle?<br />
Mission – Asien<br />
Unsere Schwierigkeiten – Gottes Gelegenheiten<br />
Mission – Sierra Leone<br />
Eine christliche Schule für Sierra Leone<br />
Was ist Rechtfertigung?<br />
Römer 3,21-31<br />
Eine verschlüsselte Botschaft (1)<br />
Der Antichrist, das Malzeichen und die Zahl 666<br />
Der leidenschaftliche Prediger<br />
D. Martyn Lloyd-Jones<br />
Wer ist ein Prediger?<br />
<strong>Die</strong> Berufung zum Prediger<br />
<strong>Die</strong> Hoffnung der Christen<br />
Johannes 17,24
EDITORIAL<br />
PREDIGE<br />
DAS WORT<br />
<strong>Die</strong> Missionsarbeit ist keine komplizierte,<br />
aber eine anspruchsvolle Aufgabe. In der<br />
Apostelgeschichte, die uns den inspirierten<br />
Bericht über die missionarische Tätigkeit der<br />
ersten Gemeinde vorlegt, sehen wir die gesamte<br />
Missionsarbeit in zwei verschiedenen und klar<br />
definierten Aufgabenbereichen. In Apostelgeschichte<br />
6,4 erklären die Apostel: »Wir aber wollen<br />
beständig im Gebet und im <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Wortes bleiben!«<br />
<strong>Die</strong>se Einfalt und die <strong>Kraft</strong> ihrer missionarischen<br />
Bemühungen stehen in scharfem Kontrast zu der<br />
Komplexität und Ohnmacht so vieler missionarischer<br />
Aktivitäten von heute.<br />
Wenn man das so liest, wird man sich vielleicht<br />
gegen die Einfalt einer solchen Methode entscheiden.<br />
Allerdings müssen wir beachten, dass es sich<br />
hier nicht einfach um eine weitere Strategie unter<br />
mehreren handelt; es ist vielmehr die Strategie<br />
der Apostel, wie sie vom Heiligen Geist geleitet<br />
(ja sogar inspiriert) wurde. Wenn wir wirklich<br />
an das Prinzip von »Sola Scriptura« glauben (d.<br />
h. an die Schrift allein), dann müssen wir unsere<br />
Missionsarbeit der Autorität der Heiligen Schrift<br />
unterstellen. Wie es im Baptistischen Glaubensbekenntnis<br />
heißt: »<strong>Die</strong> Heilige Schrift ist die einzig<br />
ausreichende, sichere und unfehlbare Richtlinie<br />
für alle zum Heil notwendige Erkenntnis, für<br />
den rettenden Glauben und den Glaubensgehorsam<br />
…« (Kapitel 1, Absatz 1).<br />
Als Gemeinde ist es unser großer und aufrichtiger<br />
Wunsch, unsere Missionsarbeit diesem biblischen<br />
Muster anzupassen. So beugen wir unsere<br />
Knie vor unserem souveränen Gott, mit dem<br />
Wunsch, dass das Reich Gottes sich ausbreiten<br />
möge, in unseren Herzen, Familien und Gemeinden,<br />
in unserem Wohnort und unserem Land, ja<br />
überall in der ganzen Welt. Und dass der Herr<br />
Männer erwecken möge, deren Herzen brennen<br />
für die verlorene Welt, deren Füße nicht müde<br />
werden, sie aufzusuchen, und deren Zungen bereit<br />
sind, zu predigen und zu lehren (zur gelegenen<br />
oder ungelegenen Zeit, 2.Tim. 4,2)!<br />
Bitte beten Sie, dass wir in unserer Treue zum<br />
Gebet und zur Verkündigung <strong>des</strong> Wortes Gottes<br />
wachsen, und dass wir für unsere Generation<br />
treue Zeugen sein können. Danke für die Freundlichkeit,<br />
die Sie uns entgegengebracht haben!<br />
Auch wenn wir uns vielleicht nicht von Angesicht<br />
zu Angesicht begegnet sind, so sind Sie<br />
und Ihre Lieben in unseren Herzen und unseren<br />
Gebeten.<br />
Im Herrn verbunden,<br />
Niko Derksen<br />
<strong>Die</strong> biblische Mission steht auf den beiden Säulen<br />
<strong>des</strong> Gebets und der Verkündigung! Leider ist nur<br />
ein kleiner Prozentsatz der heutigen Missionstätigkeit<br />
tatsächlich dieser Hauptarbeit eines Missionars<br />
gewidmet.<br />
voiceofhope.de | 3
Gebet<br />
IN DUNKLEN ZEITEN<br />
DANIEL 9,4-19<br />
Teil 2<br />
4 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
»Neige Dein Ohr, mein Gott, und höre; tue Deine<br />
Augen auf und sieh unsere Verwüstung und die<br />
Stadt, die nach Deinem Namen genannt ist! Denn<br />
nicht um unserer eigenen Gerechtigkeit willen<br />
bringen wir unsere Bitten vor Dich, sondern um<br />
Deiner großen Barmherzigkeit willen!«<br />
Daniel 9,18<br />
Wenn es wahr ist, dass wir verpflichtet<br />
sind, für Gottes Reich und Volk zu beten,<br />
wie sollen wir dann konkret dafür<br />
beten? Hier bietet uns der Inhalt von Daniels<br />
Gebet ein Modell für unsere eigenen Gebete (Dan.<br />
9,4-19).<br />
Daniels Gebet besteht im Wesentlichen aus drei<br />
Elementen: Anbetung, Bekenntnis und Fürbitte.<br />
Daniel begann damit, zu erkennen und anzuerkennen,<br />
wer Gott ist (Anbetung); dann bekannte er<br />
die Sünden seines Volkes und erkannte die Gerechtigkeit<br />
von Gottes Gericht über sie an (Bekenntnis),<br />
und schließlich flehte er zu Gott, Seine Absichten<br />
für Sein Volk zu erfüllen (Fürbitte). Wir wollen uns<br />
je<strong>des</strong> dieser Elemente der Reihe nach ansehen.<br />
1<br />
ANBETUNG:<br />
ANBETUNG, BEKENNTNIS<br />
UND FÜRBITTE<br />
Daniel erkannte und anerkannte<br />
von Anfang an den Gott, an den sein<br />
Gebet gerichtet war. Der Schwerpunkt der<br />
Anerkennung Daniels lag auf der Größe Gottes<br />
und Seiner Gnade. Der Herr ist ein »großer und<br />
furchtgebietender Gott« (Dan. 9,4), »gerecht« (9,7.14),<br />
»der Du Dein Volk mit starker Hand aus dem Land<br />
Ägypten herausgeführt hast und Dir einen Namen gemacht<br />
hast bis zum heutigen Tag« (9,15): Er ist in der<br />
Tat ein mächtiger Gott. Aber Er ist auch ein Gott,<br />
»der den Bund und die Gnade« bewahrt (9,4), indem<br />
Er Seine Verheißungen an Sein Volk treu erfüllt.<br />
Er ist ein Gott, der »Barmherzigkeit und Vergebung«<br />
schenkt (9,9). Tatsächlich stehen diese beiden<br />
Worte im Hebräischen in der Mehrzahl, was darauf<br />
hindeutet, dass Gott Seinem rebellischen Volk<br />
immer wieder Barmherzigkeit und Vergebung geschenkt<br />
hatte. <strong>Die</strong>se überreiche Barmherzigkeit<br />
bildete die Grundlage für Daniels Fürbitte, wie am<br />
Ende seines Gebetes deutlich wird.<br />
2BEKENNTNIS: Doch wenn auch der Gott,<br />
zu dem Daniel betete, gerecht und Seinen<br />
Verheißungen treu ist, so war doch Daniels<br />
eigenes Volk das genaue Gegenteil gewesen; darum<br />
bekannte Daniel nun die Sünde seines Volkes.<br />
Israel hatte gesündigt und sich gegen diesen gütigen<br />
und gnädigen Gott aufgelehnt, indem es sich<br />
immer wieder von Seinen Gesetzen abwandte und<br />
sich weigerte, auf Seine Propheten zu hören (Dan.<br />
9,5-6.10-11). Der Kontrast zwischen dem Herrn<br />
und Seinem Bun<strong>des</strong>volk wird durch das Muster<br />
der doppelten Synonyme unterstrichen:<br />
Der Herr ist:<br />
• ein großer und furchtgebietender Gott<br />
• barmherzig und vergebend<br />
• treu gegenüber allen, die Ihn lieben<br />
und Seine Gebote bewahren<br />
Israel hat:<br />
• gesündigt und unrecht getan<br />
• rebelliert und gesetzlos gehandelt<br />
• sich von den Geboten und<br />
Rechtsordnungen Gottes abgewandt<br />
voiceofhope.de | 5
Der Kontrast zwischen dem treuen und heiligen<br />
Gott, der all Seinen Verheißungen treu ist, und<br />
den treulosen und unheiligen Menschen, die alle<br />
ihre Versprechen gebrochen und sich gegen ihren<br />
Herrn aufgelehnt haben, könnte nicht stärker<br />
sein. Gemäß dem Bund, den Gott mit Seinem Volk<br />
am Sinai geschlossen hatte, konnte ein solcher<br />
Kontrast immer nur ein Ergebnis haben: die Vernichtung<br />
und Vertreibung <strong>des</strong> Volkes Gottes aus<br />
dem Land der Verheißung.<br />
Weil der Herr gerecht und treu ist, musste Er dieses<br />
angedrohte Gericht vollführen, Seinen heftigen<br />
Zorn über Jerusalem, Seine auserwählte Stadt<br />
und Seinen Wohnort, ausgießen (Dan. 9,16) und<br />
Sein Volk unter den Völkern um sie herum zu einem<br />
verdienten Gespött machen.<br />
So bekannte Daniel die Sünde seines Volkes und<br />
erkannte die Gerechtigkeit von Gottes Gericht<br />
an, so schwer es auch gewesen war. Er bemühte<br />
sich in keiner Weise, Ausreden für Israel zu finden<br />
oder die Gerechtigkeit von Gottes Umgang<br />
mit ihnen in Frage zu stellen. Israel verdiente das<br />
Schicksal, das es für seine Rebellion gegen einen<br />
so heiligen und gütigen Gott erfahren hatte, voll<br />
und ganz.<br />
3FÜRBITTE: Doch das fünfte Buch Mose<br />
spricht nicht nur von dem Gericht, das über<br />
Israel kommen sollte, wenn es sündigte und<br />
sich gegen den Herrn auflehnte. Es spricht auch<br />
von der Verheißung eines neuen und gnädigen<br />
Anfangs für Israel jenseits von Sünde und Gericht.<br />
Wenn sie den Zorn Gottes erlebt und für<br />
ihre Sünden Buße getan hätten, indem sie sich<br />
unter den Völkern, in die der Herr sie zerstreuen<br />
würde, zu Gott bekehrt hätten, würde der Herr<br />
ihre Herrlichkeit wiederherstellen und sie wieder<br />
in ihr Land sammeln (5.Mo. 30,2-3). Genau das ist<br />
die Antwort Gottes, die Daniel im Gebet suchte.<br />
Er bat darum, dass Gott sein Gebet erhören möge:<br />
»So höre nun, unser Gott, auf das Gebet Deines Knechtes<br />
und auf sein Flehen und lass Dein Angesicht leuchten<br />
über Dein verwüstetes Heiligtum, um <strong>des</strong> Herrn willen!«<br />
(Dan. 9,17). Er bat dies nicht in Anbetracht irgendeiner<br />
Gerechtigkeit bei sich selbst oder seinem<br />
Volk, sondern einfach wegen der Zusage Gottes,<br />
»um Deiner Selbst willen, mein Gott! Denn nach Deinem<br />
Namen ist Deine Stadt und Dein Volk genannt!«<br />
(Dan. 9,19).<br />
Als Gott Israel erwählte, es aus Ägypten herausführte<br />
und zu Seinem eigenen Volk machte, verband<br />
Er Seinen Namen unwiderruflich mit ihnen.<br />
Wenn Israel nun im Exil umkäme, wäre das zwar<br />
eine passende und gerechte Strafe für sie, aber das<br />
würde die Heiden dazu bringen, Gottes Macht in<br />
Frage zu stellen. War der Herr schlussendlich doch<br />
nicht in der Lage, Sein eigenes Volk zu erlösen und<br />
ihm das zu geben, was Er versprochen hatte?<br />
Um die Größe Seiner Gnade zu zeigen und die<br />
Ehre Seines Namens zu rechtfertigen, muss der<br />
Herr Sein Volk nun wieder erlösen und in Seine<br />
Gunst zurückbringen. Darum betete Daniel mit<br />
voller Zuversicht, dass Gott sein Gebet erhören,<br />
Seinem Volk Gnade erweisen und Sein Heiligtum<br />
wiederherstellen würde.<br />
BETEN ZU EINEM GROẞEN<br />
UND GNÄDIGEN GOTT<br />
Alle drei Aspekte von Daniels Gebet – Anbetung,<br />
Bekenntnis und Fürbitte – können uns helfen, die<br />
Art und Weise zu lernen, wie wir für Gottes Reich<br />
in unserer Welt beten können. Auch wir sollten<br />
damit beginnen, uns an Gottes Größe und Seine<br />
Gnade zu erinnern, die sich in Seiner Treue gegenüber<br />
Seinen Bun<strong>des</strong>verheißungen zeigt. Wenn<br />
wir Gottes Größe vergessen, dann werden unsere<br />
Gebete zu geringfügig sein. Tatsächlich finde ich<br />
meine eigenen Gebete fast immer zu geringfügig.<br />
Vielleicht beten wir nicht sehr oft für Gottes mächtiges<br />
Eingreifen in unsere Gemeinde, Familie und<br />
Missionsarbeit. Wir vergessen schnell die Größe<br />
Gottes: dass Er Derjenige ist, der alles aus dem<br />
Nichts erschaffen, der die Sterne an den Himmel<br />
gesetzt und den Meeren ihre Grenzen zugewiesen<br />
hat. Wir vergessen, dass Er Derjenige ist, der Könige<br />
und Weltführer aufstehen lässt und sie wieder<br />
zu Fall bringt. Wenn ich mich beim Gebet an<br />
die Größe Gottes erinnere, verändert sich mein<br />
Gebetsleben radikal.<br />
Aber unsere Gebete sind auch <strong>des</strong>halb zu geringfügig,<br />
weil wir die Gnade Gottes vergessen. Viel-<br />
6 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
leicht bist du versucht zu glauben, dass du nicht<br />
mehr zu ändern seiest, und die Menschen um dich<br />
herum auch nicht.<br />
Jemand sagte: »Angesichts der Privilegien und Möglichkeiten,<br />
die mir gegeben wurden, bin ich ein nutzloser<br />
Mitarbeiter! Mich so zu sehen, wie ich wirklich bin, könnte<br />
leicht zur Verzweiflung und zum Versagen beim Beten<br />
führen, weil ich anfange zu glauben, dass Gott jemanden<br />
wie mich unmöglich gebrauchen könnte.«<br />
Wir können entmutigt werden, für andere zu beten,<br />
wenn wir ihr Fehlverhalten anschauen. Wenn<br />
wir mit Menschen leben und arbeiten, fällt früher<br />
oder später die Maske, und wir sehen auch ihre<br />
Sündhaftigkeit. <strong>Die</strong> Menschen in der Gemeinde<br />
enttäuschen uns oft, manche lassen uns sogar im<br />
Stich, und wir sind versucht zu glauben, dass Gott<br />
auch sie nicht gebrauchen könne. Warum überhaupt<br />
beten, für uns selbst oder für andere, wenn<br />
wir alle solche angeschlagenen Krüge und beschädigten<br />
Gefäße sind?!<br />
<strong>Die</strong> Antwort ist, dass wir um der Gnade Gottes<br />
willen beten sollten. <strong>Die</strong> Lösung für unsere Sünde<br />
besteht nicht darin, sie unter den Teppich zu kehren<br />
und so zu tun, als gäbe es sie nicht. Es gibt viele<br />
Leute, die das in unserem heutigen Kontext tun<br />
wollen – Leute, die nicht einmal das Wort »Sünde«<br />
erwähnen würden.<br />
Das war aber nicht Daniels Art zu handeln. <strong>Die</strong><br />
Reaktion auf all unsere Sünde sollte sein, uns an<br />
Gottes Gnade zu erinnern und die Sünde vor Ihm<br />
zu bekennen, indem wir uns auf Seine souveräne<br />
Barmherzigkeit stützen.<br />
Tatsächlich sind wir alle verdorbene Sünder, vollkommen<br />
ungeeignet für Gottes Reich. Dennoch<br />
hat derselbe heilige Gott Seinen Namen auf uns<br />
gelegt, uns »Christen« genannt und uns durch<br />
die Erwählung in Seine Herde aufgenommen. Er<br />
hat uns damit in dieser Welt so bevorzugt, so dass<br />
das, was die Menschen über Ihn denken, in hohem<br />
Maße von dem geprägt wird, was sie an uns sehen.<br />
Hier gibt es eine Motivation für ernstes Gebet.<br />
Wenn ich über die Gnade Gottes nachdenke, kann<br />
ich ausrufen:<br />
»Herr, ich bin völlig ungeeignet, Dein Botschafter zu<br />
sein; aber Du hast mich gerufen und ausgesandt, um<br />
Dir zu dienen. Ich kann keinen Augenblick in meiner<br />
eigenen <strong>Kraft</strong> stehen, und ich habe keine eigenen Worte<br />
zu verkündigen. Herr, gib mir die <strong>Kraft</strong>, aufzustehen,<br />
und gib mir die Worte, die ich für Dich predigen<br />
kann. Erfülle Deine Ziele in dieser Welt durch mich<br />
und durch andere begnadigte Sünder wie mich. Errichte<br />
diese Gemeinde an diesem Ort, nicht weil wir es<br />
wert seien. Baue Dein Königreich hier auf, denn Dein<br />
Name ist würdig, und die Menschen um uns herum<br />
müssen Deine Herrlichkeit sehen. Sie werden sie nie<br />
aus unserer Weisheit oder Stärke heraus sehen; sie<br />
werden Deine Herrlichkeit nur dann sehen, wenn Du<br />
sie dadurch zeigst, dass Du fehlerhafte Menschen wie<br />
uns nimmst und unser Leben zu einer außergewöhnlichen<br />
Beweisführung Deiner Gnade machst.«<br />
<strong>Die</strong> Anerkennung von Gottes Größe und Gnade<br />
wird uns regelmäßig in Danksagung und Bekenntnis<br />
und in inbrünstiger Bitte, um Seines<br />
Namens willen zu handeln, auf die Knie zwingen.<br />
WARUM KANN GOTT<br />
GNADE SCHENKEN, WENN<br />
WIR IHN DARUM BITTEN?<br />
Unser Gott ist nicht nur ein Gott der Gnade – und<br />
schon gar nicht ein Gott, der Sünden einfach und<br />
leicht vergibt, weil es Seiner Natur entspräche,<br />
dies zu tun. Wenn das so wäre, dann wäre das<br />
Kreuz nicht nötig gewesen. Es gäbe keinen Grund<br />
dafür, dass der Sohn Gottes so grausam hingerichtet<br />
wurde, wenn Gott nicht auch der Gott der<br />
Gerechtigkeit ist.<br />
<strong>Die</strong> Wahrheit ist, dass für die Sünde – für unsere<br />
Sünde – bezahlt werden musste. Es musste einen<br />
Tag der Abrechnung für all das Böse geben, das<br />
wir getan haben – einen Tag der Abrechnung, der<br />
an jenem ersten Karfreitag stattfand. Als Jesus<br />
dort hing und starb, bezahlte Er voll und ganz den<br />
Preis für den Tod, den jeder Gläubige, jeder von<br />
uns, verdiente. Echte Bezahlung wurde für echte<br />
Sünde geleistet, damit es wirkliche Gnade für<br />
wirkliche Sünder geben konnte.<br />
Der wahre Gott ist der Gott der Gnade und Heiligkeit,<br />
der in Jesus die echte Lösung für unser Sündenproblem<br />
bereitgestellt hat.<br />
voiceofhope.de | 7
Ach, Herr, HERR, siehe, Du hast den<br />
Himmel und die Erde gemacht mit Deiner<br />
großen <strong>Kraft</strong> und mit Deinem<br />
ausgestreckten Arm;<br />
Dir ist nichts unmöglich!<br />
JEREMIA 32,17
Mission – SIZILIEN<br />
Hat GOTT die<br />
Kontrolle?<br />
Coronavirus. Ein Wort, das wahrscheinlich<br />
noch jahrelang in jedem von uns eingeprägt<br />
sein wird. Mit diesem Wort verbindet<br />
sich eine tägliche Erinnerung an die Bedrohung,<br />
die das Virus darstellt. Es sind unsichere<br />
Zeiten, außerhalb und innerhalb der Gemeinde.<br />
Gläubige sind rund um den Globus in ihren Möglichkeiten,<br />
sich gemeinsam zu versammeln, erheblich<br />
eingeschränkt. Zu unseren Lebzeiten haben<br />
wir so etwas noch nie erlebt. Dennoch zeigt<br />
uns die Kirchengeschichte immer wieder, dass<br />
wahre Christen sich um <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> willen<br />
zur Ehre Gottes über ihre Lebensumstände erheben<br />
müssen.<br />
Doch wie können wir das tun? Ist es nicht erstaunlich,<br />
dass viele Dinge, obwohl sie für uns<br />
außer Kontrolle zu sein scheinen – und in vielerlei<br />
Hinsicht menschlich gesehen in der Tat außer<br />
Kontrolle sind –, es doch Einen gibt, der auf dem<br />
Thron <strong>des</strong> Universums sitzt? Er ist der Inbegriff<br />
aller Weisheit, Güte, Wahrheit, Heiligkeit, Gerechtigkeit<br />
und Allmacht, und Er hat als Schöpfer<br />
unseres Universums die ganze Welt unter Seiner<br />
Kontrolle.<br />
Wir begreifen nicht immer, was das bedeutet,<br />
aber wir dürfen wissen, dass es Einen gibt, der<br />
die Welt beherrscht, den nichts in Angst versetzt,<br />
der nie müde, schwach und verunsichert wird,<br />
vor dem nichts geheim bleiben kann und der nie<br />
Überraschungen erlebt. Wir wissen nicht immer,<br />
warum Er dies oder jenes tut, aber wir wissen,<br />
wer Er ist, und wir wissen, was Er Seinen Kindern<br />
verheißen hat, wenn sie Ihm vertrauen und Ihm<br />
dienen. Ja, Er sagt: »Und siehe, Ich bin bei euch alle<br />
Tage bis an das Ende der Weltzeit!« (Mt. 28,20). <strong>Die</strong>se<br />
Verheißung gab der Herr Seinen Jüngern, nachdem<br />
Er zu ihnen gesagt hatte: »Mir ist gegeben alle<br />
Macht im Himmel und auf Erden. So geht nun hin und<br />
macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen<br />
<strong>des</strong> Vaters und <strong>des</strong> Sohnes und <strong>des</strong> Heiligen Geistes<br />
und lehrt sie alles halten, was Ich euch befohlen habe«<br />
(Mt. 28,18-20).<br />
Wir vergessen oft, dass dem Herrn Jesus alle Macht<br />
gegeben ist, wie im Himmel, so auch auf der Erde.<br />
Er ist der souveräne Herrscher, Er kontrolliert das<br />
ganze Geschehen, und <strong>des</strong>halb können wir uns in<br />
Seinem Namen und um <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> willen<br />
über unsere Lebensumstände erheben.<br />
SIZILIEN – MAILAND – DEUTSCHLAND<br />
Am 28. Februar <strong>2020</strong> war unsere Rückreise aus<br />
Sizilien über Mailand (Italien) nach Deutschland<br />
geplant. In allen Nachrichten hörte man von vielen<br />
infizierten Menschen in Mailand; doch unsere<br />
Sorge galt nicht der Krankheit, sondern ob am<br />
nächsten Tag das Bibelseminar im Missionshaus<br />
