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RITTER BLAUBART - Badisches Staatstheater - Karlsruhe

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den, gab Cour, Hofbälle, die meistenteils<br />

aus zwölf bis fünfzehn Personen bestanden,<br />

da auf die eigentliche Courfähigkeit<br />

strenger geachtet wurde als an den größten<br />

Höfen, und die Stadt war gutmütig<br />

genug, den falschen Glanz dieses träumerischen<br />

Hofes für etwas zu halten, das<br />

ihr Ehre und Ansehen bringe. So nannten<br />

die guten Sieghartsweiler den Fürsten<br />

Irenäus ihren gnädigsten Herrn, illuminierten<br />

die Stadt an seinem Namensfeste<br />

und an den Namenstagen seines Hauses<br />

und opferten sich überhaupt gern auf für<br />

das Vergnügen des Hofes wie die atheniensischen<br />

Bürgersleute in Shakespeares<br />

Sommernachtstraum.“<br />

Auch Irenäus hat, wie König Bobèche,<br />

einen debilen Sohn als Thronfolger, eine<br />

unglückliche Frau mit dubioser erotischer<br />

Vergangenheit und eine etwas überspannte<br />

Tochter und feiert in der tiefsten<br />

Provinz Feste nach dem Vorbild von Versailles,<br />

die ebenso wahnsinnig veraltet<br />

sind wie sie teuflisch schiefgehen. Kurz,<br />

sein Hof ist Zerrspiegel absurden Machtstrebens,<br />

das, wie von Geisterhand der<br />

Realität enthoben, nur noch mit den Beinchen<br />

in der Luft strampelt.<br />

E.T.A. Hofmann und Jacques Offenbach<br />

treffen also nicht erst in Offenbachs<br />

letzter und einziger „ernster“ Oper Hoffmanns<br />

Erzählungen kongenial aufeinander,<br />

sondern haben bereits in Blaubart ihr<br />

Präludium. Nur wenige Jahre nach Beendigung<br />

des Blaubart sollte Offenbach<br />

bereits mit der Niederschrift seiner Hoffmanniade<br />

beginnen, die ihn über fast 20<br />

Jahre beschäftigen und doch bei seinem<br />

Tod unvollendet bleiben sollte.<br />

Fast unvermeidlich erscheint das künstlerische<br />

Zusammentreffen des in Frank-<br />

reich heimischen, gleichwohl wie Heinrich<br />

Heine in den späteren Lebensjahren<br />

unter Druck der politischen Spannungen<br />

zwischen Frankreich und Deutschland<br />

zunehmend unbehausten Deutschfranzosen<br />

und seines fünfzig Jahre älteren<br />

Landsmannes, der unstet umherzog, erst<br />

in den letzten Jahren seines kurzen Lebens<br />

in Berlin so etwas wie eine bürgerliche<br />

Existenz fand, dabei künstlerisch vom<br />

Establishment jedoch immer geächtet<br />

blieb und im ganzen 19. Jahrhundert in<br />

Frankreich größere Beachtung fand als<br />

im eignen Land, obgleich er nie französischen<br />

Boden betreten hatte.<br />

Wenngleich der Mozartverehrer und<br />

Schöpfer der ersten romantischen Oper<br />

Undine eine deutlich andere Musikästhetik<br />

vertrat als Offenbach zumindest in<br />

seiner mittleren Schaffensphase, sind sie<br />

doch in einem Aspekt spiegelbildlich, und<br />

Offenbach hat sich gegen Ende seines<br />

Lebens wohl auch mit dem zerrissenen<br />

Kapellmeister Kreisler identifiziert.<br />

Hoffmann führt in seinen Erzählungen<br />

und insbesondere den späten Satiren die<br />

Kunst des ernsten Scherzes zur Vollendung,<br />

indem er das scheinbar Gewöhnliche<br />

durch kleine Wendungen in eine<br />

Phantastik schießen lässt, die gerade<br />

nicht die Nabelschnur zur Realität kappt,<br />

sondern vielmehr deren vermeintlich<br />

sicheren Boden in seinen Grundfesten<br />

erschüttert.<br />

Auch Offenbachs schreiend komische<br />

Szenerien erwachsen aus ganz gewöhnlichen<br />

Situationen, in denen sich große<br />

Herrscher wie der Gott Jupiter oder König<br />

Bobèche mit dem selben Hauskreuz<br />

geschlagen sehen, wie jedermann im<br />

Publikum und in denen die häuslichen<br />

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