Militaer_2_2020
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0 4 4 S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />
„Nationen haben Interessen, keine Freunde“<br />
REINHARD MARAK ist leitender<br />
Funktionär und Spartenobmann<br />
der Arbeitsgemeinschaft Sicherheit<br />
und Wirtschaft in der Wirtschaftskammer<br />
(WKO).<br />
Herr Marak, ist der Eindruck richtig, dass<br />
sich der österreichische Rüstungs- und<br />
Sicherheitssektor nach dem Niedergang<br />
in den 1980er- und 1990er-Jahren nun<br />
beständig aufwärts entwickelt?<br />
Dieser Eindruck täuscht nicht – in den vergangenen<br />
fünf Jahren weisen die Unternehmen<br />
des Sektors eine Wachstumsrate von<br />
28 Prozent auf. Inzwischen zählt das Segment<br />
rund 130 Unternehmen, von denen<br />
100 in unserer Arbeitsgemeinschaft organisiert<br />
sind. 90 Prozent dieser Unternehmen<br />
sind KMU und Zulieferer von Komponenten<br />
wie Elektronik oder Kommunikation, allesamt<br />
sind sie äußerst wettbewerbsfähig<br />
und decken fast das gesamte Spektrum der<br />
Militär- oder Polizeibedürfnisse ab.<br />
Angeblich könnte das Bundesheer einer<br />
neuen Untersuchung zufolge einen Großteil<br />
seines Materialbedarfs ausschließlich<br />
bei heimischen Anbietern abdecken?<br />
Basierend auf den beiden Generalstabsberichten<br />
über den Investitionsrückstau und<br />
die Materialnöte beim Bundesheer aus dem<br />
vergangenen Jahr, haben wir unter unseren<br />
rund 100 assoziierten Mitgliedsunternehmen<br />
gefragt, inwieweit verfügbare Technologien<br />
und Produkte aus ihrem Portfolio<br />
diese Anforderungen erfüllen können. Die<br />
Antworten haben sogar uns überrascht: Im<br />
Bereich der geschützten Mobilität könnten<br />
inländische Anbieter erstaunliche 92 Prozent<br />
des Bedarfs abdecken, bei der Soldaten-Ausrüstung<br />
sind es 90 Prozent, bei der<br />
allgemeinen Mobilität 87 Prozent und bei<br />
den Luft-Überwachungskomponenten immerhin<br />
50 Prozent. Unter dem Strich<br />
könnten unsere Mitglieder rund 70 Prozent<br />
der benötigten Fähigkeiten liefern.<br />
Wurde auch untersucht, wie groß bei<br />
Aufträgen bei heimischen Herstellern die<br />
Rückflüsse in den Staatshaushalt sind?<br />
GDELS-Steyr hat das im Zusammenhang mit<br />
dem Auftrag über 34 neuen Pandur EVO<br />
durch das Bundesheer gemacht. Demnach<br />
laufen vom Auftragswert von 105 Millionen<br />
Euro rund 30 Prozent als Mehrwertsteuer<br />
retour ins Budget und 20 Prozent als Lohnsteuer<br />
aus den Gehältern der Mitarbeiter. Es<br />
gibt auch noch weitere kleinere Rückflüsse,<br />
unter dem Strich refinanzieren sich die Ausgaben<br />
für den Staat zu mehr als 50 Prozent.<br />
Inwieweit sind die Kriegsmaterial-<br />
Exportgesetze Österreichs ein Wettbewerbsnachteil<br />
für heimische Hersteller?<br />
Grundsätzlich handeln alle europäischen<br />
Unternehmen entsprechend den EU-Verordnungen<br />
für Waffenausfuhren, allerdings werden<br />
diese in den Ländern unterschiedlich<br />
ausgelegt. Es gibt daher Märkte, für die<br />
Österreich keine Exportlizenz zulassen<br />
würde, während andere – wie beispielsweise<br />
Frankreich, die Tschechische Republik<br />
oder die Slowakei – dies sehr wohl tun.<br />
Sie orten eine Wettbewerbsverzerrung?<br />
Natürlich, wobei das Exportprozedere im<br />
Vergleich zu früher definitiv berechenbarer<br />
geworden ist und rascher abgewickelt wird.<br />
In diesem Zusammenhang würde ich gerne<br />
mit einem Vorurteil aufräumen ...<br />
Nämlich?<br />
Die Öffentlichkeit glaubt, dass wir und die<br />
anderen europäischen Verteidigungs- und<br />
Sicherheitsfirmen von sich zuspitzenden<br />
Konflikten profitieren. Allerdings ist das Gegenteil<br />
der Fall: Wenn das Risiko gegeben<br />
ist, dass unsere Produkte Kämpfe und Auseinandersetzungen<br />
befeuern könnten,<br />
schließt sich dieser Exportmarkt für uns.<br />
Dann übernehmen außereuropäische Akteure<br />
wie China oder Russland den Markt.<br />
Können Sie abschließend einen Ausblick<br />
auf die Zukunft des Sektors geben?<br />
Die meisten europäischen Staaten haben<br />
zuletzt die Relevanz von Sicherheit und<br />
Verteidigung wiedererkannt. Es wurden ein<br />
Europäischer Verteidigungsfonds und eine<br />
Generaldirektion für die Verteidigungs- und<br />
Raumfahrtindustrie eingerichtet, mithilfe von<br />
PESCO soll mehr in die Verteidigung investiert<br />
werden. Es wäre wünschenswert, wenn<br />
sich Österreich mehr an diesem Trend orientieren<br />
könnte und der Investitionsanteil beim<br />
Bundesheer deutlich steigen würde. Das<br />
würde unserem Sektor enorm helfen, davon<br />
würde aber auch die europäische Sicherheit<br />
profitieren. Denn niemand sollte glauben,<br />
dass alle um uns herum für immer Freunde<br />
und Partner sein werden. Nationen haben<br />
primär Interessen, keine Freunde.<br />
M I l I t ä R A K t U E l l