noch stattfinden kann. Werden die Flüge gestrichen,<br />
dann sitzen wir jetzt für die nächste Zeit<br />
in Sizilien fest. Oder hat der Herr einen anderen<br />
Plan? Wir waren nämlich mit einer Gruppe von<br />
voiceofhope.de | 9
Jugendlichen für eine Woche auf Sizilien gewesen, damit sie einen<br />
kleinen Einblick in die Missionsarbeit bekommen könnten.<br />
Wie gut ist unser Herr; Seine Wege sind immer die besten! <strong>Die</strong> ganze<br />
Gruppe ist planmäßig nach Hause gekommen. <strong>Die</strong> jungen Menschen<br />
waren froh, dass sie die Möglichkeit hatten, es mitzuerleben, wie sich<br />
die frohe Botschaft von Jesus Christus auf Sizilien ausbreitet, insbesondere<br />
unter vielen Flüchtlingen. Sie hörten Zeugnisse von Menschen,<br />
deren Leben der Herr völlig verändert hat. Sie erlebten das<br />
mächtige Wirken Gottes, wenn Sein Wort verkündigt wurde, und waren<br />
darüber sehr bewegt.<br />
Reyazul beim Bibelunterricht<br />
REYAZUL AUF DER<br />
SUCHE NACH WAHRHEIT<br />
Einen Flüchtling, den diese Jugendgruppe kennenlernte,<br />
war Reyazul, ein junger pakistanischer<br />
Muslim. Wir begegneten ihm schon im<br />
vergangenen Jahr. Er setzte sich zu uns, wenn wir<br />
in seinem Flüchtlingslager den Bibelunterricht<br />
durchführten. Bei einer Begegnung im Dezember<br />
stellte er viele Fragen über Jesus. Seitdem blieben<br />
wir Woche für Woche in Kontakt mit ihm. Er las<br />
regelmäßig die Bibel in seiner Sprache (Urdu), die<br />
er geschenkt bekommen hatte, und stellte Fragen<br />
zu verschiedenen Schriftstellen. Wir beantworteten<br />
sie ihm gern und erklärten ihm immer<br />
wieder einige Bibeltexte. Dann wollte er mit uns<br />
beten. Sein Gebet war kurz und lautete etwa so:<br />
»Heiliger Gott, ich glaube an Deine Existenz, ich<br />
glaube an die Bibel, aber ich verstehe immer noch<br />
nicht, wer Jesus ist. Bitte lass mich das verstehen,<br />
Amen.«<br />
10 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Als wir dann im Februar mit den Jugendlichen wieder dieses<br />
Lager besuchten, war Reyazul einer der ersten, die zum Bibelunterricht<br />
kamen. An diesem Tag erklärten wir Lukas 15, wo Jesus<br />
anhand von drei Gleichnissen das »Verlorensein« verdeutlicht.<br />
Im dritten Gleichnis ging es dann um die beiden verlorenen Söhne<br />
und den liebenden Vater. <strong>Die</strong>ses Gleichnis zeigt auf, dass alle<br />
Menschen total verloren sind, so wie diese beiden Brüder. Der ältere<br />
Sohn war in einem schlimmeren Zustand, weil er seine Verlorenheit<br />
gar nicht erkennen konnte, sondern nur Verachtung für<br />
seinen heimgekehrten Bruder und die gnädige Reaktion <strong>des</strong> Vaters<br />
übrig hatte. Während <strong>des</strong> Bibelunterrichts jedoch wurde der<br />
Fokus auf den liebenden Vater gerichtet, der in dem Gleichnis den<br />
Herrn Jesus Christus repräsentiert.<br />
Der Bibelunterricht dauerte ca. 1,5 Stunden; danach gab es viele<br />
Fragen und Antworten. Nach dem Gebet kam Reyazul zu uns und<br />
bezeugte voller Freude, dass er an Jesus Christus, den Sohn Gottes,<br />
glaubt. »Ich war verloren, doch der Herr Jesus hat mich errettet!«,<br />
bezeugte er. Wir priesen den Herrn für die wunderbare Errettung<br />
dieses jungen Mannes.<br />
JAMES IN DEUTSCHLAND<br />
James beim Bibelstudium<br />
Zum Jahreswechsel 2019/20 erhielten wir eine<br />
Nachricht von James, einem Flüchtling. Überglücklich<br />
schrieb er uns, dass er eine Aufenthaltsgenehmigung<br />
bekommen habe. Wie dankten wir<br />
Gott dafür!<br />
James ist 2017 auf Sizilien als Flüchtling angekommen<br />
und hat schon in den ersten Wochen in<br />
einem Flüchtlingslager das Evangelium von Jesus<br />
gehört. James war ein Moslem. <strong>Die</strong> Botschaft bewegte<br />
ihn, und er wollte mehr darüber erfahren.<br />
So fand er sich Woche für Woche, manchmal sogar<br />
täglich, in unserem Versammlungsraum ein, um<br />
aus Gottes Wort zu lernen. Und Gott veränderte<br />
sein Herz – James wurde durch die Gnade Gottes<br />
errettet und ließ sich im Jahr 2018 taufen.<br />
Bald wurde er aus einem sogenannten Aufnahmezentrum<br />
für Asylsuchende in ein Flüchtlingslager<br />
gebracht, das 45 km von unserem Standort<br />
in Palermo entfernt ist. Nun konnte er nicht mehr<br />
jeden Tag kommen, besuchte aber jeweils am<br />
Sonntag den Gottesdienst. Um mehr Zeit dort verbringen<br />
zu können, kam er manchmal schon am<br />
Samstag mit dem Zug und übernachtete in Palermo.<br />
Dann begann er, in seiner Umgebung und auf<br />
den Straßen Bibeln und Schriften zu verteilen und<br />
den Menschen Christus zu bezeugen.<br />
Durch seine Aufenthaltsgenehmigung hat er<br />
jetzt auch die Möglichkeit, zu reisen. In dem Flüchtlingslager,<br />
wo er zuletzt gewohnt hatte, gab es nach<br />
unserem Wissensstand keine wiedergeborenen<br />
Christen. Er hatte viele aufreibende Gespräche mit<br />
seinen Mitbewohnern und wusste oft nicht, wie er<br />
ihre Fragen beantworten und mit Aufforderungen<br />
zu Diskussionen umgehen sollte. Umso mehr freute<br />
er sich, als wir ihn für eine Woche nach Deutschland<br />
in unsere Missionszentrale einluden.<br />
Aus einer Woche wurden vier Wochen, in denen<br />
er seinen Alltag unter den Flüchtlingen hinter<br />
sich lassen konnte, Seminare in der Missionszentrale<br />
besuchte, viele Predigten und Lektionen hörte<br />
und an dem Leben der Gemeinde in Reichshof<br />
teilnahm. Er lernte gern und sog das Wort in sich<br />
auf wie ein trockener Schwamm.<br />
An seinem letzten Tag bei uns hatten wir am<br />
Abend eine kleine Abschiedsfeier und beteten<br />
gemeinsam. James dankte dem Herrn für Seine<br />
Güte, dass Er es ihm möglich gemacht hatte, nach<br />
Deutschland zu kommen und die Gemeinschaft<br />
der Gläubigen zu genießen.<br />
Gott gibt Sein Werk nicht auf! Möge Er es an<br />
James und auch an Reyazul vollenden bis zu dem<br />
Tag, an dem Jesus Christus wiederkommt.<br />
voiceofhope.de | 11
BIBELUNTERRICHT TROTZ<br />
AUSGANGSSPERRE?<br />
»Wer aber die Güter dieser Welt hat und seinen Bruder<br />
Not leiden sieht und sein Herz vor ihm verschließt — wie<br />
bleibt die Liebe Gottes in ihm?« (1. Johannes 3,17).<br />
Wie würden wir uns verhalten, wenn uns jemand<br />
bitten würde, ihn bei uns aufzunehmen, weil er<br />
keine Bleibe hat?<br />
Daniel Lusenie, Missionar auf Sizilien, berichtet:<br />
»Anfang März dieses Jahres meldeten sich drei<br />
junge Männer bei mir. Sie fragten mich, ob ich<br />
sie bei mir aufnehmen würde. Mein erster Gedanke<br />
war: Wohin soll ich mit diesen Männern?<br />
Ich schlafe doch selbst nur auf einer Matratze in<br />
einem kleinen Raum, der zudem als Lager und<br />
Küche dient. Doch ich erinnerte mich an das Jahr<br />
2016, als die Geschwister von Voice of Hope mich<br />
aufgenommen haben. Sie haben mir das Evangelium<br />
verkündigt, haben mich über die ganzen<br />
Jahre versorgt und sogar als Mitglied in der Gemeinde<br />
und als Mitarbeiter bei Voice of Hope aufgenommen.<br />
Das motivierte mich, für diese drei Männer einen<br />
Schlafraum herzurichten. Schnell besorgten<br />
wir Matratzen und ein paar Decken; die Stühle<br />
und Tische wurden im Versammlungsraum zur<br />
Seite geschoben, und schon war alles fertig.<br />
Ich kannte diese drei Männer gut; sie waren<br />
öfters im Flüchtlingslager dabei gewesen, wenn<br />
ich jeweils das Evangelium predigte. Sonntags<br />
besuchten sie manchmal den Gottesdienst, und<br />
unter der Woche kamen sie auch mal zu den Bibelstunden.<br />
Bald darauf hatte einer nach dem anderen seine<br />
Aufenthaltsgenehmigung bekommen; somit<br />
durften sie nicht mehr im Flüchtlingslager bleiben.«<br />
Nur wenige Tage, nachdem Bruder Daniel diese<br />
Männer aufgenommen hatte, wurde die Ausgangssperre<br />
verhängt. <strong>Die</strong> Menschen durften<br />
ihre Häuser nur noch verlassen, um Besorgungen<br />
für den täglichen Bedarf zu verrichten oder medizinische<br />
Leistungen in Anspruch zu nehmen.<br />
<strong>Die</strong> sonst so belebten Straßen in Palermo waren<br />
menschenleer. Der Lärm hatte sich in Stille verwandelt.<br />
Nur hier und da sah man noch vereinzelt<br />
Leute, die meist gerade mit einer Tragetasche vom<br />
Einkauf zurückkehrten; sie gingen langsam, um<br />
so lang wie möglich an der frischen Luft zu sein,<br />
bevor sie wieder in ihre Wohnung mussten.<br />
Unser Bruder erzählt: »Als ich dann selbst mal<br />
unterwegs war, um einzukaufen oder für ältere<br />
Leute die Einkäufe zu erledigen, gab der Herr mir<br />
immer wieder Gelegenheiten, den Menschen Jesus<br />
Christus zu bezeugen.<br />
Dass ich jetzt noch drei Mitbewohner beherbergte,<br />
hatte in dieser Zeit den entscheidenden<br />
Vorteil, dass ich nicht ständig allein im Versammlungsraum<br />
bleiben musste. Als ich diesen<br />
Männern vorschlug, die Zeit, die ihnen jetzt zur<br />
Verfügung steht, zum Bibelstudium zu nutzen,<br />
willigten sie gern ein. Jeden Tag lasen wir mehrere<br />
Stunden lang das Wort Gottes, und ich konnte es<br />
ihnen auslegen. Ich konnte wiedererkennen, dass<br />
das Evangelium die <strong>Kraft</strong> Gottes ist. Der Herr hat<br />
so mächtig an diesen Seelen gewirkt, dass nach einigen<br />
Wochen alle drei Männer Buße taten. Doch<br />
die Ausgangssperre war noch nicht aufgehoben,<br />
und so begannen wir, die Grundlagen <strong>des</strong> Glaubens<br />
zu studieren.«<br />
Liebe Leser, erkennen wir hier nicht wieder, dass<br />
Gottes Wege die besten sind? Wir denken oft, dass<br />
gewisse Einschränkungen für uns zum Nachteil<br />
seien; doch wenn wir sie aus Gottes Hand nehmen,<br />
sehen wir Seine wunderbare Führung darin.<br />
12 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Unsere<br />
Schwierigkeiten –<br />
GOTTES<br />
GELEGENHEITEN<br />
»Gedenke doch an mein Elend und mein Umherirren, an den<br />
Wermut und das Gift! Beständig denkt meine Seele daran und ist tief<br />
gebeugt! <strong>Die</strong>ses aber will ich meinem Herzen vorhalten, darum will<br />
ich Hoffnung fassen: Gnadenbeweise <strong>des</strong> HERRN sind’s, dass wir nicht<br />
gänzlich aufgerieben wurden, denn Seine Barmherzigkeit ist nicht<br />
zu Ende; sie ist jeden Morgen neu, und Deine Treue ist groß!«<br />
Klagelieder 3,19-23<br />
voiceofhope.de | 13
Mission – ASIEN<br />
SCHLIMMER<br />
ALS DIESE PANDEMIE<br />
Wie Sie sicher wissen, wurden aufgrund der aktuellen<br />
Pandemie überall auf der Welt Ausgangssperren<br />
verhängt. Wir Menschen sind oft der<br />
Meinung, dass wir alles in den Griff bekommen<br />
können – jede Krankheit, jede Wirtschaftskrise –,<br />
und dass wir sogar die Welt retten könnten. Doch<br />
all unsere Versuche, etwas in den Griff zu bekommen<br />
oder aufzuhalten, scheitern immer wieder.<br />
Menschen wollen es nicht für wahr halten, dass<br />
es Gott ist, der alle Dinge in der Welt lenkt. Als<br />
die Israeliten wegen ihres Ungehorsams von Gott<br />
bestraft wurden, indem sie als Sklaven nach Babel<br />
abgeführt wurden, da sprach Gott durch den<br />
Propheten Jeremia zum Volk: »Geht nicht aus dem<br />
Mund <strong>des</strong> Höchsten hervor das Böse und das Gute? Was<br />
beklagt sich der Mensch, der noch am Leben ist? Es hätte<br />
sich wahrlich jeder über seine Sünde zu beklagen!« (Klagelieder<br />
3,38-39).<br />
Wenn Gott die Welt erschüttern will, so tut<br />
Er es auf eine Weise, dass alle Menschen es merken<br />
müssen, dass sie keine Macht haben. Damit<br />
spricht unser gnädiger Gott deutlich zu der ganzen<br />
Welt.<br />
<strong>Die</strong>se weltweite Pandemie weist aber auch darauf<br />
hin, dass es eine Pandemie gibt, die gefährlicher,<br />
zerstörerischer und weitreichender ist als jede<br />
andere – es ist die globale Pandemie der Sünde. <strong>Die</strong><br />
Sünde ist die ultimative Krankheit. Jeder Mensch<br />
ist von Geburt an von ihr befallen, und sie fordert<br />
unweigerlich den Tod. Doch die frohe Botschaft<br />
ist, dass es Heilung durch das Erlösungswerk Jesu<br />
Christi gibt. Jeremia rief das Volk Israel auf: »Lasst<br />
uns unsere Wege prüfen und erforschen und umkehren<br />
zum HERRN! Lasst uns unsere Herzen samt den Händen<br />
zu Gott im Himmel erheben!« (Klagelieder 3,40-41).<br />
Und es ist unser Auftrag, wenn wir treue Christen<br />
sind, die Menschen in dieser Welt zur Buße<br />
aufzurufen. <strong>Die</strong>se Situation, die unser Herr hervorgerufen<br />
hat, ist gewiss eine wunderbare Gelegenheit,<br />
Barmherzigkeit zu üben und die rettende<br />
Botschaft von Jesus Christus zu bezeugen! <strong>Die</strong>se<br />
Gelegenheit nutzen die Missionare Omar und<br />
Sarah, die mehrere Jahre in Tadschikistan, dann<br />
6 Jahre lang in Afghanistan gedient haben und<br />
jetzt in Kasachstan leben. Durch die treue Verkündigung<br />
<strong>des</strong> Wortes Gottes kamen Menschen<br />
zum wahren Glauben an Jesus Christus. In diesen<br />
Ländern entstanden kleine Hausgemeinden<br />
und Gruppen von Christen, die zuvor Moslems<br />
waren. Seit Jahrzehnten ist das Land Afghanistan<br />
von Krieg und Armut gezeichnet; aber auch<br />
in Tadschikistan und Kasachstan sind die meisten<br />
Menschen arm. Und nun wurden auch dort Ausgangssperren<br />
verhängt. Viele Menschen in diesen<br />
asiatischen Ländern bestreiten den Lebensunterhalt<br />
ihrer Familie als Tagelöhner und bekommen<br />
jetzt keine Arbeit. Ihre Familien müssen hungern.<br />
<strong>Die</strong>se Situation zwingt die Menschen dazu, sich<br />
ausschließlich ums Überleben der eigenen Familie<br />
zu kümmern. <strong>Die</strong> Bedrohung durch Viren macht<br />
ihnen keine Angst mehr – Krieg und Hunger sind<br />
schlimmer. <strong>Die</strong> Zahl der Obdachlosen hat in den<br />
letzten Wochen deutlich zugenommen.<br />
<strong>Die</strong> ersten Christen in Jerusalem waren ein starkes<br />
Zeugnis für die ungläubigen Juden und Heiden,<br />
weil sie ihren Glauben an den auferstandenen<br />
Christus und ihre Liebe zu den Gläubigen in<br />
der Tat bewiesen haben (Apg. 4,32-33). Jesus sagte<br />
Seinen Jüngern, dass ihre Liebe zueinander ihr<br />
Erkennungsmerkmal als Nachfolger Christi vor<br />
den Menschen sei. <strong>Die</strong> liebevolle Fürsorge für die<br />
Gläubigen war auch jetzt das erste Anliegen der<br />
Missionare.<br />
WER SEINEN<br />
BRUDER NOT LEIDEN SIEHT …<br />
Wie gehen unsere Geschwister in Asien mit den<br />
jetzigen Problemen um?<br />
<strong>Die</strong> Gläubigen in Asien sind größtenteils<br />
arm. Sie wissen nicht, wie sie ihre Familien in<br />
der nächsten Zeit durchbringen sollen. Doch der<br />
Herr sorgt für Sein Volk. Omar und Sarah fragten<br />
sich: Was können die Gläubigen füreinander<br />
tun? Manche unter ihnen haben etwas Geld oder<br />
Nahrung, andere haben nichts. Omar sprach mit<br />
allen Brüdern jeder Gemeinde über den Auftrag,<br />
14 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
als Christen füreinander zu sorgen. »Wer aber die<br />
Güter dieser Welt hat und seinen Bruder Not leiden sieht<br />
und sein Herz vor ihm verschließt – wie bleibt die Liebe<br />
Gottes in ihm?« (1.Joh. 3,17). Sie besprachen untereinander,<br />
was sie tun konnten, damit jede Familie<br />
aus den Hausgemeinden genug zum Leben hat.<br />
<strong>Die</strong> Geschwister einzelner Gemeinden legten ihr<br />
Geld zusammen, kauften Grundnahrungsmittel<br />
und verteilten sie. Niemand wird vergessen. Ist<br />
das nicht die sichtbare Frucht <strong>des</strong> Wirkens Gottes<br />
in ihnen?! Jesus Christus hat die Fülle Seiner<br />
Gnade über sie ausgegossen, die sie dazu bringt,<br />
dieses Opfer gern zu geben und den Geschwistern<br />
dadurch zu dienen.<br />
EIN KLARES ZEUGNIS,<br />
DASS JESUS LEBT<br />
Doch dann warfen sie auch einen Blick nach draußen.<br />
Sie sahen Nachbarn, die Not litten; sie sahen<br />
Kinder, die nicht genug zu essen hatten. Omar<br />
machte die Gläubigen auf eine neue Möglichkeit<br />
aufmerksam, die Welt auf ihre tödliche Krankheit<br />
der Sünde und auf den Arzt und das Heilmittel Jesus<br />
Christus hinzuweisen.<br />
So begannen sie, wo es ihnen möglich war, ihren<br />
muslimischen oder atheistischen Nachbarn<br />
Brot und andere Lebensmittel zu geben. <strong>Die</strong> Leute<br />
um sie herum beobachteten es und erkannten<br />
plötzlich die Andersartigkeit dieser Menschen.<br />
Das verwirrte sie.<br />
Feindlich gesinnte Leute erfuhren <strong>Die</strong>nste der<br />
Barmherzigkeit. »Warum tut ihr das?«, fragten<br />
sie überrascht. Sonst hatten sie selbst stets nur<br />
Verachtung für ihre christlichen Nachbarn übrig;<br />
doch jetzt waren sie bereit, zu hören, wer Jesus<br />
Christus ist. Wer ist Der, der das Leben dieser<br />
Menschen verändert hat und sie zu dieser Liebe<br />
befähigt? Denn obwohl sie verhältnismäßig wenig<br />
haben, halten sie nicht an ihrem Besitz fest.<br />
Sie haben ihren Glauben in der Tat bewiesen, indem<br />
sie trotz ihres geringen Vermögens ihre Hände<br />
öffneten und andern halfen.<br />
Wenn wir Christen von der Hoffnung auf das<br />
Erbe in der jenseitigen Welt geprägt sind, bedeutet<br />
uns der Besitz, den wir hier unser Eigen nennen,<br />
soviel wie nichts. Dann fällt es uns nicht schwer,<br />
uns davon zu trennen und dort zu helfen, wo wir<br />
Not sehen.<br />
Was beispielsweise unsere gläubigen Geschwister<br />
in Afghanistan zuvor in Lebensgefahr brachte und<br />
<strong>des</strong>halb kaum möglich war, ist durch die Hilfe, die<br />
sie anderen entgegenbringen, leichter geworden:<br />
Jesus Christus zu bezeugen. Natürlich bringt es<br />
sie immer noch in Gefahr, weil sie sich nicht auf<br />
die Dankbarkeit der Menschen verlassen können;<br />
allerdings hat der Herr den Gläubigen durch diese<br />
Situation mehr Freimütigkeit geschenkt. Und zeigt<br />
Er nicht Seine Liebe und Gnade gegenüber den<br />
Verlorenen darin, dass Er sie an den Punkt bringt,<br />
an dem sie bereit sind, Sein Wort zu hören?!<br />
Zweifellos ist Gott im Regiment! Er führt Schwierigkeiten<br />
herbei, die uns Menschen erschrecken,<br />
um Seine Macht und Gnade zu erweisen. Der Herr<br />
ruft durch solche Situationen Sünder zur Buße.<br />
Doch wie reagieren wir als erlöste Kinder Gottes<br />
darauf? Sieht die Welt unsere Liebe und ein<br />
stilles Vertrauen in unseren Taten und Worten?<br />
Können wir Gutes und Böses aus Gottes Hand<br />
nehmen? Oder sind wir so verwirrt wie die Welt<br />
und laufen ruhelos umher, von allen möglichen<br />
Verschwörungstheorien getrieben? Sind nicht wir<br />
als Christen gerade zur Nüchternheit und Besonnenheit<br />
aufgerufen (Tit. 2)? Was können wir gerade<br />
jetzt tun? Ein bekanntes Lied* ruft uns auf:<br />
Volk Gottes, komm, zieh deine Rüstung an,<br />
Hör den Ruf und folge Christus!<br />
Vertraue Ihm, denn Er geht dir voran,<br />
Um dem Schwachen <strong>Kraft</strong> zu geben.<br />
Trag Gottes Wort als Schild vor dir,<br />
So hältst du Satans Lügen stand,<br />
Und ziehe los mit Liebe in den Kampf,<br />
Geh hinaus zu den Verlornen.<br />
DER CHRIST IST<br />
NIEMALS ISOLIERT<br />
Der Lockdown gibt den asiatischen Christen –<br />
ebenso wie uns in Europa – mehr Zeit, beständig in<br />
der Lehre zu bleiben. Jetzt, wo sie weniger soziale<br />
Kontakte haben, nutzen die meisten Geschwister<br />
dort die Zeit, um in Gottes Wort zu forschen, und<br />
