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Militaer_2_2020

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0 3 2 H E E R &<br />

M<br />

E H R<br />

sogenannten ,Anthrax-Briefe‘ starben<br />

,nur‘ fünf Personen“, so Daskin,<br />

„über Wochen und Monate hinweg<br />

trauten sich aber Millionen Menschen<br />

nicht mehr, ihre Post zu öffnen.<br />

Schon vergleichsweise kleine<br />

Anschläge mit Biowaffen haben also<br />

das Potenzial, ganze Gesellschaften<br />

in Angst und Schrecken zu versetzen<br />

und unseren Alltag aus dem Lot zu<br />

bringen.“<br />

Am ehesten könnte eine derartige<br />

Attacke aktuell wohl von Terrororganisationen<br />

wie al-Qaida oder dem Islamischen<br />

Staat ausgehen, der IS hat<br />

in der Vergangenheit bereits Anleitungen<br />

zur Herstellung biologischer<br />

Kampfstoffe im Internet verbreitet.<br />

Vorstellbar wäre auch, dass Extremisten<br />

über dunkle Kanäle bei staatlichen<br />

Stellen und Streitkräften in<br />

die Hand von Biowaffen kommen<br />

und diese einsetzen. Nach einem<br />

richtiggehenden Entwicklungswettlauf<br />

zwischen den Großmächten um<br />

immer noch zerstörerischere Biowaffen<br />

zur Zeit des Kalten Kriegs<br />

sind diese zwar offiziell seit 1975<br />

verboten, einige Staaten – im Verdacht<br />

steht unter anderem Nordkorea<br />

– sollen sich aber nicht an die<br />

Vereinbarungen halten. Um die Weitergabe<br />

durch mögliche schwarze<br />

Schafe zu verhindern und verdächtige<br />

Fälle rasch aufdecken zu können,<br />

fordern Vertreter des Europarats<br />

mehr internationale Zusammenarbeit<br />

und ein gemeinsames Überwachungssystem.<br />

Mit praktischen<br />

Übungen sollten sich die Länder zudem<br />

auf den potenziellen Ernstfall<br />

bestmöglich vorbereiten. Unter Beobachtung<br />

stehen rund 100 Erreger,<br />

Toxine und biologische Agenzien,<br />

die laut Experten Eigenschaften aufweisen,<br />

die für Militärs und auch<br />

Terroristen interessant sind. Zwölf<br />

davon, das sogenannte „dreckige<br />

Dutzend“, gelten als wahrscheinliche<br />

Ausgangstoffe potenzieller B-Waffen:<br />

Bakterien wie die Erreger von<br />

Pest und Q-Fieber finden sich darunter<br />

ebenso wie Pocken- und Ebola-<br />

Viren.<br />

„Vor diesem Hintergrund stufen wir<br />

Terrorismus mit Massenvernichtungswaffen<br />

als ein systemisches,<br />

also die Resilienz Österreichs gefährdendes<br />

Risiko ein. Systemischer<br />

Terrorismus, insbesondere in Form<br />

von Bioterrorismus, setzt zwei bisherige<br />

Grundannahmen strategischer<br />

Sicherheitsplanungen außer Kraft:<br />

Vorwarnzeiten und Eintrittswahrscheinlichkeiten.<br />

Daher müssen bisher<br />

als hypothetisch angenommene<br />

Risiken, mit geringer Wahrscheinlichkeit<br />

aber hohen Auswirkungen,<br />

sogenannte strategische Schocks,<br />

nunmehr als planungsrelevant<br />

eingestuft werden“,<br />

so Daskin.<br />

Für Martin Weiler, Referatsleiter<br />

Biologie und Toxikologie im ABC-<br />

Abwehrzentrum in Korneuburg,<br />

geht von Biotoxinen wie dem ebenfalls<br />

zum „dreckigen Dutzend“ gehörenden<br />

Rizin die größte Gefahr aus.<br />

„Das sind Giftstoffe, die durch Organismen<br />

produziert werden und die<br />

vergleichsweise einfach herstellbar<br />

sind.“ Damit lassen sich zwar keine<br />

Massenvernichtungswaffen erzeugen<br />

oder eine Pandemie mit übertragbaren<br />

Erregern auslösen, internationale<br />

Aufmerksamkeit wäre Angreifern<br />

trotzdem garantiert. Ein vor zwei<br />

Jahren vereitelter Plan Kölner Islamisten<br />

zum Einsatz einer „Rizin-<br />

Bombe“ in Deutschland machte jedenfalls<br />

weltweit Schlagzeilen. Nicht<br />

anders verhielt es sich 1978 infolge<br />

des sogenannten Regenschirmattentats,<br />

als der bulgarische Journalist<br />

und Dissident Gergi Markow in London<br />

von bulgarischen Geheimdienstagenten<br />

auf offener Straße mit einem<br />

Regenschirm angegriffen wurde, dessen<br />

Spitze zuvor mit einer kleinen<br />

Rizin-Kugel präpariert worden war.<br />

Wie steht es aber um das Risiko eines<br />

großflächigen terroristischen Angriffs<br />

mit einem neuen Krankheitserreger<br />

mit großem Ansteckungs- und Tötungspotenzial?<br />

Könnten sich Terroristen<br />

die Möglichkeiten moderner<br />

Gentechnik und Mikrobiologie für<br />

die Konstruktion eines „neuen Supervirus“<br />

zunutze machen und global<br />

zur Anwendung bringen? Martin<br />

Weiler sitzt am Besprechungstisch<br />

eines Aufenthaltsraums in der<br />

Dabsch-Kaserne und überlegt: „Das<br />

ist rein theoretisch natürlich nicht<br />

auszuschließen“, sagt er dann nach<br />

einigen Sekunden, „wahrscheinlich<br />

ist es aber nicht. Da bewegen wir uns<br />

im Bereich der absoluten Spitzenforschung.<br />

Dafür ist viel Wissen notwendig,<br />

enorm viel Geld, Zeit und<br />

eine hochprofessionelle Infrastruktur.<br />

Das ist also nichts, was eine Gruppe<br />

FOTO : P I X A B AY<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L

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