18.06.2020 Aufrufe

Militaer_2_2020

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

CORONA<br />

SPEZIAL<br />

„Bei uns liefen<br />

mehrere Krisen parallel“<br />

Foto : b e i g e st e l lt<br />

Oberst des höheren<br />

militärfachlichen dienstes<br />

nikOlaus rOttenberger<br />

ist seit 2016 Militärattaché für Italien,<br />

Malta, Spanien, Albanien und<br />

Griechenland mit Sitz in Rom.<br />

dazu muss man wissen, dass neben italien<br />

auch griechenland, malta, albanien<br />

und spanien zu ihrem Zuständigkeitsbereich<br />

gehören. Wirkte sich die ausbreitung<br />

des coronavirus in irgendeiner<br />

form auf die flüchtlingssituation in<br />

diesen ländern aus?<br />

Wie aus den Medien bekannt, ist die<br />

Flüchtlings- und Migrationssituation in<br />

einigen südlichen eU-ländern wie beispielsweise<br />

griechenland prekär. Andere<br />

wie etwa spanien kommen mit der situation<br />

gut zurecht. insgesamt hat die Ausbreitung<br />

der Pandemie die Flüchtlingsund<br />

Migrationsbewegung weitgehend<br />

zum erliegen gebracht. Dies hängt neben<br />

der Zurückhaltung der Flüchtlinge und<br />

Migranten auch mit dem vorsichtigen Verhalten<br />

der schlepper und dem kompletten<br />

erliegen des Personenverkehrs an den<br />

land- und seegrenzen zusammen.<br />

ist der rückgang der flüchtlingszahlen<br />

auch der grund dafür, dass sich die<br />

türkei-griechenland-Problematik,<br />

die sie zuvor bereits angesprochen<br />

haben, zuletzt etwas entspannt hat?<br />

Die grundsätzliche lage hat sich für griechenland<br />

nicht verändert, ich konnte mir<br />

noch Anfang März selbst ein bild vor ort<br />

machen. Jedoch wartet die Masse der<br />

Flüchtlinge und Migranten auf türkischer<br />

seite den beginn der lockerungen der<br />

Corona-Maßnahmen ab. Dann ist aber<br />

wieder mit einem verstärkten Zustrom<br />

an den grenzen zu rechnen.<br />

Zu den aufgaben eines militärattachés<br />

gehört die informationsbeschaffung<br />

und informationsaufbereitung über<br />

Vorgänge in den empfangsstaaten<br />

ebenso wie hilfestellung für österreichische<br />

staatsbürger im ausland bei<br />

krisenfällen. das heißt, sie hatten in<br />

den vergangenen Wochen alle hände<br />

voll zu tun?<br />

Ja, denn neben den Herausforderungen<br />

der Flüchtlings- und Migrationssituation<br />

fand die Krise an der griechisch-türkischen<br />

grenze parallel zur Ausbreitung der Pandemie<br />

statt. es liefen bei uns also mehrere Krisen<br />

parallel. Als Militärattaché unterstütze<br />

ich meine vorgesetzten Dienststellen in<br />

Österreich und meine botschafter sowohl<br />

bei der informationsgewinnung als auch<br />

-aufbereitung. Zusätzlich bin ich das bindeglied<br />

zu unseren Partnerstreitkräften in meinen<br />

gaststaaten. Für die österreichischen<br />

staatsbürger fühlen wir uns alle in den<br />

botschaften verantwortlich, mein büro hat<br />

dabei konkret die evakuierungsflüge aus<br />

italien unterstützt, aber auch die Rückkehr<br />

österreichischer soldaten, die hier im<br />

einsatz oder in der Ausbildung waren.<br />

in italien kam relativ schnell auch die<br />

armee im kampf gegen die ausbreitung<br />

des Virus zum einsatz. inwiefern<br />

konnten sie rückschlüsse aus dem<br />

einsatz und der situation vor Ort nach<br />

österreich weitergeben?<br />

in italien waren schon vor dem Ausbruch<br />

der Pandemie permanent 7.000 soldaten<br />

der operation „sichere straßen“ im inlandseinsatz.<br />

Diese Präsenz hat der Regierung<br />

von Anfang an sehr geholfen. schon<br />

ab Mitte Februar haben die streitkräfte in<br />

ganz italien 5.000 betten für die Quarantänemaßnahmen<br />

anbieten können, darüber<br />

hinaus wurden sanitätseinrichtungen und<br />

transportraum zur Verfügung gestellt. Da<br />

die Maßnahmen rund drei Wochen vor<br />

beginn des lockdowns in Österreich<br />

umgesetzt wurden, ergaben sich für das<br />

bundesheer einige interessante Aspekte,<br />

etwa beim truppenschutz und der Ausbildung.<br />

abschließend: Wenn sich die sicherheitslage<br />

verschärft und krisensituationen<br />

wie aktuell die corona-Pandemie<br />

eintreten, sollte es eigentlich Ziel sein,<br />

die internationale Zusammenarbeit auszubauen,<br />

um gefahren für österreich<br />

frühzeitig erkennen und die eigeninteressen<br />

der republik bestmöglich wahren<br />

zu können. rechnen sie in Zukunft<br />

mit einem bedeutungsanstieg der<br />

militärdiplomatie?<br />

eindeutig ja. gerade bei Verschärfungen<br />

der sicherheitslage und in Krisen ist ein<br />

enger Kontakt mit unseren Partnern im Ausland<br />

zu halten. Neben der Notwendigkeit,<br />

der strategischen ebene im generalstab,<br />

im Verteidigungsministerium und der<br />

österreichischen bundesregierung ein<br />

möglichst lückenloses lagebild zu bieten,<br />

muss auf ebene der Ministerien und der<br />

streitkräfte das internationale Kontaktnetz<br />

intakt bleiben. Nur so können aktuelle entwicklungen<br />

erfasst sowie informationen<br />

und erfahrungen ausgetauscht werden.<br />

Auch können so die Maßnahmen an unseren<br />

grenzen und darüber hinaus sowie nationale<br />

und internationale Hilfeleistungen<br />

mit unseren Partnerländern wirkungsvoll<br />

abgestimmt werden. Diese Vernetzung<br />

stellt die Militärdiplomatie durch das Netz<br />

der Militärattachébüros weltweit sicher.<br />

m i l i t ä r a k t u e l l

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!