sie ermutigen sich auch gegenseitig darin.<br />
Ein Bruder sagte: »Ein lebendiger Christ ist nie<br />
isoliert. Er wird immer Wege finden, um geistlich zu<br />
wachsen. Das Wort Gottes kann man nicht binden.«<br />
* <strong>Die</strong>ses Lied kann unter www.voh-shop.de als Chorpartitur bestellt werden.<br />
voiceofhope.de | 15
Eine christliche<br />
SIERRA LEONE<br />
In einem Land wie Sierra Leone, das zu<br />
den 10 ärmsten Ländern der Welt zählt,<br />
hat die große Mehrheit der Bevölkerung<br />
gerade einmal so viel Geld, wie es unbedingt<br />
nötig ist, um wenigstens die Familie durchzubringen<br />
– wenn nicht sogar noch weniger.<br />
<strong>Die</strong> tägliche Herausforderung für Isaac, ein<br />
junger Vater aus dem Stammesfürstentum<br />
Bagbo, ist es, dafür zu sorgen, dass seine Familie<br />
heute genug zu essen hat. Es wäre tragisch,<br />
wenn Isaac oder generell ein Familienvater<br />
aus dem Leben schiede, ohne seine<br />
Familie versorgt zu wissen. Aktuell ist die<br />
Lage sogar noch schlimmer, sodass auch die<br />
Kinder oder Teenager arbeiten gehen müssen,<br />
damit die Familie durchkommt. Und<br />
hat ein 12-jähriger Junge einmal zu arbeiten<br />
begonnen, wird er als vollwertige Arbeitskraft<br />
anerkannt und geht vermutlich<br />
nie wieder zum Lernen in die Schule. <strong>Die</strong>se<br />
Jungen müssen jetzt schon kämpfen und<br />
tragen die schwere Last der Verantwortung,<br />
für die sie noch längst nicht vorbereitet sind.<br />
Zudem nimmt sie ihnen die Chance auf eine<br />
gute Schulbildung.<br />
Doch da gibt es noch eine Sorge, die weit<br />
größer ist, als dass Familienväter wie Isaac<br />
manchmal nicht in der Lage sind, ihre Familie<br />
ausreichend zu versorgen – eine Sorge,<br />
die uns als Gemeinde seit geraumer Zeit<br />
bewegt. Es ist die Tatsache, dass sie Jesus<br />
Christus, das Brot <strong>des</strong> Lebens, nicht kennen<br />
und ihren Kindern dieses Brot nicht geben<br />
können. Denn was bringt es, dass die Familie<br />
genug zu essen hat, um zu überleben, wenn<br />
sie dann am Ende ihres Lebens den ewigen<br />
Tod sterben und ewige Qual sehen wird,<br />
weil sie das Brot <strong>des</strong> Lebens nicht kannte?!<br />
»Denn was hilft es einem Menschen, wenn er die<br />
ganze Welt gewinnt, aber sich selbst verliert oder<br />
schädigt?« (Lk. 9,25). Kann der Herr uns dazu<br />
gebrauchen, dass diese Menschen von Jesus<br />
Christus hören?<br />
<strong>Die</strong>se Sorge haben wir auch um die Kinder in<br />
unserer Umgebung, die hier im Wohlstand<br />
leben. Was bringt es ihnen, dass sie dieses<br />
kurze Leben im Überfluss verbringen, aber<br />
danach ewige Schmach und Schande erleiden<br />
müssen?! In der Regel sorgen die Eltern in<br />
unserer Umgebung gut für ihre Kinder – für<br />
ihr körperliches Wohlbefinden, für ihre Bildung,<br />
für ihr soziales Umfeld; sie vermitteln<br />
ihnen Liebe und Wärme und haben ihnen<br />
vieles zu bieten. Aber viele von ihnen kennen<br />
Jesus Christus nicht. Ist es da nicht unsere<br />
heilige Pflicht und ein großes Vorrecht, ihnen<br />
vom Brot <strong>des</strong> Lebens, vom wertvollsten<br />
Schatz, der »kostbarsten Perle« zu erzählen<br />
– von Dem, der sie erschaffen hat und in der<br />
Position steht, Maßstäbe für ihr Leben zu<br />
setzen und Forderungen an sie zu stellen?!<br />
Kann der Herr uns dazu gebrauchen, dass<br />
diese Kinder von Jesus Christus hören, und<br />
dass ihre Seele zum Leben erweckt wird?<br />
16 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Schule für<br />
»Jesus sprach: Lasst die Kinder und wehrt ihnen nicht,<br />
zu Mir zu kommen; denn solcher ist das Reich der Himmel!«<br />
Matthäus 19,14
EINE SCHULE IN BAGBO<br />
Es ist natürlich auch unsere Aufgabe, leibliche Not<br />
zu stillen, wenn wir jemanden sehen, der Hunger<br />
leidet oder Kleidung braucht; aber für uns Christen<br />
kann das nicht alles gewesen sein. Uns wurde<br />
die biblische Wahrheit gepredigt; durch die Gnade<br />
Gottes wurden wir errettet – das können wir ihnen<br />
nicht vorenthalten.<br />
Neben der Kirche, die in Bagbo errichtet werden<br />
durfte, wurde mit dem Bau einer Schule begonnen.<br />
Warum ausgerechnet einer Schule? Was<br />
ist der Sinn davon?<br />
In diesem Dorf gibt es keine Schule, und die Kinder<br />
müssen min<strong>des</strong>tens fünf Kilometer laufen,<br />
um in einem der Nachbardörfer in eine islamische<br />
Schule zu gehen – eine andere Möglichkeit haben<br />
sie nicht.<br />
Einerseits gibt es dort Kinder, die nicht zur<br />
Schule gehen können, weil die Eltern die Mittel<br />
zum Erwerb von Schuluniform und Schulmaterial<br />
nicht aufbringen können. Andererseits gibt<br />
es dort ältere Kinder oder junge Jugendliche, die<br />
während der regulären Schulzeit arbeiten gehen<br />
müssen und somit gar keine Bildung bekommen.<br />
Es lässt sich nicht leugnen – Kinder haben einen<br />
angeborenen Wissensdurst. Und sie brauchen<br />
Bildung. Eltern können diese natürliche Wissbegierde<br />
entweder fördern oder unterdrücken. Wir<br />
möchten aber nicht nur ihre Grundbildung fördern,<br />
sondern dafür sorgen, dass ihre Bildung auf<br />
einem christlichen Verständnis basiert.<br />
<strong>Die</strong>se Schule soll also ein Ort sein,<br />
… an dem besonders arme Kinder die Grundrechenarten,<br />
das Lesen und Schreiben sowie die<br />
wichtigsten Umgangsformen lernen können;<br />
… wo sie evangelistischen Bibelunterricht erhalten,<br />
von der Schöpfung und vom Sündenfall<br />
hören sowie von Gottes wunderbarem Plan,<br />
Sünder durch Jesus Christus zu retten;<br />
… wo Kinder lernen, Gottes Wort zu lesen, und<br />
wo sie lernen, christliche Lieder zu singen;<br />
… wo sie in der Lehrkraft ein lebendiges Vorbild,<br />
einen Nachfolger Jesu Christi sehen können.<br />
Möge der Herr diesen Ort und unseren <strong>Die</strong>nst<br />
dazu gebrauchen, Seelen zum Leben zu erwecken!<br />
Das ist unser Gebet.<br />
Wir sind dem Herrn dankbar, dass ein Drittel für<br />
den Bau der Schule bereits gespendet wurde, sodass<br />
der Rohbau schon fast fertig ist. Das Besondere<br />
ist, dass ein großer Teil der Dorfbewohner<br />
– Jung und Alt – zur Baustelle kommen, um mitzuhelfen.<br />
Am meisten freuen sich die Kinder, die<br />
noch nie zur Schule gehen durften, dass es für sie<br />
endlich bald möglich sein wird.<br />
Einige Christen haben schon einen Teil der benötigten<br />
Tische und Stühle gespendet, und es werden<br />
momentan Bibeln in Englisch und Arabisch<br />
vorbereitet und ein alter Kleinbus bereitgestellt.<br />
Das alles und noch mehr, möchten wir per Container<br />
nach Sierra Leone transportieren.<br />
Freiwillige Brüder und Jugendgruppen haben<br />
sich schon gemeldet und gesagt, dass sie gern mit<br />
nach Sierra Leone fahren würden, um zu helfen.<br />
Liebe Freunde, bitte beten Sie für dieses Projekt,<br />
weil wir wissen, dass wir von uns aus diese große<br />
Aufgabe nicht bewältigen können! Geld und fleißige<br />
Helfer sind notwendig; aber sie allein können<br />
den Menschen dort nicht helfen – nur Gott kann<br />
ihre Herzen durch Sein Wort und Seinen Geist<br />
verändern. Wir wissen, dass das Kommen unseres<br />
Herrn bevorsteht, und auf der anderen Seite<br />
sehen wir Menschen, die ohne einen Retter in die<br />
Hölle fahren. Deshalb lasst uns gemeinsam weiterarbeiten,<br />
beten und predigen!<br />
18 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Was ist<br />
Rechtfertigung?<br />
(Römer 3,21-31)<br />
Ein Auszug aus dem auslegenden Kommentar<br />
zum Römerbrief von R.C. Sproul<br />
Im dritten Kapitel <strong>des</strong> Römerbriefs zeigt Paulus,<br />
dass sowohl Juden als auch Heiden unter<br />
dem Gericht Gottes stehen. Er erklärt, dass<br />
es keinen Gerechten gibt, auch nicht einen. Und<br />
dann kommt er zu der Schlussfolgerung, dass<br />
alle gesündigt haben und der Herrlichkeit Gottes<br />
nicht gerecht geworden sind. Das Ziel der ersten<br />
drei Kapitel ist es, jeden Menschen vor das Gericht<br />
Gottes zu stellen und zu zeigen, dass jeder Mensch,<br />
wenn er nach seinen Werken gerichtet wird, weit<br />
hinter dem zurückbleibt, was Gott verlangt.<br />
Im Römerbrief Kapitel 3,21-31 beschreibt Paulus,<br />
wie Gott das Dilemma zwischen unserer Ungerechtigkeit<br />
und Gottes vollkommener Gerechtigkeit<br />
löst.<br />
Jetzt aber ist außerhalb <strong>des</strong> Gesetzes die<br />
Gerechtigkeit Gottes offenbar gemacht worden,<br />
die von dem Gesetz und den Propheten<br />
bezeugt wird (V.21).<br />
Wegen <strong>des</strong> Begriffs jetzt in diesem Text haben<br />
einige den Schluss gezogen, dass die Menschen<br />
<strong>des</strong> Alten Testaments das Dilemma der Rechtfer-<br />
voiceofhope.de | 19
tigung nicht lösen konnten, und dass erst jetzt, in<br />
der neutestamentlichen Epoche, die Gerechtigkeit<br />
durch den Glauben verfügbar sei. Doch das ist<br />
nicht das, was der Apostel hier sagen will. Er sagt,<br />
dass die Gerechtigkeit Gottes offenbart wurde, d. h.<br />
deutlich wurde. Sie ist das, was Abraham suchte,<br />
aber nur in vager Form empfing. Er konnte sie<br />
von weitem sehen, doch sie blieb verschleiert und<br />
vage, wahrnehmbar nur durch Verheißungen, die<br />
sich auf die Zukunft bezogen. Nun wurde diese<br />
Verheißung erfüllt, denn das Sühneopfer Jesu<br />
Christi wurde dargebracht.<br />
<strong>Die</strong> von den Propheten bezeugt wird. Es ist<br />
keine brandneue, im Alten Testament völlig unbekannte<br />
Botschaft. <strong>Die</strong> Lehre, die nun im Werk<br />
Christi kristallklar wird, ist dieselbe, die Gott Abraham,<br />
Mose, David, Jeremia und Jesaja verkündigte:<br />
Der Gerechte soll durch den Glauben leben.<br />
<strong>Die</strong> Rechtfertigung geschieht allein aus Glauben.<br />
<strong>Die</strong>s war das Leitprinzip, das Martin Luther im 16.<br />
Jahrhundert aussprach, und es wurde zum Eckstein<br />
protestantischer Theologie.<br />
Nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den<br />
Glauben an Jesus Christus, die zu allen und auf<br />
alle [kommt], die glauben (V.22). Hier kommt<br />
Paulus zum Kern seiner Botschaft, zum Herzen<br />
seines Themas.<br />
An dieser Stelle ist es notwendig, einige Begriffe<br />
zu erklären. Das Motto der Reformation ist<br />
<strong>Die</strong> Rechtfertigung durch den Glauben allein. Das Wort<br />
»durch« bezieht sich auf die Mittel, durch die etwas<br />
vollendet wird, das Werkzeug, das uns mit<br />
Christus verbindet. Manche denken, dass bereits<br />
der Glaube an sich (im Gegensatz zu den Werken<br />
<strong>des</strong> Gesetzes) derart verdienstvoll sei, dass er uns<br />
einen Platz im Reich Gottes einbringe. Vielmehr<br />
ist der Glaube das Mittel, das uns an Christus<br />
bindet.<br />
Möglicherweise ist es präziser, die Lehre der<br />
Rechtfertigung durch den Glauben allein so zu<br />
formulieren: <strong>Die</strong> Rechtfertigung ist in Christus<br />
allein zu finden. Seine Gerechtigkeit rechtfertigt<br />
uns. Seine Verdienste sind es, die uns einen Platz<br />
im Reich Gottes bereiten. Der Glaube verbindet<br />
uns mit Ihm, so dass wir in Gottes Augen an Seiner<br />
Gerechtigkeit teilhaben. <strong>Die</strong>se Gerechtigkeit<br />
wird jeder Person geschenkt, die auf Christus vertraut.<br />
WAS IST RECHTFERTIGENDER GLAUBE?<br />
Als Luther dieses Konzept im 16. Jahrhundert verkündigte,<br />
provozierte dies ein Widerspruchsgeschrei,<br />
das die damalige christliche Kirche spaltete.<br />
Viele befürchteten, dass Luther den Gedanken<br />
lehre, dass jeder nur einen lässigen, unbekümmerten<br />
Glauben an Jesus haben müsse und dann<br />
jede Art von Gottlosigkeit ausleben könne, wie es<br />
ihm gefällt. Solch eine Lehre würde ernsten Bemühungen<br />
von Christen um ein gottseliges Leben<br />
den Boden entziehen. Somit war Luther gezwungen,<br />
die Frage zu stellen: »Was ist rettender Glaube?«<br />
Er beschrieb den rettenden Glauben als fi<strong>des</strong><br />
viva, einen lebendigen und fruchtbaren Glauben –<br />
einen Glauben, <strong>des</strong>sen Herz für Gott schlägt.<br />
Manche Menschen denken, dass Protestanten<br />
für ihre Erlösung auf Christus allein vertrauen,<br />
während Katholiken vollständig auf sich und<br />
ihre guten Werke vertrauten. Das ist einfach nicht<br />
wahr. <strong>Die</strong> römisch-katholische Kirche hat noch<br />
nie gelehrt, dass Menschen aufgrund ihrer guten<br />
Werke, ohne die erlösende Tat Christi gerechtfertigt<br />
würden. Doch was Rom ablehnt, ist das Konzept<br />
<strong>des</strong> Glaubens »allein«.<br />
Ich will die Unterschiede umreißen. Es beginnt<br />
im Verständnis <strong>des</strong> ersten Schrittes der Rechtfertigung.<br />
Der Protestantismus lehrt, dass das<br />
Werkzeug, wodurch wir in eine gerechtfertigte<br />
Beziehung mit Jesus Christus gebracht werden,<br />
der Glaube ist.<br />
Rom betrachtet das Problem der Rechtfertigung<br />
auf zweierlei Weise: Zunächst findet die<br />
Rechtfertigung durch die Taufe statt, wenn die<br />
Gnade der Rechtfertigung der Seele <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />
eingeflößt wird. Das Kind wird daraufhin so<br />
lange im Zustand der Gnade bleiben, wie es sich<br />
von Todsünden rein hält, also von Sünden, die so<br />
schwer wiegen, dass sie die Fähigkeit besitzen,<br />
die Gnade der Rechtfertigung zu zerstören. Wenn<br />
eine Person eine Todsünde begeht, gibt es jedoch<br />
einen zweiten Weg zur Rechtfertigung. Das Vatikanische<br />
Konzil von Trient im 16. Jahrhundert<br />
beschreibt das Sakrament der Buße als den zwei-<br />
20 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
ten Weg der Rechtfertigung für diejenigen, die in<br />
ihren Seelen Schiffbruch erlitten. In diesem Sakrament<br />
der Buße gibt es unterschiedliche Teilaspekte.<br />
Zunächst muss eine bußfertige Person ihre<br />
Sünden einem Priester bekennen. Dann spricht<br />
der Priester die Absolution aus. Doch das Problem<br />
im 16. Jahrhundert war nicht das Sündenbekenntnis<br />
oder die priesterliche Absolution.<br />
Das echte Problem lag im nächsten Schritt der<br />
Rechtfertigung, der nämlich lehrte, dass in der<br />
Buße der bußfertige Sünder verpflichtet werde,<br />
Werke der Satisfaktion bzw. Genugtuung zu verrichten.<br />
<strong>Die</strong>se Werke wurden von der römisch-katholischen<br />
Kirche so verstanden, dass sie dem<br />
bußfertigen Sünder als eine Art angemessene Verdienste<br />
angerechnet würden – Verdienste, die vor<br />
Gott geeignet und angemessen seien, um diese Person<br />
erneut zu rechtfertigen. <strong>Die</strong> römisch-katholische<br />
Sicht lässt sich fairerweise so zusammenfassen:<br />
Rechtfertigung ereigne sich als ein Ergebnis<br />
einer Kombination aus Glauben und Werken.<br />
Der Protestantismus sagt, dass wir dem Verdienst<br />
Christi nichts hinzufügen können. Er bleibt<br />
die einzige Quelle für unsere Rechtfertigung. Jedoch<br />
glaubt der Protestantismus, dass der echte<br />
Gläubige eine Lebensänderung zeigen und Werke<br />
erbringen wird, die der Buße würdig sind: Werke<br />
<strong>des</strong> Gehorsams. Doch diese Werke <strong>des</strong> Gehorsams<br />
sind nicht die Grundlage seiner Errettung. Für<br />
Rom ist Glaube plus Werke gleich Rechtfertigung.<br />
Für den Protestantismus ist Glaube gleich Rechtfertigung;<br />
doch dieser Glaube bringt gute Werke<br />
hervor.<br />
Warum muss die Rechtfertigung auf Glauben<br />
allein beruhen? Warum können nicht unsere<br />
Werke als Grundlage dienen? Im zwanzigsten<br />
Vers hat Paulus jede Möglichkeit ausgeschlossen,<br />
dass wir durch Gesetzeswerke gerechtfertigt werden<br />
könnten. Unsere Rechtfertigung geschieht<br />
durch den Glauben an Jesus Christus. Warum?<br />
Denn alle haben gesündigt und verfehlen die<br />
Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten<br />
(V.23). Paulus wendet sich wieder dem Thema zu,<br />
das er bisher in diesem Brief untersucht hat: Alle<br />
Menschen sind vor Gottes Richterstuhl schuldig.<br />
Wir können uns für gerechter als andere Menschen<br />
halten, doch gemessen an Gottes absolutem<br />
Maßstab versagen wir abgrundtief und elendig.<br />
Paulus führt weiter aus: So dass sie ohne Verdienst<br />
gerechtfertigt werden durch Seine Gnade<br />
aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus<br />
ist (V.24). Hier verwendet er die Formulierung<br />
»ohne Verdienst«, um den Begriff gerechtfertigt näher<br />
zu bezeichnen. Rechtfertigung ist etwas, das<br />
Gott als Geschenk austeilt. Ein Geschenk kann<br />
niemals als Verpflichtung aufgedrängt werden;<br />
und es kann nicht erworben oder verdient werden.<br />
Er betont dies, indem er ferner ausführt, dass<br />
wir ohne Verdienst »durch Seine Gnade« gerechtfertigt<br />
werden. Es geht also um die Kernfrage: Verdienst<br />
oder Gnade?<br />
Was ist Erlösung? Im Neuen Testament bezeichnet<br />
das Nomen »Erlösung« oder das Verb<br />
»erlösen« vor allem die Zahlung von Lösegeld, um<br />
etwas bzw. jemanden freizukaufen, der gefesselt<br />
oder gefangengehalten wird. Seine ursprüngliche<br />
Bedeutung ist der Rückkauf aus der Sklaverei,<br />
aus Schulden oder aus Gefangenschaft. Genauso<br />
schildert das Neue Testament das Werk Jesu zu<br />
unseren Gunsten. Jesus ist unser Erlöser. Er zahlte<br />
das Lösegeld für unsere Seelen.<br />
Wir müssen hier sorgsam vorgehen, denn es<br />
gibt die unterschiedlichsten Theorien darüber,<br />
was Jesus tat. Eine davon, die in der Kirchengeschichte<br />
sehr berühmt war, lautet, dass Jesus ein<br />
Lösegeld an den Satan zahlte, um uns aus Satans<br />
Besitz zurückzukaufen. Doch dies ist ein völlig<br />
unbiblisches Konzept. Das Lösegeld wurde nicht<br />
an den Satan gezahlt. Es wurde an Gott gezahlt,<br />
denn bei Ihm stehen wir in der Schuld.<br />
Es geht auch um die Frage: Wer wird den Preis<br />
zahlen, den Gott von uns fordert? Rechtfertigung<br />
bedeutet, dass wir durch den Glauben allein ohne<br />
Verdienst gerechtfertigt werden, durch die unverdiente<br />
Gunst Gottes, die die Erlösung in Christus<br />
Jesus bewirkt. Manche Menschen widersprechen<br />
dem, weil es für sie nach einem Drama innerhalb<br />
der Gottheit klingt: Gott der Vater hat das Ziel, uns<br />
zu vernichten, doch Gott der Sohn beruhigt Seinen<br />
Zorn, indem Er uns die Erlösung bringt. Doch<br />
dies würde uns natürlich in gefährliche Nähe zu<br />
einer Lästerung der Gerechtigkeit Gottes führen.<br />
Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das<br />
wirksam wird] durch den Glauben an Sein Blut<br />
(V. 25). Es ist Gott der Vater, der den Sohn in die<br />
Welt gesandt hat. Gott der Vater ist es, der uns<br />
ohne Verdienst in Seiner Gnade durch das Verdienst<br />
Jesu Christi rechtfertigt. Es ist Gott, der<br />
Seinen eingeborenen Sohn in die Welt sendet. Somit<br />
gibt es innerhalb der Gottheit eine Überein-<br />
voiceofhope.de | 21
kunft. Gott Selbst initiiert und startet den großen<br />
Plan der Erlösung, durch welchen Er einen Weg<br />
offenbart, der den Ansprüchen Seiner eigenen<br />
Gerechtigkeit gerecht wird.<br />
Damit kompromittiert Gott sich nicht Selbst<br />
oder nimmt die Vergehen gegen Seine Heiligkeit<br />
auf die leichte Schulter. Gott handelt gemäß Seiner<br />
eigenen Gerechtigkeit, wenn Er den Preis der<br />
