WOLL Magazin für Warstein, Möhnesee, Rüthen Sommer 2020

Shut down trifft
auf Sauerländer
Sabina Butz
Anke Kemper
W
as hier gerade global von einem Virus namens Corona angerichtet wird, ist natürlich nichts zum
Lachen oder Schmunzeln, sondern eine ganz gefährliche und ernst zu nehmende Pandemie. Gleichwohl
dürfen wir im Umgang mit dieser weltweiten Katastrophe die regionalen Abwehrmaßnahmen und Befindlichkeiten
auf kleinere, menschliche Schwächen abtasten, denn: In Krisenzeiten hat sich Humor immer schon
als guter Helfer erwiesen.
Also darf man auch lachen, wenn
man im eingeschränkten sozialen
Verkehr, also zum Beispiel beim
Postamt, überhört, wie eine ältere
Dame mit einem Abstand von zwei
Meter zu einer Bekannten - für alle
Umstehenden gut zu hören - erklärt,
dass sie sich „schon immer nur „mit
Anstand“ unterhalten habe. Offensichtlich
verlangt der Anstand genau
die geforderten zwei Meter Abstand?
Das ist so eine Sache mit den vielen
neuen Begriffen, die wir uns von
jetzt auf gleich einprägen müssen.
Quarantäne kannten die Mescheder
ja schon aus den 1970er Jahren, als
die Pocken hier herrschten. Damals
fehlten aber viele der heute gängigen
Vokabeln: „Systemrelevante Berufsgruppen“
ist da noch recht einfach
zu verstehen: Das sind einfach die
Berufstätigen, ohne die unsere Gesellschaft
nicht funktionieren kann,
also Berufe der Gesundheits- und
Altenpflege, Polizei, Feuerwehr und
viele mehr.
Das Gegenteil, also systemirrelevant,
sind auf jeden Fall die Senioren,
die aber auch zugleich besonders
schutzwürdig sind. Hm, ganz schön
kompliziert. Sollen die Älteren sich
jetzt freuen über die besondere
Schutz-Stellung oder wäre es angebrachter,
über die verschärften
Qurantäne-Empfehlungen zu jammern?
Der Sauerländer nimmt’s – wie immer
– gelassen. Er bastelt sich einen
Mundschutz, wenn er denn Gummiband
ergattern kann, er praktiziert
social distancing, wobei er die Übersetzung
„gemeinnützige Entfernung“
jetzt nicht wirklich gut einordnen
kann. Er schüttelt keine Hände mehr,
was manchem durchaus gelegen
kommt, und er freut sich, dass diese
ewige Küsschen-rechts- und-Küs s-
chen-links-Mode ihm nicht mehr
abverlangt wird, die er allemal nie so
ganz verstanden hat: Erst rechts und
dann links oder umgekehrt und von
wem aus gesehen?
Die Herren Drosten, Streek und
Kekulé werden es irgendwie schon
richten, ob jetzt langsam oder schneller,
darauf kommt es doch nicht an,
solange er sein Schwätzchen über die
fast zwei Meter breite Gartenhecke
noch führen kann. ■
WOLL Sommer 2020- 59