Sünde von Seinem eingeborenen Sohn fordert.<br />
Gottes Absicht, als Er Jesus in die Welt sandte,<br />
war, Seinen eigenen Zorn zu stillen. Jesu Opfer<br />
wurde gebracht, um alle Forderungen Gottes zu<br />
erfüllen, die Gott als Strafen für begangene Sünde<br />
erhebt. Gott wird schuldige Menschen niemals<br />
einfach für unschuldig erklären. Das Sühnopfer<br />
bezahlt die Strafe für den, der für schuldig befunden<br />
wurde. Der Sünder wird weder reingewaschen<br />
noch entlastet, sondern für schuldig erklärt.<br />
Er wird nicht zum Zeitpunkt seiner Verurteilung<br />
erlöst, sondern zum Zeitpunkt, als über Jesus der<br />
Strafvollzug erging.<br />
Als Luther im 16. Jahrhundert die Lehre der<br />
Rechtfertigung definierte, verwendete er die lateinische<br />
Formulierung simul justus et peccator, »gleichzeitig<br />
Gerechter und Sünder«. Das trifft den Kern<br />
der Rechtfertigung durch Glauben allein. Aus mir<br />
selbst heraus bin ich ein Sünder. Empfange ich die<br />
Segnungen der Versöhnung in Christus, werde ich<br />
vor Gottes Augen gerecht. Durch den Wert Christi<br />
bin ich gerecht, durch den Wert meiner Leistung<br />
bin ich ein Sünder.<br />
Durch den Glauben an Sein Blut. Wenn die<br />
Bibel vom Blut Jesu spricht, schreiben manche<br />
Leute dem, was durch die Venen Jesu von Nazareth<br />
floss, einen nahezu mystischen Charakter zu.<br />
Ein Priester der Episkopalkirche besprach einst<br />
diese Frage mit mir. Er sagte: »R.C., wenn Jesus<br />
Seinen Finger an einem Nagel aufgeritzt hätte,<br />
hätte dies schon die Sühne bewirken können?«<br />
Er wollte keine Blasphemie aussprechen, sondern<br />
meinte es als eine ernste theologische Frage. Was<br />
dahinter steht, ist Folgen<strong>des</strong>: Wenn Jesus sich in<br />
den Finger geschnitten und dadurch Blut verloren<br />
hätte, wäre dies nicht schon genug gewesen, wenn<br />
die Errettung durch das Blut Christi kommt?<br />
Nein. Jesus musste nicht einfach nur bluten, Er<br />
musste sterben; denn die von Gott vorgesehene<br />
Strafe für die Sünde ist der Tod. Wenn die Bibel<br />
also vom »Glauben an Sein Blut« spricht, meint<br />
sie vor allem den Glauben an Seinen Tod.<br />
Um Seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil Er<br />
die Sünden ungestraft ließ, die zuvor geschehen<br />
waren, als Gott Zurückhaltung übte. Gottes<br />
Zurückhaltung liegt in Seiner Langmut, nicht<br />
etwa in irgendwelcher Gleichgültigkeit Seinerseits.<br />
Manchmal wundern wir uns, warum Gott<br />
Sünde nicht sofort bestraft. Gott ignoriert unsere<br />
Sünden nicht, sondern Er ist langmütig, damit<br />
wir uns der Gerechtigkeit Jesu Christi zuwenden<br />
mögen.<br />
… um Seine Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit<br />
zu erweisen. Das Kreuz Jesu Christi erlöst uns<br />
nicht nur, sondern es rechtfertigt Gott. Es macht<br />
ganz deutlich, dass Gott Sünde sehr ernst nimmt.<br />
Wie oft hört man Leute sagen: Der Gott <strong>des</strong> Alten<br />
Testaments ist ein Gott <strong>des</strong> Zorns; der Gott <strong>des</strong><br />
Neuen Testaments aber ist ein Gott der Gnade,<br />
Güte und Liebe.<br />
Wo finden wir in der Schrift den tiefsten Ausdruck<br />
der Liebe Gottes? Am Kreuz. Wo finden wir<br />
die schrecklichste Offenbarung <strong>des</strong> Zornes Gottes?<br />
Ebenfalls am Kreuz! Derselbe Akt zeigt Gott<br />
als Richter für die Sünde und doch gleichzeitig als<br />
einen liebenden und gnädigen Gott.<br />
Gott tat dies, um Seine Gerechtigkeit zu erweisen,<br />
damit Er Selbst gerecht sei und zugleich<br />
den rechtfertige, der aus dem Glauben an Jesus<br />
ist (V.26). Wenn Gott mich schont und mir<br />
Sein Reich und den Zutritt zum Himmel schenkt,<br />
verrät Er dabei nicht Seine eigene Integrität. Seine<br />
Gerechtigkeit wird dabei gewahrt und aufrechterhalten.<br />
Paulus fragt in Vers 27: Wo bleibt nun das<br />
Rühmen? Es ist fast so, als blicke er durch einen<br />
leeren Raum und sage irritiert und verwundert:<br />
»Wo gibt es denn nun etwas zum Rühmen? Wo ist<br />
es? Ich kann es nicht finden.« Seine eigene Antwort<br />
ist: Es ist ausgeschlossen. Warum? Er stellt<br />
die nächste Frage: Durch welches Gesetz? Das<br />
der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz <strong>des</strong><br />
Glaubens!<br />
Paulus sagt, dass die Lehre <strong>des</strong> Heils, die uns<br />
aus Gnade durch das Werk Christi zuteil wird,<br />
Rühmen für unser Christenleben ausschließt.<br />
Wenn unsere Rechtfertigung nur teilweise auf unseren<br />
guten Werken gründen würde, dann könnten<br />
wir uns derselben rühmen. Doch das Konzept<br />
der Rechtfertigung durch den Glauben allein lässt<br />
die Stimme menschlicher Arroganz und menschlichen<br />
Stolzes verstummen.<br />
22 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
So kommen wir nun zu dem Schluss, dass<br />
der Mensch durch den Glauben gerechtfertigt<br />
wird, ohne Werke <strong>des</strong> Gesetzes (V. 28). <strong>Die</strong>ser<br />
Vers betont deutlicher als jeder andere einzelne<br />
Vers der Bibel die Lehre der Rechtfertigung durch<br />
den Glauben allein. Doch widerspricht dem nicht<br />
Jakobus im zweiten Kapitel seines Briefes, wenn<br />
er sagt: »So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke<br />
gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein«<br />
(Jak. 2,24)? Könnt ihr euch die Verstörung vorstellen,<br />
die dieser Vers den Menschen in der Kirche<br />
für Jahrhunderte bereitet hat?<br />
Manche meinen, dies sei ein klares Beispiel dafür,<br />
dass die Bibel sich selbst widerspreche. Oder<br />
ist es möglich, dass Jakobus etwas anderes meint<br />
als Paulus? <strong>Die</strong> Frage, die Jakobus anspricht, ist<br />
eine ganz andere. Er ringt mit dem Problem: Was<br />
nützt es, wenn ein Mensch sagt, er glaube, wenn<br />
er keine Werke hat? Jakobus hat es mit Leuten zu<br />
tun, die sagen, sie seien gläubig. Jeder kann behaupten,<br />
dass er glaube, meint er hier. Zeige mir<br />
deinen Glauben durch deine Werke. Und dann<br />
fährt er fort und stellt fest, dass Glaube ohne Werke<br />
tot ist. Kann ein solcher Glaube irgendjemanden<br />
retten? Natürlich nicht, und Paulus würde<br />
dem zustimmen. Nur an meinem Verhalten könnt<br />
ihr sehen, dass mein Glaube wirklich echt ist.<br />
Oder ist Gott nur der Gott der Juden und<br />
nicht auch der Heiden? Ja freilich, auch der<br />
Heiden! Denn es ist ja ein und derselbe Gott,<br />
der die Beschnittenen aus Glauben und die Unbeschnittenen<br />
durch den Glauben rechtfertigt<br />
(V.29-30). Das Christentum ist ein Glaube, der alle<br />
nationalen, kulturellen und rassischen Unterschiede<br />
übersteigt. Es ist auch nicht an eine bestimmte<br />
geschichtliche Epoche gebunden. Vielmehr sagt<br />
Paulus, dass es ein universaler Glaube ist. Das mag<br />
uns nicht als besonders tiefgründige Wahrheit erscheinen;<br />
doch für die Ohren eines Juden im ersten<br />
Jahrhundert klang dies schockierend.<br />
Charles Hodge kommentiert die Worte von<br />
Paulus so: »Wir Heiden können nun zum Himmel<br />
aufschauen und zuversichtlich sagen: ›Du bist<br />
unser Vater, auch wenn Abraham nichts von uns<br />
weiß und Israel uns nicht kennt (vgl. Jes. 63,16).‹«<br />
Im 31. Vers beendet Paulus dieses Kapitel mit<br />
einer starken Bestätigung von Gesetz und Glauben:<br />
Heben wir nun das Gesetz auf durch den<br />
Glauben? Das sei ferne! Vielmehr bestätigen<br />
wir das Gesetz. Manche könnten daraus irrtümlich<br />
schließen, dass aufgrund der Offenbarung <strong>des</strong><br />
<strong>Evangeliums</strong> und der paulinischen Entfaltung der<br />
Rechtfertigung durch den Glauben allein das Gesetz<br />
überflüssig geworden sei. Doch das eine ersetzt<br />
nicht das andere, sondern bei<strong>des</strong> wurde von<br />
Gott für bestimmte Zwecke gegeben. Funktionen<br />
<strong>des</strong> Gesetzes, wie sein offenbarender Charakter<br />
und seine moralische Unterweisung, bleiben gültig,<br />
auch wenn seine zeremonielle und theokratische<br />
Rolle erfüllt worden ist. <strong>Die</strong> Tragödie der zeitgenössischen<br />
evangelischen Kirche ist ihr Versäumnis,<br />
das Gesetz Gottes zu kennen und aufzurichten.<br />
RÖMERBRIEF<br />
Kommentar & Auslegung von R.C. Sproul<br />
Erscheint voraussichtlich<br />
Ende <strong>2020</strong><br />
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Bestell-Nr.: 875.258<br />
Der Römerbrief ist einer der bekanntesten Briefe der Bibel und<br />
wahrscheinlich der entscheidendste in der Kirchengeschichte, da<br />
er eine systematische Darstellung <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> Jesu Christi<br />
durch den Apostel Paulus enthält. Gott benutzte gerade diesen<br />
Brief, um viele Menschen zur Bekehrung zu führen, die Reformatoren<br />
zu prägen und die Erweckung im 18. Jahrhundert zu bewirken.<br />
Das Leben zahlreicher Christen wurde durch den Römerbrief verändert<br />
– bis zum heutigen Tag. In diesem auslegenden Kommentar<br />
zeigt R.C. Sproul wie in einem Panoramablick die Breite, Höhe<br />
und Tiefe der göttlichen Gnade und liefert gleichzeitig wichtige<br />
Hintergrundinformationen über die Gemeinde in Rom. Anschließend<br />
legt der Autor den Text Vers für Vers aus.<br />
Lassen Sie sich beim Lesen dieses Kommentars erbauen, indem<br />
Sie die konsequente Art und Weise beobachten, in welcher der<br />
Apostel Paulus die Herrlichkeit Jesu hervorhob, als er zum Gehorsam<br />
<strong>des</strong> Glaubens aufrief.
Johannes auf Patmos<br />
Eine<br />
verschlüsselte<br />
Botschaft<br />
JOEL R. BEEKE<br />
24 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20<br />
Aus dem Buch<br />
»Revelation«<br />
von Joel R. Beeke,<br />
Reformation<br />
Heritage Books
DER ANTICHRIST, DAS MALZEICHEN<br />
UND DIE ZAHL 666 – Teil 1<br />
<strong>Die</strong> Bibel ist klar und deutlich in Bezug<br />
auf den Weg der Errettung und auf<br />
die Art und Weise, wie wir in dieser<br />
Welt leben sollten. Wenn es Ihnen ernst damit<br />
ist, für den Zweck zu leben, zu dem Sie geschaffen<br />
wurden, nämlich zur Ehre Gottes, dann gibt<br />
es kein klareres Buch auf der Erde, das Sie dazu<br />
anleiten könnte, als die Heilige Schrift. Lesen,<br />
kennen, erforschen und lieben Sie die Heilige<br />
Schrift, und bemühen Sie sich, ihre klaren<br />
Anweisungen auszuleben? Wenn Sie das tun,<br />
dann kennen Sie die Segnungen eines solchen<br />
Lebens, die besser empfunden und erlebt als<br />
erklärt und verteidigt werden können.<br />
Einige Details der Bibel können jedoch herausfordernd<br />
und schwer zu verstehen sein.<br />
Petrus stellt fest, dass dies auf einige der tiefgründigen<br />
theologischen Gedanken <strong>des</strong> Paulus<br />
in seinen Briefen zutrifft (2.Pt. 3,15-16). Es trifft<br />
auch auf bestimmte literarische Gattungen zu,<br />
die in der Heiligen Schrift verwendet werden,<br />
insbesondere auf apokalyptische Literatur, wie<br />
wir sie im Buch Daniel und in der Offenbarung<br />
finden.<br />
Im Buch der Offenbarung ist das 13. Kapitel<br />
eines der schwierigsten Kapitel. <strong>Die</strong> Hauptlehre<br />
dieses Kapitels ist recht einfach, aber einige<br />
Details erscheinen geheimnisvoll und unklar.<br />
Lasst uns <strong>des</strong>halb das Kapitel als Ganzes betrachten;<br />
mit diesem Verständnis wird die Bedeutung<br />
der Details deutlicher werden.<br />
Kapitel 13 setzt das Thema <strong>des</strong> vorhergehenden<br />
Kapitels fort, indem es den Krieg <strong>des</strong><br />
Drachen gegen die Gemeinde Jesu beschreibt.<br />
Jesus, das Kind von Kapitel 12, wurde in den<br />
Himmel entrückt. In der gesamten Geschichte<br />
<strong>des</strong> Alten Testaments versuchte der Teufel, Gottes<br />
Volk zu vernichten und das Kommen Christi<br />
zu verhindern. Je<strong>des</strong> Mal scheiterten seine Angriffe.<br />
Nachdem durch die Geburt <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />
dem Teufel also ein Strich durch die Rechnung<br />
gemacht wurde und er endgültig besiegt worden<br />
war, hat er seine Aufmerksamkeit auf die<br />
Frau in der Wüste gerichtet, die die Gemeinde<br />
im neutestamentlichen Zeitalter repräsentiert.<br />
Mit schäumender Frustration führt der Satan<br />
Krieg gegen die Heiligen Gottes. In diesem Zusammenhang<br />
sieht Johannes zwei Tiere aufsteigen,<br />
eines aus dem Meer (13,1) und das andere<br />
aus der Erde (13,11). Das ganze Kapitel lässt<br />
sich unter vier Überschriften zusammenfassen:<br />
1. <strong>Die</strong> Unterscheidung zwischen den Tieren,<br />
2. <strong>Die</strong> Identität der Tiere,<br />
3. Das Malzeichen und die Zahl <strong>des</strong> Tieres,<br />
4. Der souveräne Herrscher, der die Kontrolle<br />
über die Tiere hat.<br />
(Punkt 3 und 4 folgen in der nächsten Ausgabe)<br />
1. DIE UNTERSCHEIDUNG<br />
ZWISCHEN DEN TIEREN<br />
<strong>Die</strong> beiden Tiere in Offenbarung 13 sind alle beide<br />
Verbündete Satans in seinem Krieg gegen die<br />
Gemeinde Jesu. Als seine Vertreter sind sie mit<br />
seiner Macht, seinem Thron und seiner Autorität<br />
ausgestattet. In Vers 1 heißt es: »Und ich sah aus<br />
dem Meer ein Tier aufsteigen, das sieben Köpfe und zehn<br />
Hörner hatte und auf seinen Hörnern zehn Kronen, und<br />
auf seinen Köpfen einen Namen der Lästerung.«<br />
Dann heißt es in Vers 2: »Der Drache gab ihm<br />
seine <strong>Kraft</strong> und seinen Thron und große Vollmacht«,<br />
und Vers 7 fügt hinzu: »Und es wurde ihm gegeben,<br />
Krieg zu führen mit den Heiligen und sie zu überwinden;<br />
und es wurde ihm Vollmacht gegeben über jeden<br />
Volksstamm und jede Sprache und jede Nation.« Weiter<br />
heißt es in Vers 11: »Und ich sah ein anderes Tier<br />
aus der Erde aufsteigen, und es hatte zwei Hörner<br />
gleich einem Lamm und redete wie ein Drache«, und<br />
Vers 12a ergänzt: »Und es übt alle Vollmacht <strong>des</strong> ersten<br />
Tieres aus vor <strong>des</strong>sen Augen.« <strong>Die</strong>se beiden Tiere,<br />
die ihrem Herrn und Fürsten sehr ähnlich sind,<br />
kämpfen an der Seite Satans gegen die Heiligen.<br />
Daher repräsentieren die beiden Tiere irdische<br />
Mächte, die der Teufel einsetzt, um seine<br />
Ziele zu erreichen. In gewisser Hinsicht haben<br />
wir es hier mit einer dämonischen Widerspiegelung<br />
der göttlichen Dreieinigkeit zu tun;<br />
voiceofhope.de | 25
denn der Drache ermächtigt das erste Tier zum<br />
Herrschen (so wie der Vater Seinen Sohn zum<br />
Herrschen bestimmt hat), und das zweite Tier verherrlicht<br />
das erste Tier unter den Menschen (so<br />
wie der Geist Gottes den Sohn verherrlicht). In Offenbarung<br />
16,13 heißt es von der unheiligen Dreieinigkeit<br />
<strong>des</strong> Drachen und der beiden Tiere: »Und<br />
ich sah aus dem Maul <strong>des</strong> Drachen und aus dem Maul<br />
<strong>des</strong> Tieres und aus dem Maul <strong>des</strong> falschen Propheten drei<br />
unreine Geister herauskommen, gleich Fröschen.« <strong>Die</strong>se<br />
drei Gestalten erleiden auch das gleiche Schicksal:<br />
die Bestrafung im »Feuersee« (Off. 19,20; 20,10).<br />
Obwohl diese Tiere zusammengehören und<br />
zusammenarbeiten, um den Interessen Satans zu<br />
dienen, so unterscheiden sich doch das siebenköpfige<br />
Tier aus dem Meer und das Tier aus der<br />
Erde, das wie ein Lamm aussieht, erheblich voneinander.<br />
Erstens unterscheiden sich die Tiere im Aussehen.<br />
Das erste Tier hat sieben Köpfe, zehn Hörner<br />
mit Kronen, Füße wie ein Bär, einen Körper<br />
wie ein Panther und einen Rachen wie ein Löwe<br />
(V. 1-2). <strong>Die</strong>ses Tier hat die gleichen Merkmale wie<br />
die vier Tiere, die Daniel in einer Vision sah (Daniel<br />
7). Philip Hughes erklärt:<br />
»Es war wie ein Panther (wie auch Daniels<br />
drittes Tier); seine Füße waren wie die eines Bären<br />
(Daniels zweites Tier war wie ein Bär); sein<br />
Rachen war wie der Rachen eines Löwen (Daniels<br />
erstes Tier war wie ein Löwe); und es hatte zehn<br />
Hörner (wie Daniels viertes Tier, das ›schrecklich<br />
und außerordentlich stark‹ war). <strong>Die</strong>se Merkmale<br />
unterstreichen seinen furchterregenden Aspekt<br />
und auch die Konzentration der wilden Gottlosigkeit<br />
der aufeinanderfolgenden Reiche dieser<br />
gefallenen Welt.«<br />
Im Gegensatz dazu scheint das zweite Tier recht<br />
gefügig zu sein. Es sieht aus wie ein kleines Lamm;<br />
aber der Schein trügt, denn es spricht wie ein Drache.<br />
Hughes schreibt:<br />
»Wie ein Lamm mit zwei Hörnern erscheint es<br />
wie ein Retter, ähnlich wie – aber in Wirklichkeit<br />
völlig anders als – das Lamm, das für unsere Erlösung<br />
geschlachtet wurde (V. 8). Aber es ist ein falscher<br />
Retter mit einer falschen Heilsbotschaft: Es<br />
spricht wie ein Drache, denn seine Stimme unterscheidet<br />
sich nicht von der Stimme <strong>des</strong> Drachen<br />
(V. 3), und seine lügnerischen Worte sind die <strong>des</strong><br />
Drachen.« Wie das erste Tier ist auch dieses Tier<br />
Satans Helfer bei seinen Bemühungen, die wahre<br />
Anbetung Gottes in der gesamten Menschheitsgeschichte<br />
zu zerstören.<br />
Zweitens unterscheiden sich die Tiere in ihren<br />
Herrschaftsbereichen. Das erste Tier ist der säkulare<br />
Freund Satans. <strong>Die</strong> erste Hälfte von Kapitel<br />
13 beschreibt die Macht <strong>des</strong> ersten Tieres als eine<br />
politische Macht. Seine Herrlichkeit liegt in seiner<br />
militärischen Macht, so dass der Böse verwundert<br />
fragt: »Wer vermag mit ihm zu kämpfen?« (Off. 13,4).<br />
Im Vergleich dazu ist die Macht <strong>des</strong> zweiten Tieres<br />
eine religiöse Macht und verführt die Welt durch<br />
Zeichen und Wunder dazu, das erste Tier anzubeten.<br />
Das erste Tier ist also der politische Freund<br />
Satans, während das zweite Tier ein religiöser Verbündeter<br />
Satans ist. F. F. Bruce sagt: »Das zweite<br />
Tier ist nicht der Antichrist in Person; es ist vielmehr<br />
sein Pressesprecher oder Propagandaminister,<br />
der ›falsche Prophet eines falschen Gottes‹«.<br />
<strong>Die</strong>se beiden Tiere versuchen, sich die Position<br />
Christi anzueignen, und werden daher zu Recht<br />
als Antichristen bezeichnet, wenn auch auf unterschiedliche<br />
Weise. Das erste Tier will die Position<br />
von Christus, dem König, einnehmen. Beale weist<br />
auf die folgenden Parallelen zwischen dem ersten<br />
Tier und dem königlichen Messias hin:<br />
• Beide wurden geschlachtet und<br />
erstanden zu neuem Leben (5,6 und 13,3).<br />
• Beide haben Nachfolger, bei denen der Name<br />
ihres Herrn auf ihrer Stirn geschrieben steht<br />
(13,16 und 14,1).<br />
• Beide haben Hörner (5,6 und 13,1).<br />
• Beide haben Autorität über jeden »Stamm,<br />
jede Sprache, je<strong>des</strong> Volk und jede Nation«<br />
(5,9; 7,9 und 13,7; 17,12.15).<br />
• Beide erhalten weltweite Anbetung<br />
(5,8-14 und 13,4.8).<br />
• Beide haben eine letztendliche Ankunft<br />
oder eine Manifestation, wobei der eine der<br />
Zerstörung und der andere dem ewigen Sieg<br />
geweiht ist (17,7 - 18).<br />
26 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Das zweite Tier will die Position Christi, <strong>des</strong> Propheten<br />
und Priesters, einnehmen. Wie der Herr<br />
Jesus wird dieses Tier als ein Lamm mit Hörnern<br />
beschrieben. <strong>Die</strong>ses Tier steuert die Anbetung<br />
<strong>des</strong> Volkes. Es wirkt Wunder wie der Prophet Elia<br />
(1.Kö. 18,36-38; 2.Kö. 1,10.12) und wird später »der<br />
falsche Prophet« genannt (Off. 16,13; 19,20; 20,10).<br />
Der Herr Jesus warnte: »Denn es werden falsche<br />
Christusse und falsche Propheten auftreten und werden<br />
große Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch<br />
die Auserwählten zu verführen« (Mt. 24,24). Johannes<br />
schrieb, dass es schon zu seiner Zeit »viele Antichristen«<br />
gab, die die Gemeinden mit falschen<br />
Lehren zerrütteten (1.Joh. 2,18-19.22).<br />
<strong>Die</strong> beiden Tiere, die so unterschiedlich aussehen,<br />
sind für uns eine Warnung, Satans Machenschaften<br />
nicht zu unterschätzen. Es ist leicht, einen<br />
Angriff <strong>des</strong> Teufels zu erkennen, wenn er als<br />
ein Tier mit sieben Köpfen und zehn Hörnern oder<br />
als ein brüllender Löwe auf Sie zukommt. Aber<br />
es ist nicht so einfach, Satan in der Gestalt eines<br />
Lammes zu erkennen. Einige von uns sind bedauerlicherweise<br />
unwissend, wenn es darum geht,<br />
Wahrheit von Irrtum zu unterscheiden. Wenn etwas<br />
wie ein Lamm aussieht, tätscheln wir ihm den<br />
Kopf. Wenn eine Gemeinde sich christlich, evangelikal,<br />
reformiert oder bibeltreu nennt, dann<br />
sind wir geneigt, sie anzuerkennen. Wir dürfen<br />
nicht vergessen, dass der Teufel, der zwar als ein<br />
brüllender Löwe auftritt, auch als Engel <strong>des</strong> Lichts<br />
(2.Kor. 11,14) – oder als flauschiges Lamm – erscheinen<br />
kann.<br />
In der Bergpredigt warnt uns Jesus: »Hütet euch<br />
aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu<br />
euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind!« (Mt.<br />
7,15). Manche Menschen, die in den Medien die<br />
christliche Botschaft verbreiten, scheinen nett und<br />
aufrichtig zu sein; aber oft ist das, was aus ihrem<br />
Mund kommt, unbiblisch. Wir müssen uns im Unterscheidungsvermögen<br />
üben in Bezug auf das, was<br />
wir hören oder lesen. Wir müssen uns vor den Machenschaften<br />
Satans hüten. Ein Prediger beschrieb<br />
den Teufel einmal als »Affen Gottes«, womit er ausdrücken<br />
wollte, dass der Teufel mit dem, was er auf<br />
der Erde tut, nur das Werk Gottes imitiert.<br />
2. DIE IDENTITÄT DER TIERE<br />
Viele haben herauszufinden versucht, wen diese<br />
Tiere repräsentieren. Manche Interpretationen<br />
sind aufrichtig durchdacht, und manche sind sensationell;<br />
manche sind ernsthaft und manche albern;<br />
manche sind logisch nachvollziehbar, und<br />
manche sind geistlos. Aber die Christen zur Zeit<br />
<strong>des</strong> Johannes hatten keine Schwierigkeiten damit,<br />
die beiden Tiere zu identifizieren. Jene ersten<br />
Leser der Offenbarung wurden von den Beamten<br />
der kaiserlichen Regierung verfolgt. Unabhängig<br />
davon, ob die Verfolgung von Nero, Domitian<br />
oder einem anderen Herrscher vor Ort angezettelt<br />
wurde, traf sie die Gläubigen mit brutaler Grausamkeit.<br />
In der Gestalt solcher bösen Herrscher<br />
sahen die frühen Christen das erste Tier; es symbolisierte<br />
die Vergötterung der militärischen und<br />
politischen Macht <strong>des</strong> Menschen.<br />
Was das zweite Tier betrifft, so waren die römischen<br />
Machthaber nicht gegen die Anbetung<br />
verschiedener Götter, solange diese Verehrer den<br />
Kaiser verehrten. Tatsächlich gab es in Kleinasien<br />
Priester und Tempel, die speziell der Verehrung<br />
<strong>des</strong> Kaisers (als Gott) dienten. In einem dieser<br />
Tempel in Ephesus befand sich eine große Domitian-Statue.<br />
Christen in Kleinasien sahen sich zunehmend<br />
unter Druck gesetzt, dem Kaiser öffentlich<br />
Anbetung zu erweisen, und die Weigerung,<br />
sich daran zu beteiligen, konnte zu wirtschaftlichem<br />
Ausschluss vom Handel und, schlimmer<br />
noch, zur To<strong>des</strong>strafe durch die Zivilbehörden<br />
führen.<br />
Deshalb sollte den ersten Empfängern dieses<br />
Buches klar gewesen sein – obwohl Johannes in<br />
verhüllter Sprache schrieb –, dass er sich auf die<br />
götzendienerischen politischen und religiösen<br />
Systeme bezog, mit denen Satan die Gemeinde<br />
durch die bürgerlichen und kulturellen Institutionen<br />
der Welt angriff.<br />
Einer der Köpfe <strong>des</strong> ersten Tieres scheint eine<br />
tödliche Wunde bekommen zu haben; aber die<br />
Wunde heilte (Off. 13,3). Das ist eine gute Beschreibung<br />
der Macht Roms, das in seiner Christenverfolgung<br />
unerbittlich war. Wer konnte gegen dieses<br />
Reich und seine Herrscher kämpfen?! Zweifellos<br />
hofften die Christen zur Zeit <strong>des</strong> Johannes, dass<br />
mit dem Tod Neros die Verfolgung aufhören würde<br />
und Rom am Ende sei. Doch kaum ist ein Oberhaupt<br />
tödlich verwundet, kommt ein anderer Kaiser<br />
auf den Thron und führt die Angriffe gegen die<br />
Gemeinde Jesu fort.<br />
Auf jedem der sieben Köpfe <strong>des</strong> ersten Tieres<br />
steht ein lästerlicher Name geschrieben (V. 1). <strong>Die</strong>voiceofhope.de<br />
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ser Name ist ein verschlüsselter Hinweis auf den<br />
Kaiserkult. <strong>Die</strong> Menschen im Römischen Reich<br />
konnten nur dann etwas kaufen und verkaufen,<br />
wenn sie Münzen besaßen, auf denen das Bild <strong>des</strong><br />
Kaisers und der Titel »göttlich« eingraviert war,<br />
um seinen Anspruch zu ehren, Gott zu sein. Sie<br />
konnten keine gewöhnlichen Geschäfte tätigen<br />
oder auch nur in ein Geschäft gehen und etwas<br />
kaufen, wenn sie nicht dieses Zeichen <strong>des</strong> Tieres<br />
hatten. Satan wirkte im Römischen Reich durch<br />
seine Kaiser, genauso wie er durch die heutigen<br />
Führer der Welt wirkt.<br />
<strong>Die</strong> Kaiser versuchten, ihr Reich durch Religion<br />
zu einigen. Denken wir nur an all die Nationen und<br />
Religionen, die unter der Herrschaft Roms standen.<br />
Um die Menschen so unterschiedlicher Kulturen<br />
zu vereinen, befahlder jeweilige Kaiser allen,<br />
die seiner Gerichtsbarkeit unterstanden, ihn als<br />
Herrn und Gott anzuerkennen. Priester wurden<br />
ernannt, um den Kaiserkult durchzuführen. Einer<br />
dieser Priester befand sich in Asien, wo Johannes<br />
Gemeinden gegründet hatte. <strong>Die</strong>ser Priester hatte<br />
die totale Kontrolle über die Religion in seiner<br />
Gegend, und obwohl er religiös zu sein schien,<br />
bestand seine ganze Absicht darin, das Reich zu<br />
vereinigen, indem er die Menschen in Asien in<br />
Einklang mit den Forderungen <strong>des</strong> Kaisers brachte.<br />
<strong>Die</strong> Menschen konnten ihre Religionen behalten,<br />
wenn sie wollten; aber um einen Anschein von<br />
Einheit und Loyalität zu schaffen, mussten sie alle<br />
anerkennen, dass der Kaiser Gott sei.<br />
Johannes bezieht sich in Kapitel 13 auf Rom,<br />
aber er spricht in symbolischer Sprache. Er<br />
schreibt auf diese Weise, um sich, seine Leser und<br />
das Buch der Offenbarung selbst zu schützen.<br />
Wenn er ausdrücklich den Kaiser oder Priester in<br />
Asien benannt hätte, dann wäre die Offenbarung<br />
nicht verbreitet worden. Jede Person, die beim<br />
Lesen <strong>des</strong> Buches angetroffen worden wäre, wäre<br />
zum Tode verurteilt worden. Johannes schreibt<br />
also verschlüsselt über eine schreckliche Realität<br />
in der Geschichte. Er schreibt über Rom als eine<br />
säkulare und religiöse Macht, die pure Zerstörung<br />
auf die Nachfolger Christi niederprasseln lässt.<br />
Aber wir sollten die Interpretation der Tiere<br />
der Offenbarung nicht auf das Rom <strong>des</strong> ersten<br />
Jahrhunderts beschränken. Wir sehen in der gesamten<br />
Offenbarung, dass sich die Symbole sowohl<br />
auf jene historischen Ereignisse als auch<br />
auf das, was heute vor sich geht, beziehen. <strong>Die</strong>se<br />
beiden Tiere sind in der Menschheitsgeschichte<br />
an vielen Orten und zu vielen Zeiten gemeinsam<br />
in einer Nation nach der anderen aufgetaucht,<br />
um gegen Gott und Jesus Christus zu kämpfen.<br />
Sehr oft hat der Staat die Hilfe der Religion in Anspruch<br />
genommen, um Krieg gegen Christus und<br />
Sein Volk zu führen.<br />
Zum Beispiel wurden während der Reformation<br />
wahre Gläubige unter dem Einfluss <strong>des</strong> Papstes<br />
von Rom sowohl vom Staat als auch von der Kirche<br />
verfolgt. Das erklärt, warum die Reformatoren<br />
und die Puritaner sehr gute Gründe fanden,<br />
den Papst als den Antichristen anzusehen. Wenn<br />
man ihre Liste der Schriftbeweise und Gründe für<br />
die Identifizierung <strong>des</strong> Papsttums als Antichristen<br />
liest, tritt jener Fall unwiderlegbar in Erscheinung.<br />
<strong>Die</strong>selben Tiere sind auch heute am Werk, während<br />
sich Politik und Religion gegen das Volk Gottes<br />
vereinen. Der Ökumenische Rat der Kirchen<br />
(World Council of Churches) toleriert jede Art von<br />
Glaubensrichtung – mit Ausnahme derjenigen, in<br />
der man glaubt, dass die Bibel wahr ist.<br />
Offenbarung 13 lehrt uns, dass jene beiden Tiere<br />
sich im Laufe der Geschichte bemüht haben,<br />
die Gemeinde Jesu zu zerstören. Sie stellen das<br />
dar, was die Bibel an anderer Stelle als den »Geist<br />
<strong>des</strong> Antichristen« beschreibt (1.Joh. 4,3). Johannes<br />
tröstet die ersten Christen, indem er feststellt,<br />
dass das Auftreten jener Antichristen ein Zeichen<br />
dafür ist, dass wir in der letzten Zeit leben (1.Joh.<br />
2,18). <strong>Die</strong> letzte Zeit erstreckt sich vom ersten<br />
Kommen Christi bis zu Seinem zweiten Kommen,<br />
wobei es in dieser Zeit bereits viele Antichristen<br />
gegeben hat. Aber die Schrift weist uns auch darauf<br />
hin, dass am Ende der Zeit der Antichrist<br />
kommen wird, der der Inbegriff der Rebellion gegen<br />
Gott ist. Das kann eine Person oder eine Institution<br />
sein; aber Johannes betont, dass der<br />
Geist <strong>des</strong> Antichristen durch die ganze Geschichte<br />
hindurch offensichtlich vorhanden ist.<br />
Paulus erklärt den Gläubigen in 2. Thessalonicher<br />
2,1-7 auch, dass der »Mensch der Sünde« sowohl<br />
eine Person als auch ein Prinzip ist. Er wird<br />
mit Sicherheit kommen, auch wenn er gegenwärtig<br />
noch zurückgehalten wird. Sein Geist ist jedoch<br />
bereits am Werk. Deshalb sagt Paulus: »Denn das<br />
Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken« (V. 7).<br />
Johannes hat hier etwas viel Größeres als Nero<br />
im Visier. <strong>Die</strong> Zeitgenossen <strong>des</strong> Johannes dachten<br />
zweifellos, dass das Tier, das aus dem Meer auf-<br />
28 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
stieg, für die Macht Roms stand. Doch je größer<br />
die Verwüstung ist, die das Tier anrichtet, <strong>des</strong>to<br />
mehr bündelt es alle menschliche Bosheit und<br />
Gottlosigkeit in einem großen Bündnis <strong>des</strong> Bösen<br />
zusammen. Davor warnt uns Johannes. Er sagt in<br />
Offenbarung 13,4: »Und sie beteten den Drachen an,<br />
der dem Tier Vollmacht gegeben hatte, und sie beteten das<br />
Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich? Wer vermag<br />
mit ihm zu kämpfen?«<br />
Johannes sagt damit zunächst, dass es so aussieht,<br />
als könne niemand das Tier besiegen. Der<br />
Antichrist ist so schlau, dass er die Massen zum<br />
Narren hält und weltweite Bewunderung hervorruft.<br />
Das gilt nicht nur für das säkulare Tier<br />
<strong>des</strong> Humanismus, sondern auch für die auf einen<br />
Menschen zentrierte religiöse Macht <strong>des</strong> Papsttums<br />
im Laufe der Jahrhunderte. Kein Wunder<br />
also, dass Johannes sagt, dass die ganze Welt unter<br />
der Macht <strong>des</strong> Bösen steht (1.Joh. 5,19).<br />
Eigentlich ist die Situation noch schlimmer –<br />
die Welt betet das Tier an und macht den Drachen<br />
zum »Gott dieser Weltzeit« (2.Kor. 4,4).<br />
<strong>Die</strong> gefallene Menschheit ersetzt die Gottesanbetung<br />
durch Satansanbetung. Das zeigt sich<br />
heute überall um uns herum; denn die Menschen<br />
tun das, was sie in ihren eigenen Augen für richtig<br />
halten. Gleichzeitig werden gottesfürchtige<br />
Menschen als intolerant verurteilt, wenn sie sich<br />
weigern, sich den Mächten <strong>des</strong> Humanismus zu<br />
beugen, die die Bibel herabwürdigen, Christen<br />
verspotten, ungezügelten Sex fördern, ungeborene<br />
Babys töten, Homosexualität fördern und den<br />
Tag <strong>des</strong> Herrn entweihen. In ähnlicher Weise verherrlichen<br />
Millionen von Menschen den Papst als<br />
unfehlbaren Vertreter Christi auf Erden, während<br />
sie die ganze Zeit blind für die Tatsache sind, dass<br />
das Papsttum – wie die Reformatoren und Puritaner<br />
in ihren Schriften so tiefschürfend aufzeigen –<br />
jede Eigenschaft <strong>des</strong> Antichristen offenbart, die in<br />
der Heiligen Schrift dargelegt wird. Andererseits<br />
können viele falsche Religionen recht glücklich<br />
unter einer bösen und tyrannischen Regierung<br />
leben, und viele Pastoren und Priester – darunter<br />
auch einige, die behaupten, Christen zu sein<br />
– werden bereitwillig zu Werkzeugen eines intoleranten<br />
Staates und einer intoleranten Kultur.<br />
Wie können wir gegen solche Tiere bestehen?<br />
Wie können wir Gott treu sein, wenn die mächtige<br />
säkulare Welt um uns herum argumentiert:<br />
»Jeder tut es doch; warum also solltest du es nicht<br />
tun?« oder: »Niemand glaubt mehr, dass die Bibel<br />
unfehlbar sei«? Wie können wir uns gegen diese<br />
religiöse Welt stellen, die die Selbstanbetung fördert,<br />
Christus in jeder Messe von neuem als Opfer<br />
darbringt oder gar lehrt, dass der Koran vertrauenswürdiger<br />
sei als die Heilige Schrift? Wie können<br />
wir in einer Welt, die das Lamm Gottes nicht<br />
anbetet, nicht kennt, Ihm nicht vertraut und es<br />
nicht liebt, mutig und ohne Scham all unser Vertrauen<br />
auf Ihn setzen?<br />
Paulus zeigt uns, wie wir gegen die Tiere standhaft<br />
bleiben können. Er sagt in Epheser 6,10-12:<br />
»Im Übrigen, meine Brüder, seid stark in dem Herrn und<br />
in der Macht Seiner Stärke. Zieht die ganze Waffenrüstung<br />
Gottes an, damit ihr standhalten könnt gegenüber<br />
den listigen Kunstgriffen <strong>des</strong> Teufels; denn unser Kampf<br />
richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die<br />
Herrschaften, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher<br />
der Finsternis dieser Weltzeit, gegen die geistlichen<br />
[Mächte] der Bosheit in den himmlischen [Regionen].«<br />
Offenbarung 13 bestätigt die Aussage <strong>des</strong> Paulus,<br />
dass wir nicht gegen Fleisch und Blut zu kämpfen<br />
haben, sondern gegen Fürstentümer und Mächte<br />
der Finsternis. Hinter den sichtbaren Erscheinungsformen<br />
der Tiere steht der Teufel, die alte<br />
Schlange. Hinter dieser Welt lauert ein Netzwerk<br />
<strong>des</strong> Bösen. <strong>Die</strong>se Welt ist im Griff von Institutionen<br />
und Ideologien, die sich über das Individuum<br />
hinwegsetzen und seinen Lebensstil bestimmen.<br />
Wir leben in einer Konsumgesellschaft, in der<br />
es viele versteckte Überredungskünstler, multinationale<br />
Unternehmen, Ideologien und -ismen<br />
gibt, die Krieg gegen Christus und Seine Gemeinde<br />
führen. Wir sollten hinter diese Dinge schauen,<br />
um die Tiere der Offenbarung, das Geheimnis der<br />
Gesetzlosigkeit, die Macht <strong>des</strong> Antichristen und<br />
die Pläne <strong>des</strong> Teufels gegen die Gemeinde Jesu zu<br />
durchschauen.<br />
Offenbarung 13 fordert uns auf, uns von diesem<br />
Übel nicht mitreißen oder einschüchtern zu<br />
lassen. Vielmehr sollen wir wachen und beten.<br />
Wir sollen die ganze Waffenrüstung Gottes anziehen:<br />
den Gürtel der Wahrheit, den Brustpanzer<br />
der Gerechtigkeit, die Stiefel der Bereitschaft<br />
zum Zeugnis für das Evangelium <strong>des</strong> Friedens<br />
und den Helm <strong>des</strong> Heils, und wir sollen den Schild<br />
<strong>des</strong> Glaubens und das Schwert <strong>des</strong> Geistes tragen;<br />
zudem ist ständiges Gebet absolut notwendig. So<br />
bewaffnet können wir ausziehen und die Tiere Satans<br />
in der <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Herrn bekämpfen.<br />
»<br />
Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe
Der leiden-<br />
schaftliche Prediger
D. MARTYN LLOYD-JONES<br />
(1899-1981)<br />
»Für mich ist das Werk <strong>des</strong> Predigens die<br />
höchste, größte und glorreichste Berufung, zu<br />
der jemand jemals berufen werden kann.«<br />
WER WAR D. MARTYN<br />
LLOYD-JONES?<br />
Es ist schade, dass Martyn Lloyd-Jones im deutschsprachigen<br />
Raum nicht den Bekanntheitsgrad hat,<br />
den er verdient hätte. In der englischsprachigen<br />
Christenheit gilt der walisische Prediger und Bibelausleger<br />
als einer der größten <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts.<br />
Man hat ihn oft mit Spurgeon verglichen oder als<br />
seinen Nachfolger angesehen. Martyn Lloyd-Jones<br />
ist für uns ein Beispiel dafür, was Gott durch einen<br />
Mann bewirken kann, der Sein Wort ehrt, wahrheitsgemäß<br />
auslegt und verkündigt.<br />
Am 20. Dezember 1899 in Cardiff, Wales, geboren,<br />
wuchs David Martyn Lloyd-Jones mit seinen beiden<br />
Brüdern in der methodistischen Familie von Henry<br />
Lloyd-Jones und Magdalen, geb. Evans auf. 1914 zog<br />
die Familie nach London (Westminster) um und besuchte<br />
die Charing Cross Chapel. Es gab noch kaum<br />
Glaubenslehre, die den Unterschied zwischen wahren<br />
Christen und bloßen Kirchenbesuchern deutlich<br />
gemacht hätte, geschweige denn dem aufkommenden<br />
Liberalismus entgegenwirken konnte. Alle drei<br />
Lloyd-Jones-Brüder sahen sich mehr ihrer Karriere<br />
als ihrem Glauben verpflichtet.<br />
Nach seinem Schulabschluss begann David Martyn<br />
sein Medizinstudium am St. Bartholomew’s<br />
Hospital, London, und bewies dabei eine auffällige<br />
Begabung. Schon bald war er zur rechten Hand <strong>des</strong><br />
berühmten Sir Thomas Horder aufgestiegen, der<br />
einer der bekanntesten und fähigsten Ärzte seiner<br />
Zeit war und sogar dem Königshaus (als solcher)<br />
diente. Im Alter von 23 Jahren promovierte Lloyd-Jones,<br />
und mit 26 Jahren war er MRCP (Member<br />
of the Royal College of Physicians). Somit stand ihm<br />
die Tür für eine großartige Karriere als Arzt offen.<br />
Doch dann geschah etwas, das seine Pläne auf den<br />
Kopf stellte.<br />
Während er das Wort Gottes las, begann Gott an<br />
ihm zu wirken. »Er führte mir vor Augen, dass die<br />
wahre Ursache all meiner Schwierigkeiten und Übel<br />
wie auch das Übel aller Menschen die böse und gefallene<br />
Natur ist, die Gott hasst und die Sünde liebt.<br />
Mein Problem war nicht nur, dass ich Dinge tat, die<br />
falsch waren, sondern dass ich selbst im Zentrum<br />
meines Seins falsch war.« Als D. M. Lloyd-Jones<br />
etwa 26 Jahre alt war, kam er zum rettenden Glauben<br />
an Jesus Christus. In der darauffolgenden Zeit<br />
ging er wie gewohnt in sein Sprechzimmer, um<br />
seine Patienten zu empfangen. Während sie ihm<br />
ihre Symptome mitteilten, wurde ihm klar, dass<br />
das, was so viele seiner Patienten brauchten, keine<br />
gewöhnliche Medizin war, sondern das Evangelium,<br />
das er für sich entdeckt hatte. Er spürte immer<br />
mehr den drängenden Ruf Gottes, ein Verkündiger<br />
<strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> zu werden. <strong>Die</strong> Ungewissheit<br />
voiceofhope.de | 31
darüber, ob es wirklich der Ruf Gottes oder seine<br />
menschliche Entscheidung war, führten bei<br />
ihm zu schweren inneren Kämpfen, sodass sogar<br />
seine Gesundheit darunter litt. Er hatte nie eine<br />
Bibelschule oder ein theologisches Seminar besucht.<br />
Als M. Lloyd-Jones verstand, dass er sich<br />
als Arzt nur um die oberflächlichen Bedürfnisse<br />
der Menschen kümmern konnte, wurde er dahin<br />
geführt, seine Karriere als Arzt aufzugeben<br />
und der Berufung Gottes zum<br />
Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> zu<br />
folgen.<br />
Seine Arbeitskollegen nahmen<br />
seine Entscheidung mit<br />
Skepsis und Kritik auf, denn<br />
sie konnten nicht verstehen,<br />
wieso er seine so erfolgreiche,<br />
vielversprechende Karriere<br />
aufgab, um Prediger zu werden.<br />
<strong>Die</strong>ser außergewöhnliche<br />
Entschluss und seine Heirat mit Bethan Phillips<br />
im Januar 1927 mussten unweigerlich Aufmerksamkeit<br />
erregen. <strong>Die</strong> Presse stürzte sich auf das<br />
Ehepaar und berichtete über diesen drastischen<br />
Wandel.<br />
Drei Jahre später erklärte er den Grund seiner<br />
Entscheidung:<br />
»Wenn ihr mehr über die Arbeit eines Arztes wissen<br />
würdet, so würdet ihr es verstehen. Wir verbringen<br />
die meiste Zeit damit, Menschen gesund zu machen,<br />
damit sie wieder in ihr sündiges Leben zurückkehren<br />
können. Ich habe gemerkt, dass ich damit diesen<br />
Menschen zum weiteren Sündigen verhalf, und daher<br />
beschloss ich, es nicht länger zu tun. Ich möchte Seelen<br />
heilen. Wenn ein Mensch einen kranken Körper hat,<br />
seine Seele aber gesund ist, geht es ihm am Ende gut.<br />
Einem Menschen jedoch mit einem gesunden Körper<br />
und einer kranken Seele geht es vielleicht 60 Jahre lang<br />
gut, doch dann muss er sich der Ewigkeit in der Hölle<br />
stellen. Oh ja! – Wir müssen manchmal die Dinge<br />
aufgeben, die gut sind, um das zu erhalten, was das<br />
Beste ist.«<br />
Dr. Martyn Lloyd-Jones war immer noch Arzt,<br />
nur änderte Gott seinen »Einsatzbereich« vom<br />
Leib der Menschen zu ihrer Seele. Darum wurde<br />
er nach wie vor von vielen »der Doktor« genannt.<br />
»Wir müssen<br />
manchmal die<br />
Dinge aufgeben,<br />
die gut sind, um<br />
das zu erhalten,<br />
was das Beste ist.«<br />
DER BEGINN<br />
SEINES PREDIGTDIENSTES<br />
Martyn Lloyd-Jones begann seinen Predigtdienst<br />
1927 in einer kleinen Dorfkapelle in Aberavon in<br />
Südwales. <strong>Die</strong> Stadt war gezeichnet von der Weltwirtschaftskrise:<br />
Arbeitslosigkeit, Armut und Alkoholismus<br />
beherrschten die Vororte; viele Einwohner<br />
waren eher ungebildet. Das waren genau<br />
die Menschen, die das Evangelium<br />
brauchten.<br />
<strong>Die</strong> kleine Gemeinde in<br />
Aberavon hatte mit aller <strong>Kraft</strong><br />
versucht, ihre wenigen verbliebenen<br />
Zuhörer durch Unterhaltung<br />
und Theater festzuhalten;<br />
das Predigen war<br />
zur Nebensache geworden.<br />
Lloyd-Jones begann hier seinen<br />
<strong>Die</strong>nst, indem er alles verbannte,<br />
was nur dazu diente,<br />
die Welt anzulocken und das<br />
vorherrschende Wohlstandsevangelium zu fördern.<br />
Er war entschlossen, die Botschaft so klar zu<br />
verkündigen, wie sie auch zu ihm gekommen war.<br />
Sein Predigtdienst basierte allein auf der<br />
Schrift, auf direkter biblischer Lehre. Er gebrauchte<br />
keine Witze, Anekdoten oder persönliche<br />
Geschichten. <strong>Die</strong> Wirksamkeit seines <strong>Die</strong>nstes<br />
lag im Eifer für Gottes Ehre und im Auslegen der<br />
Bibel in der <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes. Das war<br />
zu viel für einige aus der Gemeinde, und sie gingen<br />
davon. Aber an ihre Stelle traten immer mehr<br />
Menschen, die von der Wahrheit erfasst wurden<br />
– die Arbeiterklasse von Südwales. <strong>Die</strong> Botschaft<br />
und die <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes brachte sie zur<br />
Umkehr. Es gab keine dramatischen Aufrufe; da<br />
stand nur ein junger Mann mit der klaren Botschaft<br />
von Gottes Gerechtigkeit und Seiner Liebe.<br />
<strong>Die</strong>se Botschaft brachte einen nach dem anderen<br />
zur Buße und Bekehrung.<br />
Immer mehr Seelen wurden errettet, darunter<br />
sogar überraschenderweise seine Frau Bethan<br />
und viele, die schon Gemeindemitglieder waren,<br />
aber eben nicht wiedergeboren.<br />
Er war nicht in der Lage, seine medizinische<br />
Laufbahn ganz abzubrechen. Einige Besucher kamen<br />
nur, um ärztlichen Rat zu bekommen; doch<br />
er nutzte zugleich die Gelegenheit, um ihnen das<br />
Evangelium zu verkündigen.<br />
32 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Innerhalb der nächsten Jahre wuchs die kleine<br />
Gemeinde von 93 auf 550 Mitglieder. <strong>Die</strong> Menschen<br />
kamen von überall her, um ihn zu hören.<br />
Berüchtigte Trunkenbolde wurden zu strahlenden<br />
Christen, und Männer und Frauen der Arbeiterklasse<br />
kamen zu den Bibelstunden. Und in der Gegend<br />
von Südwales luden ihn andere Gemeinden,<br />
die oft nach bibeltreuer Unterweisung hungerten,<br />
auf ihre Kanzeln ein.<br />
EIN LEBEN, DAS BRENNT<br />
Martyn Lloyd-Jones war ein demütiger Mann; er<br />
suchte nie Anerkennung für sich selbst. Gott erhob<br />
ihn, indem Er ihn auf eine der größten Kanzeln<br />
Englands stellte: die Kanzel der Westminster<br />
Chapel in London. Dort predigte er Sonntag für<br />
Sonntag, 30 Jahre lang (1938-1968). Das Feuer <strong>des</strong><br />
<strong>Evangeliums</strong> und die Liebe zu den Verlorenen<br />
machten seine Predigten lebendig und wirksam.<br />
Er lebte nach dem Prinzip:<br />
Predigen bedeutet nicht, trockene<br />
Fakten aus der Bibel zu<br />
nennen; Predigen ist Theologie,<br />
die durch einen Mann gebracht<br />
wird, der brennend ist<br />
im Geist. Da, wo keine Leidenschaft,<br />
kein Feuer vorhanden<br />
ist, da kann man es nicht eine<br />
Predigt nennen – die Herzen<br />
müssen doch erreicht werden.<br />
Wenn allein Gottes Wort gepredigt<br />
wird, ist es auch allein<br />
das Wirken Gottes, das in den<br />
Menschen Veränderung hervorrufen<br />
kann, und das wusste<br />
Lloyd-Jones. <strong>Die</strong> Predigt<br />
muss das aussagen, was der<br />
Bibeltext sagt, und nicht, was<br />
der Prediger wünscht, dass der Text es aussagt.<br />
Seine Frau sagte über ihn: »Niemand wird meinen<br />
Ehemann verstehen, der nicht weiß, dass er<br />
zuallererst ein Mann <strong>des</strong> Gebets und dann ein<br />
Evangelist war.«<br />
»Predigen<br />
bedeutet nicht,<br />
trockene Fakten<br />
aus der Bibel zu<br />
nennen; Predigen<br />
ist Theologie, die<br />
durch einen Mann<br />
gebracht wird,<br />
der brennend ist<br />
im Geist.«<br />
Innerhalb dieser 30 Jahre hielt er mehr als 4.000<br />
Predigten, und er war und ist dafür bekannt, dass<br />
er Predigtserien über ganze Kapitel und Bücher<br />
der Bibel hielt, die er Vers für Vers auslegte. Ein<br />
bemerkenswertes Werk von ihm ist beispielsweise<br />
seine Römerbrief-Auslegung, weil er 13 Jahre<br />
lang jeden Freitag über den Römerbrief predigte<br />
und ihn somit komplett auslegte. Daraus entstand<br />
eine Predigtreihe von 14 Bänden, die leider noch<br />
nicht auf Deutsch erschienen ist.<br />
Sein <strong>Die</strong>nst als Hauptprediger der Westminster<br />
Chapel nahm nach 30 Jahren im März 1968 ein<br />
plötzliches Ende, als bei ihm Darmkrebs diagnostiziert<br />
wurde. Dank Gottes Vorsehung konnte<br />
dieser Krebs durch eine erfolgreiche Operation<br />
entfernt werden. Somit endete zwar sein <strong>Die</strong>nst<br />
als Hauptprediger, jedoch öffnete Gott ihm neue<br />
Türen.<br />
Da er nun nicht mehr wöchentlich min<strong>des</strong>tens<br />
3 Predigten vorbereiten musste, verbrachte Lloyd-Jones<br />
einen Großteil seiner Zeit damit, seine<br />
Predigtreihen für die Veröffentlichung zu überarbeiten,<br />
Neues zu schreiben und in seiner Tätigkeit<br />
als Lehrer und Prediger zu reisen. So entstand in<br />
dieser Zeit aus einer 16-teiligen<br />
Vortragsreihe auch sein<br />
bekanntes Buch »<strong>Die</strong> Predigt<br />
und der Prediger«.<br />
Während dieser Genesungsphase<br />
(März bis Oktober<br />
1968) hörte er sich viele Prediger<br />
aus den verschiedensten<br />
Denominationen an, und als<br />
Zuhörer machte er folgende<br />
Beobachtung:<br />
»Ich halte zwar das fortlaufende<br />
Predigen über Bücher<br />
der Bibel für richtig, aber es<br />
kann auch auf die falsche Art<br />
und Weise geschehen – ohne<br />
Rücksicht auf den Zustand<br />
der Zuhörer zu nehmen, so<br />
dass wir zwar mit einer Textstelle hervorragend<br />
umgehen können, aber keine Botschaft für unsere<br />
Zuhörer haben.<br />
Es gibt einen Unterschied zwischen einem<br />
fortlaufenden Kommentar zu einer Textstelle und<br />
einer Predigt. Ich glaube an Auslegungspredigten,<br />
nicht an fortlaufende Kommentare. [...] Schauen<br />
Sie sich Robert M'Cheyne an: Was er wusste, ist<br />
genau das, was letztlich zählt. Er trug die Lasten<br />
seines Volkes auf seiner Seele. Er kam nicht auf<br />
die Kanzel, nachdem er einfach nur eine Predigt<br />
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vorbereitet hatte. Er kam mit einer Botschaft aus<br />
Gottes Wort.«<br />
Martyn Lloyd-Jones predigte so, dass das Wort<br />
Gottes das Herz und Gewissen seiner Zuhörer<br />
zutiefst erschütterte. Trotz der entgegengesetzten<br />
Tendenz der Gesellschaft weigerte er sich,<br />
dem Druck der Öffentlichkeit nachzugeben, die<br />
nach weltlicher Unterhaltung verlangte, um<br />
Menschen anzulocken. Statt<strong>des</strong>sen vertraute er<br />
voll und ganz auf die <strong>Kraft</strong> Gottes beim Verkündigen<br />
Seines Wortes. Das Bewusstsein über das<br />
ewige Schicksal der Menschen ließ ihm keine Zeit<br />
für Oberflächlichkeit. Seine Predigten waren klar<br />
und direkt. Er diagnostizierte Sünde als Krankheit<br />
und wies auf das einzige Heilmittel – Christus<br />
– hin. Iain H. Murray schreibt über ihn: »In<br />
den 1950er Jahren war Martyn Lloyd-Jones praktisch<br />
der Einzige in ganz England, der sich noch<br />
dem verpflichtet sah, was er ›Auslegungspredigt‹<br />
nannte.«<br />
Gott segnete die Treue dieses Predigers, der kompromisslos<br />
und mutig, biblisch und mit großer<br />
Leidenschaft das Wort predigte: Auch in London<br />
wuchs die Gemeinde von 150 auf ca. 2.500 Besucher<br />
am Sonntag an. <strong>Die</strong> Menschen kamen von<br />
überall her, um die Predigten zu hören: Ärzte und<br />
Krankenschwestern, Mitglieder <strong>des</strong> Parlaments,<br />
Studenten aus der ganzen Welt und sogar Bedienstete<br />
<strong>des</strong> königlichen Hauses. Zahllose Menschen<br />
taten Buße.<br />
Augenzeugen wie Iain H. Murray berichten, mit<br />
welcher Leidenschaft und <strong>Kraft</strong> er predigte; Gott<br />
sprach durch diesen Mann. Nach der Predigt saßen<br />
alle still da; keiner sprach ein Wort. Erst nach ca.<br />
10 Minuten gingen sie nach und nach leise hinaus.<br />
Es waren nicht die Worte von Martyn Lloyd-Jones,<br />
die diese Auswirkung hervorriefen – jeder wusste:<br />
Es war Gott, der hier durch das wahrheitsgetreu<br />
gepredigte Wort gesprochen hatte.<br />
SEIN STREBEN UND ZIEL<br />
Martyn Lloyd-Jones war kein besonderer oder<br />
vollkommener Mensch; aber er war ein Mensch,<br />
der uneingeschränkt an die Souveränität Gottes<br />
glaubte. Wie die Reformatoren, die englischen<br />
Puritaner und Spurgeon war auch er fest davon<br />
überzeugt: Gott ist in Seiner Majestät allmächtig<br />
und allwirksam. Es gibt keinen Zufall. Alles, was<br />
geschieht, ist von Gott gewollt und gelenkt.<br />
Martyn Lloyd-Jones war es, der der jungen Generation<br />
die Puritaner nahebrachte; er unterstützte<br />
das Anliegen <strong>des</strong> »Banner of Truth« Verlags, puritanische<br />
Klassiker wieder neu zu drucken. Er war<br />
überzeugt, dass das Wiederaufleben der Puritaner<br />
in den (sterilen, unfruchtbaren, dahinsterbenden)<br />
Gemeinden Englands dringend gebraucht<br />
wurde, und er sehnte sich nach dem Tag, an dem<br />
Predigten wie die von Jonathan Edwards, George<br />
Whitefield und anderen wieder in England gehört<br />
würden.<br />
Zwei gefährliche Extreme sah er, die dabei<br />
vermieden werden mussten: die tote Orthodoxie<br />
(innerlich leere Rechtgläubigkeit) eines kalten<br />
Calvinismus und andererseits das gefühlsbetonte<br />
Extrem der Pfingst- und Charismatischen Bewegung<br />
und anderer emotionsgeleiteten Bewegungen.<br />
Wonach Lloyd-Jones sich sehnte, war eine reformierte<br />
Bewegung, die das auslebt, was sie lehrt.<br />
Nur so – davon war er überzeugt – konnten die Gemeinden<br />
wieder neu erweckt werden, die ihr Vertrauen<br />
auf sich anstatt auf Gott setzten, wodurch<br />
sie in Weltlichkeit, kraftlose Lehre und oberflächliche<br />
spirituelle Erfahrung geraten waren.<br />
Martyn Lloyd-Jones war kein Übermensch und<br />
auch kein eingebildeter Pastor. Er war bekannt als<br />
ein warmherziger und gottesfürchtiger Mensch<br />
mit großer Gotteserkenntnis (nicht nur auf theologischem<br />
Gebiet) – jemand, der einen Ausritt auf<br />
einem Pferd für ein großes Glück auf Erden hielt<br />
und der ein Herz für Kinder hatte. Seine Familie<br />
kannte ihn als einen humorvollen, sanften und<br />
geduldigen Mann. Sein Enkel erzählt: »Wenn wir<br />
nach dem Gottesdienst zu seinem Arbeitszimmer<br />
in der Westminster Chapel liefen, dachten die<br />
Leute, dass wir dorthin gingen, um Belehrung von<br />
dem großen Theologen zu bekommen; aber tatsächlich<br />
hatte er dort für seine Enkelkinder kleine<br />
Cadbury Schokoladen-Bonbons versteckt. Er war<br />
immer für uns da, wenn wir Unterweisung und<br />
Hilfe brauchten; doch wir kannten und liebten ihn<br />
vor allem als Vater und Großvater.«<br />
Eine große Schwäche hatte er: Bücher. »Ob Ferien<br />
oder nicht«, so berichtete seine Frau, »Martyn<br />
braucht den Vormittag für sich – zum Lesen,<br />
34 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
Gebet und Nachdenken.« Lloyd-Jones<br />
war zeit seines Lebens ein Leser.<br />
DAS ENDE EINES<br />
GROẞEN PREDIGERS<br />
Der <strong>Die</strong>nst und das Leben von D. Martyn<br />
Lloyd-Jones entsprach dem Vers,<br />
über den er seine erste Predigt im Jahre<br />
1927 in Aberavon hielt und der heute<br />
auf seinem Grabstein steht: »Denn ich<br />
hatte mir vorgenommen, unter euch nichts<br />
anderes zu wissen als nur Jesus Christus, und<br />
zwar als Gekreuzigten« (1.Kor. 2,2). Martyn<br />
Lloyd-Jones blieb bis zu seinem Lebensende<br />
entschlossen, die Person und<br />
das Werk Jesu Christi zu verkünden<br />
und dieser Berufung treu zu bleiben bis<br />
zu seinem Tod.<br />
Seine letzte Predigt hielt er am 8. Juni 1980,<br />
und am 1. März 1981, im Alter von 81 Jahren, starb<br />
er friedlich im Schlaf und ging in die Herrlichkeit<br />
ein, um dem Gott zu begegnen, den Er liebte.<br />
D. Martyn Lloyd-Jones mit seiner Enkeltochter<br />
Es ist an der Zeit, dass treue Männer Gottes in aller<br />
Welt auf die Kanzeln treten und Gottes Wort<br />
predigen. <strong>Die</strong> Notwendigkeit danach war nie größer.<br />
In einem Zeitalter, wo die Gemeinden angespornt<br />
werden, sich dem Geist der Zeit zu ergeben<br />
und Unterhaltung zu nutzen, um die Menge anzulocken,<br />
muss die Wichtigkeit biblischen Predigens<br />
wieder zurückerobert werden, und zwar überall,<br />
wo das Volk Gottes zusammenkommt, um Ihn anzubeten.<br />
So wie in den Zeiten Lloyd-Jones‘, bleibt<br />
die Notwendigkeit für Prediger bestehen, das<br />
Wort in der <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> Heiligen Geistes zu verkündigen,<br />
um die Herde Gottes zu versorgen und die<br />
Verlorenen zu evangelisieren.<br />
Möge Ihnen das Leben und der <strong>Die</strong>nst von David<br />
Martyn Lloyd-Jones als Motivation dienen, damit<br />
Sie sich selbst dem hingeben, wozu Gott Sie berufen<br />
hat.<br />
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in das Leben <strong>des</strong> »größten Bibellehrers« <strong>des</strong> 20. Jh.s. Auf der<br />
einen Seite zeigte er starke Emotionen und auf der anderen<br />
eine furchtlose diagnostische Vorgehensweise, um der Wahrheit<br />
auf den Grund zu gehen – ob es sich um lehrmäßige oder<br />
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Wer ist ein Prediger?<br />
D. MARTYN LLOYD-JONES<br />
In seinen Vorträgen über die Predigtvorbereitung<br />
spricht Martyn Lloyd-Jones von der<br />
überaus großen Bedeutung der Predigt und<br />
erklärt, dass sie der primäre Auftrag und die<br />
wichtigste Aufgabe der Gemeinde ist. Doch wer<br />
sollte predigen, und welche Anforderungen stellt<br />
das Wort Gottes an einen Prediger?<br />
WER SOLLTE PREDIGEN?<br />
Als erste Regel möchte ich betonen, dass ganz<br />
eindeutig nicht alle Christen predigen sollten, und<br />
dass nicht einmal alle christlichen Männer dies tun<br />
sollten, noch weniger die Frauen. Wir müssen darüber<br />
nachdenken, wer wirklich zum Predigen berufen<br />
ist. Seit mehr als hundert Jahren wurde die<br />
Sichtweise angenommen, dass das Predigen fast<br />
jedem Mann, der Christ geworden ist – und später<br />
auch den Frauen – erlaubt sei. Davor gab es<br />
eine solche Praxis relativ selten; aber inzwischen<br />
ist sie ganz üblich geworden. Es ist beachtenswert,<br />
dass diese Veränderung einmal mehr theologische<br />
Ursachen hatte. Es war der Wandel im<br />
letzten Jahrhundert von einer reformierten und<br />
bibeltreuen Haltung zu einer im Grunde arminianischen<br />
oder auch liberalen, welche die Zunahme<br />
der »Laienpredigt« verursachte. Mit Laienpredigt<br />
meine ich, dass fast jeder Mann die Kanzel<br />
betreten und lehren darf.<br />
Ich behaupte, dass dies eine unbiblische Sichtweise<br />
der Verkündigung ist. Es gibt sicher außergewöhnliche<br />
Umstände, wo dies notwendig sein mag;<br />
dann würde ich aber in Frage stellen wollen, ob es<br />
sich dabei dann tatsächlich um eine »Laienpredigt«<br />
handelt. Was ich mit außergewöhnlichen Umständen<br />
meine, ist, dass es sehr wohl der Fall sein kann,<br />
dass die Gemeinde nicht in der Lage sein mag, einen<br />
Prediger im vollzeitlichen <strong>Die</strong>nst, und zwar<br />
insbesondere im <strong>Die</strong>nst der Verkündigung, zu unterhalten.<br />
<strong>Die</strong> moderne Auffassung der Laienpredigt<br />
ist, dass dies die normale Praxis und nicht die<br />
Ausnahme sein sollte, und dass ein Prediger ein<br />
Mann sei, der seinen Lebensunterhalt in einem Beruf<br />
verdiene und quasi in seiner Freizeit predige.<br />
<strong>Die</strong> außergewöhnliche Position, die ich allerdings<br />
im Blickfeld habe, ist die eines Mannes, der<br />
sich zum <strong>Die</strong>nst berufen fühlt und der gern seine<br />
ganze Zeit damit verbringen würde, für den dies<br />
jedoch wegen der Umstände, die ich beschrieben<br />
habe, unmöglich ist. Er sehnt sich nach dem Tag,<br />
an dem die Gemeinde finanziell und in anderer<br />
Hinsicht stark genug sein wird, ihn zu unterhalten,<br />
so dass er seine ganze Zeit diesem <strong>Die</strong>nst widmen<br />
kann. Deshalb würde ich ihn streng genommen<br />
nicht einen Laienprediger nennen; er ist ein<br />
Mann, der im Augenblick seinen Lebensunterhalt<br />
zum Teil dadurch bestreiten muss, dass er irgendwo<br />
arbeitet, um sein Predigen zu ermöglichen.<br />
voiceofhope.de | 37
Nun geht es mir darum, die Auffassung zu untersuchen,<br />
dass jeder Mann, der ein Christ ist,<br />
predigen könne und predigen solle. Es gibt wohl<br />
Gruppierungen in der Christenheit, die dies ständig<br />
gelehrt haben. Es gab den Slogan: »Gebt dem<br />
Neubekehrten etwas zu tun; sendet ihn aus, um zu predigen<br />
und sein Zeugnis zu geben!«, usw. Es bestand diese<br />
Tendenz, Menschen regelrecht zum Predigen<br />
zu zwingen. Vieles davon kann dem Einfluss von<br />
Charles Finney und D.L. Moody zugeschrieben<br />
werden, die es für eine besonders gute Idee hielten,<br />
den Neubekehrten »etwas zu tun zu geben«.<br />
Aus welchem Grund stehen wir dieser Haltung<br />
zum Predigtdienst kritisch gegenüber? Ich denke,<br />
dass sie daraus entsprang, dass man keinen<br />
Unterschied machte zwischen der Aufforderung<br />
an jeden Christen, »bereit [zu sein] zur Verantwortung<br />
gegenüber jedermann, der Rechenschaft fordert<br />
über die Hoffnung, die in [ihm] ist«, wie Petrus es in 1.<br />
Petrus 3,15 formuliert, und dem missverstandenen<br />
Gedanken, dass jeder Christ das Evangelium<br />
verkündigen sollte. Gewiss sollte jeder Christ erklären<br />
können, warum er ein Christ ist; doch das<br />
bedeutet nicht, dass jeder Christ predigen sollte.<br />
<strong>Die</strong>ser Unterschied kommt auf überaus interessante<br />
Weise in Apostelgeschichte 8,4-5 zum<br />
Ausdruck. Dort erfahren wir im ersten Vers, dass<br />
eine große Verfolgung der Gemeinde in Jerusalem<br />
entstand, und dass außer den Aposteln alle Glieder<br />
der Gemeinde zerstreut wurden. Dann lesen<br />
wir in den Versen 4 und 5: »<strong>Die</strong> Zerstreuten nun gingen<br />
umher und verkündigten das Wort. Philippus aber<br />
ging hinab in eine Stadt Samarias und predigte ihnen<br />
den Christus« (ELB). Manche Übersetzungen haben<br />
in beiden Fällen das Wort »verkündigen« benutzt.<br />
Im Grundtext jedoch wurde nicht in beiden<br />
Versen dasselbe Wort verwendet, und das ist der<br />
entscheidende Unterschied. Was »die Zerstreuten«<br />
taten, kann man, wie jemand vorschlug, mit »besprachen<br />
das Wort«, redeten miteinander darüber,<br />
übersetzen. Philippus dagegen tat etwas anderes:<br />
Er »predigte ihnen den Christus«. Es ist wichtig, dass<br />
ein solcher Unterschied im vorliegenden Text gemacht<br />
werden sollte.<br />
Unser Standpunkt ist also, dass jeder Christ<br />
fähig sein sollte, das zu tun, was im vierten Vers<br />
angedeutet wird, dass aber nur einzelne berufen<br />
sind, das zu tun, was im fünften Vers beschrieben<br />
wird. Im Neuen Testament wird dieser Unterschied<br />
ganz deutlich gemacht; daraus geht hervor,<br />
dass nur bestimmte Leute dazu ausgesondert und<br />
berufen sind, in der Gemeinde die Botschaft zu<br />
predigen. Das ist nämlich den Ältesten vorbehalten,<br />
und auch nur einigen von ihnen, nämlich den<br />
lehrenden Ältesten – den Ältesten, die die Gabe <strong>des</strong><br />
Lehrens empfangen haben, d. h. den Pastoren und<br />
den Lehrern (1.Tim. 5,17). Es ist deutlich, dass das<br />
Predigen im Neuen Testament auf die Apostel, die<br />
Propheten, die Evangelisten und jene anderen erwähnten<br />
Personen beschränkt war (Eph. 4,11-12).<br />
Warum ist dies meines Erachtens so wichtig?<br />
Was ist letztlich die Kritik an der so genannten<br />
»Laienpredigt«? <strong>Die</strong> Antwort läuft darauf hinaus,<br />
dass dabei von einer »Berufung« überhaupt nicht<br />
die Rede zu sein scheint. Es gibt auch noch andere<br />
Gründe, die meiner Beurteilung nach gegen diese<br />
Idee zu sprechen scheinen. Mein Hauptargument<br />
ist, dass ein Prediger nicht lediglich ein Mann ist,<br />
der dazu berufen wurde, sondern <strong>des</strong>sen ganze<br />
Zeit davon beansprucht ist.<br />
Das Predigeramt ist nicht etwas, das man sozusagen<br />
nebenbei ausüben kann. Das ist ein verkehrter<br />
Ansatz und dazu eine falsche Haltung.<br />
Wir wollen dies zunächst im Sinne dieser Frage<br />
der Berufung betrachten.<br />
WAS IST DER PREDIGER?<br />
Nun, offensichtlich ist der Prediger ein Christ wie<br />
jeder andere Christ. Das ist grundlegend und absolut<br />
unerlässlich. Doch er ist noch etwas mehr;<br />
und gerade hier stellt sich die Frage nach einer<br />
Berufung. Ein Prediger ist nicht jemand, der sich<br />
einfach dazu entscheidet, zu predigen; und genauso<br />
wenig, wie er sich dazu entscheidet, zu predigen,<br />
entscheidet er sich, den Predigtdienst als<br />
seine Berufung anzunehmen.<br />
Ich brauche kaum zu sagen, dass eine solche<br />
Meinung völlig falsch ist und dem Bild, das man in<br />
der Bibel erkennt und auch in den Biografien der<br />
großen Prediger über die Jahrhunderte hinweg<br />
sieht, völlig widerspricht.<br />
<strong>Die</strong> Antwort auf diese falsche Auffassung ist,<br />
dass das Predigtamt niemals etwas ist, das ein Mensch<br />
selbst auszuüben beschließt. Vielmehr geschieht es,<br />
dass er sich seiner »Berufung« bewusst wird. <strong>Die</strong><br />
ganze Frage der Berufung ist keine leichte Angelegenheit,<br />
und alle <strong>Die</strong>ner <strong>des</strong> Wortes haben mit ihr<br />
gerungen, weil sie für uns von so entscheidender<br />
Bedeutung ist.<br />
38 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
DIE BERUFUNG ZUM PREDIGER<br />
»Bin ich zum Prediger berufen oder nicht?<br />
Wie kann ich das wissen?«<br />
Ich möchte nahelegen, dass es dafür gewisse Kriterien<br />
gibt. Eine Berufung vollzieht sich meistens in<br />
Form eines Bewusstseins im eigenen Geist. Es beginnt<br />
mit einem Sich-Bewusstwerden, einer Art innerem<br />
Druck, der auf Ihrem Geist lastet, einer Unruhe in<br />
Ihrem Geist, und dann bemerken Sie, dass Ihre Gedanken<br />
ganz auf die Frage <strong>des</strong> Predigens gerichtet werden.<br />
Es ist nicht so, dass Sie es bewusst geplant und sich<br />
dann nach einer Weile <strong>des</strong> Nachsinnens dazu entschieden<br />
hätten, dieses Amt anzunehmen. Es ist<br />
statt<strong>des</strong>sen etwas, das mit Ihnen geschieht; Gott<br />
handelt dabei durch Seinen Heiligen Geist an Ihnen.<br />
Sie werden sich der Berufung bewusst, ohne<br />
überhaupt etwas diesbezüglich unternommen zu<br />
haben. Sie werden innerlich dazu gedrängt. Auf<br />
diese Weise wird Ihnen die Berufung ständig vor<br />
Augen geführt.<br />
Aber manchmal wird das Bewusstwerden dieser<br />
Berufung durch andere geweckt; oder eventuell<br />
wird das, was im Bereich <strong>des</strong> Geistes geschieht,<br />
durch andere bestätigt, die vielleicht mit Ihnen<br />
reden und Ihnen Fragen stellen. Auf diese Weise<br />
sind sehr oft Männer zu Predigern berufen worden.<br />
In vielen Biographien werden Sie lesen, dass<br />
ein junger Mann, der nie ans Predigen gedacht<br />
hatte, von einem Ältesten oder einem anderen<br />
geistlichen Mitbruder aus der Gemeinde angesprochen<br />
wurde, der ihm die Frage stellte: »Meinst<br />
du nicht, dass du vielleicht zum Prediger <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong><br />
berufen bist?« Der Fragesteller gibt dann seine<br />
Gründe für diese Annahme an. Er hat Sie beobachtet<br />
und sah sich dazu geführt, Sie darauf anzusprechen.<br />
Er ist vielleicht das Werkzeug zu diesem<br />
ersten Schritt. Meine Erfahrung ist, dass diese<br />
beiden Dinge meistens miteinander einhergehen.<br />
Dann entwickelt sich dies weiter und führt zu<br />
einer Sorge um andere. <strong>Die</strong>s stelle ich der nur allzu<br />
gängigen Vorstellung gegenüber, dass man in<br />
den <strong>Die</strong>nst <strong>des</strong> Wortes einfach so eintreten könne,<br />
als ob man einen Beruf oder »eine Berufung« aufnähme.<br />
Zur wahren Berufung gehört immer eine Sorge<br />
um andere, ein Interesse an ihnen, ein Erkennen ihres<br />
verlorenen Zustan<strong>des</strong> und ein Verlangen, etwas für sie zu<br />
tun, ihnen die Botschaft mitzuteilen und sie auf den Weg<br />
<strong>des</strong> Heils hinzuweisen. <strong>Die</strong>s ist ein unerlässlicher Bestandteil<br />
der Berufung; und dies ist insbesondere<br />
ein passender Prüfstein, anhand <strong>des</strong>sen wir uns<br />
selbst prüfen können.<br />
Es geschieht oft, dass junge Männer, die einem<br />
großen Prediger zuhören, von seiner Persönlichkeit<br />
oder von seiner Redegewandtheit<br />
ergriffen sind. Sie sind von ihm bewegt worden,<br />
und unbewusst beginnen sie, den Wunsch zu hegen,<br />
ihn nachzuahmen und das zu tun, was er tut.<br />
Das kann einerseits richtig, manchmal aber auch<br />
ganz verkehrt sein. Sie könnten lediglich von dem<br />
Glanz seiner Verkündigung fasziniert und von der<br />
Idee angezogen sein, ein großes Publikum anzusprechen<br />
und diese Menschen zu beeinflussen.<br />
Alle möglichen verkehrten und falschen Motive<br />
können sich einschleichen. Man kann sich vor<br />
solch einer Gefahr schützen, indem man sich die<br />
Frage stellt: Warum möchte ich dies tun? Warum<br />
kümmere ich mich darum? Und wenn man keine<br />
echte Sorge um andere und ihre Stellung und ihren<br />
Zustand hat und nicht das Verlangen bei sich<br />
entdecken kann, ihnen zu helfen, ist es völlig berechtigt,<br />
seine eigenen Motive zu hinterfragen.<br />
Aber wir müssen noch auf etwas Tiefliegenderes<br />
zu sprechen kommen: Man muss sich auch<br />
dazu gedrungen fühlen. Das ist sicher die Feuerprobe.<br />
Es bedeutet, dass Sie das Gefühl haben, einfach nichts<br />
anderes tun zu können. Es war Charles H. Spurgeon,<br />
der, wie ich meine, zu jungen Männern zu sagen<br />
pflegte: »Wenn ihr irgendetwas anderes tun könnt, dann<br />
tut das. Wenn ihr außerhalb <strong>des</strong> Amtes bleiben könnt,<br />
dann bleibt außerhalb davon.« Das würde ich sicherlich<br />
ohne jede Einschränkung auch sagen. Ich<br />
würde sagen, dass der Einzige, der zum Predigen<br />
berufen ist, jener Mann ist, der nichts anderes tun<br />
kann – in dem Sinne, dass er mit nichts anderem<br />
zufrieden ist. <strong>Die</strong>se Berufung zum Predigen ist<br />
ihm so auferlegt und übt einen solchen Druck auf<br />
ihn aus, dass er sagt: »Ich kann nichts anderes tun; ich<br />
muss einfach predigen.«<br />
Oder lassen Sie es mich so formulieren – und<br />
ich spreche hier aus persönlicher Erfahrung: Sie<br />
sind sich der Berufung sicher, wenn Sie unfähig<br />
sind, sie zurückzudrängen und ihr zu widerstehen.<br />
Sie versuchen Ihr Äußerstes, um dies zu<br />
tun. Sie sagen: »Nein, ich werde mit dem, was ich tue,<br />
fortfahren; ich bin fähig, dies zu tun, und es ist eine gute<br />
Arbeit.« Sie versuchen Ihr Äußerstes, um diese Unruhe,<br />
die auf unterschiedliche Weise von Ihrem<br />
Geist Besitz zu ergreifen sucht, zurückzudrängen,<br />
und schließlich erreichen Sie einen Punkt, an dem<br />
voiceofhope.de | 39
Sie es nicht mehr aushalten. Es wird Ihnen zu einer<br />
Leidenschaft, die so überwältigend ist, dass<br />
Sie am Ende sagen: »Ich kann nichts anderes tun, ich<br />
kann nicht länger widerstehen.«<br />
Das ist, so wie ich es verstehe, mit einer Berufung<br />
zum Predigtamt gemeint. Aber wir wollen<br />
diese noch weiter an etwas untersuchen, das<br />
genauso wichtig ist. Ich habe bereits darauf hingewiesen,<br />
und was ich meine, ist, dass in Ihnen<br />
ein Empfinden Ihrer Schüchternheit, Ihrer eigenen Unwürdigkeit<br />
und ein Empfinden Ihrer Unzulänglichkeit<br />
vorhanden sein sollte. Man kann nirgends bessere<br />
Ausdrücke finden als die, welche Paulus in 1. Korinther<br />
2,3 nennt: »Schwachheit«, »viel Furcht und<br />
Zittern«. Denselben Gedanken wiederholt er in 2.<br />
Korinther 2,16 mit der Frage: »Und wer ist hierzu<br />
tüchtig?« <strong>Die</strong> Lehre <strong>des</strong> Paulus über die Berufung<br />
Gottes zu diesem besonderen Werk führt ganz<br />
unweigerlich zu dieser Frage. Er formuliert es so:<br />
»Gott aber sei Dank, der uns allezeit in Christus<br />
triumphieren lässt und den Geruch Seiner Erkenntnis<br />
durch uns an jedem Ort offenbar macht! Denn wir sind<br />
für Gott ein Wohlgeruch <strong>des</strong> Christus unter denen, die<br />
gerettet werden, und unter denen, die verlorengehen; den<br />
einen ein Geruch <strong>des</strong> To<strong>des</strong> zum Tode, den anderen aber<br />
ein Geruch <strong>des</strong> Lebens zum Leben. Und wer ist hierzu<br />
tüchtig?« (2.Kor. 2,14-16)<br />
Wenn wir begreifen, dass diese Geisteshaltung<br />
in der Predigt vorhanden sein sollte, dann<br />
muss sich ein Mann zwangsläufig unwürdig und<br />
unzulänglich fühlen. Er ist also nicht nur zögerlich,<br />
sondern er hinterfragt und untersucht auch<br />
seine Empfindungen; er nimmt sie sehr sorgfältig<br />
unter die Lupe; er tut sein Äußerstes, um den inneren<br />
Drang zum Predigen zurückzudrängen.<br />
<strong>Die</strong>s alles betone ich, weil in unserer Zeit kaum<br />
noch darüber gesprochen wird. Es ist auch mein<br />
letztes Argument gegen die Idee der Laienpredigt.<br />
Nehmen Sie solch einen Mann, der sich selbst zum<br />
Predigen aufstellt und nicht zögert, auf eine Kanzel<br />
zu steigen und zu predigen, und der behauptet,<br />
dass er dies quasi nebenbei »in seiner Freizeit« tun<br />
könne. Was weiß er von Schwachheit, viel Furcht und<br />
Zittern? Es ist leider genau das Gegenteil der Fall;<br />
er ist in seinem Selbstvertrauen überaus kritisch<br />
und sogar verächtlich gegenüber anderen Predigern<br />
eingestellt, die in Schwachheit, viel Furcht und<br />
Zittern predigen. Obwohl diese Prediger nichts anderes<br />
zu tun haben, sind sie seiner Meinung nach<br />
elende Versager; aber er kann praktisch nebenbei<br />
predigen! Genau das widerspricht völlig dem, was<br />
wir bei dem großen Apostel sehen und was auch bei<br />
den größten Predigern der Kirchengeschichte in<br />
allen darauffolgenden Jahrhunderten der Fall war.<br />
Tatsächlich scheint es allgemein der Fall zu<br />
sein, dass ein Prediger, je größer er war, um so<br />
zögerlicher damit umging, selbst zu predigen.<br />
Oftmals mussten solche Männer von <strong>Die</strong>nern <strong>des</strong><br />
Wortes, Ältesten und anderen erst dazu gedrängt<br />
werden, weil sie nämlich so sehr vor der großen<br />
Verantwortung zurückschreckten. <strong>Die</strong>s traf bei<br />
George Whitefield zu, einem der größten Prediger,<br />
der jemals eine Kanzel geziert hat; und genau so<br />
traf es bei anderen zu. Mein Argument ist daher,<br />
dass ein Mann, der meint, er sei kompetent und<br />
könne dies mühelos tun, und der so ohne je<strong>des</strong><br />
Empfinden von Furcht und Zittern oder ohne je<strong>des</strong><br />
Zögern auf die Kanzel eilt, eigentlich jemand<br />
ist, der lauthals verkündigt, dass er nie zum Prediger<br />
berufen worden ist. Ein Mann, der von Gott<br />
dazu berufen worden ist, ist jemand, der erkennt,<br />
wozu er berufen worden ist. So erkennt er, dass<br />
das Predigen die größte Verantwortlichkeit in der<br />
Gemeinde mit sich bringt, und er schreckt <strong>des</strong>halb<br />
davor zurück. Nichts Geringeres als dieses überwältigende<br />
Empfinden, berufen worden zu sein,<br />
und der auferlegte innere Zwang sollte einen Menschen<br />
überhaupt zum Predigen veranlassen.<br />
Auszüge aus dem Buch:<br />
<strong>Die</strong> Predigt und der Prediger<br />
Basierend auf einer Reihe von Vorträgen, die Lloyd-Jones 1969 vor vielen<br />
Predigern hielt, ist diese Sammlung über das Wesen <strong>des</strong> kraftvollen Predigens<br />
zu einem Klassiker geworden. Lloyd-Jones verteidigt den Vorrang<br />
<strong>des</strong> Predigens und zeigt, dass es keinen Ersatz dafür gibt. Er fordert die<br />
Prediger auf, ihre Berufung ernst zu nehmen: »Das dringendste Bedürfnis<br />
in der christlichen Gemeinde von heute ist biblisches Predigen.«<br />
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D. Martyn Lloyd-Jones<br />
DIE HOFFNUNG<br />
der Christen<br />
»Christen sterben anders«, pflegte Dr. Lloyd-Jones häufig zu sagen – eine<br />
Wahrheit, die auch auf seinen eigenen Tod im Jahre 1981 zutraf. Als hätte er es<br />
vorher gewusst, sagte er noch kurz zuvor einen Termin für den Tag vor seinem<br />
Tod ab, und auf einer der letzten Notizen an seine Familie war zu lesen: »Betet<br />
nicht mehr für meine Heilung. Ich sehne mich nach der Herrlichkeit!«<br />
Seine irdische Zeit war abgelaufen, sein <strong>Die</strong>nst beendet und erfüllt,<br />
und er erkannte dies sehr klar. Nun hatte er nur noch einen Wunsch: nach<br />
Hause zu kommen – »heimzugehen« zu seinem Herrn, heim in die »ewige<br />
Wohnung«, die Er für ihn bereitet hatte. D. Martyn Lloyd-Jones starb im<br />
Alter von 81 Jahren an einem Sonntag – symbolisch »am Tag <strong>des</strong> Herrn«.<br />
voiceofhope.de | 41
<strong>Die</strong>se Predigt ist ein Ausschnitt aus<br />
einer Auslegung von ihm über Johannes 17,24.<br />
»Vater, Ich will, dass, wo Ich bin, auch die bei Mir seien,<br />
die Du Mir gegeben hast, damit sie Meine Herrlichkeit<br />
sehen, die Du Mir gegeben hast; denn Du hast Mich<br />
geliebt vor Grundlegung der Welt.«<br />
JESU LETZTE BITTE<br />
In diesem Vers geht es um die letzte Bitte unseres<br />
Herrn und Heilan<strong>des</strong>. Es handelt sich dabei um<br />
ein Fürbittegebet Jesu für Seine Jünger – und nicht<br />
nur für Seine Jünger, sondern für alle, die Ihm<br />
nachfolgen. Es ist die allerletzte Seiner Bitten; es<br />
sind die Worte, mit denen Er das Hohepriesterliche<br />
Gebet in Johannes 17 beendet. Es folgen dann<br />
nur noch zwei weitere Verse, in denen Er Seinen<br />
Vater daran erinnert, wie es um »Sein Eigentum«<br />
bestellt ist, also, was die Menschen auszeichnet,<br />
die an Ihn glauben und Ihm nachfolgen: »Gerechter<br />
Vater«, so sagt Er, »die Welt erkennt Dich nicht; Ich aber<br />
erkenne Dich, und diese erkennen, dass Du Mich gesandt<br />
hast. Und Ich habe ihnen Deinen Namen verkündet und<br />
werde ihn verkünden, damit die Liebe, mit der Du Mich<br />
liebst, in ihnen sei und Ich in ihnen« (Joh. 17,25-26).<br />
ERKENNEN, WER WIR SIND<br />
So wollen wir nun unser Augenmerk auf den 24.<br />
Vers richten. Was mir zu allererst auffällt, ist die<br />
Tatsache, dass eines der größten Probleme für uns<br />
– und wenn ich »uns« sage, meine ich »Christen«,<br />
das heißt Menschen, die an Christus glauben – darin<br />
besteht, dass wir die Wahrheit über uns selbst<br />
oft nicht erkennen. Es gibt im Leben eines Christen<br />
eine ganze Menge Probleme; aber ich gewinne<br />
mehr und mehr den Eindruck, dass die meisten<br />
davon, wenn nicht sogar alle, dadurch entstehen,<br />
dass wir nicht begreifen, wer wir eigentlich<br />
sind. Wie oft erkennen wir nicht, wie es um uns<br />
bestellt ist, und wie oft begreifen wir nicht den<br />
Wert all der Wahrheiten, die auf uns zutreffen,<br />
so wie es Christus Selbst zum Ausdruck gebracht<br />
hat! Denken Sie doch nur einmal darüber nach,<br />
wie viele herrliche Wahrheiten es in der Heiligen<br />
Schrift gibt! Es sind uns, wie es der Apostel Petrus<br />
ausdrückt, »die überaus großen und kostbaren Verheißungen<br />
gegeben« (2.Pt. 1,4) worden; doch wie oft geschieht<br />
es, dass wir diese Verheißungen nicht erkennen<br />
und nicht in Anspruch nehmen!<br />
Je älter ich werde, <strong>des</strong>to gewisser bin ich mir,<br />
dass viele unserer Probleme darauf zurückzuführen<br />
sind, dass wir die Schrift nicht in rechter Weise<br />
lesen und zu Herzen nehmen. Wir denken nicht<br />
genug über die Verheißungen nach, wir »bewegen<br />
sie nicht in unserem Herzen«, und dabei sind es<br />
doch Verheißungen, die uns gelten – uns ganz persönlich!<br />
Doch wir lesen sie nur und beziehen sie<br />
nicht auf unser Leben. Was meinen Sie, wie sehr<br />
sich unser Leben auf geradezu revolutionäre Weise<br />
verändern würde, wenn wir das täten!<br />
DIE FREUDE IM LEBEN<br />
DER CHRISTEN<br />
Wenn wir das Neue Testament lesen, können<br />
wir eigentlich gar nicht daran vorbeisehen, dass<br />
Christen Menschen sein sollten, die Freude ausstrahlen.<br />
Wie oft spricht die Schrift von dieser<br />
Geisteshaltung <strong>des</strong> »Sich-Freuens«! Eines der<br />
letzten Worte unseres Herrn lautete: »So habt auch<br />
ihr nun Traurigkeit; Ich werde euch aber wiedersehen, und<br />
dann wird euer Herz sich freuen, und niemand soll eure<br />
Freude von euch nehmen« (Joh. 16,22). Doch die meisten<br />
von uns sind weit entfernt von einer solchen<br />
Erfahrung. Wer könnte denn schon allen Ernstes<br />
von sich behaupten, dass er sich »mit unaussprechlicher<br />
und herrlicher Freude« (1.Pt. 1,8) über seinen<br />
Herrn freut? Doch genau das ist es, was die Bibel<br />
uns aufträgt! »Freut euch im Herrn allezeit; abermals<br />
sage ich: Freut euch!« (Phil. 4,4). Manchmal frage ich<br />
mich, ob Gott uns am Jüngsten Tag nicht einmal<br />
fragen wird, warum wir eigentlich so traurig und<br />
42 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
edrückt dahingelebt haben, warum wir anderen<br />
Menschen den Eindruck vermittelt haben, dass<br />
das Christenleben etwas Mühsames, Langweiliges<br />
und furchtbar Anstrengen<strong>des</strong> sei. Man hat nicht<br />
selten den Eindruck, dass es den Menschen, die<br />
mit dem Christentum nichts zu tun haben wollen,<br />
weit besser geht als uns Christen. Nicht-Christen<br />
machen doch oft einen sehr glücklichen und zufriedenen<br />
Eindruck, oder nicht? Natürlich wissen<br />
wir, dass dies nur Schein ist, dass diese Menschen<br />
auf lange Sicht nicht wirklich glücklich sein und<br />
bleiben werden; aber, wie gesagt, wenn man nur<br />
nach dem äußeren Anschein urteilt, entsteht doch<br />
oft dieser Eindruck. Warum ist es bei den Christen<br />
oft so anders? <strong>Die</strong> Antwort auf diese Frage lautet:<br />
Weil wir nicht begriffen haben, wer wir sind; weil<br />
wir nicht verstanden haben, was das Neue Testament<br />
über uns aussagt.<br />
Aus diesem Grund befassen wir uns ja mit dem<br />
17. Kapitel <strong>des</strong> Johannesevangeliums: um zu erkennen,<br />
wer wir Christen in Wahrheit sind. Und<br />
mit dieser letzten Bitte unseres Herrn sind wir<br />
nun beim Höhepunkt <strong>des</strong> ganzen Kapitels angelangt.<br />
Jesus betet: »Vater, Ich will, dass, wo Ich bin,<br />
auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast, damit sie<br />
Meine Herrlichkeit sehen, die Du Mir gegeben hast; denn<br />
Du hast Mich geliebt vor Grundlegung der Welt« (Joh.<br />
17,24). Jesus tritt hier Seinen letzten Weg an, denn<br />
bald muss Er die Seinen verlassen. Er wird grausam<br />
gequält werden, wird am Kreuz sterben und<br />
schließlich am dritten Tag wieder auferstehen und<br />
danach in den Himmel auffahren. Und das, was<br />
Ihm in diesen letzten Stunden am Herzen liegt,<br />
ist das Wohlergehen Seiner Jünger. Wir sehen es<br />
daran, dass Er für sie betet, und es lohnt sich, darüber<br />
nachzudenken, was Er in diesem Gebet zum<br />
Ausdruck bringt.<br />
1. WER IST ES,<br />
DER FÜR UNS BETET?<br />
Zunächst wollen wir unseren Blick auf Denjenigen<br />
richten, der hier für uns betet. Das ist sehr<br />
wichtig, denn sonst werden wir all das, was anschließend<br />
noch kommt, nicht verstehen. Nun,<br />
die Worte, die Jesus hier benutzt, sprechen eine<br />
deutliche Sprache. Er redet den ewigen, allmächtigen<br />
Gott mit »Vater« an, und diese Anrede zeigt,<br />
in welchem Verhältnis Er zu Ihm steht. Der erste<br />
Satz Seines Gebetes lautet: »Vater, die Stunde ist<br />
gekommen; verherrliche Deinen Sohn, damit auch Dein<br />
Sohn Dich verherrliche« (Joh. 17,1). Derjenige, der zu<br />
Gott »Vater« sagt, ist kein geringerer als der Sohn<br />
Gottes Selbst.<br />
Auch das nächste Wort <strong>des</strong> 24. Verses ist von<br />
Bedeutung: »Vater«, so sagt Er, »Ich will ...« – Eine<br />
sehr interessante Aussage, dieses »Ich will!«. Jesus<br />
sagt nicht: »Ich möchte« oder: »Ich wünsche<br />
Mir« (obwohl manche Übersetzungen es unglücklicherweise<br />
so ausdrücken); nein, Er benutzt ein<br />
sehr viel stärkeres Wort: Er sagt: »Ich will ...«, und<br />
wir sollten dieses »Wollen« auch so stehenlassen.<br />
Mit anderen Worten: Es gibt jemanden, der in die<br />
Gegenwart <strong>des</strong> Allmächtigen treten und zu Ihm<br />
sagen darf: »Vater, Ich will, dass, wo Ich bin, auch<br />
die bei Mir seien, die Du Mir gegeben hast« – ein Satz,<br />
der so nur gesprochen werden kann, weil hier die<br />
Gleichheit von Gott-Vater und Gott-Sohn vorausgesetzt<br />
wird; denn wer sonst als der Sohn dürfte<br />
es wagen, zum Allmächtigen »Ich will« zu sagen?<br />
Ebenso wichtig sind die Worte »vor Grundlegung<br />
der Welt«. Sie sagen etwas ganz Ähnliches aus. »Du<br />
hast Mich geliebt vor Grundlegung der Welt.« Jesus wiederholt<br />
damit etwas, was Er bereits zuvor in Vers<br />
5 gesagt hat: »Und nun verherrliche Du Mich, Vater, bei<br />
Dir Selbst mit der Herrlichkeit, die Ich bei Dir hatte, ehe<br />
die Welt war« (Joh. 17,5). Obwohl wir nun nicht bis<br />
in alle Einzelheiten über diesen Vers nachdenken<br />
wollen, ist dennoch ein Verständnis dieser Aussage<br />
sehr wichtig. Sie ist nämlich die Voraussetzung<br />
für das Verständnis <strong>des</strong>sen, was noch folgt.<br />
Jesus betet für uns. Er betet für uns, die wir heute<br />
leben, denn Er sagt ja: »Ich bitte aber nicht für diese<br />
allein, sondern auch für die, welche durch ihr Wort an<br />
Mich glauben werden« (V. 20). Das heißt: Jesus betet<br />
für die Christen aller Zeiten und allerorts; und<br />
derjenige, der für uns betet, ist kein geringerer<br />
als der ewig lebende Sohn Gottes. Dadurch erhält<br />
unser Christsein seine Grundlage und seine Absicherung:<br />
Wir sind heute Christen, weil Er aus der<br />
Ewigkeit in die Zeit hereinkam, weil Er Mensch<br />
wurde und auf Erden lebte, »in der gleichen Gestalt<br />
wie das Fleisch der Sünde« (Röm. 8,3), und weil Er all<br />
das vollbrachte, worüber die Evangelien berichten.<br />
Ein Christ – so könnte man <strong>des</strong>halb definieren<br />
– ist jemand, für den Christus, der Sohn <strong>des</strong><br />
allmächtigen Gottes, gebetet hat und heute noch<br />
betet (vgl. Hebr. 7,25).<br />
voiceofhope.de | 43
Was fällt weiterhin auf an diesem Vers? Ist es<br />
nicht das, dass Christus sich um uns sorgt? Ach,<br />
würden wir uns diese Tatsache doch öfters vor<br />
Augen halten – vor allem in den Zeiten, in denen<br />
uns der Teufel in Versuchung führt und wir mit<br />
Anfechtung oder Sünde zu kämpfen haben. Wie<br />
oft geschieht es, wenn mancherlei Probleme uns<br />
überrollen – Probleme mit uns selbst oder mit<br />
anderen Menschen –, dass wir uns alleingelassen<br />
fühlen und denken: »Es ist doch niemand bei mir;<br />
keiner versteht mich!« Aber ein solches Denken<br />
entspricht nicht der Wahrheit! Jesus Christus,<br />
der Sohn Gottes, denkt an uns! Er, der den Kreuzestod<br />
vor Augen hatte und ganz genau wusste,<br />
was Ihm bevorstand, sorgt sich in diesen letzten<br />
Stunden um Seine Jünger und um uns. Eigentlich<br />
würde man von jemandem, dem etwas so Grausames<br />
bevorsteht, doch erwarten, dass er nur noch<br />
an sich selbst denkt, und vor allem auch nur noch<br />
für sich selbst betet. Doch wenn Sie sich das ganze<br />
Gebet <strong>des</strong> Herrn ansehen, werden Sie feststellen,<br />
dass Christus lediglich in den ersten fünf Versen<br />
an sich denkt; der gesamte Rest ist der Fürbitte für<br />
Seine Jünger gewidmet. Es ist sehr wichtig, dass<br />
wir das erkennen; wir müssen begreifen, dass der<br />
Sohn <strong>des</strong> allmächtigen Gottes für uns gebetet hat,<br />
und dass Er jetzt, in diesem Augenblick, da Er zur<br />
Rechten <strong>des</strong> Vaters sitzt, noch immer für uns betet<br />
(vgl. Hebr. 7,25).<br />
2. WIE SIEHT UNS DER HERR?<br />
Was sagt nun der Sohn Gottes über uns? Es geht<br />
jetzt, nachdem wir uns eingangs mit der Wahrheit<br />
über Christus beschäftigt haben, im zweiten<br />
Punkt darum, herauszufinden, wie die Wahrheit<br />
über uns selbst aussieht – über die Menschen, für<br />
die Er betet.<br />
Wer sind wir? Wir finden die Antwort auf diese<br />
Frage in einer der Aussagen, die Jesus in Seinem<br />
Hohepriesterlichen Gebet mehrmals wiederholt.<br />
Dort bezeichnet Er die Christen als »die, die<br />
Du Mir gegeben hast«. – »Vater«, so sagt Er, »Ich will,<br />
dass, wo Ich bin, auch die bei Mir seien, die Du Mir gegeben<br />
hast« (V. 24). Christen sind also Menschen, die<br />
Gott der Vater Seinem Sohn gegeben hat. Sehen<br />
wir uns in diesem Zusammenhang noch einmal<br />
Vers 6 an: »Sie waren Dein, und Du hast sie Mir gegeben,<br />
und sie haben Dein Wort bewahrt.« Ich kann mir keine<br />
tröstlichere Aussage als diese vorstellen! Ich bin<br />
Christ, weil ich zu den Auserwählten Gottes gehöre!<br />
So sagt es die Heilige Schrift, die uns die Lehre<br />
von der Erwählung nicht nur an dieser, sondern<br />
auch noch an vielen anderen Stellen vor Augen<br />
führt. Siebenmal betont unser Herr in Seinem Gebet<br />
diese Tatsache: <strong>Die</strong> Menschen, für die Er mit<br />
Seiner Fürbitte einsteht, sind Menschen, die Gott<br />
vor Grundlegung der Welt erwählt hat und die Er<br />
Ihm, dem Sohn, gegeben hat. Können Sie sich etwas<br />
Schöneres und Tröstlicheres vorstellen?<br />
Gott kümmert sich in wunderbarer Weise um<br />
Seine Kinder! Er kannte sie, lange bevor sie geboren<br />
wurden. Bevor Er die Welt und den ersten<br />
Menschen erschuf, hat Er schon an Sein Eigentum<br />
gedacht. Vor Anbeginn der Zeiten vertraute<br />
Er diese Menschen Seinem Sohn an. Es muss zu<br />
diesem Zweck so etwas wie eine Konferenz der<br />
Dreieinigkeit im Himmel gegeben haben: einen<br />
ganz bestimmten Zeitpunkt, an dem Gott der Vater<br />
Seinem Sohn diese Menschen, die erst noch<br />
geboren werden sollten, übergab und Ihn dann<br />
für Seine irdische Mission beauftragte, damit Er<br />
sie erlöste und auf die ewige Gemeinschaft mit<br />
Gott vorbereitete. Das ist es, worum es im christlichen<br />
Glauben geht. <strong>Die</strong>s ist der Grund, warum der<br />
Sohn Gottes in die Welt kam: <strong>Die</strong> Menschen waren<br />
in Sünde gefallen, hatten sich von Gott abgewandt<br />
und standen nun außerhalb Seiner Liebe und Fürsorge.<br />
Doch Er schickt Seinen Sohn in die Welt mit<br />
dem Auftrag, für diese Menschen aktiv zu werden,<br />
die Er Ihm anvertraut hat; und alles, was der Sohn<br />
für diese Gruppe von Menschen tat, tat Er auch<br />
für uns. <strong>Die</strong>s war der Zweck, zu dem Sein Vater<br />
Ihn auf die Erde sandte, wie es unser Herr Selbst<br />
gesagt hat: »gleichwie Du Ihm Vollmacht gegeben hast<br />
über alles Fleisch, damit Er allen ewiges Leben gebe,<br />
die Du Ihm gegeben hast« (V. 2). Und nun, am Ende<br />
Seines irdischen Daseins, tritt Er wieder vor den<br />
Vater und sagt zu Ihm: »Ich habe Dich verherrlicht auf<br />
Erden; Ich habe das Werk vollendet, das Du Mir gegeben<br />
hast, damit Ich es tun soll« (V. 4).<br />
Wenn Sie von sich sagen können, dass Sie ein<br />
Christ sind, dann dürfen Sie sich über die Gewissheit<br />
freuen: »All das trifft auch auf mich zu!«<br />
Seit ewigen Zeiten hat Gott an Sie gedacht,<br />
denn Er sorgt sich um Seine Kinder. Sie sind Ihm<br />
so viel wert, dass Er Seinen Sohn zu ihnen schickte.<br />
Jesus verließ die Herrlichkeit <strong>des</strong> Vaters, lebte<br />
auf dieser Erde und starb einen grausamen Tod<br />
am Kreuz. Warum? Damit wir, Seine Kinder, neu-<br />
44 | <strong>Die</strong> <strong>Kraft</strong> <strong>des</strong> <strong>Evangeliums</strong> 2/20
es Leben erhielten, eine neue Natur – ein Wesen,<br />
das es uns ermöglicht, einst ohne Schuld vor Ihm<br />
zu erscheinen, um dann bis in alle Ewigkeit in<br />
Seiner Gegenwart zu leben. »<strong>Die</strong>, die Du Mir gegeben<br />
hast ...« <strong>Die</strong>se Menschen, die Ihm der Vater gegeben<br />
hat, gehören in gewisser Weise nicht mehr<br />
zur Welt. Jesus spricht von einem Gegensatz zwischen<br />
der Welt einerseits und Seinem Volk andererseits.<br />
Auch dieser Gedanke zieht sich durch das<br />
gesamte Hohepriesterliche Gebet: »Ich bitte für sie;<br />
nicht für die Welt bitte Ich, sondern für die, welche Du<br />
Mir gegeben hast, weil sie Dein sind« (V. 9), und Er<br />
fährt dann im 25. Vers fort: »Gerechter Vater, die Welt<br />
erkennt Dich nicht ...« – Jesu Sorge gilt im Moment<br />
also nicht der Welt –, »Ich aber erkenne Dich, und diese<br />
erkennen, dass Du Mich gesandt hast«. Wen meint Er<br />
mit »diese«? Es ist offensichtlich, dass es die Menschen<br />
sind, die nicht mehr zur Welt gehören. Sie<br />
sind »geheiligt«, aus der Welt herausgenommen<br />
und abgesondert von dem, was die Bibel »ein verdrehtes<br />
und verkehrtes Geschlecht« (Phil. 2,15) nennt.<br />
Was ich in diesem Zusammenhang besonders<br />
betonen möchte, ist der Aspekt <strong>des</strong> Trostes. Stellen<br />
Sie sich doch nur einmal vor: Wir leben als Christen<br />
in einer direkten, persönlichen Beziehung zu<br />
Gott, unserem Vater. Ist das nicht ein herrlicher<br />
und tröstlicher Gedanke? Haben wir eigentlich jemals<br />
so richtig begriffen, was das bedeutet? Bewegen<br />
wir diese Tatsachen in unserem Herzen? Denken<br />
wir in der Stille vor Gott darüber nach, dass<br />
der Sohn Gottes, kurz bevor Er am Kreuz sterben<br />
musste, vor allem eines im Sinn hatte: das Wohl<br />
der Menschen, die der Vater Ihm gegeben hatte, so<br />
wie Er es sagt: »<strong>Die</strong>, die Du Mir gegeben hast?« (Joh.<br />
17,9). – Es geschieht mit Blick auf diese Menschen,<br />
dass der Sohn Gottes sagt: »Ich will …« Haben wir<br />
erkannt, dass es hier um uns geht? Wir verfallen<br />
ja oft in den falschen Gedanken, dass doch »eigentlich<br />
alles in unserer Hand« liege, dass wir<br />
uns für ein neues Leben »entschieden« haben, oder<br />
dass wir »von nun an« moralisch einwandfrei leben<br />
wollen. Doch das Christsein ist nicht unsere<br />
Sache. Es beruht nicht auf unserer Entscheidung.<br />
Es geht um etwas ganz anderes: Bevor Sie und ich<br />
geboren wurden, hat uns Gott schon erwählt und<br />
uns Seinem Sohn, unserem Herrn Jesus Christus,<br />
übergeben. Der Sohn kam auf die Welt, weil<br />
der Vater Sie, mich und alle anderen Christen auf<br />
dieser Welt »[Ihm] gegeben« hatte, damit Er diese<br />
Menschen erretten und für sie sterben sollte. Und<br />
nur <strong>des</strong>halb, weil Er gekommen ist und uns durch<br />
Sein teures Blut erkauft hat, gehören wir zu Ihm.<br />
Wie traurig und wie tragisch, wenn wir diese Tatsachen<br />
nicht erkennen! Wie furchtbar, wenn wir<br />
auf uns selbst sehen und nur uns selbst vertrauen!<br />
Es kommt doch nicht auf unsere Aktivität an,<br />
sondern auf das, was Christus für uns getan hat!<br />
3. WAS BETET<br />
DER HERR FÜR UNS?<br />
Nachdem wir nun darüber nachgedacht haben,<br />
wer für uns betet, und was es für Menschen sind,<br />
für die Er betet, sollten wir uns nun noch eine dritte<br />
Frage stellen: Was betet denn Christus für uns?<br />
Nachdem der Herr um die Dinge gebetet hat,<br />
die uns nicht geschehen sollen (V. 15), betet Er nun<br />
um etwas, das mit uns geschehen soll: Er bittet<br />
Gott um unsere Heiligung, das heißt: Er bittet den<br />
Vater darum, dass wir Ihm ähnlicher werden, dass<br />
wir mehr und mehr tauglich werden für die Gemeinschaft<br />
mit Ihm. <strong>Die</strong>s sollten wir nie vergessen,<br />
wenn wir über unser Leben als Christen hier<br />
auf dieser Welt nachdenken. Denn das Leben auf<br />
dieser Welt ist eine Vorbereitung für das Leben in<br />
der kommenden Welt. Heiligung ist – so könnte<br />
man diesen Begriff definieren – das Vorbereitet-Werden<br />
auf unser Leben in der neuen Welt.<br />
Wir werden »geheiligt«, d. h. abgesondert von der<br />
Welt, und sind dazu erwählt, in einer immer innigeren<br />
Gemeinschaft mit unserem Herrn zu leben.<br />
»Heilige sie in Deiner Wahrheit« (Joh. 17,17), betet<br />
Jesus. Dann betet Er darum, dass wir das Band der<br />
Einheit, die uns der Heilige Geist durch die Wiedergeburt<br />
geschenkt hat, auch aufrechterhalten.<br />
<strong>Die</strong>se Einheit im Geist ist nicht etwas Mechanisches<br />
oder Methodisches, sondern etwas Lebendiges<br />
und Organisches; und um die Aufrechterhaltung<br />
dieser Gemeinschaft und Einheit mit Ihm<br />
betet unser Herr.<br />
Nachdem Er nun diese Bitten ausgesprochen<br />
hat, kommt der Herr Jesus zum wichtigsten und<br />
herrlichsten Teil Seines Gebetes – zu den Versen,<br />
in denen Er Seinen Willen zum Ausdruck bringt.<br />
Mit anderen Worten: Das Gebet <strong>des</strong> Herrn umfasst<br />
unsere Vergangenheit, unser gegenwärtiges<br />
Leben und unsere Zukunft. Denn für einen Jünger<br />
<strong>des</strong> Herrn ist bis in alle Ewigkeit gesorgt. Das Beste<br />
kommt noch!<br />
voiceofhope.de | 45
NEU<br />
GOTT WOHLGEFÄLLIG LEBEN<br />
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»Manchmal scheint es uns im Leben zwei Schritte<br />
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Heiligung ist kein alltägliches Wort. Tatsächlich hat es in unserer ich-fokussierten<br />
Welt der Sucht nach sofortiger Befriedigung wenig Wert. Doch unabhängig<br />
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R.C. Sproul (1939-2017) war ein<br />
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Schau ich zu<br />
Deinem Kreuze hin<br />
Schau ich zu Deinem Kreuze hin, wo Du für mich gestorben bist,<br />
zu Schaden wird, was sonst Gewinn, was einst mein Stolz gewesen ist.<br />
Dein Kreuz zerstört den falschen Ruhm; durch Deinen Tod bin ich befreit,<br />
gebunden als Dein Eigentum an Dich allein für allezeit.<br />
Sieh an Sein dorngekröntes Haupt, aus Seinen Wunden quillt Sein Blut;<br />
und wer an solche Liebe glaubt, dem kommt Sein Kreuzesschmerz zugut.<br />
Was ich zum Dank auch gebe Dir, die ganze Welt ist noch zu klein;<br />
der Dank für diese Liebe hier kann nur mein eignes Leben sein.<br />
Eine Chorpartitur dieses Lie<strong>des</strong><br />
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Text: Isaac Watts • Melodie: Aus Irland<br />
Arrangement: James Koerts